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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DEAR BRIGITTE (Henry Koster/USA 1965)


"'Fromage' is French for 'cheese'."

Dear Brigitte (Geliebte Brigitte) ~ USA 1965
Directed By: Henry Koster

Dass sein achtjähriger Sohnemann Erasmus (Bill Mumy) es überhaupt nicht mit schöngeistigen Disziplinen hat, sondern stattdessen ein Mathematik-Genie ist, passt dem zerstreuten Poeten und Literaturprofessor Leaf (James Stewart) überhaupt nicht in den Kram. Vor allem, dass sich plötzlich alle Welt für das kleine Zahlenwunder begeistert und es für persönliche Zwecke einzuspannen versucht, wurmt den Professor enorm. Als sich herausstellt, dass 'Ras' auch eine todsichere Technik hat, die Wahrscheinlichkeitsgewinner bei Pferderennen vorauszusagen, ergibt sich für Professor Leaf zumindest die Gelegenheit, seinem Filius den Herzenswusch zu erfüllen, einmal die von ihm heißblütig bewunderte Brigitte Bardot zu treffen.

"Dear Brigitte" ist so bieder, dass er auch als deutsches Wirtschaftswunderkino durchgehen könnte, wären da nicht die gescheite Regie Kosters und natürlich der ergraute Jimmy Stewart. Letzterer wiederholt nochmal fast exakt seine Rolle aus "No Highway", sogar erneut mit seiner damaligen Partnerin Cyril Johns an seiner Seite. Mit der einzigen Ausnahme, dass die beiden klugen Köpfe Honey und Leaf ihr Wissensmetier trennt, könnte "Dear Brigitte" auch als verspätetes Sequel des vierzehn Jahre älteren Films durchgehen. Liebhaber desselben dürften ergo auch für den freundlichen "Dear Brigitte" einiges an Sympathie erübrigen, wenn auch die zunehmende, spießige Oberflächlichkeit, mit welcher derlei Kino damals gemacht wurde, symptomatisch ist für die Ideenlosigkeit und den abnehmenden Einfluss der großen Studios. "Dear Brigitte" ist ergo ein zwiespältiger Film - zum Einen recht liebenswert, zum anderen ein untrügliches Indiz dafür, dass es allerhöchste Zeit wurde für frisches Blut in Form der dräuenden Kulturrevolution.

6/10

Henry Koster San Francisco Wunderkind Familie Nunnally Johnson


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MR. HOBBS TAKES A VACATION (Henry Koster/USA 1962)


"First an albino and now a pygmy!"

Mr. Hobbs Takes A Vacation (Mr. Hobbs macht Ferien) ~ USA 1962
Directed By: Henry Koster

Das Ehepaar Hobbs (James Stewart & Maureen O'Hara) macht Urlaub in einem maroden Ferienhäuschen am nordkalifornischen Strand. Nicht nur die Baufälligkeit ihrer Wohnstatt macht ihm dabei zu schaffen, sondern auch die problembehafteten vier Kinder, die nicht minder problembehafteten Enkelkinder und Schwiegersöhne sowie der potenzielle zukünftige Chef (John McGiver) eines (Josh Peine) der beiden letzteren.

Nach einer elfjährigen Pause, in der Henry Koster unter anderem damit beschäftigt war, für sein Vertragsstudio Fox biblische Stoffe sowie den ersten CinemaScope-Film zu inszenieren, fand er wieder mit James Stewart zusammen und machte mit ihm drei leichte Familienkomödien in Folge, die zusammen eine nette kleine Anthologie des unbeschwerten, belanglosen Mainstream-Unterhaltungskinos kurz vor dem Zusammenbruch des Studiosystems ergeben. Der erste davon, "Mr. Hobbs Takes A Vacation", ist zugleich der beste; eine en gros zwar zahnlose, zuweilen jedoch auch spitzzüngige Satire, in der die Unwägbarkeiten der Außenwelt tatsächlich nie die Bastion 'Familie' bedrohen und in der sich, trotz anderslautender Tendenz zu Beginn - am Ende alles zum Besten fügt, natürlich, weil der so heldenhafte wie erfahrene Familienvater Hobbs/Stewart jedwedes Kind zu schaukeln weiß. Dem zuzuschauen ist jedoch auch eine Art von Seelenbalsam - es gibt zuweilen herzhaft etwas zu lachen, wofür primär John McGiver als in einer für ihn typischen Rolle als kauziger Unternehmer verantwortlich ist. Besonders hierzulande hat sich "Mr. Hobbs" für mehrere Generationen als TV-Evergreen hervortun können - nun ist er nach langer Wartezeit zusammen mit "Dear Brigitte" endlich auf DVD erschienen.

