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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE LORD OF THE RINGS: THE RETURN OF THE KING (Peter Jackson/USA, NZ 2003)


"Smeagol lied!"

The Lord Of The Rings: The Return Of The King (Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs) ~ USA/NZ 2003
Directed By: Peter Jackson

Nach Sarumans (Christopher Lee) Niederlage und Tod beim Orthanc mobilisieren Gandalf (Ian McKellen), Aragorn (Viggo Mortensen) und die anderen, vornehmlich durch Pippins (Billy Boyd) Initiative, nahezu alle zerstrittenen Stämme des Westens, sich in der gewaltigen Schlacht gegen die auf Minas Tirith herannahenden Truppen Saurons zu verbünden. Dabei gilt es auch, den über die Nachricht von Boromirs (Sean Bean) Tod wahnsinnig gewordenen Truchsess von Gondor, Denethor (John Noble), zu 'umgehen'. Aragorn, Legolas (Orlando Bloom) und Gimli (John Rhys-Davies) rufen indes die 'Geister der Eidbrüchigen' zur Hilfe, eine riesige Armee verfluchter Zwischenreichler, die nur der Schiedspruch des wahren Thronfolgers von ihrem Schattendasein erlösen kann. Diese versammelte, große Streitmacht erringt schließlich den Sieg bei Minas Tirith und rückt hernach gegen Barad-dûr, die Feste Saurons, vor. Der unterdessen nach Gollums (Andy Serkis) Verrat, der Trennung von Sam (Sean Astin) und dem Kampf gegen die fürchterliche Kankra in Saurons Gefangenschaft geratene Frodo (Elijah Wood) kann von dem treuen Sam befreit werden. Nachdem Frodo sich auf dem Schicksalsberg von der Macht des Rings ein letztes Mal verführen lässt, landet dieser durch Gollums Intervention in der flammenden Glut und vergeht. Damit ist auch Saurons Macht endgültiggebrochen. Das Ende des Dritten Zeitalters von Mittelerde, der Exodus der Elben und auch der von Gandalf und Frodo, die mit Schiffen gen Westen aufbrechen, ist gekommen.

Streitbar, ob der dritte Film "The Return Of The King", der Höhepunkt der Trilogie sein soll, wie es etwa die vielen bestätigenden Stimmen oder auch die rekordbrechende Verleihung von elf Academy Awards (die im Prinzip natürlich an die gesamte Reihe gingen) suggerieren könnte. Peter Jackson hat neben dem ohnehin überaus ereignisreichen Finale mit all seinen spektakulären Wendungen und der gigantischen Aufwändung unterschiedlichster, kriegsbeteiligter Parteien, noch Frodos Kampf gegen die Riesenspinne Kankra, der eigentlich bereits im zweiten Band stattfindet, hinzugefügt. Somit platzt "The Return Of The King" bezüglich Aktionsradius und Ereignisbreite förmlich aus allen dramaturgischen Nähten und ist - erwartungsgemäß - eine gigantische Geisterbahn von nachgerade unglaublicher Affektspanne nebst diversen Gänsehautsequenzen sowie ausführlich-bittersüßen Abschiedsklängen, die allerdings bei weitem nicht so umfangreich ausfallen wie in Tolkiens Vorlage.
Zudem befällt einen am Ende jenes berauschende Gefühl, das einen nach Beendigung klassischer Filmserien, zumindest, so sich diese selbst als 'gelungen' zu schimpfen rühren, eigentlich immer ereilen sollte: Jene Gewissheit, jüngst etwas wahrhaft Weltbewegendem beigewohnt zu haben und selbst ein Teil davon geworden zu sein. Denn wie eigentlich jedes große Abenteuerepos respektive jeder legendäre Kinozyklus besitzt auch "LOTR" eine immersive Kraft, die weit über das übliche Maß an Affizierung hinausgeht - sie suggeriert dem offenen Zuschauer auf sublime Weise, er habe als passiver Mitreisender an der soeben auskonsumierten Heldenodyssee selbst teil genommen. Ein Kulturartefakt, dass dies vermag, gehört ohnehin inthronisiert. Wie der gute Aragorn, der am Ende nicht nur die Krone, sondern, wie es sich gehört, nebenbei sein Halbelbenmädchen Arwen (Liv Tyler) bekommt.

9/10

Peter Jackson J.R.R. Tolkien Söldner Road Movie Reise Belagerung D.C.


