Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

THIS PROPERTY IS CONDEMNED (Sydney Pollack/USA 1966)


"I meant what I said!"

This Property Is Condemned (Dieses Mädchen ist für alle) ~ USA 1966
Directed By: Sydney Pollack

Während der Depressionszeit kommt der Liquidationsagent Owen Legate (Robert Redford) in das kleine Nest Dodson/Mississippi. Wie überall, wo er auftaucht, hat Legate auch hier die unangenehme Aufgabe, diversen Arbeitern der Eisenbahngesellschaft ihre Kündigung auszusprechen. Während Legate während seines kurzen Aufenthalts zum meistgehassten Mann in Dodson wird, verliebt sich Alva (Natalie Wood), die Tochter der örtlichen Pensionsbesitzerin Hazel Starr (Kate Reid), in ihn. Alva ist gewohnt, dass die Männer ihr in Scharen hinterherlaufen, Legate besitzt jedoch als einziger die Chuzpe, wirklich Tacheles mit ihr zu sprechen. Als er ihr anbietet, mit ihm nach New Orleans zu kommen, lehnt Alva zunächst ab, folgt ihm dann aber doch. Hazel, die andere Pläne mit ihrer Tochter hat, lässt sich das jedoch nicht ohne weiteres bieten.

Basierend auf einem Einakter von Tennessee Williams bildete "This Property Is Condemned" gleichermaßen die zweite Kinoregie-Arbeit Pollacks wie den Startschuss für seine 24 Jahre während Kollaboration mit Robert Redford, die alles in allem sieben gemeinsame Filme hervorbringen sollte. Dabei war Redfords Engagement in erster Linie auf das Insistieren Natalie Woods - als Alva Starr in einer ihrer schönsten Rollen zu bewundern - zurückzuführen, die sich Redford als Co-Darsteller wünschte. An Williams' Vorlage wurde indes eifrig herumgedoktert; etliche Scriptautoren, darunter auch der damalige "Drehbuchdoktor" Francis Ford Coppola, waren für die diversen Umbrüche der Geschichte verantwortlich, was "This Property Is Condemned" nachgerade den Ruf eintrug, uneinheitlich und unentschieden zu wirken und kein rechtes Maß zwischen Satire und Tragödie finden zu können. Dabei besitzt der Film durchaus seine, vielleicht gerade aus seiner Patchwork-Gerierung resultierende, spezielle Poesie. Besonders die außergewöhnlich interpretierten Nebencharaktere zeichnen dafür mit verantwortlich - Charles Bronson als viriler Malocher, John Harding als einsamer Lustgreis und ganz besonders die die traurig endende Geschichte von Alva und Owen erzählende Mary Badham als Alvas Schwester Willie, von der man nicht ganz sicher sein kann, ob sie nicht doch möglicherweise das ruhelos umherirrende, letzte Gespenst einer Geisterstadt ist.

8/10

Sydney Pollack Great Depression Mississippi New Orleans Südstaaten Eisenbahn Tennessee Williams based on play Francis Ford Coppola New Hollywood


Foto

MOMMIE DEAREST (Frank Perry/USA 1981)


"Good night. Good luck. Goodbye."

Mommie Dearest (Meine liebe Rabenmutter) ~ USA 1981
Directed By: Frank Perry

1939 adoptiert die beliebte, kinderlose Hollywood-Aktrice Joan Crawford (Faye Dunaway), die ihre angebliche Fürsorge für Waisen mit einiger Passion öffentlich zur Schau stellt, ein kleines Mädchen und nennt es Christina. In den folgenden Jahrzehnten hat Christina (Mara Hobel, Diana Scarwid) allenthalben unter den schweren Neurosen, Extravaganzen und Demütigungen ihrer Adoptivmutter zu leiden, die ihren übermächtigen Schatten bis zu ihrem Ableben über Christina ausbreitet.

