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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE STRANGERS (Bryan Bertino/USA 2008)


"Why are you doing this to us?" - "Because you were home."

The Strangers ~ USA 2008
Directed By: Bryan Bertino

Drei maskierte Gewaltverbrecher (Gemma Ward, Kip Weeks, Laura Margolis) terrorisieren ein von einer just einsetzenden Beziehungskrise gebeuteltes Paar (Scott Speedman, Liv Tyler) in einem ruralen Wochenendhaus. Nach anfänglichen Piesackereien wird die Bedrohung durch das Trio immer konkreter, bis schließlich klar ist, wo die Reise enden muss.

Erst nach einiger nachträglicher Beschäftigung mit dem Film konnte ich ihm noch ein bisschen was abgewinnen und muss ihn im Nachinein nicht - wie noch während und kurz nach der Betrachtung - als Totalausfall verbuchen. Zunächst hatte ich das Gefühl, "The Strangers" befände sich auf dem mittlerweile recht gerodeten Areal des Terrorfilms irgendwo am soften Spektrum und versuche, sich durch bewusste Zurückhaltung größere Publikumsschichten zu erschließen. Zudem hatte ich Probleme mit der motiventleerten Handlungsweise der Täter und ihrer diffusen Zeichnung innerhalb des Films, die eine Identifizierung bis zum Schluss verweigert. Ich bleibe auch dabei: Bertinos Film ist handwerklich und narrativ letztendlich durchweg überraschungsfrei und bis auf ein paar ziemlich durchschaubare und manipulative Effekte auf der Tonspur sogar von der Nemesis der Langeweile bedroht. Ist man jedoch bereit, den Film von einer Metawarte aus zu betrachten, wird er doch noch ein wenig interessant. Das Terrortrio versinnbildlicht in gewisser Weise zugleich die verschenkte Chance einer festen Liebesbeziehung wie auch eine Art überirdischen Anhaltens zum Überdenken der gegenwärtigen Situation. Nachdem ein zaghafter Versöhnungsakt zu Beginn noch von den Dreien unterbrochen wird, gestatten sie dem Paar am Ende, sich doch noch seine aufrichtige Liebe zu gestehen, bevor es dann mit für den gegenwärtigen Terrorfilm verhältnismäßig rascher Systematik ins Jenseits entlassen wird. Speziell für den weiblichen Teil des Paars, Kristen, wird die zu Beginn des Films geschilderte Zurückweisung von James' Heiratsantrag zu einer nachträglichen, reuigen Bürde. So müsste die finale Antwort auf die quälende Frage "Why are you doing this to us?" eigentlich lauten: "Because you faltered." Aber das hätte vermutlich keiner kapiert und der oberflächlich nach wie vor ordinäre Film ist und bleibt damit durchschnittlich.

5/10

Terrorfilm Nacht Bryan Bertino Belagerung Home Invasion


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THE WAY WE WERE (Sydney Pollack/USA 1973)


"Fascists!"

The Way We Were (So wie wir waren) ~ USA 1973
Directed By: Sydney Pollack

Sie: eine erzrote, gegen alles unliberale wetternde, jiddische Kommunistin; er: ein gutaussehender, sportiver Jüngling mit Zukunft in Hollywood, erfolgreich in allem, was er tut. Als Katie (Barbra Streisand) und Hubbell (Robert Redford) sich nach längerer Bekanntschaft ineinander verlieben, ist klar, dass sie keinesfalls füreinander geschaffen sind. Eine überaus komplizierte Beziehung mit anschließender Ehe ist die Folge, die endgültig zerbrechen muss, als der McCarthyismus Hollywood und damit auch die Existenzen von Katie und Hubbell überflutet.

