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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ASHANTI (Richard Fleischer/USA, CH 1979)


"You gave your word. I didn't."

Ashanti ~ USA/CH 1979
Directed By: Richard Fleischer

Der britische Arzt Linderby (Michael Caine) und seine schöne, eingeborene Frau Anansa (Beverly Johnson) leisten in Afrika vorbildliche Arbeit für die WHO. Als Anansa eines Tages in die Fänge des Sklavenhändlers Suleiman (Peter Ustinov) gerät, versucht Linderby mit allen Mitteln, sie ihm wieder abzujagen.

Dass Exploitationkino nicht unbedingt Tonnen von Blut, Gewalt und Sex benötigt, beweisen zahlreiche, spekulative Spätwerke früherer Hollywood-Pros, die in den späten Siebzigern unter zumeist europäischer Privatfinanzierung entstanden sind und eine der vielen businessinternen Reaktionen auf New Hollywood bildeten. "Ashanti" gehört genau in diese Kategorie: Eine Bestseller-Verfilmung, produziert von irgendeiner französischen No-Name-Firma, mit einer ganzen Latte Altstars garniert und von einem einstmals renommierten Regisseur inszeniert; das Ganze von vorbildlicher Unterhaltsamkeit. Und trotzdem entrinnt der Film niemals seiner latent-schäbigen Konnotation. Lustvoll berichtet er uns von unhaltbaren, archaischen Zuständen im entwicklungsrückständigen Afrika und fängt im schönsten Widerspruch dazu parallel jede Möglichkeit menschlicher Barbarei hechelnd mit der Kamera ein - Exploitation eben. Dennoch, allein die Besetzung ist ein köstliches Créme-Törtchen: Die alternden Schauspielgardisten Rex Harrison, William Holden und Omar Sharif geben sich jeweils die Ehre in (wahrscheinlich annehmbar entlohnten) charmanten Fünf-Minuten-Auftritten, Peter Ustinov in einer Eigenreprise seiner "Spartacus"-Rolle spielt famos, demonstriert jedoch, dass er bloß augenzwinkernde Schurken konnte und keine echten Bösewichte, Kabir Bedi, damals noch als "Sandokan" in aller Munde, ist als Heldenbuddy dabei, Winston Ntshona, "Wild Geese"-Enthusiasten sicher bestens als geschundener Präsident Limbani bekannt, als Schurkengehilfe. Und Michael Caine, der damals ein eigenartiges berufliches Faible entwickelte für die Niederungen des grellen Trash-Kinos, ist sowieso immer eine Bank.
Ich fand "Ashanti" auf seine spezielle Art wieder sehr faszinierend.

6/10

Independent Sklaverei Afrika Exploitation Richard Fleischer


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SUNDAY BLOODY SUNDAY (John Schlesinger/UK 1971)


"Children... are you smoking pot?" - "Are you bourgeois?"

Sunday Bloody Sunday ~ UK 1971
Directed By: John Schlesinger


Der Londoner Internist Daniel Hirsh (Peter Finch) und die Angestellte Alex Greville (Glenda Jackson) sind gleichermaßen dem deutlich jüngeren Installationskünstler Bob Elkin (Murray Head) verfallen. Im jeweiligen, eifersüchtigen Wissen um den Nebenbuhler bzw. die Nebenbuhlerin versuchen sowohl Daniel als auch Alex, Bob permanent über den Telefonauftreagsdienst auszuspionieren. Für den lebenslustigen Bohémien, der die für seine gesetzteren Partner als quälend empfundene Dreiecksbeziehung völlig locker wahrnimmt, bildet diese jedoch bloß einen befristeten Lebensabschnitt: Die Zukunft weist nach New York, zu Ruhm und Geld.

