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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DO THE RIGHT THING (Spike Lee/USA 1989)


"Hey Sal, how come there ain't no brothers on the wall?"

Do The Right Thing ~ USA 1989
Directed By: Spike Lee

Ein siedend heißer Sommertag in einem hauptsächlich von Schwarzen bewohnten Block in Brooklyn, an dem ohnehin schon permanent die Emotionen hochkochen, endet mit polizeilicher Gewalt und der blindwütenden Zerstörung der eigentlich stets als hiesige Institution betrachteten Pizzeria des Italoamerikaners Sal (Danny Aiello).

Kurze Unterbrechung der Spielberg-Schau. Ein sehr guter Freund fliegt am nächsten Wochenende nach New York und wollte daher gern zwei nicht ganz alltägliche Filme über die Stadt sehen. Meinerseits nicht ganz uneigennützig suggeriert blieben wir dann bei einer Spike-Lee-Dublette hängen.
Dieses opus magnum des zumindest ehedem als recht unbequem eingestuften Regisseurs dürfte wohl sein hervorstechendstes Werk sein. Mit einer großartigen Besetzung im Rücken schuf Lee eine gnadenlos durchstilisierte Parabel über den Zusammenstoß der Ethnien. Begünstigt durch das unerträglich heiße Klima an diesem Tag kochen die lange schwelenden Konflikte hoch, bis man eine Notgemeinschaft bildet, um dem einzigen echten Alien in dieser Ecke der Stadt die Meinung zu geigen - allerdings auf eine wenig existenzfördernde Art. Wer Lee seiner teilweise unbedachten Aussagen zum Trotz als farbigen Rassisten oder Radikalen bezeichnet, der sollte sich "Do The Right Thing" als Antidot genehmigen. In einer blendend hellsichtig geschriebenen Mischung aus Realitätsbeobachtung und Klischeenutzung berichtet der Film über die bildungsferne Kurzsichtigkeit der Ethnien, deren nach außen gerichtete Arroganz kaum Hoffnung auf bessere Tage zulässt. Am Ende erfolgt ein aus blinder Aggression heraus erwachsener, weiterer Schritt zur Selbstghettoisierung: Zwar schmeckt die Pizza der weißen Spaghettis hervorragend, aber andererseits sind diese Leute hier fehl am Platze und sollen lieber verschwinden. Dass man ein paar Tage später wieder zur Besinnung kommen und Sal und seinen Söhnen (John Turturro, Richard Edlund) schwer nachtrauern wird, steht ebensowenig außer Frage wie die Tatsache, dass der koreanische Krämer an der Ecke nicht minder gefährdet ist.
Ein vor Vitalität und leicht verhohlener Menschenliebe strotzendes Meisterwerk.

10/10

Spike Lee Ernest Dickerson New York Ethnics Sommer Ensemblefilm Rassismus


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ARTIFICIAL INTELLIGENCE: AI (Steven Spielberg/USA 2001)


"I am. I was."

Artificial Intelligence: AI ~ USA 2001
Directed By: Steven Spielberg

Irgendwann in der Zukunft übernehmen Roboter, sogenannte 'Mechas', die ihren Schöpfern mit jeder Generation ähnlicher werden, diverse Aufgaben des menschlichen Alltags. Der Konstrukteur Hobby (William Hurt) erfindet schließlich ein täuschend echtes Androidenkind namens David (Haley Joel Osment), das sogar Liebe simulieren kann. Davids Pototyp kommt zu dem jungen Ehepaar Swinton (Frances O'Connor, Sam Robards), dessen Sohn Martin (Jake Thomas) im Koma liegt. Nach einigen Startschwierigkeiten akzeptiert man David als Ersatzkind, dann jedoch wacht Martin wieder auf. Kindliche Boshaftigkeiten und Machtspielchen sorgen dafür, dass David schließlich als Gefahr wahrgenommen und im Wald entsorgt wird. Der mit der Persönlichkeit eines Kindes ausgestattete David glaubt, er müsse die Blaue Fee aus "Pinocchio" finden. Diese verwandelte ihn einen echten Jungen und er könne nach Hause zurückkehren. Die folgende Odyssee, bei der ihm ein Lustmecha namens Gigolo Joe (Jude Law) hilfreich zur Seite steht, führt David bis zu seinen Ursprüngen und an den Rand der Welt...