8/10

Henry Koster Kalifornien Ferien Satire Familie Nunnally Johnson


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NO HIGHWAY (Henry Koster/UK, USA 1951)


"I expect for the tail to fall off."

No Highway (Die Reise ins Ungewisse) ~ UK/USA 1951
Directed By: Henry Koster

Der bei 'Royal Aircraft' beschäftigte, genialische Physiker und Mathematiker Theodore Honey (James Stewart) hat errechnet, dass ein neues, bereits serienmäßig im Einsatz befindliches Flugzeug der Marke 'Rutland' aufgrund der starken Vibrationen nach etwas über 1400 Flugmeilen sein Heck verlieren und abstürzen muss. Einen diesbezüglichen Fall gab es mutmaßlich bereits, lediglich die Absturzursache konnte bislang nicht eindeutig bewiesen werden. Also schickt man Honey persönlich zum Unglücksort, der während des Überseefluges feststellen muss, dass er ausgerechnet in einer Rutland mit rund 1400 abgeleisteten Flugmeilen sitzt...

Ein spannender kleiner Film, der Stewart seinen erfolgreichen Elwood-P.-Dowd-Part nochmal repetieren ließ: Auch hier musste der Schauspieler einen exzentrischen Sonderling geben, der seiner Umwelt oberflächlich als seltsam bis beängstigend erscheint, tief im seinem Herzen jedoch ein liebenswerter und unbeirrbarer Philanthrop ist. In der deutschen Fassung, in der Stewart wiederum von Viktor De Kowa gesprochen wird, darf er am Ende sogar nochmal "einen lüpfen"! Stewarts überaus komisches Porträt des linkischen Wissenschaftlers gehört in die Phalanx der großen Darstellungen weltfremder Genies und vervollständigt einmal mehr das altbekannte Star-Trio mit Cary Grant und Gary Cooper, die jeweils zuvor schon ganz ähnliche Rollen bei Howard Hawks gespielt hatten. Ansonsten ist "No Highway" oder "No Highway In The Sky", wie er etwas unwirrer in den USA hieß, jedoch alles andere als eine Humoreske. Vielmehr baut sich das Drama um Stewart als komischem Nukleus herum auf; mit minimalistischsten Mitteln lässt Koster etwa eine höchst beklemmende Atmosphäre entstehen, als Stewart und mit ihm dem natürlich längst voll auf seiner Seite befindlichen Publikum klar wird, dass das Flugzeug, in dem er gerade sitzt, zu neunundneunzig Prozent abstürzen wird. Das letzte Viertel des Films wirkt dann vergleichsweise etwas aufgesetzt und makulatorisch, macht ihn aber glücklicherweise nicht zunichte.

8/10

Henry Koster Fliegerei


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HARVEY (Henry Koster/USA 1950)


"I've wrestled with reality for 35 years, Doctor, and I'm happy to state I finally won out over it."

Harvey (Mein Freund Harvey) ~ USA 1950
Directed By: Henry Koster

Seine Schwester Veta (Josephine Hull) schämt sich seinetwegen in Grund und Boden, dabei ist Elwood P. Dowd (James Stewart) vermutlich einer der nettesten Menschen der ganzen Welt. Lediglich eine winzige Seltsamkeit zeichnet ihn aus; er hat nämlich einen für die allermeisten Anderen unsichtbaren Freund, der ihn auf Schritt und Tritt begleitet, den 2 Meter 10 (undeinhalb) großen Hasen 'Harvey'. Genauer gesagt ist Harvey gar kein Hase, sondern ein 'Pooka', ein keltisches Wesen, das ausschließlich auserwählten Menschen, Träumern und seiner Anwesenheit 'Bedürftiger' erscheint.
Als Veta Elwood entmündigen lassen und in ein Sanatorium einweisen lassen will, bedarf es einiger urkomischer Wendungen, bis sie sich eines Besseren belehren lässt.