Die Stärke von Schlesingers erstem Film nach dem Award-Gewinn für sein Meisterwerk "Midnight Cowboy", für das der Regisseur wieder in vertraute Londoner Gefilde zurückkehrte, liegt in dessen kluger, gleichermaßen bescheidener und lebensfreudiger Charakteranalyse. Etwas über eine Woche lang beobachtet man diese drei Individuen unter zunehmender Verdichtung ihrer jeweiligen emotionalen Situation; zwei von ihnen bei der Selbstverzehrung, eines, das im Zentrum stehende verbliebende, dabei, wie es permanent versucht, Kompromisse zu arrangieren, um seine Geliebten nicht vor den Kopf stoßen zu müssen. Offenbar ist es möglich, zwei Menschen gleich starke Zuneigungsformen entgegenzubringen, wenigstens, solang die Verhältnisse unverbindlich bleiben. Eine Frage der Lebenssituation und des Alters womöglich: Alex und Daniel stammen jeweils aus gut situierten Bildungsbürgerhaushalten, wobei dem einen zudem noch eine starke religiöse - nämlich jüdische - Prägung innewohnt. Dass am Ende für sie nurmehr die Emanzipation von der vorherigen Selbstversklavung bleibt, um mit erhobenem Kopf weiterleben zu können, gerät zur Natur der Sache. In der vorletzten Einstellung stehen sich die beiden erstmals für eine kurze Dialogszene gegenüber wie zwei alternde Feldherren, zu müde für eine Fortsetzung der Schlacht und in sicherer Gewissheit um die Tatsache, jeweils verloren zu haben.

8/10

John Schlesinger Dreiecksbeziehung London


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HARRY BROWN (Daniel Barber/UK 2009)


"To them out there, this is just entertainment."

Harry Brown ~ UK 2009
Directed By: Daniel Barber


Der Ex-Marine Harry Brown (Michael Caine) lebt in einem Londoner Slum. Mit Sorge beobachtet der rüstige Senior die zunehmende Jugendkriminalität in seiner Wohngegend. Kurz nachdem seine im Krankenhaus dahinvegetierende Frau stirbt, wird Harrys Freund Leonard (David Bradley) bei einem nächtlichen Scharmützel von den Kids getötet. Harry beschließt, die Sache nicht einfach der offenkundig überforderten Polizei zu überlassen und greift selbst zur Waffe.

Der gerontologische Rächer-Film ist kein neu erfundenes Genre, sondern spätestens mit dem zweiten und besonders dann den folgenden Teilen aus Michael Winners "Death-Wish"-Reihe ein etabliertes Subsegment im Genrekino. Im vorletzten Jahr hatte schon Clint Eastwood als Walt Kowalski einer Gewalteskalation Herr zu werden, in die renitente und respektlose Slumkids verwickelt waren - Michael Caine schlägt in "Harry Brown" einen noch wesentlich radikaleren Weg ein.
Wie eigentlich allen Protagonisten dieses Fachs geht es auch Harry Brown weniger darum, persönliche Gerechtigkeit einzufordern. Im Mittelpunkt seines Aktionismus steht vielmehr ein überdeutlich prononciertes Statement des Alterns wider das gesellschaftliche Vergessenwerden und wider die Einsamkeit. Nachdem die letzten beiden Bezugspersonen aus Harrys Leben verschwunden sind, fällt es ihm nicht schwer, die Schuldigen auszumachen: Da man den natürlichen Tod selbst nicht abknallen kann, geht Harry folgerichtig gegen den jugendlichen Abschaum seines Viertels vor, der den Tod seines Kumpels zu verantworten hat, ohne den Harry endgültig vollkommen allein dasteht. Zudem beobachtet er im filmischen Kontext wie viele ältere Menschen, die in einer entsprechenden Gegend leben, offenbar bereits seit längerer Zeit mit sorgevoller Miene den sozialen Verfall seines Viertels. Während die uniformierte Staatsgewalt sich nurmehr durch gleißende Inkompetenz hervortut, sieht Harry den letzten Ausweg im Vigilantismus. Dass seine "Säuberungsaktion" am Ende tatsächlich erfolgreich ist, mag man dem Film als reaktionär ankreiden; die Empathie jedoch, mit der Barber sich den seelischen Leiden eines im Leben alleingelassen Seniors annährt, bezeugt unmissverständlich, dass "Harry Brown" abseits seiner zuweilen grellen Affektoberfläche vor allem eines ist: Ein zutiefst humanistisches Drama.

8/10

Slum Rache Vigilantismus London


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UN AMOUR DE SWANN (Volker Schlöndorff/F, BRD 1984)


Zitat entfällt.

