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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LA POLIZIA RINGRAZIA (Steno/I, BRD, F 1972)


Zitat entfällt.

La Polizia Ringrazia (Das Syndikat) ~ I/BRD/F 1972
Directed By: Steno

Der römische Commissario Bertone (Enrico Maria Salerno) hat alle Hände voll damit zu tun, der sich immer höher auftürmenden Verbrechenswelle in der Stadt Herr zu werden und gleichzeitig das öffentliche Bild der Polizei in den Medien zu präservieren. Als zeitgleich ein flüchtiger junger Raubmörder (Jürgen Drews) ein Mädchen (Laura Belli) kidnappt und immer wieder eine offenbar von höchsten Würdenträgern finanzierte Vigilanten-Organisation zuschlägt, wird Bertone mit dem Stress kaum mehr fertig.

Einer der ersten Poliziottesci, der mitbestimmend war für das Bild jenes nationalspezifischen italienischen Subgenres. Bevor die zunehmend actionbetonte Inszenierung dieser Filme begann, mehr und mehr in Exploitationgefilden zu wildern und sich dem nicht minder beliebten italienischen Gangsterfilm immer mehr anglich, bis nurmehr schwerlich eindeutige Trennlinien gezogen werden konnten und Helden wie Maurizio Merli, Henry Silva, Fabio Testi oder Franco Gasparri das Feld übernahmen, war noch der sozialpolitische Subtext vorrangiges Element und der Polizeifilm näher an den Politthrillern von Damiani und Petri. Es gab daher auch einen tapferen, zu Beginn noch allzu systemtreuen und verblendeten Staatsanwalt (Mario Adorf), der am Ende sozusagen die Heldenfackel weiterzutragen hat. Später ging es dann nurmehr darum, den unbestechlichen Polizisten als einsamen Stadtwolf und Superhelden zu verklären. Ganz interessant die Besetzung, die durchblicken lässt, dass an der Produktion auch der deutsche Dieter Geissler maßgeblich beteiligt war: Mario Adorf in einem seiner nicht mal seltenen Auftritte im italienischen Genrefilm der Siebziger hat es da und natürlich den Sonnyboy Drews in einem ungewohnten, gerade deshalb jedoch sehenswerten Auftritt.

8/10

Steno Poliziottesco Rom


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OFFICE SPACE (Mike Judge/USA 1999)


"Fuckin' A."

Office Space (Alles Routine) ~ USA 1999
Directed By: Mike Judge

Peter Gibbons (Ron Livingston) ist nachhaltig frustrierter Angestellter bei der Firma 'IniTech' - sein nicht besonders toll bezahlter Job ist eine Quelle der Belanglosigkeit, sein Vorgesetzter (Gary Cole) ist vermutlich das weltgrößte Arschloch überhaupt und um diese Stelle muss man auch noch fürchten - denn es naht das Qualitätsmanagement in Form zweier garstiger Unternehmensberater (John C. McGinley, Paul Willson). Da wird eine unfällig unterbrochene Hypnosesitzung zum Erwecker aus dem Dornröschenschlaf der Depression: Peter wird zum Freidenker, tut nur noch, was ihm persönlich sinnvoll erscheint und beeindruckt mit seiner neuen "Leck-Mich"-Attitüde nicht nur seine Kollegen. Bald ist ein böser Gedanke geboren: IniTech müsste doch mittels eines gezielten Hackeranschlags um diverse Rundungsbeträge erleichtert werden können - würden Peter und seine Kumpels (David Herman, Ajay Naidu) sich bloß nicht so dämlich anstellen...

Entstanden aus den Sketchen um das kleine personelle Getrieberädchen Milton Waddams (folglich der heimliche Held in "Office Space") lieferte Mike Judge diese intelligente kleine, retrograde Komödie ab, die im Prinzip noch ganz dem Geiste der alten Screwball-Könige verpflichtet fühlt und sich ihren kleinen amerikanischen Helden aus dem Pazifischen Ozean der Abermillionen von Büroangestellten herausfischt. Das Geheimnis der Beliebtheit von "Office Space" liegt wohl auch genau darin, in der gewaltigen Identifikationsbasis, die die Geschichte ihrem Publikum anbietet. Denn angestellt sind ja nun die Meisten und nicht wenige von denen verabscheuen vermutlich ihre eintönigen, öden Bürojobs. Für all jene ist der Film ein Gottesgeschenk: Einmal den Mut besitzen, dem nach oben buckelnden und nach unten tretenden Chef ein kraftvolles "Fuck you!" mitsamt erhobenem Mittelfinger entgegenzurecken, einmal die Firma so richtig nach Strich und Faden bescheißen - wer träumt davon nicht hier und da? Mit liebevoll-sezierendem Blick zeichnet Judge den drögen Firmenalltag nach und porträtiert seine personelle Riege mit der gekonnten Schule des Charaktererfinders. Ein wunderbares, komödiantisches Kleinod kommt da heraus, das jedem, der die Ekelattacken eines "Stromberg" schätzt, dringendst zuzuraten ist.