Basierend auf Christina Crawfords gleichnamigem, autobiografischen Buch, einem kurz nach dem Tod Joan Crawfords veröffentlichen Bestseller, der den Leumund der großen Schauspielerin postum schlagartig besiegelte und für manche Kontroverse sorgte, seinen letzten Aufsehen erregenden Film, der seinen eher stillen, selbstbewussten Arbeiten aus den Siebzigern ein grelles Stück Camp gegenüberstellte. Wer Kenneth Angers wunderbares, zweiteiliges "Hollywood Babylon" gelesen hat, das eine schauderhaft-hellsichtige, kleine Chronik betreffs der multiplen Obsessionen hinter dem Glamour der Studiodekaden zwischen den Zehnern und Sechzigern feilbietet, wird möglicherweise auch die Passagen über Joan Crawford im Gedächtnis bewahrt haben. Diese bieten bereits einen, dem bewusst gruselig-verschmitztem Stil des Buches angemessen, einige Einblicke in das narzisstische Einpersonen-Universum der Aktrice. "Mommie Dearest", in dem Faye Dunaway - sowieso die einzig mögliche Darstellerin für eine Verkörperung des Vorbildes - verschärft jene noch durch gezieltes Überspannen ihrer Person. Durch Dunaways stets auf Messers Schneide inmitten von Aufrichtigkeit und gnadenlosem overacting befindliche Interpretation bekommt die Crawford ein, ja, das reinkarnierte Gesicht. Ob der Wahrheitsgehalt der abgebildeten Ereignisse so stehen gelassen werden darf, sei dahingestellt, Mythenfütterung beinhaltet das alles zur Genüge, ebenso wie einen weiteren, für Gesprächsstoff sorgenden Meilenstein. "Mommie Dearest", mittlerweile selbst ein Klassiker, verhilft somit der betreffenden Dame zu einem weiteren, letztlich dankbaren Denkmal.

8/10

Frank Perry Biopic Hollywood Mutter & Tochter Film im Film Film Camp


Foto

FRAILTY (Bill Paxton/USA 2001)


"There is no God."

Frailty (Dämonisch) ~ USA 2001
Directed By: Bill Paxton

Eines Abends schneit ein Mann (Matthew McConaughey), der sich als Fenton Meiks ausgibt, in das Büro des FBI-Agenten Wesley Doyle (Powers Boothe) und eröffnet diesem, er könne ihn zum gesuchten "Hand-Gottes-Killer" führen, einem Serienmörder, der seine Taten offenbar in spirituellem Auftrag vollzieht. Während eines langen Gesprächs berichtet Fenton von seiner Kindheit, in der er (Matt O'Leary) und sein jüngerer Bruder Adam (Jeremy Sumpter) unter ihrem fanatischen Vater (Bill Paxton) aufwachsen mussten, der sich eines Tages als "von Gott erleuchtet" wähnt und behauptet, der Herr habe ihn beauftragt, eine ganze Liste von Dämonen in menschlicher Gestalt zu vernichten. Fenton wird unweigerlich Zeuge, wie sein Vater sich zum Serienkiller entwickelt und sieht den einzigen verbleibenden Ausweg, ihn aufzuhalten, darin, ihn zu töten. All das ist viele Jahre her - wer also hat dann die jüngsten Taten begangen?

Sauber inszeniert, mitreißend erzählt und für das Regiedebüt eines Schauspielers ganz bestimmt beachtlich, entwickelt "Frailty" sogar hinreichend Zugstärke, um inmitten ausgetretener Genrepfade als etwas nicht ganz Alltägliches bestehen zu können. Sein auf sich selbst ausgeübter Zugzwang führt jedoch dazu, dass der Film sich irgendwann zu seinem selbst gesäten Mummenschanz von dem auserwählten Gotteskiller bekennt. Die irren Landeier, die in himmlischer Mission die Axt schwingen und eigenmächtig Leute von der Platte putzen, die Spinner, die ihre Kinder im Keller einsperren, auf dass sie geläutert werden mögen, diese verrückten Erzwahnsinnigen werden doch allen Ernstes legitimiert! Ihre gottgegebene Fähigkeit, das Böse im Menschen durch Handauflegen zu identifizeren, ist gar keine Erfindung und (fast) alle Ermordeten sind lediglich ihrer göttlich gerechten Strafe zugeführt worden. Dieser Punkt hat mich an "Frailty" schon immer gestört, hätte das Script doch zumindest den Mut besessen, ihn im Vagen zu lassen und die Herren Killer Vater und Sohn nicht auf Glaubensebene zu rehabilitieren. Hier verliert "Frailty" völlig unnötig viel von seiner vorherigen Stärke, indem er sich einer geisteskranken Moralität öffnet. Damit kann man zwar leben, zumal der "liebe" Gott sich, wie schon in DeMilles "The Ten Commandments" selbst einmal mehr als "böser" Gott veräußert, aber manchmal ist ein gewisse erläuternde Zurückhaltung ja auch von einigem Wert für das Gesamtwerk.