Un Amour De Swann (Eine Liebe von Swann) ~ F/BRD 1984
Directed By: Volker Schlöndorff


Paris im späten 19. Jahrhundert: Der intellektuelle Lebemann Charles Swann (Jeremy Irons) ist trotz seiner bürgerlich-jüdischen Herkunft ein gern gesehener Gast bei den protzigen Empfängen und Galadiners der Aristokratie. Als jedoch seine zunehmend obsessive Liebe zu der aufreizenden Kurtisane Odette de Crécy (Ornella Muti) publik wird, ist damit zugleich Swanns soziale Stellung gefährdet. Jener jedoch lässt sich von den Drohungen seiner so genannten "Freunde" nicht einschüchtern. Selbst Swanns von ihm selbst als solche erkannte pathologische Eifersucht bezüglich Odettes übriger, bestenfalls an ihren körperlichen Reizen interessierten Galane, hält ihn am Ende nicht davon ab, sie zur Frau zu nehmen.

Nachdem Peter Brook von dem Projekt "Swann" abgesprungen war, sprang Schlöndorff ein - für ihn eine willkommene Offerte, da Prousts gewaltiges Werk "À La Recherche Du Temps Perdu", dessen Bestandteil "Un Amour De Swann" ist, nach eigenem Bekunden zu Schlöndorffs Leib- und Magenliteratur zählt. Die Dreharbeiten hatten unter einem eher unrühmlichen Charakter zu leiden, da der als homosexueller Adliger Charlus auftretende Alain Delon die Tatsache, dass - zudem in einem nationalen Epos - nicht er, sondern der Brite Jeremy Irons die Titelrolle gab, auf nickligste Weise torpedierte. Unter anderem ließ er sich mit der Muti ablichten und die Fotos in diversen großen Pariser Zeitungen veröffentlichen, was eine völlig verquere Publikumserwartung zur Folge hatte.
Abseits von diesen Schlöndorff-untypischen Querelen ist "Swann" wohl selbst für Proust- Connaisseure ein hochästhetisches und entsprechend genussvolles, von Bergman-Adlatus Sven Nykvist höchst edel fotografiertes Werk, das zu den großen, historischen Gesellschaftsporträts des Kinos gezählt werden muss und eben primär durch seinen äußeren Glanz begeistert. Für Schlöndorffs Gesamtwerk ist der Film insofern von erwähnenswertem Status, als dass er einer der ersten des Regisseurs mit internationaler Starbesetzung war und ihm damit eine - wenn auch recht kritisch beäugte - Tür zum Weltkino öffnete. Ansonsten verhindert die distanzierte Machart wohl eine intensivere Zuwendung. Man ist, ähnlich einem Gang durch eine impressionistische Galerie, voll des Respekts und auch recht angetan, ist sich aber permanent im Klaren darüber, dass man das gute Stück sowieso nicht mit nach Hause nehmen kann wendet sich ergo mit mindestens ebenso großem Interesse dem nächsten Gemälde zu. Auf bald also.

7/10

Fin de Siècle Standesduenkel period piece Volker Schloendorff Sittengemaelde Historie Marcel Proust


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STREET SMART (Jerry Schatzberg/USA 1987)


"That's my man!"

Street Smart (Glitzerner Asphalt) ~ USA 1987
Directed By: Jerry Schatzberg


Die Karriere des New Yorker Journalisten Jonathan Fischer (Christopher Reeve) stagniert. Unter den Reportage-Ideen, die er seinem Chef Avery (Andre Gregory) regelmäßig vorträgt, ist auch die, einen Bericht über einen der jenseits der 110. Straße tätigen pimps zu schreiben. Diese stößt auf prompte Gegenliebe, allein die Umsetzung erweist sich als prekär. Niemand aus dem Milieu will sich von Jonathan interviewen lassen. Also denkt dieser sich, angesichts seiner knapp angelegten Deadline, kurzerhand selbst eine Geschichte aus, die mit ihrem lockeren Stil prompt zum Renner wird. Diesen Zuhälter Tyrone mit den flotten Sprüchen will jeder der Manhattaner High Snobiety kennenlernen. Tatsächlich hat der fiktive Tyrone ein reales Pendant namens 'Fast Black' (Morgan Freeman) und dieses steht gegenwärtig wegen Mordes vor Gericht. Als Jonathan und Fast Black sich begegnen, ist dies für Jonathan der Anfang einer immer brenzliger werdenden Situation.