Kosters wunderbar philosophische Komödie stellte die erste von insgesamt fünf Zusammenarbeiten mit dem all american actor James Stewart vor. Abgesehen von seiner phantastischen Prämisse steht "Harvey" dabei ganz im Zeichen der Filme Frank Capras, in denen ja auch und wiederum Jimmy Stewart oder Gary Cooper wahre Volkshelden zu verkörpern pflegten, die demonstrierten, dass bereits ein gutes Herz und dessen adäquate Verwendung einen der weltgrößten Schätze symbolisieren. Ein solches besitzt auch Elwood P. Dowd, der in seinem Leben offenbar große Schmerzen durchlitten hat, bevor ihm Harvey begegnet ist um ihn auf den Pfad der inneren Ausgeglichenheit zu führen. Vielleicht war Elwood P. im Krieg, vielleicht hat ihn eine Frau betrogen, vielleicht war ihm das Schicksal auch in einer ganz anderen Form abhold. In jedem Falle muss er wohl einst ein frustrierter Bildungsbürger gewesen sein, der nunmehr das Glück hat, von einer umfangreichen Erbschaft zu leben und sich jeden Tag einen bis zehn Martinis "lüpfen" zu können (in diesem Zuge sei der wundervollen deutschen Fassung mit Viktor De Kowa auf Stewart eine Lanze gebrochen, die mit "einen lüpfen" eine der charmantesten Umschreibungen für etwas eigentlich ganz und gar Uncharmantes entwickelt hat), seine Mitmenschen mit seinem liebenswerten Wesen aufzuwärmen und eben sich und sie mit Harveys Gesellschaft zu erfreuen.
Eine von Stewarts allerschönsten, sozusagen definitorischen Rollen, ein authentisches Hohelied auf Phantasie und den existenziellen Geist alltäglicher Freundlichkeit und natürlich darauf, sich mal in Ruhe und guten Gewissens einen lüpfen zu können.

9/10

Psychiatrie Mary Chase based on play Henry Koster


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PERRAK (Alfred Vohrer/BRD 1970)


"Und das ist dann wohl der Beichtstuhl?"

Perrak ~ BRD 1970
Directed By: Alfred Vohrer

Kommissar Perrak (Horst Tappert) von der Hamburger Polizei muss den Mord an einem jungen Transvestiten (Art Brauss) aufklären. Als sich erweist, dass das Opfer sich nebenbei als Erpresser betätigt hat, vergrößert sich schlagartig der Verdächtigenkreis: Steckt womöglich der russische Diplomat Oblomov hinter der Gewalttat? Der brutale Gangster Kaminsky (Herbert Suschka)? Der undurchsichtige Manager Bottke (Werner Peters)? Oder gar der reiche Geschäftsmann Imhoff (Hans Schellbach)? Der unbestechliche Perrak lässt sich nicht beirren, selbst dann nicht, als sein Sohn (Georg M. Fischer) entführt wird, um ihn aufzuhalten...

Vier Jahre vor "Derrick" war erstmal "Perrak", und dass es mir da keine Verwechslungen gibt. Alfred Vohrer wagte sozusagen eine 'home invasion' in die maßgeschneiderten Arbeitsviertel von Jürgen Roland und Rolf Olsen und lieferte mit "Perrak" einen schön sleazigen Kiezfilm ab, der dem Rest Deutschlands mit staunend offenstehendem Mund vorführte, welche sexuellen Abartigkeiten im Rotlichtmilieu der Hansestadt auf dem Tagesplan stehen. Einen "pulvertrockenen Sittenreißer" versprach das Kinoplakat. Die Ex-Hure "Trompeten-Emma" (Judy Winter), mittlerweile zur Puffmutter aufgestiegen, ermöglicht in ihrem (Blankenesener?) "Heim der betenden Schwestern" allerlei Perversionen hinter gediegener Fassade: Von Rollenspielen über S/M bis hin zur Pädophilie gibt es hier einfach alles. Und dann die Drag Queens, die allenthalben ihre illustren Auftritte haben (Zitat eines Show-Besuchers: "Kaum zu glauben, dass das in Wirklichkeit ein Mann ist!"). Als "Perrak" dann die südprovinziellen Bahnhofskinos enterte, gab es somit für den ortsansässigen Bauern Dimpflmoser noch gehörig was zu lernen! Zwar hätte man sich auch über Curd Jürgens als "Perrak" gefreut, aber wer weiß, vielleicht wäre dem deutschen TV-Publikum dann eine künftige Legende erspart, äh, verwehrt geblieben. "Bimbo, hol' schonmal den Wagen!"