7/10

Bill Paxton Südstaaten Fanatismus Serienmord Vater & Sohn Familie


Foto

THE CHANGELING (Peter Medak/CA 1980)


"That house is not fit to live in. It doesn't want people."

The Changeling (Das Grauen) ~ CA 1980
Directed By: Peter Medak

Nach den Unfalltoden von Frau (Jean Marsh) und Tochter (Michelle Martin) wagt der depressive Komponist und Musiklehrer John Russell (George C. Scott) einen Neuanfang an der Westküste. Vor den Toren von Seattle mietet er ein feudales Anwesen, in dem einst die Familie des wohlhabenden Senators Carmichael (Melvyn Douglas) lebte. Bald schon stellt John fest, dass in dem Haus einiges nicht mit rechten Dingen zugeht; regelmäßiges nächtliches Hämmern weckt ihn aus dem Schlaf, in einer verrammelten Dachkammer finden sich Hinweise auf ein früheres Kinderzimmer. Eine Séance bringt schließlich etwas mehr Licht in die Sache: Der Geist eines kleinen Jungen namens Joseph geht hier um und findet aus bestimmten Gründen keine Ruhe. Jene Ursachen aufzudecken, dafür hat Joseph John auserkoren...

Ein vergleichsweise leiser, bald kammerspielartiger "Haunted House"-Film, der sich allzu früh um seine eigene Wirkung bringt, indem er einen Schwenk vom Auftreten der übernatürlichen Geschehnisse hin zur investigativen Arbeit John Russells vollzieht. Tatsächlich geht es ab etwa der Hälfte des Films eigentlich gar nicht mehr darum, dass es im Carmichael-Anwesen spukt, sondern nurmehr darum, warum es dort spukt und wie man den entrückten Ereignissen Abhilfe leisten kann. Es stellt sich heraus, dass der altehrwürdige Senator nur ein Schattenmann ist, der einst im Kindesalter die Rolle des von seinem Vater ermordeten, weil behinderten, echten Joseph Carmichael angenommen und über die Jahrzehnte hineg ein falsches, verlogenes Leben mit einem fremden Vermögen geführt hat. Diese ungerechte Scharte will Joseph, der Geist, endlich ausgewetzt sehen.
Für meinen Geschmack lässt sich Medak allzuviel Zeit mit der Klärung jenes Falls, was dafür sorgt, dass "The Changeling" sich in der zweiten Hälfte hin zum parapsychologisch konnotierten Detektivkrimi wendet und einen Großteil seiner zuvor so eifrig evozierten, unheimlichen Atmosphäre einbüßt. Darstellerisch und formstilistisch präsentiert der Film sich allerdings als durchweg erlesen.

6/10

Peter Medak Seattle Haus Spuk Geister


Foto

THE PLACE BEYOND THE PINES (Derek Cianfrance/USA 2012)


"Not since Hall and Oates has there been such a team."

The Place Beyond The Pines ~ USA 2012
Directed By: Derek Cianfrance

Der lose vor sich hin lebende, umhervagabundierende Kirmesschausteller Luke Glanton (Ryan Gosling), bekannt für seine waghalsigen Motorradstunts, wird Vater ohne es zunächst zu wissen. Als er zufällig von der Geburt seines Söhnchens Jason (Anthony Pizza) erfährt, drängt er sich der eigentlich funktionalen Patchworkfamilie um Jasons Mutter Romina (Eva Mendes) und deren Lebensgefährten Kofi (Mahershala Ali) auf. Er will für Jason ein guter, treusorgender Vater werden. Lukes Weg dies zu erreichen besteht jedoch darin, Banken mit seinem Kumpel Robin (Ben Mendelsohn) auszurauben. Dabei wird er eines Tages von dem Streifencop Avery Cross (Bradley Cooper) gestellt und von ihm aufgrund seiner Nervosität erschossen. Gegenüber Romina und ihrem Baby hat Avery zwar ein schlechtes Gewissen, andererseits jedoch alle Hände voll damit zu tun, seine korrupten Kollegen anzuprangern.
Fünfzehn Jahre später begegnen sich Lukes und Averys Söhne Jason (Dane DeHaan) und AJ (Emory Cohen) in der High School und entwickeln eine oberflächliche Freundschaft. Jason ist nie darüber hinweggekommen, seinen richtigen Vater nicht kennengelernt zu haben, derweil AJ gegen seinen mittlerweile als Bezirksanwalt hochangesehenen Vater aufbegehrt. Als Jason erfährt, wer der unbescholtene Avery Cross wirklich ist, entschließt er sich zur Rache.