8/10

Mike Judge Satire Büro Firma


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THE PALM BEACH STORY (Preston Sturges/USA 1942)


"You have no idea what a long-legged woman can do without doing anything."

The Palm Beach Story (Atemlos nach Florida) ~ USA 1942
Directed By: Preston Sturges

Obschon sie Ihren Ehemann Tom (Joel McCrea) noch liebt wie am ersten Tage, sitzt Gerry Jeffers (Claudette Colbert) der fixen Idee auf, sie müsse ihn verlassen, um ihm endlich ermöglichen zu können, auf einen beruflich grünen Zweig zu kommen - die arme Gerry versteht sich als berufliche Bremse. Ihr Plan sieht vor, sich kurzfristig einen reichen Neu-Gatten zu suchen, um Tom eine gebührliche Abfindung zahlen zu können, mit der er sein Traumprojekt - einen schwebenden Flughafen über Manhattan - finanzieren kann. Ebenjener wohlhabende Patron scheint sich in der Person des Millionenerbes John D. Hackensacker III (Rudy Vallee) einzustellen. Doch Tom lässt sich nicht ohne Weiteres abservieren.

"Isn't it romantic?" Unfortunately, it isn't truly, because:
"The Palm Beach Story" gehört zu den anerkanntesten künstlerischen Nachlässen des Autorenfilmers Preston Sturges - und doch hat er nie das internationale Renommee vergleichbarer zeitgenössischer Screwball Comedies von Hawks, Cukor oder Lubitsch erreicht, in denen ebenso wie hier leidenschaftlich verblendete Eheleute nicht einsehen wollen, dass sie ihren Traumpartner längst im heimischen Doppelbett liegen haben, nur um nach einem kurzen Irrweg Richtung Scheidung wieder in die traute Zweisamkeit zurückkehren. Ein weiterer Beleg für die speziell hierzulande sträfliche Unterschlagung Sturges', der nachzuspüren wohl eine Dissertationsarbeit füllen könnte.
In "The Palm Beach Story" verfügt der von brillanter Dialogkunst beseelte Sturges zudem über ein besonders bezauberndes Ensemble: Die quirlige Colbert, den maskulinen McCrea sowie die beiden flippigen Filmgeschwister Rudy Vallee und Mary Astor. Dazwischen spukt noch ein aufgedrehter Sig Arno umher, der seine jeweils furiosen Auftritte nutzt, um eine wundervoll anarchische One-Man-Show abzuziehen. Höchste Komödienklasse, sag' ich da nur.

9/10

Ehe Screwball Florida New York Scheidung Preston Sturges


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CHRISTMAS IN JULY (Preston Sturges/USA 1940)


"If you can't sleep, it isn't the coffee. It's the bunk."

Christmas In July (Weihnachten im Juli) ~ USA 1940
Directed By: Preston Sturges

Das ganze Land wartet gespannt auf die Auflösung des von der Firma "Maxford Coffee" ausgeschriebenen Gewinnspiels, bei dem dazu aufgerufen wurde, einen neuen Slogan zu erfinden. Zu den Erwartungsvollen gehört auch der kleine Angestellte und Träumer Jimmy MacDonald (Dick Powell), der glaubt, mit seinem Einzeiler "Wenn Sie nicht schlafen können, so liegt das nicht am Kaffee, sondern am Bett" etwas geradezu Genialisches erfunden zu haben. Als ihm ein paar Arbeitskollegen einen Streich spielen und Jimmy ein gefälschtes Gewinntelegramm vorlegen, setzen sie eine folgenschwere Ereigniskette in Gang...