"AI" gilt ja unter anderem als Vermächtnis Stanley Kubricks, ein Projekt, das laut Spielberg durch wechselseitigen Input und Austausch über viele Jahre hinweg entwickelt wurde und bei dem bis zum Schluss nicht feststand, welcher der beiden Maestri produzieren und welcher inszenieren würde. 'Schluss' bedeutet in diesem Falle Kubricks tragisches Ableben. Dieses hatte bekanntermaßen zur Folge, dass Spielberg den Film in kompletter Eigenregie herstellen musste - oder auch durfte. Wenngleich der trockene Perfektionismus Kubricks postum aus allen Ecken des Films hervorlugt, ist er zugleich doch vielmehr der verzögerte Abschluss einer SciFi-Trilogie, die mit "Close Encounters" und "E.T." begann. Sogar thematisch bleibt "AI" jener Linie treu; am Ende sorgen freundliche Aliens, die lange nach dem endgültigen Kollaps der Menschheit auf der Erde landen, dafür, dass der jahrtausendelang wartende David seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt bekommt.
Für mich ist "AI" durchweg formvollendet und einer der schönsten Filme Spielbergs, wobei ihm natürlich auch Kubricks spirituelle Präsenz zugute kommt. Die visuellen Qualitäten und set pieces des Films sind von nicht nur atemberaubender, sondern wegweisender Perfektion und auch nach elf Jahren immer noch komplett 'state of the art'. Allein die Darbietung der Vergnügungsstadt Rouge City ist ein zelluloidgewordener Traum in neon; in wechselseitiger Kombination mit der "Mad Max"-artigen 'Flesh Fairy', die so schön die ganze Tragik einer langfristig lebensunfähigen Menschheit widerspiegelt, ergibt sie sogar ein existenzialistisches Kaleidoskop.
Am Ende habe ich mich dann, einer armseligen Ratte gleich, mal wieder total einfangen lassen und die letzten fünfzehn Minuten hindurch geflennt, dass mir anschließend die Augen brannten. Ich konnte das, völlig reuelos, ich war allein mit mir und dem Film in regnerischer Dunkelheit. Ein geradezu intimes Erlebnis, das mir, so glaube ich, über Spielberg, den Menschen, Spielberg, den Filmemacher UND Spielberg, den regelmäßig an der Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung Scheiternden, nochmal ein zusätzliches Paar Augen geöffnet hat.

9/10

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SAVING PRIVATE RYAN (Steven Spielberg/USA 1998)


"Fubar."

Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan) ~ USA 1998
Directed By: Steven Spielberg

Juni 1944: Just nach der unter großen Verlusten bewältigten Invasion am Omaha Beach erhält Captain John Miller (Tom Hanks) den Spezialauftrag, einen Private names Ryan (Matt Damon) ausfindig zu machen und umgehend nach Hause zu schicken. Ryans drei Brüder sind allesamt im Kampf gefallen und die Kommandatur möchte der Mutter weiteres Leid ersparen. Zusammen mit sieben Männern, darunter ein Hals über Kopf als Dolmetscher eingesetzter Corporal (Jeremy Davies) ohne jegliche Kampferfahrung, zieht Miller Richtung Inland, um Ryan aufzutreiben...