Ein zwei Generationen umfassendes, komplex aufgebautes Beziehungsstück zweier sich schicksalsbedingt immer wieder tangierender Vater-/Sohn-Paare. Narrativ wagt Cianfrance dabei den Kniff, die Erzählperspektive gleich zweimal komplett zu verlagern und den Film so in drei sich klar voneinander abgrenzende Akte aufzuteilen: Zunächst berichtet "The Place Beyond The Pines" von dem unsteten Luke, einem bildungsfernen, aber durchsetzungsbewussten Proleten, der seine Ziele, so er denn ersteinmal welche hat, mit eherner Sturheit verfolgt. Als ihm die ihm zuteil werdende Ablehnung seiner Kindesmutter bewusst wird - die natürlich auf seine bisherige Anpassungsverweigerung zurückgeht - empfindet er sein Weiterleben als überflüssig und wählt eine Art 'passiven Freitod' durch den noch recht naiven, unerfahrenen Polizisten Avery. Lukes Erschießung bedingt einen beispiellosen Karriereaufstieg, der über die tödliche Ergreifung jenes gesuchten Motorrad-Bankräubers über die Aufdeckung einer sich im Filz suhlenden, durch und durch korrupten Polizeiabteilung geradewegs hinein in das Büro des Staatsanwalts führt. Doch Averys Karrierebesessenheit rächt sich - sein eigener, vernachlässigter Sohn AJ (widerlich: Cohen) liebäugelt mit diversen Betäubungsmitteln und lernt, ganz zu Averys persönlichem Unwillen, Lukes Sohn Jason kennen. Die sich daraus entspinnende, eher oberflächliche Freundschaft führt über Umwege fast zu einer erzwungenen, späten Sühne Averys, dessen schlussendlich jedoch aufrichtig geäußertes Bedauern für allseitigen Frieden sorgt. Jason kann in die Fußstapfen seines Vaters treten.
Wirklich gepackt hat mich dieses unterhaltsame Hyperdrama nicht, dafür sorgen unumstößlich bereits die geradezu feinsensorisch nach ihrem hohen Unsympathielevel gecasteten Darsteller. Gosling trifft sicherlich eine stets gute Rollenauswahl und mag mit seinem kultivierten Stoizismus ein ordentlicher Schauspieler sein, persönlich sehe ich in ihm mit jedem weiteren Film mehr und mehr einen möchtegerncoolen Schönling mit Schlafzimmerblick und Babygesicht. Bradley Cooper sehe ich lieber als Komödianten, der verkaterte Spinner wie den aus "The Hangover" spielt, DeHaan scheint mir ein legitimer DiCaprio-Nachfolger, neben der analogen Physiognomie passt auch zu ihm besser der Fiesling als der Romantiker und zu Emory Cohen (Brusttoupetträger oder Frühreifer?) habe ich mich ja oben schon geäußert. Weit und breit also niemand zum Gernhaben, dem Film, der irgendwo im Niemandsland zwischen respektabel und sülzköpfig umherirrt, ganz ähnlich.

6/10

Derek Cianfrance Heist Vater & Sohn Familie New York Drogen Rache


Foto

THE REIVERS (Mark Rydell/USA 1969)


"You can be scared if you want to, but don't be afraid, son."