Besonders in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wandte sich die unabhängige Produktions- und Verleihgesellschaft Cannon neben dem Actionfilmgeschäft der Herstellung prestigeträchtiger Autorenprojekte zu. Selbst als Kassengift geltende oder zumindest als diesbezüglich gefährlich erachtete Filmemacher wie John Cassavetes, Lina Wertmüller, Barbet Schroeder, Nicolas Roeg oder Robert Altman erhielten so unerwarteten finanziellen Rückenwind, um das eine oder andere Herzensprojekt auf die Beine stellen zu können. Vermutlich war es gerade dieser Appetit auf Renommee abseits vom B-Film, der den Cannon-Chefs Menahem Golan und Yoram Globus neben einigen unrentablen Wahnsinnsinvestitionen letztlich das Genick brach. Für den aus dem New-Hollywood-Umfeld stammenden Jerry Schatzberg jedenfalls bildete der von der Cannon produzierte "Street Smart" die Chance, nach vierzehn Jahren im Nirvana des Mediokren seinen ersten bedeutsamen Film machen zu können. Die Geschichte wandelt sich von einer bissigen Sozialsatire nach und nach zu einem knackigen Thriller, bis sie schließlich in einen handelsüblichen, nichtsdestotrotz jedoch wirkungsvollen Racheplot mündet. Schatzberg inszeniert das mit großem Können und ebenso großem Elan und lässt seine beiden Antagonisten ein dramaturgisch brillant arrangiertes Duell austragen. Morgan Freeman, seit "The Shawshank Redemption" ja der nette Onkel Tom vom Dienst, ist als psychopathischer Zuhälter Fast Black vermutlich in der diabolischsten Rolle seiner Laufbahn zu sehen. Wie gut war der Mann doch einst als veritabler Bösewicht. Reeve strampelt mithin erfolgreich gegen seinen "Superman"-Strampler an, auch wenn er hier erneut einen Großstadt-Reporter spielen muss.
"Street Smart", soviel ist sicher, lohnt die Wiederentdeckung!

8/10

Satire Jerry Schatzberg Journalismus Fernsehen Prostitution New York


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PEEPING TOM (Michael Powell/UK 1960)


"Take me to your cinema."

Peeping Tom (Augen der Angst) ~ UK 1960
Directed By: Michael Powell


Der junge, schüchterne und krankhaft skopohile Londoner Mark Lewis (Karlheinz Böhm) tut alles für die Kamera - ob Film, Photos, oder bloße Technik - das Abbilden und Festhalten von Gesichtern ist sein Leben. Eines Tages entdeckt er die Lust daran, Frauen mit Todesangst in den Augen zu filmen - dummerweise muss er seine Opfer zur vollends authentischen Evozierung dieser Todesangst tatsächlich ermorden. Als seine Nachbarin Helen (Anna Massey) sich für ihn zu interessieren beginnt, spürt Mark, dass dies vielleicht seine letzte Möglichkeit der Erlösung ist.

Powells für seine Mitwirkenden auf verhängnisvolle Weise autodestruktiver "Peeping Tom" wird häufig in einem Atemzug mit Hitchcocks "Psycho" genannt - beide Filme präsentieren jeweils einen jungen Serienmörder, der durch grauenhafte Kindheitserlebnisse und eine diesbezüglich beanspruchte Sollbruchstelle in seiner Biographie eine tief verwurzelte Psychose davonträgt und die Kompensation dafür in Frauenmorden sucht. Dennoch differieren beide Arbeiten bereits im Ansatz; wo Hitchcock sich stilsicher mittels expressionistischer Schattenmotive fortbewegt, benutzt Powell beinahe obszön leuchtendes Eastman Color; wo Hitchcock tief in die innere Welt seines Protagonisten eintaucht, reflektiert Powell das Wesen seiner Kunst und nimmt sich darüberhinaus ausgiebig Zeit, das britische Spießbürgertum zu observieren. Dabei ist er auch dem ein oder anderen humorigen Moment nicht abgeneigt, etwa gleich zu Beginn, als das große britische Horror-Faktotum Miles Malleson bei seinem fast obligatorischen Auftritt den Zeitschriftenladen von Marks Arbeitgeber betritt, um eine Serie pornographischer Bilder zu erstehen - ganz inoffiziell natürlich.
Der vorsätzlich unbequeme und in seiner angemessenen Trägheit nicht eben leicht zu genießende "Peeping Tom" hat ja mittlerweile zahlreiche prominente Fürsprecher wie Martin Scorsese und ist in jedem respektablen Meisterwerks-Kanon auffindbar. Für den Hauptdarsteller Böhm, der hiermit sein Kaiser-Franz-Josef-Stigma abzuschütteln trachtete, bedeutete die fast archetypische Rolle des perversen Londoner Bohèmiens und Rollerfahrers Mark Lewis einen empfindlichen Karriereknick. Weniger bekannt ist indes ein meines Erachtens viel interessanteres Faktum, nämlich, dass "Peeping Tom" als Mittelstück einer inoffiziellen Mördertrilogie der für den Verleih von kommerziell vielversprechenden Billigproduktionen bekannten Anglo-Amalgamated gilt. Powells Film landet damit genau zwischen den ungleich weniger bekannten, dabei jedoch kaum minder wunderbaren "Horrors Of The Black Museum" von Arthur Crabtree und "Circus Of Horrors" von Sidney Hayers, die wegen ihrer deutlich plüschigeren Machart nie das Renommee von Powells Film für sich verbuchen konnten. Dennoch funktioniert diese herrlich bunte, makabre Trilogie des Todes als Ganzes immer noch am besten.