Als Regisseur leistet Spielberg erneut Vorzügliches, Inszenierung und historisch-moralischer Anspruch entfernen sich im Falle "Saving Private Ryan" jedoch soweit voneinander wie bei keiner anderen seiner Arbeiten. Als narrative Klammer präsentiert der Film und eine vor bleichem Sonnenlicht wehenden US-Flagge, und endet mit dem gealterten James Ryan (Harrison Young), der in der Gegenwart vor Millers Soldatengrab salutiert. Mit dieser singulären Geste rechtfertigt der Film, möglicherweise auch unbewusst, nicht nur die globalschichtlich praktizierte Interventionspolitik der USA, sondern zugleich ihren noch immer unverhohlenen Selbstanspruch als Weltpolizei.
Die Diskrepanzschere klafft ausgerechnet hier, am Ende des Films, am Weitesten auseinander; zum Abschluss eines infolge seiner mitreißenden Actionszenen, die mit ihrem Realitätsanspruch Vergleichbares aus jedem anderen Kriegsfilm mühelos in den Schatten stellenden Werks. Die Inszenierung der Invasion vom 6. Juni, die einen ganzen Küstenabschnitt vor der Normandie in Blut taucht, ist, das weiß man, von denkwürdiger Intensität, Giovanni Ribisis Bauchschuss-Sterbeszene die einzige mir präsente Filmsequenz, bei der mir nachhaltig flau wird, die finale Schlacht um eine strategisch wichtige Brücke schließlich lässt berühmte Stadtschlachtszenen wie die in Kubricks "Full Metal Jacket" und Vilsmaiers "Stalingrad" förmlich 'alt' aussehen.
Dennoch: Am Ende ist und bleibt "Saving Private Ryan" ganz in den üblichen, hergebrachten Bahnen des dramaturgisierten Kriegsfilms stecken und ist damt nicht besser oder schlechter als zig andere sogenannte "Antikriegsfilme" aus Hollywod. Seine Sache macht er soweit also gut, aber die unmögliche Prolog-/Epilog-Zwangsjacke gräbt ihm unnötigerweise eine Menge Wasser ab.

7/10

Steven Spielberg WWII D-Day period piece Historie Frankreich


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AMISTAD (Steven Spielberg/USA 1997)


"Give us, us free!"

Amistad ~ USA 1997
Directed By: Steven Spielberg

Im Jahre 1839 bricht irgendwo vor der kubanischen Küste eine blutige Rebellion auf dem spanischen Sklavenschiff "La Amistad" aus. Dennoch landen die rund fünfzig Afrikaner unter der Führung des Mende-Kriegers Cinque (Djimon Hounsou) nach ihrer ersten Freistramplung nicht wie gewünscht wieder daheim, sondern vor der nordamerikanischen Westküste, wo sie umgehend in Gefangenschaft genommen werden. Es entbrennt ein gerichtlich ausgetragener Besitzstreit, der den Verbleib der angeblichen Sklaven bestimmen soll. Mehrere Parteien interessieren sich für sie, darunter auch die spanische Königin (Anna Paquin) und der Abolitionist Tappan (Stellan Skarsgård). Dieser engagiert den liberalen Junganwalt Baldwin (Matthew McConaughey) zur Verteidigung der Inhaftierten, deren Leidensweg jedoch trotz positiven Gerichtsentscheids in erster Instanz noch nicht zu Ende ist.