Wenn die Liebe sich nicht mit den Liebenden verträgt, wird es brenzlig: Edler Romantikkitsch, ein typisches Streisand-Vehikel und damit zugleich ein typischer Studio-Gegenentwurf zu New Hollywood, wie er so nur in den Siebzigern entstehen konnte. Mit einem intellektuell durchaus tragfähigen Polit-Fundament versehen und permanent unterlegt von Streisands gleichnamigem Ohrwurm erzählt Pollack sein durchaus hübsches, eine Ära von immerhin gut zwei Jahrzehnten umfassendes Rührstück. Versiert, geradlinig und weithin überraschungsfrei, wie es sich für den Regisseur mit zunehmender Routine gehört, toll gespielt mit feinen Nebenparts für James Woods, Bradford Dillman und Patrick O'Neal, letzten Endes aber doch bloß Patina (wenn auch edle) am kulturellen Monolith seiner Filmdekade. Bedenklich wird es, wenn das durchaus sensible Thema der Kommunistenhatz in schwammiger Weise für das ansonsten eher banale Liebesdrama ausgebeutet wird. Wer einen vorsätzlich schmalzigen Taschentuchtränker sehen will, ist mit "The Way We Were" super bedient, wer sich für einen filmischen Abriss über die erzählte Ära interessiert, kann und sollte indes zu Besserem greifen.

6/10

Sydney Pollack McCarthy-Ära Hollywood New York period piece


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THEY SHOOT HORSES, DON'T THEY? (Sydney Pollack/USA 1969)


"It isn't a contest. It's a show."

They Shoot Horses, Don't They (Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss) ~ USA 1969
Directed By: Sydney Pollack

Während der Depressionsära hält der Showman Rocky (Gig Young) berühmt-berüchtigte Marathon-Tänze ab, die als Publikumsspektakel gelten und ihre Teilnehmer mit sieben täglichen Mahlzeiten und einem Hauptgewinn von 1500 Dollar locken. Kleine Zwischenpausen erlauben den Tanzpartnern ein kontinuierliches Weitermachen. Für die sich unnahbar gebende Gloria ist der Geldpreis die größte Verlockung, bis sie den wahren Zynismus der Veranstaltung durchschaut.

Bitterböses Sozialdrama und einer von Pollacks besten Filmen. Wie viele Werke der Ära New Hollywood bedient sich "They Shoot Horses" des harschen Realismus der Depressionsära, um dem seinerzeit durch die bekannten Affären wackelnden Staat durch die Aufarbeitung vergangener Sünden noch zusätzlich ans Bein pinkeln zu können. Der porträtierte Tanzmarathon unterscheidet sich in seiner ausbeuterischen Gestalt kaum von den Zirkusspektakeln im alten Rom bzw. nimmt er die dystopischen Ausmaße perverser Reality-Show-Formate an, zeitgebunden allerdings ohne den massenmedialen Kontext. Auch hier geht es keineswegs um Gewinn oder Verlust, sondern um die pure Befriedigung sadistisch-voyeuristischer Publikumsgelüste: Während des weit über eintausend Stunden dauernden "Tanzes" brechen die Menschen zusammen, werden wahnsinnig, sterben. Eine hochschwangere Frau (Bonnie Bedelia) macht einzig und allein zugunsten ihres Mannes (Bruce Dern) und ihres ungeborenen Kindes mit, eine psychisch labile Laienschauspielerin (Susannah York) erhofft sich, für Hollywood entdeckt zu werden. Am Ende steht für sie alle die bittere Erkenntnis, lediglich auswechselbare Rädchen in einem irrsinnigen Getriebe zu sein. Getragen von jeweils bemerkenswert intensivem Spiel und Pollacks dichter, unbarmherziger Inszenierung eines der Meisterwerke seiner Zeit.

9/10

Great Depression Tanz New Hollywood Sydney Pollack period piece Kalifornien


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HIGH ANXIETY (Mel Brooks/USA 1977)


"Too much bondage. Not enough discipline!"