9/10

Psychologie Michael Powell London Serienmord Skandalfilm


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KÆRLIGHED PÅ FILM (Ole Bornedal/DK 2007)


Zitat entfällt

Kærlighed På Film (Bedingungslos) ~ DK 2007
Directed By: Ole Bornedal


Der Kopenhagener Polizeiphotograph Jonas (Anders W. Berthelsen), ein in seinem Alltagstrott gefangener Familienvater, verursacht aus Nachlässigkeit einen Autounfall, bei dem die junge Julia (Rebecka Hemse) schwer verletzt wird. Als der sogleich merkwürdig von Julia faszinierte Jonas diese im Krankenhaus besuchen will, hält alle Welt ihn für einen gewissen 'Sebastian', jener offenbar Julias Ehemann, an den sie selbst wegen einer Amnesie jedoch keine Erinnerung hat und der zudem auf seltsame Weise in Kambodscha verschwunden scheint. Jonas spielt das Verwechslungsspiel mit und verliert dabei immer mehr den Bezug zu seiner eigenen Identität - bis plötzlich der echte Sebastian auftaucht...

Nachdem die von von Trier oktroyierte "Dogma"-Hysterie im hohen Norden wieder weithin abgeebbt ist - wobei mir diese "kulturelle Rekonaleszenz" manchmal wie ein hörbares Aufatmen erscheint - kommen jetzt aus dem Skandinavischen also vermehrt stark stilisierte Filme, so auch dieser hingebungsvoll an US-Vorbildern orientierte Identitätskrisen-Thriller. "Kærlighed På Film" begreift sich offenbar als eindeutige Reminiszenz an Hitchcocks Klassiker, arbeitet mit psychoanalytischen Motiven wie sexueller Obsession, Paraphilie und Morbidität. Der eigentliche, im Kern präsente Aufzug der Story um einen sich in Selbstillusionen verlierenden Biedermann machte auf mich dabei durchaus den Eindruck kompetenter Umsetzung. Was den Film jedoch leider eines hohen Maßes seiner sonstigen Wucht beraubt, ist die kriminalistische Aufschlüsselung des Ganzen, die einen ziemlich platten Handlungsstrang um Diamantenschmuggel und Triaden miteinbezieht und für den ironischerweise frappant nach Jörg Kachelmann aussehenden Jonas als eine Art Schicksalsschlüssel fungiert. Ohne dieses überflüssige Zugeständnis an die Konvention wäre "Kærlighed På Film" vielleicht wesentlich tragfähiger geworden, so langt es leider bloß zu einer - immerhin hübsch polierten - Teilnehmer-Medaille.

7/10

film noir Dänemark Kopenhagen neo noir Ole Bornedal


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UP IN THE AIR (Jason Reitman/USA 2009)


"I stereotype. It's faster."