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THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS (Peter Jackson/USA, NZ 2002)


"My... preciousssss..."

The Lord Of The Rings: The Two Towers (Der Herr der Ringe - Die zwei Türme) ~ USA/NZ 2002
Directed By: Peter Jackson

Auf ihrem Weg nach Mordor gibt sich Frodo (Elijah Wood) und Sam (Sean Astin) endlich der sie verfolgende, frühere Ringbesitzer Gollum (Andy Serkis) zu erkennen, einst selbst ein Hobbit namens Smeagol, den der Ring im Laufe der Jahrhunderte in einen kleinen Unhold verwandelt hat. Merri (Dominic Monaghan) und Pippin (Billy Boyd) landen derweil bei dem Ent Baumbart, einem uralten Waldeswächter. Der totgeglaubte Gandalf (Ian McKellen) taucht wieder auf und nennt sich jetzt 'Gandalf, der Weiße'. Derweil stellen Streicher, der sich als sein Erbe ablehnender Königssohn Aragorn entpuppt hat, Gimli (John Rhys-Davies) und Legolas (Orlando Bloom) fest, dass Theoden (Bernard Hill), König des Reitervolks von Rohan, von Sarumans (Christopher Lee) Diener Grima Schlangenzunge (Brad Dourif) in eine Willenlose Marionette verwandelt wurde. Mit Gandalfs Hilfe kommt Theoden wieder zu Kräften und zieht mit seinen Untertanen nach der Bergfeste Helms Klamm, von wo aus eine gigantische Schlacht gegen Sarumans riesige Uruk-Hai-Armee geführt werden soll. Frodo, Sam und Gollum stoßen in der Zwischenzeit auf Boromirs (Sean Bean) jüngeren Bruder Faramir (David Wenham), der wie einst der tote Boromir nach dem Ring giert, um Gondor und Minas Tirith gegen Sauron verteidigen zu können. Schließlich erkennt er jedoch den Sinn von Frodos Mission und lässt die drei wieder ziehen. Derweil können Theoden, Aragorn und die anderen im letzten Moment mit der Hilfe des herbeieilenden Heers von Theodens Neffen Eomer (Karl Urban), geführt von Gandalf, die Uruk-Hai schlagen, während die Ents unter Baumbart parallel dazu Isengard dem Erdboden gleich machen. Saruman ist bezwungen.

Die Adaption des zweiten Romanteils fällt schon deutlich finsterer und pompöser aus als "The Fellowship Of The Ring"; als Mittelteil einer als solchen konzipierten Trilogie erfüllt er zudem die relativ undankbare Funktion des 'Muffenstücks', also der dramaturgischen Verbindung zwischen Exposition und großem Finale. Mit der umfassenden Defensivschlacht gegen Saurons Helfershelfer Saruman, die an zwei Orten parallel geschlagen wird, ergibt sich für Jackson jedoch nichtsdestotrotz eine Gelegenheit für ausufernde, fulminante Action. Der Kampf um Helms Klamm ist ein Meisterstück zusammengefügter Massenszenen und CGI. Wie viele ähnlich gelagerte Filme auch zehrt ab dem zweiten Teil auch "LOTR" ganz immens von den von Mel Gibson für "Braveheart" kultivierten Massenschlachtengemälden; es wird geholzt und gehobelt, mit Schert, Bogen, Katapult und Streitaxt und Abertausende von bewusst unmenschlich gezeichneten Orks und Uruk-Hai finden sich am Ende entleibt wieder. Das bereits im Buch verwirrend multiple Konglomerat aus Personen, Namen und Schauplätzen wird im Film relativ überschaubar gehalten; mit exotischen Bezeichnungen vertraute Fantasy- und Rollenspielerfreunde dürften es jedoch definitiv leichter haben, sich zwischen Emyn Muil und Orthanc zurecht zu finden. Doch angesichts ddes Stoffes sind solche Jammereien ohnehin völlig unangebracht: "The Two Towers" bietet formvollendetes Ereigniskino in allerhöchster Perfektion, besessen von dem Wunsch, etwas einzigartiges, monolithisches für die Leinwand zu schaffen und bei aller kommerziell unerlässlichen Massenkompatibilität den Stempeldruck des ehernen Autoren nie zu vernachlässigen. Diese Mission erfüllt Sonderling Peter Jackson, gleich seinem überlasteten Helden Frodo Beutlin, unter Aufwändung von viel Blut, Schweiß und Tränen - und dem finalen Lächeln des Gewinners, der es ihnen allen gezeigt hat.