High Anxiety (Höhenkoller) ~ USA 1977
Directed By: Mel Brooks

Der in Harvard tätige, unter krankhafter Höhenangst leidende Psychiater Dr. Thorndyke (Mel Brooks) übernimmt die Leitung des "Psychoneurotischen Instituts für die sehr, SEHR Nervösen", weil sein Vorgänger urplötzlich das Zeitliche gesegnet hat. Thorndyke kommen einige Dinge in der Klinik ziemlich spanisch vor, besaonders das Personal macht einen nachhaltig verdächtigen Eindruck. Als der Doktor zu einem Symposium nach San Francisco fährt, schließt er die angenehme Bekanntschaft einer netten jungen Dame (Madeline Khan) und die unangenehme Bekanntschaft eines weniger netten Killers (Rudy De Luca), der Thorndyke ausschalten soll.

Wenn auch etwas weniger formvollendet als "Blazing Saddles" und "Young Frankenstein" ist dies doch mein Lieblings-Brooks, da er die Gratwanderung zwischen ehrlich gemeinter Hommage und klamaukiger Verarsche, wie sie in seinen späteren Filmen leider obligat wurde, am meisterlichsten beherrscht. Einige Einstellungen aus den persiflierten Hitchcock-Filmen werden nicht nur originalgetreu nachgestellt, sondern zugleich bezüglich ihres suggestiven Humors bezüglich entlarvt. Natürlich sollte ein Schwarm Vögel, der sich auf einem benachbarten Klettergerüst niederlässt, einen eigentlich weniger um sein nacktes Leben als um die Sauberkeit seiner Textilien fürchten lassen, eine so offensichtliche wie witzige Erkenntnis. Neben "The Birds" knöpft sich Brooks noch vornehmlich "Spellbound", "North By Northwest", "Vertigo" und "Psycho" vor, die ebenso liebevoll wie respektlos durch den Kakao gezogen werden. Besondere Erwähnung verdient die schon in "Young Frankenstein" brillante Cloris Leachman. Sie macht nahezu die halbe Miete dieses brooks'schen Höhenfluges.

9/10

Mel Brooks Parodie Farce San Francisco Psychiatrie Satire


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YOUNG FRANKENSTEIN (Mel Brooks/USA 1974)


"I suggest you put on a tie."

Young Frankenstein (Frankenstein Junior) ~ USA 1974
Directed By: Mel Brooks

Obschon Dr. Frederick Frankenstein (Gene Wilder) sein Familienerbe stets verleugnet hat, reist er eines Tages nach Transsylvanien, um das Schloss seines legendären Großvaters in Augenschein zu nehmen. Es dauert nicht lange, bis Frederick das geheime Labor und die Aufzeichnungen seines Vorvaters aufstöbert und seine Bestimmung erfüllt, einen toten Körper wieder zum Leben zu erwecken. Die üblichen Monsterquerellen folgen, bis Frederick es schafft, der Kreatur (Peter Boyle) per elektrischer Übertragung sein eigenes Genie einzubläuen.

Unmittelbar nach "Blazing Saddles" schuf Brooks diese nicht minder minutiöse, in frechem Schwarzweiß gefilmte Verballhornung, wobei diesmal die klassischen Horrorfilme der Universal als Zielscheibe des wohlmeinenden Spotts herhalten mussten. Speziell die ersten drei "Frankenstein"-Filme mit Boris Karloff wurden formal teils pedantisch nachgestellt, unter anderem finden sich große Teile des originalen Labor-Equipments aus dem 31er-Film wieder, das der Set-Designer Ken Strickfaden besorgte, der schon (ungenannterweise) an Whales Werk mitgearbeitet hatte. (Un-)Heimlicher Höhepunkt von "Frankenstein Junior" dürfte die erste Überland-Wanderung des Monsters sein, bei der es mit einem kleinen Mädchen (Anne Beesly) auf der Wippe spielt und den obligatorischen Eremiten (Gene Hackman) kennenlernt, der natürlich für die üblichen, hier allerdings noch originellen Blinden-Witzchen herhalten muss. Allerdings ist auch die Musical-Szene mit "Puttin' On The Ritz" nicht übel. Overall, another Lachschlager.