7/10

Kiez Alfred Vohrer Sleaze Hamburg


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THE BLACK SWAN (Henry King/USA 1942)


"What is that?" - "The devil looking after his own!"

The Black Swan (Der Seeräuber) ~ USA 1942
Directed By: Henry King

Auch wenn es den britischen Piraten der Karibik zu glauben schwerfällt: Ihr oberster Anführer Captain Morgan (Laid Cregar) ist vom König persönlich geadelt und zum neuen Gouverneur von Jamaica ausgerufen worden, um die hiesigen Gewässer endlich zu befrieden. Der mürrische Captain Leech (George Sanders) sagt sich jedoch von Morgan los und frönt weiter der Freibeuterei, woraufhin Morgan seinen alten Freund Jamie Waring (Tyrone Power) ersucht, Leech und seine Leute dingfest zu machen.

"The Black Swan" ist einer der Filme, die die Definition des schwammigen Begriffs 'Farbdramaturgie' erst gänzlich visualisieren: Die wunderschön leuchtende, knallige Bildsprache duch perfekt eingesetztes 3-Strip-Technicolor ist ein einziges, großes Poem, das allein und für sich schon den Genuss des ansonsten konventionellen, naiven Piratenabenteuers abrundet. Zwar waren die Piratenfilme mit Flynn aus den Dreißigern die eigentlichen Genre-Vorreiter, erst "The Black Swan" jedoch und ansätzlich (ansätzlich, weil das Thema nur streifend) DeMilles etwas früher gestarteter "Reap The Wild Wind", brachten die für das Freibeutergenre eigentlich doch unerlässliche Farbe ins Spiel und übernahmen damit eine ebenso wichtige Vorreiterfunktion wie "Captain Blood" und "The Sea Hawk". Wen wundert's: Nach dem fast halluzinatorischen Genuss von "The Black Swan" hätte wohl fürs Erste niemand mehr einen Piratenfilm in schwarzweiß sehen wollen.

8/10

Henry King period piece Piraten Karibik Jamaica Kolonialismus


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IRONCLAD (Jonathan English/UK, USA, D 2011)


"You're not a coward."

Ironclad ~ UK/USA/D 2011
Directed By: Jonathan English

Nachdem König John (Paul Giamatti) im Juni 1215 die Magna Charta unterzeichnet hat, gibt er sich mitnichten mit der Aufgabe seines Throns zufrieden. Stattdessen heuert er eine Horde dänischer Krieger an, mit deren Hilfe er den Thron zurückzuerobern sucht. Auf seinem folgenden, blutigen Privatfeldzug massakriert John unter anderem einen Abgesandten (Marcus Hoyland) des Papstes. In Canterbury haben derweil Erzbischof Langdon (Charles Dance) und der Freiherr von Albany (Brian Cox) von Johns ungeheuerlichem Vorgehen vernommen. Mit kirchlichem Segen macht sich Albany auf, eine schlagkräftige, siebenköpfige Söldnertruppe zusammenzustellen, die strategisch entscheidende Burg von Rochester zu nehmen und gegen den marodierenden König und seine Männer zu verteidigen, bis Hilfe vom französischen Festland naht.