9/10

Peter Jackson J.R.R. Tolkien Monster Road Movie Reise Freundschaft Belagerung D.C.


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THE LORD OF THE RINGS: THE FELLOWSHIP OF THE RING (Peter Jackson/USA, NZ 2001)


"One ring to rule them all."

The Lord Of The Rings: The Fellowship Of The Ring (Herr der Ringe - Die Gefährten) ~ USA/NZ 2001
Directed By: Peter Jackson

Gegen Ende des Dritten Zeitalters in Mittelerde erstarkt der böse Herrscher Sauron neu und benötigt nurmehr seinen ihm seinerzeit entwendeten, Einen Ring der Macht, um die gesamte Welt zu unterjochen. Jener Ring befindet sich nach einer Odyssee durch verschiedene Besitzerhände im friedlichen Auenland bei dem Hobbit Bilbo Beutlin (Ian Holm), der von dem Zauberer Gandalf Graurock (Ian McKellen) dazu angehalten wird, ihn abzugeben und so seinem unheiligen Einfluss zu entgehen. Bilbos Neffe Frodo (Elijah Wood) übernimmt das Kleinod und tritt mit seinen drei Freunden Sam (Sean Astin), Pippin (Billy Boyd) und Merri (Dominic Monaghan) eine lange Reise gen Osten an, stets verfolgt von Saurons Schattenreitern, den geisterhaften Nazgul. Gandalf, der derweil die Hilfe seines alten Freundes Saruman (Christopher Lee) erbittet, muss feststellen, dass dieser sich auf die Seite Saurons geschlagen hat und seinen Turm Isengard zu einer Festung des Schreckens umgestaltet. Zu dem Hobbitquartett gesellen sich indes der geheimnisvolle Waldläufer 'Streicher' (Viggo Mortensen) und später, im Elbenpalast von Bruchtal, wiederum der aus Sarumans Gefangenschaft entkommene Gandalf sowie der Königssohn Boromir (Sean Bean), der Elb Legolas (Orlando Bloom) und der Zwerg Gimli Gloinssohn (John Rhys-Davies). Ihre Reise gestaltet sich als gefährliches Unternehmen. Gandalf wird in den Minen von Moria von einem riesigen Balrog attackiert und kommt scheinbar ums Leben. Als die nurmehr achtköpfige Ring-Gemeinschaft später von den von Saruman gezüchteten Uruk-Hai überfallen, Boromir getötet und Merri und Pippin entführt werden, trennen sich Frodo und Sam von den anderen und ziehen allein zu Saurons Feste Mordor weiter.