Noch ein schöner Film Spielbergs um ein düsteres Menschheitskapitel, inszeniert mit jenen gewohnt meisterhaft deklinierten Manipulationstechniken, die sich vor allem im Zuge der gezielten emotionalen Involvierung des Publikums manifestieren. In rein formaler Hinsicht nicht so vollendet wie "Schindler's List" gereicht der historisch adäquat umgesetzte "Amistad" seinem Regisseur dennoch zu aller Ehre. Man schaue sich im Vergleich nur Redfords ähnlich gelagerten, aber in jeder Hinsicht deutlich hinterherhinkenden "The Conspirator" an. Als perfekt besetztes, flammendes Plädoyer wider Unterdrückung und Repression handelt es sich bei "Amistad" zwar in erster Linie um ein - basal bestimmt misstrauisch zu beäugendes - pro-amerikanistisches Werk (Anthony Hopkins hält in einer meisterlichen Interpretation als John Quincy Adams eine handelsübliche, ausführliche Abschlussrede über die Verfassung, die freiheitlichen Grundrechte und die historisch-katalytische Notwendigkeit des bereits am Horizont aufziehenden Sezessionskrieges), es geht aber nicht zuletzt auch um die Geschichte jener fünfzig, in eine unwillkürliche Zweckgemeinschaft geworfenen Männer und Frauen, deren noch nichteinmal sklavenrechtlich legale Entführung von unbeschreiblicher Grausamkeit geprägt war. Ähnlich wie im Falle "Schindler's List" beweist sich Spielberg wiederum als auf seine spezielle Weise brillanter, konsequent seinen Weg gehender Chronist finsterer Epochen und schuf ein nach meinem Dafürhalten weiteres großartiges Werk, das kaum fünfzehn Jahre später beinahe aus dem kollektiven Bewusstsein und in der Versenkung verschwunden scheint. Mir total unverständlich.

8/10

Steven Spielberg Sklaverei Rassismus period piece Historie Seefahrt Courtroom Kolonialismus


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SCHINDLER'S LIST (Steven Spielberg/USA 1993)


"Whoever saves one life, saves the world entire."

Schindler's List (Schindlers Liste) ~ USA 1993
Directed By: Steven Spielberg

Der profitgierige Lebemann Oskar Schindler (Liam Neeson) kommt im Zuge der Wehrmachtsinvasion nach Krakau, macht sich dort mittels allerlei Zuwendungen zum Lieblingskind der SS-Spitze und kauft ein altes Fabrikgelände auf, um eine Emaille-Fabrik daraus zu machen. Als Arbeitskräfte beschäftigt er ausschließlich Juden aus dem Ghetton und dem späteren Arbeitslager Plaszow. Bei der Auswahl unterstützt ihn tatkräftig sein Buchhalter Itzhak Stern (Ben Kingsley). Mit der Ankunft des mordlustigen SS-Offiziers Amon Göth (Ralph Fiennes) in Krakau wird aus Schindlers Bemühen um seine jüdischen Werkstätigen ein steter Kampf, der seinen Höhepunkt findet, als die "Endlösung" mehr und mehr Gestalt annimmt: Zusammen mit Stern erstellt Schindler eine Liste von etwa 1.100 Menschen, die er angeblich als Arbeiter in einer neuen Munitionsfabrik bei Brünnlitz benötigt und die er so vor dem sicheren Tod in Auschwitz bewahrt.

Mit dem neben Polanskis "The Pianist" beeindruckendsten Spielfilm über den eigentlich höchst dramaturgiefeindlichen Themenkomplex 'Holocaust' schuf Spielberg sich nicht nur selbst ein filmisches Denkmal, sondern zugleich ein kulturelles Jahrhundertwerk. Er wagte es, das Unaussprechliche in karge Bilder zu kleiden, die unbändige Kraft des nackten Überlebenswillens und der Hoffnung ebenso zu zeigen wie die unbarmherzigen, existenzfeindlichen Vernichtungsmechanismen der Nazis. Dabei ist "Schindler's List" vor allem die Geschichte eines allmählichen Gesinnungswandels und die des Duells zweier dickköpfiger, schachernder Individuen, das über Gaskammern und Schornsteine hinweg über 1.100 Existenzen entscheidet, eine im Prinzip ungeheure Perfidie in einer Zeit, die nurmehr Perfidie kannte. Über Schindlers Person mag man sich streiten, über jenen notorischen Opportunisten, Fremdgänger, Säufer und Kapitalisten, der aus dem Krieg Profit schlägt, sich als NSDAP-Mitglied bei den Braunhemden anbiedert und später seine Ehe zerbrechen lässt. Nicht jedoch über seine Taten: Aus dem Egozentriker wird nach und nach ein Altruist, der sein für ihn so bedeutsames Hab und Gut sowie sein gesamtes zuvor erwirtschaftetes Geld opfert, um seine Liste durchzuprügeln bei dem geisteskranken Amon Göth, einem Mensch gewordenen Nazi-Albtraum par excellence.
Spielberg kassiert noch immer viel Kritik für seinen Ansatz, den Holocaust in massentaugliches Entertainment gekleidet sowie Humor und Spannung als dramaturgische Mittel in einem Film solcher motivischen Färbung verwandt zu haben. Blödsinn. Ein Werk wie dieses benötigt Popularität, keine elitären Rezipientenkreise. Er sollte von jedem gesehen und erfahren werden, zum Pflichtprogramm in Schulen gehören, am besten gleich mehrfach. Nicht, weil es sich um die treffendste kulturelle Abhandlung über die Judenvernichtung gehört, sondern gerade wegen ihrer unumständlichen Konsumierbarkeit. Selbstverständlich wäre es ebenso angeraten, "Le Chagrin Et La Pitié", "Shoah" oder "Hotel Terminus" zu sehen, aber es darf bei diesem Thema nicht um werkimmanente Ansprüche gehen. Es braucht keinen besonderen Rezeptionsgewohnheiten oder Bildungsghintergründe, um "Schindler's List" zu fühlen und zu begreifen; er verfügt über die nötige Kraft, sich selbst verständig zu machen. Gerade das macht ihn so ungeheuer kostbar.