Up In The Air ~ USA 2009
Directed By: Jason Reitman


Im Auftrage seiner Firma, einer Entlassungsagentur, reist Ryan Bingham (George Clooney) an den meisten Tagen des Jahres quer durch die Staaten, um Menschen aus ihren teils langjährig ausgeübten Jobs zu feuern. Als "Perspektivgespräche" werden die entsprechenden Konversationen bezeichnet, um ihnen den trügerischen Anstrich von Konstruktivität zu verleihen, was letztendlich jedoch selten funktioniert. Zudem hält Ryan regelmäßig Motivationsseminare ab, in denen er Rücksichtslosigkeit, Ellbogenmentalität und Egozentrik predigt. Als er eines Tages auf seinen Reisen die sympathische Alex (Vera Farmiga) kennenlernt, scheint eine Zäsur in Ryans uniformem Lebensalltag nicht mehr fern...

Reitman Jr.s "Thank You For Smoking" habe ich in nicht besonders vorteilhafter Erinnerung und "Juno" habe ich genau aus diesem Grunde bereitwillig ausgespart. "Up In The Air" hat nun eher zufällig meinen Weg gekreuzt, und, wie geschah mir: Der aktuelle Film ist doch tatsächlich ganz, ganz toll! Nachdem der Anfang mit der Vorstellung eines berufsbedingten Verzweiflungstouristen sich als unbarmherzige Satire zur globalen Rezession gestaltet, verwandelt sich die Story mehr und mehr in Richtung "Death Of A Salesman" - dieser Ryan Bingham ist zwar noch nicht im Rentenalter, die Lebenslüge, mit der er sich selbst über Wasser hält, dürfte im Endeffekt jedoch nicht minder verhängnisvoll sein als die eines Willy Loman. Umso tragischer erwächst sich das Ganze, als Bingham zaghaft seinen zuvor undurchdringlichen Panzer öffnet, nur um einen gezielten Stich ins Herz abzubekommen, an dem er selbst ferner nicht ganz unschuldig ist.
Auch wenn Clooney nicht unbedingt der glaubwürdigste Darsteller für dieses filmische Manifest der Einsamkeit sein mag (ich hätte mir angedenk "Punch-Drunk Love" auch sehr gut Adam Sandler in der Rolle des Ryan Bingham vorstellen können), es läuft, und es läuft sauber! Wären allerdings die letzten fünfzehn Minuten nicht, "Up In The Air" käme schwerlich über ein gefälliges "nett, aber mithin gewöhnlich" hinaus. Der konsequente Mut auf den Verzicht eines happy endings und die so aufrichtige wie realitätsverpflichtete Traurigkeit, mit der der Film sich zu schließen getraut, machen ihn jedoch geradezu erhaben. Wunderbar, wirklich und ehrlich.

9/10

Satire Jason Reitman Fliegerei Finanzkrise Geld Firma


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DARK BLUE (USA, D 2002/Ron Shelton)


"You gotta have some breaks."

Dark Blue ~ USA/D 2002
Directed By: Ron Shelton


Detective Eldon Perry (Kurt Russell) vom LAPD ist seinem direkten Vorgesetzten Van Meter (Brendan Gleeson), einst Kollege und Freund von Perrys Vater, bedingungslos loyal. Zwar ahnt Perry, dass Van Meter einigen Dreck am Stecken hat, würde sich dies jedoch nie eingestehen und lässt sich lieber selbst zum Werkzeug von Korruption und Polizeikriminalität machen. Auch Perrys junger Partner Bobby Keough (Scott Speedman) wird in die gut geölte Unrechts-Maschine des Uniformfilz gezogen. Der rechtschaffene, stellvertretende Polizeichef Arthur Holland (Ving Rhames) steht als Vorkämpfer gegen Van Meter und seine Methoden allein auf weiter Flur - bis Bobby sich entschließt, auszupacken.