Ferien bieten meinereiner ja stets die Gelegenheit zu größeren und kleineren Betrachtungsprojekten. Heuer soll es die "Lord Of The Rings"-Trilogie sein, die ich seit den Kinobesuchen nicht mehr und ergo auch noch nie am Stück geschaut habe - natürlich in den verlängerten Fassungen, auch "Special Extended Editions" gerufen.
Tolkiens zugrunde liegender, monströser Roman muss noch immer als Maß aller Dinge im Fantasy-Bereich angesehen werden und somit stand Peter Jacksons gemäß des Blickwinkels der medialen Transponierung kaum minder gewaltiges Projekt unter dem keinesfalls zu unterschätzenden Erwartungsdruck von Millionen von Buchkennern, Analysten und Tolkien-Kultisten aus aller Welt. Der bis dato einzige Adaptionsversuch in Form eines Animationsfilms von Ralph Bakshi (der, was weniger bekannt ist, auch von jeweils einem TV-Prequel und einem TV-Sequel flankiert wurde), war gut gemeint und solitär betrachtet auch ein schön atmosphärisches, formal sorgfältig gefertigtes Stück; enttäuschte jedoch viele Romanliebhaber durch Auslassungen, Raffungen, Glattbügelungen, Chronologievereinfachungen und vor allem den erzwungenen Semi-Showdown bei Isengard. Jackson hatte also bereits eine Art 'lebendigen Ratgeber', welche Fehler zu vermeiden seien. Der Ehrgeiz, das gesamte Buch am Stück zu verfilmen und in drei Teilen ins Kino zu bringen, erwies sich als dankbarste Entscheidung, die Jackson in Absprache mit New Line treffen konnte; zumal der kommerzielle Erfolg nicht zuletzt durch eine massive PR-Kampagne sowie infolge der sukzessive geschürten Spannung der Fans wohl von Anfang an garantiert war.
So wird denn auch niemand "The Fellowship Of The Ring" ernsthaft stichhaltige Vorwürfe machen können oder wollen, mit Ausnahme der Tatsache vielleicht, dass mit dem mysteriösen Tom Bombadil eine der faszinierendsten Figuren des Auftaktbuches wegrationalisiert wurde. Allerdings, soviel muss man den drei Script-AutorInnen und ihrer Konzeption zugestehen, passen Bombadils märchenhafte, deutlich kindesfreundliche und noch an den "Kleinen Hobbit" gemahnende Auftritte nicht recht zum von vornherein düsteren, gleich von vornherein bewusst entleichterten Ton der Verfilmung. Zudem sind seine Szenen im Kontext des Buches eher episodisch angelegt und ohne weiteren Belang für den Handlungsverlauf. Der Auftaktfilm ist schön, poetisch, mitreißend, stil- und geschmackvoll, technisch und formal tadellos und angefüllt vom Ehrgeiz aller beteiligten Urheber. Ich kenne Freunde und Zeitgenossen, die das Ganze wegen seines Status als Fantasygeschichte bis heute konsequent ablehnen, jedoch noch weitaus mehr, die erst durch Jacksons Filme relativ spät in ihrer Biographie überhaupt Berührungspunkte mit dem Genre zu finden vermochten. Damit ist (im folgenden) "LOTR" als Film(-Trilogie) nicht nur überaus gelungen, sondern zudem verdienstvoll.

9/10

Peter Jackson J.R.R. Tolkien Monster Road Movie Reise Freundschaft D.C.


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HANNAH ARENDT (Margarethe von Trotta/D, LU, F 2012)


"Denken ist ein einsames Geschäft."

Hannah Arendt ~ D/LU/F 2012
Directed By: Margarethe von Trotta

1960 erfährt die nach New York emigrierte, jüdischstämmige Journalistin und Ex-Heidegger-Geliebte Hannah Arendt (Barbara Sukowa) von der Ergreifung Eichmanns durch den Mossad in Argentinien und dass ihm in Jerusalem der Prozess gemacht werden soll. Arendt reist nach Israel, ist bei den ersten Prozesstagen zugegen, um sich ein Bild von dem vermeintlichen Monster Eichmann zu machen und schreibt daraufhin eine philosophische Abhandlung für den 'New Yorker'. Darin vertritt sie nicht nur den standpunkt, dass Eichmann ein grauer Bürokrat war, dessen Unfähigkeit zur Empathie als repräsentativ für die gesamte Funktionlität des NS-Staates erachtet werden kann, sondern dass die sogenannten 'Judenräte' eine noch minutiösere Vernichtungsmaschinerie als ohnehin schon unterstützt hätten. Damit setzt sich Arendt zwischen alle Stühle, eine gewaltige Kontroverse entfacht sich, infolge deren man ihr diverse Titulierungen von 'Verräterin' bis 'Nazihure' angedeihen lässt. Ihr soll der Lehrstuhl entzogen werden, doch schließlich erweist sich besonders die Nachkriegsgeneration als verständig für ihre Denkprozesse.