8/10

Frankenstein Parodie Satire Monster Farce Mel Brooks


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BLAZING SADDLES (Mel Brooks/USA 1974)


"Mornin', ma'am. And isn't it a lovely mornin'?" - "Up yours, nigger."

Blazing Saddles (Der wilde, wilde Westen) ~ USA 1974
Directed By: Mel Brooks

Das Städtchen Rock Ridge soll der Eisenbahn weichen, weswegen der böse Hedley Lamarr (Harvey Korman) alles dafür tut, die Einwohner zu vertreiben. Nachdem selbst der Einsatz des schwarzen Sheriffs Bart (Cleavon Little) nebst einigen anderen Gemeinheiten nicht den gewünschten Effekt besorgt, heuert Lamarr sämtliche Desperados und Galgenvögel der Umgebung an, um Rock Ridge dem Erdboden gleich zu machen. Doch Bart und sein neuer Kumpel Waco Kid (Gene Wilder) haben eine Wahnsinnsidee...

Respektlose Westernparodie, die zugleich eine wunderhübsche Rassismus-Satire abgibt. Brooks selbst ist in zwei Rollen zu sehen, als schielender, notgeiler Gouverneur und als jiddisch sprechender Sioux-Chief, jeweils absolute Highlights des Films. Ansonsten wäre natürlich die berühmte "Lagerfeuer-Szene" hervorzuheben, in der etwa zwanzig Cowboys schweigend um besagte Wärmequelle herumhocken, Bohnen essen und in vollster Lautstärke furzen und rülpsen. Vermutlich handelt es sich hier um eine Pionierleistung - die erste große Furzszene der Leinwand. Schließlich darf die große Madeline Khan als Tingeltangelsängerin Lili von Shtupp nicht vergessen werden, die eine unglaubliche Dietrich-Persiflage hinlegt. Der helle Wahnsinn.

8/10

Rassismus Mel Brooks Parodie Satire Eisenbahn Farce


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THE PRODUCERS (Mel Brooks/USA 1968)


"When you've got it, flaunt it!"

The Producers (Frühling für Hitler) ~ USA 1968
Directed By: Mel Brooks

Der neurotische Buchprüfer Leo Bloom (Gene Wilder) bringt den abgehalfterten Broadway-Produzenten Max Bialystock (Zero Mostel) auf die grandiose Idee, Investorengelder zu veruntreuen, indem man ein von vornherein als Megaflop konzipiertes Stück auf die Beine stellt. Dafür kann nur das geschmacklose Nazi-Hurra "Frühling für Hitler" infrage kommen, geschrieben von einem völlig verrückten deutschen Exilanten (Kenneth Mars), inszeniert von einem nicht minder wahnsinnigen Regisseur (Christopher Hewitt), titelbesetzt mit einem den Gipfel des Irrsinns erklimmenden Darsteller (Dick Shawn). Max und Leo ergaunern sich siegesgewiss das Budget bei diversen alten Damen - und staunen nicht schlecht, als die Premiere ihres Stücks zu einem rasenden Publikumserfolg wird.

Brooks' klassisches Regidebüt liefert gleich den absoluten Slapstick auf riesigen Stelzen und ist wahrscheinlich noch um einiges bizarrer und durchgedrehter als seine späteren Werke. Als Jude darf er natürlich geschmacklosen Schabernack mit der Nazikultur treiben, ohne dass ihm gleich die Ethospolizei auf die Kammer rückt und da die Preisgabe zur Lächerlichkeit sowieso das wirksamste Mittel der Entdämonifizierung ist, passt seine Farce auch wie die Faust aufs Auge. Ansonsten sollte man vielleicht ein Faible mitbringen für grelle Faxenmacherei, infantiles Herumgeschreie- und gesinge und sich überhaupt ein kindliches Komikherz bewahrt haben, denn Brooks' überkandidelte Kaspereien sind nicht immer eben subtiler Natur. Das heißt natürlich nicht, dass man mit ihnen keinen Spaß haben kann und soll, denn lachen ist immer gesund, auch wenn es mal nicht vom Kopf, sondern vom Bauch her kommt.