10/10

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HOOK (Steven Spielberg/USA 1991)


"Prepare to die, Peter Pan!"

Hook ~ USA 1991
Directed By: Steven Spielberg

Peter Pan (Robin Williams) ist jetzt um die 40, trägt Bauch, Brille und Fliege, hat zwei Kinder namens Maggie (Amber Scott) und Jack (Charlie Korsmo), ist Industrieanwalt und ein verklemmter Spießer, der zum Lachen in den Keller geht und dem sein Handy zum wichtigsten Alltagsgegenstand geworden ist. Der Grund: An seine Vergangenheit als Peter Pan, der Junge, der fliegen und ins Nimmerland reisen kann und niemals alt wird, kann der Mann sich mit keinem Deut mehr erinnern. Als Peter samt Familie seine Adoptiv-Großmutter Wendy (Maggie Smith) in London besuchen kommt, entführt sein alter Erzfeind Captain Hook (Dustin Hoffman) Maggie und Jack ins Nimmerland, um Peter dorthin zu locken und seine alte Rache zu vollenden. Mithilfe der emsigen Elfe Tinkerbell (Julia Roberts) schafft der einstige Recke es zurück zu alter Form.

Weia, war das eine Tortur. Offenbar schwer beeindruckt von dem wunderbaren "The Adventures Of Baron Munchhausen" seines Kollegen Terry Gilliam, der alles vorbildlich richtig macht, was "Hook" seinerseits so vorbildlich falsch macht, begab sich auch Steven Spielberg an die Sektion eines klassischen Märchenabenteuers, unterzog es einer postmodernistischen Revision und spie es danach Richtung Publikum wieder aus, verklebt als großer bunter Schleimball mit zuckerwattigem Sabber und hoffnungslosem Dopaminüberschuss. Das filmische Äquivalent zum Diabetes mellitus sozusagen. Zugleich ein Wendy-, äh, Wendepunktsfilm, der Spielbergs omnipräsente Tendenz zum Größenwahn so gut illustriert wie vermutlich kein anderer. Glücklicherweise honorierte das Publikum dieses schweineteure Experiment nicht mit allzu sehr wehenden Fahnen; weiß der Deibel, was uns danach noch für größenwahnsinniges Kirmeskino ins Haus gestanden wäre.
"Hook" möchte viel berichten: Von der Fähigkeit, sich auch als Erwachsener ein großes Stück Kinderseele zu bewahren und im Herzen jung zu bleiben; andererseits jedoch auch von der Qualität, sich den ernsteren Dingen des Lebens zuzuwenden, sprich: eine Familie zu gründen. Im Prinzip keine sonderlich komplexen Diskurse, aber dermaßen umständlich und quälend selbstbezogen dargeboten, dass es zu einer Folter wird, diese ellenlang gedehnte Kindergeburtstagsparty ertragen zu müssen. Wir alle kennen die böse Kritikerfloskel, derzufolge das Gegenteil von gut gut gemeint sei; mir fällt kein Film ein, auf den dies mit solcher Passgenauigkeit zutrifft wie "Hook". Man kann nur von Glück reden, dass der Meister hiernach noch einmal die Kurve gekriegt hat. Es hätte auch sein Ende sein mögen. Kann ich mir nur im Zuge einer Komplettwerkschau anschauen, ansonsten bitte weg von mir.