Engagiertes Porträt der berühmten Philosophin, Politikwissenschaftlerin und Autorin Hannah Arendt, die den mittlerweile geflügelten Terminus von der 'Banalität des Bösen' geprägt hat. Ihr tiefes Entsetzen darüber, in der Person des Deportationskoordinators Adolf Eichmanns kein mythisch überhöhtes Monster geschweige denn einen diabolischen Verführer vorzufinden, sondern bloß ein kleines, verschnupftes Männchen, dessen Obrigkeitshörigkeit und Verweigerung zu individueller Denkleistung geradezu grotesk anmuteten. "Ich habe sie ja nicht vernichtet", antwortet Eichmann auf die gerichtliche Anschuldigung, dass er entscheidend zum Massenmord beigetragen habe, und dass "Zivilcourage möglich" gewesen wäre, hätte man sie bloß "hierarchisch strukturiert". Für Hannah Arendt kommt besonders die Erkenntnis jener intellektuellen Nichtigkeit des tumben Hackenklatschers einer Epiphanie gleich, die tief in das Wesen des Dritten Reichs als Mitläufersystem blicken lässt. Darauf jedoch reagiert die globale Intelligenzia ebenso wie Überlebende und Knesset jedoch nasreümpfend bis aggressiv.
Von Trottas sehenswerter Film, der sich wie ehedem schon "Rosa Luxemburg", ebenfalls mit Barbara Sukowa in der Titelrolle, einer der großen Denkerinnen des vergangen Jahrhunderts widmet, konzentriert sich, mit Ausnahme von ein paar Rückblenden zu Hannahs Beziehung zu und mit Heidegger, auf einen erzählten Zeitraum von vier Jahren, besitzt eine erwartungsgemäß routinierte Form, strotz dabei jedoch vor authentischer Sorgfalt und gibt Einblick in Wesen und Gedanken jener faszinierenden Frau, deren mutige Thesen der NS-Forschung wichtige neue Impulse bescherten.

8/10

period piece Holocaust Israel New York Jerusalem Margarethe von Trotta Nationalsozialismus Freundschaft Journalismus Philosophie Biopic


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SINGAPORE SLING (Nikos Nikolaidis/GR 1990)


"Now I can smoke."

Singapore Sling ~ GR 1990
Directed By: Nikos Nikolaidis

Ein Privatschnüffler verfolgt die Spur eines verschwundenen Mädchens namens Laura bis hin zu einem feudalen Haus in Seenähe, das von Mutter (Michele Valley) und Tochter (Meredyth Harold) bewohnt wird. Die beiden Frauen, die hier in der Abgelegenheit Serienmord, Paraphilie, Rollenspiele und andere Merkwürdigkeiten in vielen Facetten durchspielen, nehmen den angeschossenen und teils bewegungsunfähigen Detektiv gefangen und taufen ihn aufgrund eines Cocktailrezepts in seiner Tasche 'Singapore Sling'. Der Mann wird zum mehr oder weniger willfährigen Opfer der Perversionen der zwei Frauen, bis er schließlich selbst den Verstand zu verlieren droht.

Ein hochpoetisches Gedicht von einem Film, bedingungslos konsequent in seiner zwischen oberflächlicher und verschlammter Schönheit delirierenden Ästhetik. Man kann den Blick kaum abwenden von all dem Ungeheuerlichen, was Nikolaidis seinem - durchaus elitär anvisierten - Publikum in "Singapore Sling" auftischt. Von grenzpornographischen Bildern über die gegenseitige Besprenkelung mit diversen Körperflüssigkeiten, die Auslebung multipler Fetische bis hin zu harten Gewalteruptionen reicht die Palette seiner Visualitäten. Ein Statement, möglicherweise eine künstlerische Sublimierung tiefverwurzelter, unausgelebter Obsessionen. So schön und zeigefreudig sich die Protagonistin Meredyth Harold auch gibt, Nikolaidis zeigt den Voyeuren unter seinen Zuschauern immer wieder die rote Karte, indem er stimulierend beginnende Szenen durch matschige Hemmungslosigkeiten enterotisiert.
Dabei ist "Singapore Sling" natürlich erst in zweiter Instanz ein transgressives, herausforderndes Kunstwerk, primär bietet er ein Panoptikum von Nikolaidis' umfassender Einflussbasis: Angefangen bei Premingers "Laura", von dem "Singapore Sling" ein Semi-Remake darstellt, über Swing, Chandler, Wyler, Losey, Pasolini, Hopper und Hooper reicht die Skala der vielen Zitatwurzeln, die der auteur hierin abgrast: Eine kompromisslose Fundgrube für offenherzige Filmliebhaber.

9/10

Nikos Nikolaidis film noir neo noir Hommage Transgression Groteske Madness Nacht hardboiled


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SIDE EFFECTS (Steven Soderbergh/USA 2013)


"Everybody knows everything."