The Reivers (Der Gauner) ~ USA 1969
Directed By: Mark Rydell

Mississippi, 1905. Auf den zwölfjährigen Lucius McCaslin (Mitch Vogel), Spross der reichsten Familie im Umkreis, wartet eine viertägige Reise ins Erwachsenenleben. Während sein erzpatriarchalische Großvater Boss (Will Geer) unterwegs zu einer Beerdigung ist, reißt sich der Stallknecht Boon Hogganbeck (Steve McQueen), Lucius' bester Freund, den vielbeachteten Familienstolz, einen gelben 'Winton Flyer', unter den Nagel, packt Lucius ein und fährt mit ihm und dem farbigen Ned (Rupert Crosse), ebenfalls ein - negierter - Spross des McCaslin-Clans, nach Memphis um dort im Puff von Mr. Binford (Michael Constantine) mit seiner heimlichen Geliebten, der Hure Corrie (Sharon Farrell) einkleines Techtelmechtel zu begehen. Der eigentliche Ärger beginnt, als Ned das Automobil gegen das Rennpferd 'Blitz' eintauscht - im nasenweisen Glauben, dass dieses bei einem Rennen siegen und so den Wagen zurückbringen wird. Ausgerechnet Lucius soll Blitz zum Sieg führen...

Die von McQueens Solar mitproduzierte Adaption des nur wenige Jahre zuvor erschienenen, ebenso vielgepriesenen wie -gescholtenen Romans von Faulkner, nimmt sich ein wenig aus wie ein stark romantisierter Heimatfilm des amerikanischen Südens. Der Held der Geschichte, das ist neben dem gerade an der Schwelle zum Erwachsenwerden stehenden Ich-Erzähler Lucius McCaslin vor allem der Hallodri Boon Hogganbeck, eine verschmitzte Filourolle für McQueen, in der er seiner Liebe für klassische Autos ebenso fröhnen kann wie der für augenzwinkernde Charaktere und sagenhafte Womanizer. Als eine Art 'Antipädagoge' ist ihm jedoch ebenso wie an seinem persönlichen Spaß daran gelegen, seinen Freund und Schützling Lucius, der bisher nie aus mit den Geschicken der erwachsenen Manneswelt vertraut zu machen: Er sieht erstmals ein Bordell von innen, schläft unter einem seine ganze Aufmerksamkeit fordernden Panoramagemälde einer schönen Nackten und findet in Boons Stammhure Miss Corrie eine merkwürdige Mischung aus Mutterersatz und erotischer Projektionsfläche. Mit deren verwahrlostem Neffen Otis (Lindy Davis) liefert er sich ihr zu Ehren einen Kampf bis aufs Blut, lernt später hautnah den unter der Oberfläche brodelnden, allgegenwärtigen Rassismus jener Gefilde kennen, personifiziert durch den widerlichen Gesetzeshüter Lovemaiden (Clifton James) und geht trotz schlechten Gewissens am Ende als großer Tagessieger aus all diesen Ereignissen hervor. Ohne es ihm direkt zu zeigen, kann selbst sein Großvater nicht verhehlen, dass dieses zwischen schmutzig und glorios chargierende Abenteuer seines Enkels ihn zu einem stolzen Mann macht.
Mark Rydell ist tragischerweise eine der missachtetsten Figuren der Ära New Hollywood, für den ich immer wieder gern eine Lanze breche, besaß er doch ein untrügliches Gespür dafür, die dem klassischen Studiokino eigenen, epischen Erzählstrukturen, so etwa romantische Erzählungen von gestern in stolzem Scope, mit den neuen Ideen künstlerischer Autonomie zu verknüpfen. Vielleicht lag es daran, an dieser bewussten Verweigerung, sich für eine Seite zu entscheiden, dass Rydell nie ganz das Renommee erhielt, dass er verdient hätte.

8/10

Mark Rydell period piece Südstaaten Mississippi Tennessee Memphis Bordell coming of age Freundschaft Pferd Rassismus Familie William Faulkner New Hollywood


Foto

THE ROAD KILLERS (Deran Sarafian/USA 1994)


"You hit him too hard this time."

The Road Killers (Roadflower) ~ USA 1994
Directed By: Deran Sarafian

Auf ihrer Fahrt durch die kalifornische Wüste geraten die Familie (Michelle Forbes, Alexondra Lee) des situativ notorisch überforderten Jack (Christopher Lambert) und dessen Freund Glen (Christopher McDonald) nebst Filius (Joseph Gordon-Levitt) an den etwas debilen Hillbilly Cliff (Craig Sheffer) und seine nicht minder gestörte Clique (Josh Brolin, David Arquette, Adrienne Shelly). Aus einem anfänglich noch halbwegs harmlosen Disput erwächst nicht zuletzt aufgrund Glens unbeherrschter Art rasch eine sich immer weiter zuspitzende Gewaltspirale, im Zuge derer Jack sich zum Wutbürger und Alltagshelden entwickelt.