Ein kleines Hohelied auf den Kapitalismus und das Land der unbegrenzten Möglichkeiten; eine archetypische Americana, die die existenzielle Weisheit "Geld macht nicht unbedingt glücklich, aber in jedem Falle glücklicher" mit gewaltiger Chuzpe verteidigt. Zudem singt Sturges das Hohelied des "Kleinen Mannes", denn seine Sympathien gehören uneingeschränkt all den unerkannten Talenten dieser Welt, die hinter ihren Schreibtischen versauern, nur weil ihnen niemand je die richtige Chance offeriert. Schließlich erzählt "Christmas In July" auch noch vom Segen des Altruismus und dass es stets schöner und befriedigender ist, zu geben denn zu nehmen. Eine gute Stunde Erzählzeit benötigt Sturges für all das bloß, eine gute Stunde um seinen Zuschauern kurzfristige Serotoninschübe zu versetzen. Danke, Preston.

9/10

Preston Sturges Screwball Kapitalismus Satire Gewinnspiel American Dream


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THE GREAT MCGINTY (Preston Sturges/USA 1940)


"How do I get the bucks?"

The Great McGinty (Der große McGinty) ~ USA 1940
Directed By: Preston Sturges

Der obdachlose Dan McGinty (Brian Donlevy) lässt sich mit der Unterstützung eines ebenso gierigen wie herzlichen Gangsterbosses (Akim Tamiroff) zur politischen Größe aufplustern. Er findet sein privates Glück und bringt es schließlich bis auf den Sitz des Gouverneurs - doch der sich anschließende Fall ist schnell und tief: just in dem Moment, als er sich entschließt, endlich amtliche Verantwortung für zu übernehmen, wird McGinty in einer verjährt geglaubten Korruptionsgeschichte entlarvt und kann den Gesetzeshütern nur mit Mühe und Not entkommen.

"The Great McGinty" bildet einen elementaren Schritt im Studiokino - nicht nur, dass er den Autoren eine neue Form der Beachtung verlieh, er etablierte auch den später gängigen "written and directed by..." - credit. Für den bereits als Scriptautor erfolgreichen Preston Sturges bedeutete "The Great McGinty" sein Regiedebüt und damit zugleich das als veritabler Autorenfilmer, der sich hinter Kollegen wie Wilder, Lubitsch oder Capra keinesfalls zu verstecken brauchte. Dass eine "rise-and-fall"-Satire wie diese; clevere und warmherzige Komödie, Moralstück unter trutzigem Verzicht auf ein waschechtes Happy End sowie symbolisch hochgereckter Mittelfinger in einem, ein nach wie vor so sträflich unbekanntes Dasein fristen muss, darf als grobe Fahrlässigkeit filmhistorischer Aufklärung gewertet werden.
Umso schöner, wichtiger und bedeutsamer, dass jetzt das Label "Cine Qua Non" der Hebung dreier Sturges-Schätze verantwortlich zeichnet, die den aufgeweckten Cineasten beinahe schon zum Erwerb verpflichten. Mehr in Kürze.

9/10

Satire Politik Screwball Preston Sturges


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SCRE4M (Wes Craven/USA 2011)


"One generation's tragedy is the next one's joke."

Scre4m ~ USA 2011
Directed By: Wes Craven

Lange nach der letzten um sie herum veranstalteten Mordserie kehrt die leidgeprüfte Sidney Prescott (Neve Campbell) in ihr Heimatstädtchen Woodsboro zurück, ihr autobiographisches Buch zu promoten. Dewey (David Arquette) ist mittlerweile der lokale Sheriff und Gale (Courtney Cox) seine Angetraute. Zugleich nähert sich der Jahrestag der ersten Morde der "Ghostface-Killer", als die ihrerzeit Sidneys Freunde Billy und Stu entlarvt werden konnten. Prompt macht sich ein neuer Maskenmann auf, die Teenager der örtlichen Highschool zu dezimieren - mit beachtlichem Erfolg. Der Killer nimmt auch Kontakt zu Sidney auf und hat offenbar im Sinn, primär sie zu schädigen...