Side Effects ~ USA 2013
Directed By: Steven Soderbergh

Der vielbeschäftigte Psychiater Jonathan Banks (Jude Law) gerät an die suizidale Patientin Emily Taylor (Rooney Mara), die unter schweren Depressionen leidet. Nachdem sich mehrere Alternativpräparate als wirkungslos erwiesen haben, verschreibt ihr der an einer hochdotierten Versuchsreihe beteiligte Banks den neuen SSRI 'Ablixa', der bei Emily jedoch die Nebenwirkung des Schalfwandelns hervorbringt. Dennoch bleibt das Medikament weiterhin angesetzt, bis Emily eine Tages im somnambulen Zustand ihren Ehemann (Channing Tatum) ersticht. Doch wer ist wirklich für den Todesfall verantwortlich - Patientin oder Arzt? Banks, dessen Renommee schwer unter dem Fall zu leiden hat, forscht nach und stößt auf immer neue Spuren rund um Emilys Vergangenheit...

Nach Danny Boyles "Trance" noch ein weiterer Thriller um die Psychotherapie als Mittel für durchtriebene, mehr oder weniger kriminelle Superpläne. Vielfilmer Soderbergh geht das Ganze sehr konventionell und umweglos konsumierbar für den Endverbraucher an. Ich hatte eigentlich eine etwas tendenziösere Auseinandersetzung mit der billionenschweren Psychopharmaka-Industrie erwartet, doch letzten Endes geht es in "Side Effects" gar nicht um Serotonin fördernde Präparate und Konsorten, sondern um einen klassischen Suspense-Plot, in dem Protagonist und Zuschauer lange an der Nase herumgeführt werden, bis am Ende schließlich alles einen zufriedenstellende, taghellen Ausgang nimmt.
Geradezu klassisch aufbereitetes Genrekino, das inmitten all des gegenwärtigen, sensations- und innovationssüchtigen Filmwerks, das sich in zumeist panischer Erfolgssucht wahlweise an neue Erfolgskonzepte zu hängen versucht oder sich zwanghaft neu erfinden will, eine ihre Berechtigung findende Wohltat darstellt. Saubere Kurzweil, garantiert ohne jedwede Form von Nebenwirkungen.

7/10

Steven Soderbergh Psychiatrie Pharmaindustrie Courtroom Verschwörung New York


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CASTLE KEEP (Sydney Pollack/USA 1969)


"Everybody should eat more bread. Feeds the heart."

Castle Keep (Das Schloss in den Ardennen) ~ USA 1969
Directed By: Sydney Pollack

Während der Ardennen-Offensive im Winter 44 besetzen Major Falconer (Burt Lancaster) und seine siebenköpfige Einheit das einsam gelegene Schloss des Grafen Maldorais (Jean-Pierre Aumont), das genau auf der Durchmarschroute der Wehrmacht liegt. Maldorais lebt in einer inzestuösen Beziehung mit seiner Nichte Therese (Astrid Heeren) und hat in seinem Domizil zahlreiche Kunstschätze gehortet, die besonders den entsprechend beflissenen Historiker Captain Beckman (Patrick O'Neal) zutiefst beeindrucken. Während Falconer eine unverhohlene Affäre mit Therese beginnt, schlagen die restlichen Männer die zermürbende Wartezeit mit Suff, Philosophieren oder Besuchen in dem benachbarten Dorf St. Croix tot, wo der Puff "La Reine Rouge" zu finden ist und Sergeant Rossi (Peter Falk) sich in die Witwe (Olga Bisera) des hiesigen Bäckers verliebt. Als die Deutschen schließlich mit einer gewaltigen Übermacht anrücken stellt sich die gesamte Aktion als kalkulierter Wahnsinn heraus, der Hitlers Armee lediglich dezimiert und der in strategischer Hinsicht im Prinzip völlig vermeidbar gewesen wäre.

Kriegsfilm als kunstvolle Parabel - das gab es nicht erst mit Coppolas "Apocalypse Now", auch Pollacks "Castle Keep", Adaption des Romans von William Eastlake und vielleicht des Regisseurs großartigster Film ,- in jedem Falle aber einer seiner ambitioniertesten -, scheut sich nicht davor, das zu dieser Zeit noch gern in Zeichen aktionsreicher, unterhaltsamer Männerunterhaltung stehende Genrekino satirisch umzukrempeln und ihm eine Dosis tiefschwarzer Bitternis in Kombination mit vortrefflichem Galgenhumor zu versetzen. Die fantastische Besetzung erhält Zeit für die implizite Vorstellung von Einzelporträts und rasch wird offenbar, dass jeder der Männer einen, vermutlich kriegsinduzierten, Sprung in der Schüssel hat. Damit stehen sie dem durch die Gegend irrenden, Choräle anstimmenden Deserteur Bix (Bruce Dern) kaum nach. Pollack derweil pflegt eine geradezu offensiv-impressionistische Inszenierung mit Sekundenschnitten und einmontierten Frames von Wasserspeiern, die das damalige Publikum, besonders in berechtigt antizipatorischer Erwartung eines halbwegs geradlinigen Kriegsabenteuers in der Manier des nur zwei Jahre zuvor aufgeführten "The Dirty Dozen", gehörig vor den Kopf gestoßen haben dürfte.
"Castle Keep", ein Meisterwerk seiner Zunft, hat somit Bestand als einer der größten (Anti-)Kriegsfilme und als wegweisendes Stück New Hollywood außerdem.