Einer der vielen um die Mitte der Neunziger entstandenen Tarantino-Epigonen, aus der besonders damals stets um Nachfolge-Wunderkinder bemühten Miramax-Schmiede. Hinter und vor den Kulissen fanden sich derweil gleich mehrere Mitglieder des Sarafian-Clans mit unterschiedlichen Aufgaben betraut, so dass man im Falle von "The Road Killers" tatsächlich von einem Familienunternehmen sprechen kann. Das Szenario und die Entwicklung der Geschichte dieses Asphaltwesterns sind allerdings ebenso räudig wie irreal. Im Prinzip wäre der Stoff hervorragend für einen zwanzig Jahre früher entstandenen Exploiter gut gewesen, so präsentiert er sich leider mit geringem Mut zum Extrem und, zumindest in visuell-formaler Hinsicht, vergleichsweise brav. Es kommen zwar (besonders auf Seiten der bad guys) einige Individuen ums Leben, sonderlich tief berührt wähnt man sich von den Vorgängen jedoch nie. Es geschieht eben, was geschieht und am Ende ist Daddy als feist reagierender Selbstjustizler auch bloß ein weiteres reaktionäres, weißes Arschloch auf Amerikas staubigen Straßen. Damals als Achtzehnjähriger fand ich "The Road Killers" (dessen poetischer deutscher Titel ausnahmsweise einmal wesentlich hübscher gewählt ist) ziemlich stark - mittlerweile jedoch nicht mehr ganz so sehr. Ich behaupte mal überaus selbstbewusst, dieser Umstand spricht eher für mich denn für den Film.

5/10

Deran Sarafian Kalifornien Wüste Duell Familie Kidnapping


Foto

CHRISTIANE F. - WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO (Uli Edel/BRD 1981)


"Wir packen das. Nur noch einen letzten Schuss..."

Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo ~ BRD 1981
Directed By: Uli Edel

Die gerade 14 gewordene Christiane (Natja Brunckhorst) ist heroinsüchtig. Nach einem schnellen Einstieg über Gras, Amphetamine, LSD und erste Sniff-Erfahrungen gehört sie zu den minderjährigen Drückern, die, je nach häuslicher Situation, geneigten Freiern Körper und Seele am Berliner Bahnhof Zoo feilbieten. In naiver Liebe zu dem gleichaltrigen, schon länger der "Szene" zugehörigem Detlef (Thomas Haustein) lässt sich Christiane mehr oder weniger bewusst auf den katastrophalen Lebenswandel, der sie immer weiter Spirale abwärts führt, bis ihr nur noch ein vorübergehender Wegzug in die Provinz das Leben rettet.

Als atmosphärisches Zeit- und Lokalporträt ist Edels (der kurz vor Drehbeginn für den von Produktionsseite geschassten Roland Klick einspringen musste) und Eichingers Adaption des immens populären, biographischen Buchs "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" der bis heute immer wieder rückfällig werdenden Heroinsüchtigen Christiane Felscherinow pures Kinogold. Die geschilderten Kultur- und Sozietätsartefakte, der Bahnhof Zoo, Westberlin insgesamt, das 'Sound' und David Bowie - insbesondere sein thematisch pointierter, wunderschöner Berlin-Song "Heroes" -, können dem Film jedoch seine beharrlich unangenehme Wirkung nicht nehmen. Neben "Requiem For A Dream" (den TV-Film "Der Pirat" hätte ich vielleicht noch im Kopf) dürfte dies nach wie vor die bedrückendste und unangenehmste filmische Auseinandersetzung mit dem Thema Heroin-Abhängigkeit sein. Sicherlich sollte Edels Werk auch bewusst eine pädagogische bzw. didaktische Dimension beinhalten, diese bleibt dank seiner ausgewogenen Nüchternheit jedoch stets subtil.
"Christiane F.", der Film, der weitaus faszinierter von seinem Sujet berichtet als die zugrunde liegende Biographie, ist vor allem Observation und Stimmungsspezifizierung; die Beobachtung eines jungen Lebens, das sich zunehmend der immer bestimmender werdenden Stumpfheit des Drogenkonsums und der Beschaffung verschreibt. Entscheidende inhaltliche bzw. authentische Details der Vorlage, so Christianes Behandlung durch die Entzugssekte 'Narconon' oder das zwischenzeitliche Leben bei ihrem ebenso besorgten wie hilflosen Vater spart der Film aus, was ihm gut bekommt und nie Gefahr laufen lässt, durch zuviel Ballast die ohnehin schon umfassende Erzählzeit zu sprengen. Wesentlich länger würde man es wohl auch kaum ertragen, der so hübschen Natja Brunckhorst bei ihrer sukzessiven Selbstverwahrlosung zusehen zu müssen.