3/10

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ALWAYS (Steven Spielberg/USA 1989)


"There's something fishy going on here, and I don't think it's the chicken."

Always ~ USA 1989
Directed By: Steven Spielberg

Just als der mutige Löschflieger Pete Sandich (Richard Dreyfuss) sein gefährliches Metier zugunsten seiner großen Liebe Dorinda Durston (Holly Hunter) aufgeben will, reißt ihn sein nächste Einsatz in den Tod. Doch Pete darf erst endgültig ins Jenseits entschwinden, wenn er als unsichtbarer Geist die letzten losen Enden seiner fleischlichen Existenz verknotet und außerdem den Nachwuchspiloten Ted (Brad Johnson) zu einer standfesten Karriere verholfen hat.

Dieses Remake von Victor Flemings "A Guy Named Joe", einem propagandistisch angehauchten Fliegerheldenepos aus den Tagen des Zweiten Weltkriegs, machte Spielberg vor allem sich selbst zum Gefallen. Gedacht als Hommage an all die jugendfreien Kitsch- und Abenteuerfilme, die seine Kindheit bestimmten, blieb er selbst hier ebenso klinisch sauber, sozusagen antiseptisch, wie das Studiokino zu Zeiten des production code und stellte damit einmal mehr die Krämerseele hinter dem längst geadelten Blockbusterregisseur zur Schau. Allein das Milieu der waldbrandbekämpfenden Feuerpiloten und -springer war um 1990 ein filmische Antiquität und spiegelt bereits im Vorhinein den obsolten Habitus wieder, der "Always" auszeichnet. Dann lernt man die bewusst stereotyp angelegten Charaktere kennen, die sich seit ihrer Originaleinführung 47 Jahre zuvor faktisch um keine Nuance verändert haben. Es gibt, besonderer Besetzungscoup, Audrey Hepburn als Engel in ihrem letzten Filmauftritt. Sowas konnte wiederum nur ein Spielberg zustande bringen, der ja bereits zum allgemeinen feuilletonistischen Entsetzen François Truffaut in einen seiner Geistesauswüchse zu locken gewusst hatte. Der Film selbst schließlich bleibt vor allem als hell, lichtdurchflutet und gänzlich harmlos im Gedächtnis, in seiner Bravheit beinahe anachronistisch, am Ende aber eben doch Spielberg durch und durch.

6/10

Steven Spielberg Montana Colorado Flugzeug Engel Joe Johnston


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CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND (Steven Spielberg/USA 1977)


"This means something. This is important."

Close Encounters Of The Third Kind (Unheimliche Begnung der Dritten Art) ~ USA 1977
Directed By: Steven Spielberg

Seit über dreißig Jahren vermisste Flugzeuge erscheinen bei Sonora, ein im Bermuda-Dreieck verschwundenes Schiff findet sich derweil in der Wüste Gobi an. In Indien entwickelt sich eine merkwürdige Sektenreligion und überall werden nächtens UFOs gesichtet, die Sonnenbrände auf den Gesichtern ihrer Beobachter hinterlassen, welche zudem fortan äußerst absonderliche Verhaltensweisen an den Tag legen. Auch wenn die Regierungen es leugnen und geheimzuhalten versuchen: Aliens sind dabei, Tuchfühlung mit der Menschheit aufzunehmen. Der Werksangestellte Roy Neary (Richard Dreyfuss) lässt sich nicht beirren und reist zum Devils Tower, einem Tafelberg in Wyoming, von der er permanente Visionen hat. Hier findet der erste Kontakt mit den Außerirdischen statt.