Nach einem Treatment von James Ellroy siedelt David Ayer sein Script vor dem historischen Hintergrund der 92er Unruhen in Los Angeles an, die infolge des Freispruchs von vier Polizisten, welche den afroamerikanischen Bürger Rodney King misshandelt hatten, stattfanden. "Dark Blue" steht ganz in der Tradition der kritischen Uniformsystemanalytiker wie Joseph Wambaugh, Sidney Lumet und schließlich auch Ellroy selbst. David Ayer könnte man nun neben Antoine Fuqua durchaus als legitimen Nachfolger jener "klassischen" Polizeichronisten bezeichnen; wie die Pioniere wähnt er die permanente Gefahr des Machtmissbrauchs, die scheinbare Legitimation krimineller Gelüste, die durch die Integration in die heiligen Hallen der Exekutive für viele ihrer Kettenglieder erst zur Selbstverständlichkeit wird und ab und von Zeit zu Zeit einer reinigenden, kathartischen Lektion bedarf. Der an sich einwandfreien Narration gegenüber steht allerdings die leidlich-betuliche und weithin überraschungsarme Inszenierung des Auftragsregisseurs Shelton, dessen wahrscheinlich einziger tragfähiger Film dies ist; die Figurenkonstellation entspricht derweil faktisch jener aus "L.A. Confidential" - Kurt Russell bekleidet eine Art Hybriden aus den Crowe- und Spacey-Rollen, Speedman und Rhames teilen sich im Gegenzug den Pearce-Part und Brendan Gleeson übernimmt 1:1 den Cromwell-Charakter. Einen Originalitätspreis gewinnt "Dark Blue" ergo kaum; absprechen hingegen kann man ihm nicht, dass er auf einer etwas flacheren Ebene spannend bis vorzüglich unterhält, was ja auch nicht immer schlecht ist.

7/10

Ron Shelton period piece David Ayer James Ellroy Los Angeles Korruption


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UNIVERSAL SOLDIER: REGENERATION (John Hyams/USA 2009)


"I've got a question: Do you contemplate the complexity of life sometimes?"

Universal Soldier: Regeneration ~ USA 2009
Directed By: John Hyams


Nachdem ein paar Separatisten mithilfe eines NGU (Andrei Arlovski), eines umprogrammierten Unisol der zweiten Generation, die Kinder (Yonko Dimitrov, Violeta Markovska) des russischen Präsidenten (Stanislav Pishtalov) entführt und das stillgelegte Kernkraftwerk bei Tschernobyl gekapert haben, reaktiviert das angesichts der Situation hilflose Miltär seine alte Geheimwaffe Luc Deveraux (Jean-Claude Van Damme). Deveraux, der eigentlich mittels einer langwierigen Therapie wieder seiner Menschlichkeit zugeführt werden sollte, begegnet in Tschernobyl auch seinem alten Widersacher Andrew Scott (Dolph Lundgren).

Es ist immer schön, festzustellen, dass sich die Vorschusslorbeeren geschätzter Zeitgenossen als gerechtfertigt erweisen. "Universal Soldier: Regeneration", exklusive zweier kanadischer TV-Produktionen der zweite offizielle Nachfolger von Emmerichs seichtem Original, überholt ebenjenes mühelos um mindestens eine Gesamtlänge und zeigt auf, wie eindrucksvoll selbst im Actionfilm die Schaffung einer kammerspielartigen Atmosphäre hochbudgetiertes Knall-Bumm-Kino in den Schatten zu stellen vermag - sofern bloß die richtigen Köpfe dahinterstecken. Der für verhältnismäßig kleines Geld in Bulgarien gefertigte "US:R" konzentriert sich ganz auf den Schauplatz des vermeintlich toten Kraftwerks, als dessen imposant photographiertes Substitut freilich eine alte Stahlfabrik herhält und lässt den stoischen Sambo-Champion Andrei "The Pitbull" Arlovski darin herumspuken wie einen unbezwingbaren Geist in seinem haunted house, der gnadenlos alles eliminiert, was ihm zwischen die gewaltigen Finger gerät. Die vorsätzlich triste, farbentleerte Kameraarbeit durch den Regisseursvater Peter, bekanntlich selbst ein Veteran der Regie und Photographie, wäre dabei besonders hervorzuheben. Hyams' Bildkompositionen bleiben stets in verhaltenem Sepia, zumindest, so sie nicht als Lichtquelle künstliche Werksbeleuchtung verwenden, und machden die Kämpfe der noch viel deutlicher als bei Emmerich als traurige Zombiesoldaten wider Willen charakterisierten Kampfmaschinen zu einer fast schon (mit-)leidigen Angelegenheit. Das ist mutig und zudem ein großartig-subtiler Ansatz, mittels eines "kleinen" B-Films das Genrefeld so dermaßen von hinten aufzurollen.
Leider werden viele Zuschauer, die es nötig hätten, den Film zu sehen, von vornherein abwinken, schon zumal seines unvermeidlichen Sequel-Status. Bedauernswert, ach, was ihnen da entgeht.

8/10

Sequel Peter Hyams Kunstmensch John Hyams Militär Terrorismus





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