Furios gefertigte Mittelalter-Action und innerhalb dieses bei genauerer Betrachtung doch recht rar besetzten Genres einer der lohnenswertesten Filme, die ich bislang zu Gesicht bekommen habe. Jonathan English steht ein grandioses Darsteller-Ensemble zur Verfügung, das er reichhaltig zu nutzen weiß; hinzu kommt seine ganz besonders an der akuraten Schilderung von Zeitkolorit und Milieu interessierte Inszenierung. Dabei fabuliert er, anders als etwa Verhoeven in seinem vorsätzlich dreckigen "Flesh & Blood", das Hochmittelalter als eine Ära herbei, die zwar von wesentlicher, oberflächlicher Hässlichkeit durchzogen ist, in der Mannesehre, Freundschaft und Gottvertrauen jedoch feste Werteplätze bekleiden. Anders formuliert: Die klassischen Ingredienzien tapferer Helden, hundsföttischer Bösewichte und schöner Edeldamen finden allesamt ihre Position und irgendwie gehören sie ja auch genau hierher.
Die Darstellung der reichhaltig vorhandenen Kampfesszenen geschah wie mittlerweile üblich mit der Shutterkamera; der diesbezügliche Gewöhnungseffekt hat sich jetzt endlich auch bei mir eingestellt. Ansonsten ist "Ironclad" von bemerkenswerter, splattatternder Brutalität, die entsprechende Merkmale jedes anderen Historienfilms der letzten Jahre durchweg in den Schatten stellt. Als die FSK "Ironclad" ungeschnitten mit einer 16er-Freigabe durchgewunken hat, muss ein Ufo über dem Gebäude geschwebt sein. Oder die Damen und Herren haben parallel zur Filmbeschau ihre Aufmerksamkeit vornehmlich "Angelika Kallwass" gewidmet. Egal, schauen und staunen.
Entschiedene Empfehlungen sind sonst meine Sache nicht, aber wer historische Schlachtengemälde im Allgemeinen und Mittelalterfilme im Besonderen mag, kommt an "Ironclad" nicht vorbei.

8/10

Ritter Mittelalter Jonathan English Belagerung period piece Historie


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BLOOD INTO WINE (Ryan Page, Christopher Pomerenke/USA 2010)


"What tool proves to be necessary in winemaking?"

Blood Into Wine ~ USA 2010
Directed By: Ryan Page/Christopher Pomerenke

Seit dem Jahr 2003 widmet sich der exzentrische Rockmusiker und Komödiant Maynard James Keenan, Frontman der parallel existierenden Bands Tool, A Perfect Circle und zuletzt Puscifer, mit zunehmendem Engagement auch der Winzerei. An einem vulkanischen Hang in Südarizona baut Keenan verschiedene Trauben an und veräußert sie als 'Caduceus'. Mit der Hilfe des Experten Eric Glomski scheinen seine Zucht- und Keltereierfolge zunehmend erfolgreicher zu werden.
Für mich war "Blood Into Wine" vor allem von Interesse, weil ich Keenan als Künstler sehr schätze und die medialen Gelegenheiten, ihn bei halbwegs ernsthafter, um nicht zu sagen, seriöser Stimmung anzutreffen, stets rar sind. Zudem finde ich Dokumentationen über Wein grundsätzlich interessant, wenn mir auch bis heute der sensitive Gaumen für das "Himmelsblut" fehlt, was wohl niemand mehr bedauert als ich selbst. In beiderlei Hinsicht erweist sich die Dokumentation als lohnenswert, wenn ich auch einräumen muss, dass der Humor der beiden Regisseure nicht so ganz mein Fall ist und dass mir der poppig-hektische Montagestil, mit dem die zwei arbeiten, hier und da auf die Nüsse ging. Fakten- und kenntnisreich indes ist der Film und er bezichtigt sein Publikum der Mündigkeit, was schonmal grundsätzlich positiv ist. Dann sind die ganzen Spinner, die kurz bis intensiv porträtiert werden, herrlich: von dem Naturfreak Glomski über diverse Schamanen und Kräuterhexen bis hin zu den renommierten Weinkritikern wie James Suckling.
Am Ende konnte ich mich allerdings des untrüglichen Gefühls nicht erwehren, dass Keenan das Filmprojekt wohlweislich als geschickte Werbeplattform in eigener Sache auszunutzen wusste; zum einen, weil er seinen Wein an die Leute bringen will, zum anderen, weil just ein neues Puscifer-Album erschienen ist, dessen gewöhnungsbedürftiger Sound große Teile des Films untermalt... doch lassen wir ihm seinen Spaß. Und der Erfolg ist ihm ja ohnehin zu gönnen.

8/10

Ryan Page Christopher Pomerenke Wein Alkohol Arizona Musik


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PEARL JAM TWENTY (Cameron Crowe/USA 2011)


"This shit is clever, man."