8/10

Theater Mel Brooks New York Broadway Slapstick Satire Farce Freundschaft


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DER RICHTER UND SEIN HENKER (Maximilian Schell/BRD, I 1975)


"Just one damn year."

Der Richter und sein Henker ~ BRD/I 1975
Directed By: Maximilian Schell

Seit einer vor dreißig Jahren geschlossenen Wette, derzufolge ein Mord vor den Augen eines Polizisten begangen werden könne, ohne gesetzlich gesühnt zu werden, ist der mittlerweile schwer magenkranke Schweizer Kommissar Bärlach (Martin Ritt) hinter seinem Erzfeind (Robert Shaw) her. Jener, ein wahrer Teufel in Menschengestalt, hat mittlerweile die Identität eines einflussreichen Großbürgers namens Gastmann angenommen und verübt seine Verbrechen nun unweit von Bärlachs Heimat Bern. Diesmal scheint Gastmann jedoch einen Fehler gemacht zu haben: Er hat scheinbar Bärlachs jungen Partner Schmied (Donald Sutherland) ermordet. Zusammen mit Schmieds übereifrigem Nachfolger Tschanz (Jon Voight) hängt sich Bärlach an Gastmanns überdeutliche Fährte.

Ein später Sieg des Guten über das ewiglich Böse: Die Verfilmung von Dürrenmatts berühmter Novelle ist ein kleines, matt scheinendes Glanzstück des europäischen Kinos der siebziger Jahre. Von Schell mit einem verhältnismäßig kleinen Budget hergestellt, aber dafür einigen, die trocken-pointierte Sprache des Buchs sogar noch krönenden Regieeinfällen versetzt, gelingt es ihm und dem Autor selbst hervorragend, Dürrenmatts herbstliche, zudem mit einem sehr finsteren Menschenbild kokettierende Atmosphäre zu transponieren. Unter Schells Regie bekommt das Buchpersonal durchweg adäquate Leinwandentsprechungen, von dem Regisseur Ritt über die erlauchte schönheit von Jacqueline Bisset bis hin zu Sutherlands irrwitzigem Anfangs-Cameo als Leiche Schmieds. Und Jon Voight ist als Bösewicht sowieso stets am Besten.

8/10

Maximilian Schell Friedrich Duerrenmatt Schweiz Bern Duell Herbst


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THE MOLLY MAGUIRES (Martin Ritt/USA 1970)


"I am what you think!"

The Molly Maguires (Verflucht bis zum jüngsten Tag) ~ USA 1970
Directed By: Martin Ritt

Pennsylvania, 1876: In einer kleinen, aus Briten und Iren bestehenden Bergmannskolonie begehren einige der Arbeiter gegen die inhumanen Bedingungen auf, unter denen sie dort arbeiten müssen. Da sie dabei in höchstem Maße gewalttätig und gesetzeswidrig vorgehen, sind sie nicht nur den Industriebossen, sondern auch der Polizei ein Dorn im Auge. Der Polizist James McParlan (Richard Harris) lässt sich unter falschem Namen in die engmaschig strukturierte Gesellschaft der Arbeiter eingeschleusen, um die sich selbst "Molly Maguires" nennenden Werkssaboteure von innen sprengen zu können.

Undercover-Storys sind stets ein dankbarer Stoff für große Gefühle und altmodische Schuld-und-Sühne-Geschichten. Zumeist wird jemand aus einer mit strengem Ehrenkodex geführten Ethnie zum Verräter oder Denunzianten, weil er irgendwann die Seiten gewechselt hat und nun für die Obrigkeit tätig ist. Ähnlich verhält es sich auch in "The Molly Maguires": Jamie McParlan, der sich kurzum in McKenna umbenennt, kennt die insulanischen Gepflogenheiten noch von der Pike auf und lässt sich von Jack Kehoe (Sean Connery), dem Kopf der Maguires, immer wieder auf seine Seite ziehen, auch wenn er es später nicht zugeben wird. Ferner gilt es zu bedenken, dass die hier untergrabene Vereinigung sich bestenfalls indirekt als 'kriminell' kategorisieren lässt: Die Molly Maguires betreiben lediglich Arbeitskampf in Guerilla-Form, eine Notwendigkeit angesichts der sie uimgebenden, kapitalistischen Willkür. Für sein rußgeschwärztes Drama findet Ritt herrlich nostalgische Bilder (James Wong Howe) und kann mit Henry Mancini einen Komponisten vorweise, der sich auch hervorragend auf irische Folkklänge versteht.