Als nicht nur rein optisches alter ego Spielbergs war Richard Dryefuss nach "Jaws" in "Close Encounters Of The Third Kind" wieder mit an Bord, diesmal als Agent einer Kleine-Jungs-Phantasie, die sich in eine Rolle als Auserwählter hineinträumt, der von Außerirdischen als Menschheitsabgesandter eingeladen wird. Der kulturelle Impact, der von "Close Encounters" ausging, ist gewaltig. Freundliche Aliens tragen bis heute im Massenbewusstsein exakt jenes Antlitz, das Carlo Rambaldi ihnen einst angedeihen ließ - als ätherische Lichtgestalten mit unverhältnismäßig großen Köpfen und Augen. Die Fünf-Ton-Folge, die als eine Art Gruß zwischen Menschen und Außerirdischen fungiert, vergisst niemand mehr, der sie einmal gehört hat.
"Close Encounters" ist ein seltsamer Film. Nach "Jaws" galt Spielberg bekanntermaßen als Regie-Wunderkind und kam dann ausgerechnet mit dieser abgehobenen Idee um die Ecke - einer Art Vulgärariante von "2001: A Space Odyssey", dennoch nur scheinbar tauglich für den unkomplizierten Massenkonsum, warum die Lunte riechende Universal damit auch nichts zu tun haben wollte und Spielberg seinen bis heuer einzigen Film für Columbia herstellte: eine am Ende nämlich auf epische Länge gestreckte, minutiöse Charakter- und Familienstudie, die, abgesehen vielleicht von ihrer Irrealis, im Prinzip nochmal voll in die New-Hollywood-Kerbe schlug, derweil Spielbergs Freund George Lucas bei der Konkurrenz die Wookie-Puppen tanzen ließ um das Studiokino endgültig zu refamiliarisieren. Diverse, sich bei Spielberg immer wieder anfindende Motive, sind hier bereits latent bis akut vorhanden: Die Familie als unerschütterliche, humane Institution, vorstädtisches Zusammenleben, die Angst vorm Militär als unberechenbare Staatsgewalt, der intellektuell ausgeformte, aber schwache Wisseschaftler, Kinder als Medien, Haushaltsgeräte, die bedrohliches Eigenleben entwickeln. Ungewöhnlich derweil, dass Richard Dreyfuss Frau und Kinder ziehen lässt, um seiner "Mission" nachzugehen und mit der alleinerziehenden, verständigen Melinda Dillon möglicherweise einen späteren Neuanfang begehen wird. Solcherlei Realismus wird beim späteren Spielberg stoisch ausgeblendet.

8/10

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THE SUGARLAND EXPRESS (Steven Spielberg/USA 1974)


"We're in real trouble."

The Sugarland Express ~ USA 1974
Directed By: Steven Spielberg

Das White-Trash-Pärchen Lou Jean (Goldie Hawn) und Clovis Poplin (William Atherton) mag sich nicht damit abfinden, dass ihr kleiner Sohn Langston (Harrison Zanuck) bei Pflegeeltern aufwächst. Also befreit Lou Jean Clovis kurzerhand aus der Besserungsanstalt. Gemeinsam kapern sie einen Streifenwagen mitsamt unglückseligem Fahrer (Michael Sacks) und machen sich auf den Weg quer durch den Stadt nach Sugarland, um Langston abzuholen. Die sie verfolgende Polizeieskorte wird dabei immer größer, ebenso wie die Medienwirksamkeit und Popularität, die Lou Jean und Clovis als moderne Outlaws bei der Bevölkerung genießen.