Pearl Jam Twenty ~ USA 2011
Directed By: Cameron Crowe

Die ersten zwei Existenz-Dekaden der Rockband Pearl Jam, dokumentarisch zusammengefasst von dem Rolling-Stone-Journalisten und Regisseur Cameron Crowe. Crowe kennt die Truppe bereits seit ihrer Gründung und in seinem Film "Singles" von 1992, einer geschickt verwobenen Beziehungskomödie vor dem Hintergrund des Grunge-Booms in Seattle, gaben die Jungs sich seinerzeit bereits ein perodistisch angehauchtes Stelldichein. In "Pearl Jam Twenty" huldigt Crowe unverhohlen seiner Fanboy-Attitüde und lässt die Band unkritische zwei Stunden lang als Szene-Helden dastehen. Von Objektivität kann also faktisch keine Rede sein - und das ist verdammt gut so. "Pearl Jam Twenty" ist das Geschenk eines Fans für andere Fans und das ersterer ein gescheiter Filmemacher ist, macht das ganze Projekt noch zusätzlich goutierbar und (vielleicht, ich weiß es nicht) auch Nichtliebhabern der Musik ein wenig zugänglich. Für mich selbst ist Pearl Jam eine Lebenskontante, mit der ich praktisch aufgewachsen bin. Das erste Album "Ten" kam heraus als ich 15 war, die verdammt beste Zeit im Leben eines Jugendlichen für diese Art Musik, die sich dann auch zu vielerlei folgenden Gelegenheiten als lebensrettend erwies. Mit dem zweiten Album "Vs." beginnend habe ich jede Studioplatte an ihrem Erscheinungstag erworben; ein biographisches Spielchen, dem zu frönen ich immer noch größte Freude habe. Soweit meine Beziehung zu Pearl Jam, eine denkbar enge, wie ich resümieren kann. Umso glücklicher bin ich mit Crowes Film, an dem ich rein gar nichts vermisse, dessen collageartigen Aufbau ich wunderschön finde und den ich, wäre ich ein ebenso befähigter Regisseur wie er, auf keinen Fall hätte irgend besser machen können. Unter all den Rockmusikdokus die ich kenne, mit sicherheit eine der lohnendsten.

10/10

Cameron Crowe Musik Grunge Biopic Seattle


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THE TRUE STORY OF JESSE JAMES (Nicholas Ray/USA 1957)


"Noone will be able to shoot me!"

The True Story Of Jesse James (Rächer der Enterbten) ~ USA 1957
Directed By: Nicholas Ray

Die letzten 18 Lebensjahre des Outlaw Jesse James (Robert Wagner), dessen letzter großer Überfall auf die Northfield-Bank in Minnesota schließlich zu seinem Verhängnis wird.

Nicholas Ray darf wohl mit Fug und Recht als einer jener Filmemacher bezeichnet werden, die den Western endgültig seiner Unschuld beraubten. Von den vier Genrefilmen, die er binnen sechs Jahren inszenierte, ist auf seine spezielle jeder Weise ein vordringliches Beispiel für gezielten Dekonstruktivismus. In "The True Story Of Jesse James", mit dem sich Ray einer authentischen Biographie annahm, triumphiert schließlich die Form über den Inhalt. Die Narration verläuft teils verwirrend achronologisch, die Fox preist ihr prestigeträchtiges Scope-Format, das sich für den Film jedoch als vollkommen nebensächlich erweist. Schließlich die Ausbleichung und Farbentledigung der Bilder. Anstelle der breit grinsenden Präsentation von knalligem DeLuxe, wofür sich Genrearbeiten üblicherweise ja vorzüglich eignen, lässt Ray seinen Film zwischen sepiafarben und trübem Grau oszillieren und somit die nihilistische Atmosphäre des Films stützen. Überhaupt wird man die letzte große Hollywood-Variation des Stoffs, Andrew Dominks "The Assassination Of Jesse James By The Coward Robert Ford" hernach mit ganz anderen Augen sehen - Dominik verdankt Rays Fassung nämlich offensichtlich nicht eben wenig.

8/10

Nicholas Ray Jesse James Biopic period piece Historie Missouri Nunnally Johnson





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Funxton

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