8/10

Bergarbeit Martin Ritt Pennsylvania ethnics Gewerkschaft Working Class Historie period piece


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NEVER LET ME GO (Mark Romanek/UK, USA 2010)


"We all complete."

Never Let Me Go (Alles, was wir geben mussten) ~ UK/USA 2010
Directed By: Mark Romanek

Hinter dem mit strengen erzieherischen Methoden geführten Waisen-Internat Hailsham verbirgt sich ein unfassliches Geheimnis: Sämtliche der hier beheimateten Schülerinnen und Schüler sind Klone, einzig und allein geschaffen, um irgendwann kranke Organe zu ersetzen - menschliche Ersatzteillager sozusagen. Um jedoch eine möglichst gesunde körperliche Entwicklung zu gewährleisten, lässt man den Kindern und Jugendlichen fast alle Freiheiten, die ihre "normalen" Pendants auch genießen können. Bis dann eines Tages als junge Erwachsene die erste "Spende" auf sie wartet, bis sie, in der Regel nach ihrer dritten Spende, 'vollenden', also ihren Existenzzweck erfüllt haben. Inmitten dieser fatalistischen Realität wachsen die drei Freunde Kathy (Carey Mulligan), Tommy (Andrew Garfield) und Ruth (Keira Knightley) auf, und bei dreien ist bekanntlich immer einer zuviel...

Tieftraurige, sich rückwärts wendende Dystopie, die zeitlich von den 1970ern bis in die 1990er hinein angesetzt ist. Innerhalb der alternativen Realität des Films ist bereits in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts der Großteil aller Forschungsgelder in die Heilung schwerer Krankheiten geflossen, wobei die finale Konsequenz vorsieht, dass nur jederzeit verfügbare Ersatzorgane einen langfristigen, ultimativen Sieg über die Menschheitsgeißeln gewährleisten können. Den geklonten Kindern wird ihre medizinische Determinierung keineswegs vorenthalten - bereits in frühen Jahren werden sie mit ihrer Herkunft und ihrem Existenzzweck vertraut gemacht und so sukzessive an ihr künftiges Schicksal adaptiert. Da dennoch für viele menschliche Regungen Platz ist im Leben der Spender, wird Tommy bald zum Mittelpunkt einer amourösen Verflechtung: Während die etwas spröde Kathy ihn aufrichtig liebt, fackelt die eifersüchtige Ruth nicht lange und "nötigt" ihn zur rein körperlichen Beziehung. Dass all das am Ende keine Rolle mehr spielt, müssen alle drei, selbst Kathy, die noch vor ihrer ersten Spende lange Jahre als 'Betreuerin' für ihre Schicksalsgenossen tätig ist, verzweifelt einsehen.
Für den Videokünstler Romanek ist "Never Let Me Go", dessen Romanvorlage (Kazuo Ishiguro) vielerorts zu Begeisterungsstürmen hinriss, erst die zweite Arbeit fürs Kino. Sein Mut zur Tristesse gereicht ihm zur Ehre, anders hätte der Film jedoch auch nicht aussehen dürfen, um seine volle Wirkung zu entfalten. Große Emotionen, die einen planierraupengleich überrollen.

8/10

Internat Klone Organspende England Alex Garland Parallelrealität Kazuo Ishiguro Mark Romanek Schule





Filmtagebuch von...

Funxton

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