Mit "The Sugarland Express" hatte Spielberg bereits den Großteil seines Hausstabs beieinander: Ohne Vilmos Zsigmond, Joe Alves und John Williams geht künftig nichts mehr. Als Sujet für sein lang herbeigesehntes Kinodebüt wählte Spielberg einen urtypischen New-Hollywood-Topos: Das Outlaw-Pärchen auf der Flucht. They fought the law and the law won. Mit "Bonnie And Clyde" und "The Honeymoon Killers" ging's los, dann kamen noch "Thieves Like Us" und "Badlands", womit im Prinzip bereits alles zum Thema gesagt ist. Als thematisch innovativ kann man "The Sugarland Express" also nicht eben bezeichnen, eher als "sure thing" für einen Start ins Filmgeschäft. Glücklicherweise macht Spielberg auch nicht den Fehler, sich hundertprozentig an die Zugkraft seines Plots zu lehnen. Stattdessen entwickelt er bereits hier sein Talent, visuelle Gags möglichst trocken darzubieten, nutzt das Panavision-Verfahren vortrefflich, um häufig mehrere Dinge parallel im Bild zu zeigen und evoziert mit aller Macht Sympathie für sein Antihelden-Paar, von dem man natürlich von vornherein weiß, dass es für ein Happy End denkbar ungeeignet ist.

7/10

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THE GAME (David Fincher/USA 1997)


"Discovering the object of the game is the object of the game."

The Game ~ USA 1997
Directed By: David Fincher

Ohne es zu merken, ist der Investment-Banker Nicholas Van Orton (Michael Douglas) zu einem einsamen und verbitterten Zyniker geworden, dessen einziger Lebenssinn nunmehr in seiner Arbei besteht. Damit tritt er zugleich die Erbfolge seines Vaters (Charles Martinet) an, der einst im Alter von 48 Jahren - just dasselbe, das Nicholas soeben erreicht hat - den Freitod suchte. Ein Geburtstagsgeschenk seines Bruders Conrad (Sean Penn) scheint da für etwas Abwechslung zu sorgen. Ein ominöses Spiel, das die mysteriöse Firma CRS feilbietet und das Nicholas' Lebensalltag gehörig umkrempelt.

Abgesehen davon, dass "The Game" etwas unter seiner inhaltlichen, teilweise doch recht abenteuerliche Ausmaße annehmenden Konstruiertheit zu leiden hat, ist er ein hervorragender Schauspieler- und ein noch exzellenterer Regiefilm. Fincher kreiert mittels jener ihm typischen, schwarz-glänzenden Stilisierung eine ähnlich verstörende, nebulöse Atmosphäre wie bereits in "Se7en"; die Welt steht urplötzlich Kopf, niemandem kann mehr vertraut werden, alles ist bedrohliche Verschwörung, alles möglich. Michael Douglas präsentiert wie zufällig eine psychologische Weiterentwicklung seiner großen Oscar-Rolle des Gordon Gekko, der bei Fincher zu einem kompletten Misanthropen reduziert wird, der nicht mal mehr in der Gier noch Befriedigung findet. Die latente Depression hat sich bei ihm bereits durchs Hintertörchen eingeschlichen und es ist nurmehr eine Frage der Zeit, wann die letzte Sicherung durchbrennt, sich die Erkenntnis über ein verpfuschtes Leben Bahn bricht und Nicholas Van Orton es seinem suizidalen Vater gleichtut.
Über die Wendungen, die das Spiel nimmt, die minutiöse Planung der Hinterleute, die jede Reaktion ihrer Protagonisten steuern und vorhersehen können, lässt sich wohl trefflich diskutieren. All das ist am Ende jedoch nebensächlich. Die so einfache wie lebensbejahende Botschaft des Films ist wichtig: Genieß' dein Leben, du hast nur eines. Darum sollte "The Game" auch zum stelleninternen Pflichtprogramm eines jeden Firmenmanagers erklärt werden.

8/10

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