10/10

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FOOTLOOSE (Herbert Ross/USA 1984)


"I thought I was alone." - "Not in this town. There's eyes everywhere."

Footloose ~ USA 1984
Directed By: Herbert Ross

Als Teenager Ren (Kevin Bacon) in das Nest in Utah kommt, in das es ihn und seine Mom (Frances Lee McCain) nach deren Scheidung verschlägt, traut er zunächst Augen und Ohren nicht: Laute Popmusik gilt als verpönt, Tanz und Disco sind sogar gesetzlich untersagt. Vorreiter dieser erzkonservativen Christen-Bewegung ist der hiesige Reverend Moore (John Lithgow), dessen Sohn dereinst bei einem Autounfall nach der Disco verstarb. Moores Tochter Ariel (ori Singer) rebelliert derweil gegen ihren Dad, wo sie nur kann und findet in Ren genau das, was sie und die übrigen Jugendlichen der Stadt brauchen: Einen coolen Typen, der genug Mumm besitzt, den Mund aufzumachen.

Eine Art "Saturday Night Fever" für Provinzjugendliche, zusammengenommen immerhin auch eine recht zahlungskräftige Zielgruppe, die für das damals auf solche Filme spezialisierte Studio Paramount zu einem mehr als achtbaren Erfolg heranreifte. Der noch relativ unbekannte Kevin Bacon ergänzte das gerade im Etablieren befindliche 'Brat Pack' um ein neues Gesicht, das so ziemlich alles personifizierte, was orientierungsbedürftige Jugendliche in den mittleren Achtzigern verehrten: Ein Typ mit eigenem Klamotten- und Frisurstil, kein idealtypischer Schönling, aber ein markanter Kerl mit Geschmack, der sich bewegen kann, coole Tapes im Radio hat und nicht nur flotte Sprüche schwingt, sondern auch was in der Birne hat, Vonnegut kennt und ganz ohne eigenes Zutun im Mittelpunkt des Geschehens landet.
Und genau da wird Ross' Film zum Paradoxon: Er warnt vor Bigotterie, Konservativismus und Tradierung, mahnt, dass der ewig Gestriggläubige schnell dem Stillstand und damit dem Bösen zu verfallen droht. Einmal fangen Moores Gesinnungsgenossen an, öffentlich Bücher zu verbrennen und der entsetzte Geistliche erkennt, welche Dämonen er da gerufen hat. Doch: Befreit die Jugend sich selbst von ihrem Spießerjoch? Nein, eine Lichtgestalt muss her, ein Messias, ein Rocker aus Chicago. Der alte Götze wird von einem neuen ersetzt, das hat fast schon die satirische Dimension einer "Simpsons"-Episode. Nur, dass sich "Footloose" sehr wohl völlig ernst nimmt und ganz offensichtlich auch noch gefällt im engmaschigen Gatter seiner ominösen Lösungsvorschläge. Und damit ist er letzten Endes zu ebendem geworden, was er wohl zu sein wünschte: Dem filmischen Äquivalent zu einem Kenny-Loggins-Song.

5/10

Herbert Ross Musik Tanz Kleinstadt Utah Kirche


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DIE TOTENSCHMECKER (Ernst Ritter von Theumer/BRD 1979)


"Es gibt wos zu feiern, also hol wos zum saufn!"