Analog zur jeweiligen Genre-Bestandsaufnahme wurde es fast schon zwangsläufig Zeit für ein neues "Scream"-Sequel, das seine Fortsetzungsnummer mittels cleverer Semiotik im Titel des Originals unterzubringen weiß. Es geht nämlich um den genrespezifischen Remakewahn der letzten Dekade, der nahezu jedem wesentlichen Horrorklassiker der siebziger und achtziger Jahre eine Neuauflage spendiert hat - ein kommerziell einträgliches Geschäft, das sich ferner auch trefflich zu kultureller und demografischer Analyse eignet. Kevin Williamson widmete genau diesem Topos ein wie gewohnt intelligentes, selbstreflexives Script, mit diversen Kleinstdiskursen, Seitenhieben und Querverweisen. "Scre4m" ist somit in erster Linie ein Drehbuchfilm, dessen Regie im Prinzip der Beliebigkeit anheim fallen gelassen werden konnte, was denn auch weitgehend eintraf. Die Reihe ist immer noch Cravens inszenatorisches Baby, aber der Mann ist nunmal nicht mehr der Jüngste und lässt es etwas an Kraft und Volumen mangeln. Dennoch scheint mir "Scre4m" der nach dem Original bis dato am Trefflichsten gelungene Teil der Serie, ganz einfach deshalb, weil er sich einen perfekten Zeitpunkt für seine Entstehung ausgewählt hat.

7/10

Wes Craven Slasher Sequel Kalifornien Film im Film Serienmord Satire Kevin Williamson


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SOULBOY (Shimmy Marcus/UK 2010)


"Be where you belong to."

SoulBoy ~ UK 2010
Direced By: Shimmy Marcus

Stoke-on-Trent in den frühen Siebzigern: Der Arbeitersohn Joe McCain (Martin Compston) entdeckt über die hübsche Frisörin Jane (Nichola Burley) sein Herz für die um sich greifende Soulszene in Nordengland. Allwochenendlich geht es ins Wigan Casino, wo der Zamapano und Angeber Alan (Craig Parkinson), dummerweise zugleich Janes Freund, große Allnighter veranstaltet, in denen die Jugendlichen ihre Liebe zur schwarzen Musik mit exponiertem Tanz ausdrücken können. In all seiner Bewunderung für Jane übersieht Joe allerdings, dass das wahre Glück viel näher wartet...

Vorweg: Es gibt nur einen einzigen Grund, sich "SoulBoy" anzusehen: Die Liebe zu Northern Soul nämlich, das Verständnis und die Empathie für eine der enthusiastischsten und beständigsten Subkulturen der modernen Popmusik. Irgendwann im Zuge der Dekadenwende 1960/70 überlief das Fandom für amerikanische Soulmusik die Modszene und breitete sich auf die proletarische Jugend Nordenglands aus. Findige Sammler und Händler reisten regelmäßig in die großen Soulmusik-Zentren der USA und erwarben dort kistenweise von in kleiner Stückzahl gepressten 7"-Singles, die fernab und unabhängig von der Plattenindustrie und den großen Labels wie Motown, Stax oder Atlantic entstanden waren. Jene Vinylscheibchen sind, wahrscheinlich heute mehr denn je, begehrte Sammlerobjekte. Die Northern-(oder Rare-)Soul-Szene ist darüberhinaus eine der wenigen Musikbasen, in denen veritable Hits strenggenommen nichts verloren haben. Vielmehr kommt es für die DJs darauf an, den Fans immer neue, bislang ungehobene Schätzchen unter die Nasen bzw. Füße zu halten - tanzbar ist sowieso prinzipiell alles, was aus dem großen Schmelztiegel des Soul kommt.
Diese Szene porträtiert "SoulBoy" mit viel Liebe zum Detail und dem gewaltigen Bonus, der erste Spielfilm zum Thema zu sein. Ansonsten bewegt sich Marcus' Film auf dem Subniveau eines mäßigen Achtziger-Coming-Of-Age-Dramas, erzählt eine völlig ausgelutschte Story, und das auch noch vergleichsweise desinteressiert, jedenfalls im Verhältnis zu der spürbar energetischeren Motivation, Northern Soul zu präsentieren. Die Tatsache, dass "SoulBoy" vielleicht ein wenig zum Überleben dieser Subkultur beitragen kann, macht ihn außerdem per se ansehnlich. Jeder, der einen guten Film zu sehen wünscht, sollte allerdings besser auf Distanz bleiben...

6/10

England Shimmy Marcus Clubszene Subkultur Northern Soul Musik Tanz Coming of Age Teenager


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NOT AS A STRANGER (Stanley Kramer/USA 1955)


"Gentlemen, this is a corpse!"

Not As A Stranger (...Und nicht als ein Fremder) ~ USA 1955
Directed By: Stanley Kramer

Der ehrgeizige Medizinstudent Lucas Marsh (Robert Mitchum) erkennt vor lauter medizinischem Fanatismus nicht, dass er selbst ein rücksichtsloser Egomane ist, dessen professionelle Ziele längst jede authentische Humanität hinter sich gelassen haben. Dies bekommen vor allem seine Frau Kristina (Olivia de Havilland) und sein bester Freund Alfred (Frank Sinatra) zu spüren. Erst als Lucas, längst fertiger Arzt und nunmehr tätig in einer Provinz-Kleinstadt im Mittelwesten, seinen ersten verhängnisvollen Berufsfehler begeht, erkennt er, dass er kein "Gott in Weiß", sondern nur ein Mensch mit all seinen Schwächen ist.

Großer Edelkitsch und Starkino, wie es in den Fünfzigern noch guten Gewissens produziert werden konnte. "Not As A Stranger" wäre auch ein schöner Stoff für einen Sirk-Film gewesen, zumal jener Regisseur es ja meisterlich verstand, sich nie vom Schmalz seiner Geschichten überrollen zu lassen, sondern stets seine strenge Formalität mindestens auf gleicher Ebene mit Inhalten zu belassen. Stanley Kramer pfeift bisweilen auf diese Weisheit und inszeniert seine an sich nicht uninteressante Persönlichkeitsstudie auf dem grundtrivialen Niveau eines durchweichten Arztromans für Hausfrauen, der letztlich von seinen brillanten Darstellern am Leben erhalten wird. Mitchum übertrifft sich praktisch selbst mit seinem bassetäugigen Spiel als knallharter Internist ohne Gnade zu seiner eigeben Seele, aber ganz besonders die kleinen nebenrollen sind liebevollst besetzt: Lee Marvin als frechen Kommilitonen gibt es da zu bestaunben, Lon Chaney als Lucas' versoffenen Vater oder die rüstigen Senioren Broderick Crawford und Charles Bickman als personifiziertes gutes Ärzte-Gewissen. Ihnen allen staunend zuzusehen hebt Kramers Film dann doch wieder deutlich höher als er eigentlich angesiedelt gehört.

7/10

Krankenhaus Arzt Stanley Kramer Ehe Biopic Coming of Age


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VERY BAD THINGS (Peter Berg/USA 1998)


"We're fucked."

Very Bad Things ~ USA 1998
Directed By: Peter Berg

Ein von seinen vier besten Kumpels (Christian Slater, Leland Orser, Jeremy Piven, Daniel Stern) organisierter, alkohol- und drogenseliger Junggesellenabschied in Vegas zu Ehren des bald heiratenden Kyle Fisher (Jon Favreau) endet in einer Katastrophe: Die angeforderte Nutte (Kobé Tai) kommt bei einem koitalen Unfall ums Leben und die anschließende Vertuschung der Sache erfordert ein zusätzliches Mordopfer in Form eines allzu neugierigen Security-Beamten (Russell B. McKenzie). Kurzerhand werden die beiden Toten zersägt und in der Wüste Nevadas verscharrt. Da die Freunde mit dem psychischen Druck der sich zwangsläufig anschließenden Geheimhaltung ihrer Bluttat nicht zurecht kommen, schließen sich bald weitere Unfälle und Todesfälle an...

Die Vokabel 'Geschmackssicherheit' ist dem Autorendebüt des zuvor als Darsteller tätigen Peter Berg außerordentlich fremd: Hier wird geholzt, was die Hütte hergibt und junge Männer, deren psychische Disposition ohnehin bereits schwer im Argen scheint, werden zu wahren Berserkern. Dabei bezieht sich der "Ungeheuerlichkeitsfaktor" allerdings weniger auf seine Visualisierung als vielmehr auf die pietätbefreite, laxe Moral des Dargebotenen. Dass "Very Bad Things" wohl letzten Endes unter jene Kategorie Film fält, die um diese Zeit gern und abschätzig als "Taranteenie" bezeichnet wurde, muss sich Berg dabei allerdings auf ewig gefallen lassen. Im Prä-"Pulp Fiction"-Zeitalter jedenfalls wäre sein Film, in dem Gewalt, Mord, Tod und ähnlich finstere existenzielle Entitäten zu witzigen Nebensächlichkeiten degradiert werden, zumindest in seinem Herstellungsland mit Verständnislosigkeit und Kopfschütteln rezipiert worden - nun jedoch vermochte man die satirische, groteske Qualität dieser Darstellungsform abzuschätzen und mancherorts gar zu würdigen.
Nun ist "Very Bad Things" aber auch ein Film mit einer eher geringen Halbwertszeit, da er sehr mit den affektgesteuerten Momenten kurzzeitiger Überraschung und reaktiven Staunens operiert, die entweder nur solitär oder mit großem Abstand hinreichend tragfähig sind. Immerhin - etwas besseres hat Berg, mittlerweile als zuverlässiger Auftragsegisseur hochbudgetierter Mainstreamware im Einsatz, bis dato auch nicht zustande gebracht.