Die Totenschmecker ~ BRD 1979
Directed By: Ernst Ritter von Theumer

Eine durchaus wohlhabende Bauernfamilie haust auf einer bayrischen Alm. Allerdings besteht das ländliche Heimat-Idyll bloß vordergründig: Der patriarchalische Gutsherr (Peter Jacob) führt ein strenges Regime und zwei seiner Söhne (William Berger, Herb Andress) wetteifern bereits um ihr Erbteil, derweil der dritte, geistig behinderte Sohn Franz (Klaus Fuchs), jedem bloß Angst einjagt. Die Jüngste, Tochter Anna (Maria Beck), ist hier ganz offensichtlich falsch aufgehoben, was deutlich wird, als sie sich in einen Zigeunerjungen (Sony Kaikoni) verliebt, der mit seiner Sippe in der Nähe campiert. Dem fahrenden Volk schlägt die ganze Verachtung der Bauersfamilie entgegen und bald kommt es zu exzessiven Gewalttaten, die jedoch gegen die Initiatoren zurückwallen.

Von Theumers Film blickt auf eine interessante Umtitelungsgeschichte zurück: Nach dem Originaltitel "Das Mädchen vom Hof", der mir durchaus respektabel scheint, wurde er unter anderem als "Der Irre vom Zombiehof" und "Die Totenschmecker" wiederaufgeführt - gelinde gesagt irreführende Benennungen. Zombies oder Ghouls gibt es nämlich keine in von Theumers (der hier übrigens unter dem urgermanischen Heimatfilmerpseudonym 'Richard Jackson' firmiert) schlichtem Almheuler, wohl aber ein paar Irre, wobei sich mittlerer Titel wohl auf Klaus Fuchs als blaubemannten, geifernden Inzestidioten kapriziert. Bei näherem Hinsehen hat man dann auch ganz schnell heraus, dass "Die Totenschmecker" eigentlich einen Western mit niederbayrischem Dialekt und vor pittoresker Bergkulisse markiert; ein wenig erinnert er zu gleichen Teilen an "The Unforgiven" oder "The Broken Lance", in denen ebenfalls die Hauptmotive 'Xenophobie' und 'Dynastiewechsel' tonangebend sind. William Berger schließlich in einer der Hauptrollen, ein Veteran des genreübergreifenden Italoploiters, bürgt für ein gewisses Maß cineastischen Klassizismus'.
Als ein Stück bundesrepublikanischen Dunkelkinos aus der Mottenkiste wiederentdeckens- und somit sehenswert.

6/10

Ernst Ritter von Theumer Bayern Zigeuner Inzest Familie


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BRUTE FORCE (Jules Dassin/USA 1947)


"Nobody ever really escapes."

Brute Force (Zelle R 17) ~ USA 1947
Directed By: Jules Dassin

Im Westgate-Hochsicherheitsgefängnis herrschen menschenunwürdige Zustände. Schuld daran trägt Oberaufseher Munsey (Hume Cronyn), vor dessen diabolischer Entschlossenheit selbst der Direktor (Roman Bohnen) buckelt. Oberflächlich präsentiert sich Munsey als großer Humanist, doch insgeheim intrigiert er gegen die Gefangenen, setzt Spione unter falschen Versprechungen ein, treibt verzweifelte Insassen in den Suizid und greift auch schonmal zur Folter. Für Joe Collins (Burt Lancaster) gibt es daher nur eine Lösung: Ausbruch.

"Brute Force" steht im Kanon der Knastfilme ganz oben, antizipiert er doch entscheidende Motive und Inhalte, die die Gattung bis heute verwendet. Mit einer besonders im Hinblick auf seine Entstehungszeit rigorosen Härte zeichnen Brooks und Dassin die Hoffnungslosigkeit des Gefängnisalltags für Langzeitinsassen. Längst sind ihre Taten gesühnt und spielen ohnedies keine Rolle mehr für ihre Existenz, hier, in diesem abgeschotteten Paralleluniversum, geht es einzig ums Überleben sowie darum, einen Rest psychischer Stabilität zu wahren. Für die Gewaltigen, wie Aufseher Munsey (man traut Cronyn kaum zu, dass er eine solch diabolische Seite herauszukehren imstand war), stellt indes das Verführungspotenzial der Macht die größte Gefahr dar. Die Verlockung, Macht über andere zu besitzen, körperlich Überlegene, gewalttätige Männer, korrumpiert Munseys Persönlichkeit und lässt ihn schließlich zum Minidiktator reifen. Am Ende steht eine tiefschwarze Conclusio: Es ist, wie es ist und wird sich absehbar nicht ändern.

10/10

Jules Dassin Richard Brooks Gefängnis film noir





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