7/10

Las Vegas Los Angeles Feundschaft Drogen Kokain Junggesellenabschied Schwarze Komödie Peter Berg Alkohol Groteske Satire


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THE LAST SUPPER (Stacy Title/USA 1995)


"I say we bury the cracker and have dessert."

The Last Supper ~ USA 1995
Directed By: Stacy Title

Ein gewalttätig endender Abend mit dem faschistoiden Hillbilly Zach (Bill Paxton) bringt den fünf Studierenden und WG-Genossen Luke (Courtney B. Vance), Jude (Cameron Diaz), Pete (Ron Eldard), Marc (Jonathan Penner) und Paulie (Annabeth Gish) die Erleuchtung: Warum nicht einmal allsonntäglich unverbesserliche Reaktionäre, Bildungsferne und Aliberale zum Dinner einladen und ihnen, sofern sie nicht bereit sind, ihre Perspektive zu erweitern, per vergiftetem Wein das letzte Abendmahl kredenzen? Schließlich muss man für seine Ideale kämpfen und man ist sich einig, dass, wäre man seinerzeit ähnlich mit dem jungen Hitler und ähnlichen Globaltyrannen verfahren, die Weltgeschichte sich sehr viel vorteilhafter entwickelt hätte. Auf der Gästeliste stehen unter anderem Abtreibungsgegner, Frauenfeinde, Extremisten und schwulenfeindliche Geistliche, während der Garten hinterm Haus sich zu einem Massengrab und einem Paradies für fleischige Tomaten entwickelt...

Möglicherweise hat Dan Rosen, der Sctiptautor von "The Last Supper", Stephen Kings "The Dead Zone" gelesen oder Cronenbergs Adaption desselben gesehen, denn auch hier steht die hypothetische Frage danach, welche Attentatsmöglichkeiten sich mittels einer Zeitmaschine ergäben, im Zentrum der Protagonistenmotivation. Allerdings verfügen die fünf Scharfrichter aus "The Last Supper" nicht über die hellseherischen Fähigkeiten eines Johnny Smith - ihre politisch gefärbten Attentate ergeben sich aus einer letzten Endes nachhaltig gestörten Liberalität heraus, die sie übersehen lässt, dass ihre Polit-Euthanasie sie selbst zu fürchterlichen Faschisten werden lässt. Als sie dann ihr "Hauptziel", den rechtslastigen Republikaner Arbuthnot (Ron Perlman) am Tisch sitzen haben, erweisen sie sich als zu kurzsichtig und zu wenig listenreich, um der Welt wirklich etwas "Gutes" zu tun.
Eine nette Idee, durchaus nett umgesetzt - mit einer solchen, etwas schwammigen Kategorisierung muss sich die spärlich arbeitende Regisseurin Stacy Title wohl zufrieden geben. Die Inszenierung ist eine genuin weibliche und kann auf bestimmte, ortsfremde Details schlichtweg nicht verzichten. Immer wieder wird die cStringenz der Story durchbrochen von Szenen, bei deren Betrachtung man sich fragt, welchen verfluchten Zweck sie denn wohl erfüllen mögen, etwa, wenn die Kamera sich am Waschbrettbauch des stets lieblich von ihr umspielten Jonathan Penner delektiert. Ich hoffe, ich wede nicht demnächst zum Abendessen eingeladen, aber ich behaupte mal mit misogyner Dreistigkeit: Ein Mann hätte das besser hinbekommen. He.

6/10

Stacy Title Essen Satire Groteske WG Schwarze Komödie





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Funxton

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