9/10

Uli Edel Bernd Eichinger Berlin Drogen Heroin Prostitution Kiez David Bowie Transgression Biopic


Foto

THE SEASONING HOUSE (Paul Hyett/UK 2012)


"I'd never do you any harm and you know that."

The Seasoning House ~ UK 2012
Directed By: Paul Hyett

Ein taubstummes bosnisches Mädchen überlebt als einziges Mitglied ihrer Familie ein von einer serbischen Miliz angerichtetes Massaker gegen Ende des Bosnienkrieges. Es gerät in die Fänge des Bordellbesitzers Viktor (Kevin Howarth), der es 'Angel' tauft, als Hausfaktotum hält und ihm trotz der barbarischen Behandlung "seiner" zwangsprostituierten Mädchen einen Hauch von Zuneigung vorzugaukeln weiß. Als eines Tages der Milizenchef Goran (Sean Pertwee), der einst auch Angels Familie massakriert und sie versklavt hat, mit seinen Soldaten bei Viktor zu Gast ist, wird Angels Freundin Vanja (Dominique Provost-Chalkley), die ebenfalls die Gebärdensprache beherrscht, von einem der Männer (Ryan Oliva) zu Tode vergewaltigt. Impulsiv rächt Angel, die sich im labyrinthischen Belüftungssystem des Hauses zurecht findet, ihre Freundin noch in der Minute deren Todes. Goran beginnt eine gnadenlosen Rachehatz auf Angel.

Ein formal ordentlich gestaltetes Regiedebüt, dessen Ambition, ein im Prinzip herkömmliches "Rape & Revenge"-Drama vor der Kulisse des Bosnienkrieges anzusiedeln,wohl seinen letzten Rest von Streitbarkeit ausmacht. Ansonsten bewegt sich "The Seasoning House" genau auf jenem Grat zwischen stilisierter Gewaltästhetik und moralisch legitimiertem (Rache-)Aktionismus', den das selbsterkoren transgressive Kino der letzten Jahre längst verinnerlicht und zu einem seiner Hauptmerkmale gemacht hat. Ein in irgendeiner Hinsicht überraschendes Werk ist Hyetts Film somit in keinster Weise und die sicherlich beabsichtigte Wirkung der perzeptiven Grenzauslotung dürfte sich zumindest bei den allermeisten Gewohnheitsschauern nicht (mehr) einstellen. Das ist eben der Fluch einer Ära, die kaum mehr visuelle Tabus kennt. Ansonsten ist "The Seasoning House" für just am Subgenre Interessierte einen Blick wert.

6/10

Paul Hyett Prostitution Vergewaltigung Rache Balkankonflikt Bosnien-Herzegowina Transgression rape & revenge


Foto

LORD OF THE FLIES (Peter Brook/UK 1963)


"What if... we are the beast?"

Lord Of The Flies (Herr der Fliegen) ~ UK 1963
Directed By: Peter Brook

Nachdem ein englisches Flugzeug über einer nordpazifischen Insel abgestürzt ist, kann sich eine größere Gruppe von Schuljungen auf das Eiland retten. Schon bald kristallisieren sich erste Grabenkämpfe zwischen dem besonnenen Ralph (James Aubrey) und dem herrischen, gewaltbereiten Jack (Tom Chapin) heraus. Während Ralph versucht, Erziehung und Zivilisiertheit unter den Übrigen aufrecht zu erhalten, ziehen Jacks Argumente deutlich nachhaltiger: Er verspricht, den anderen Fleisch zu beschaffen und sie vor einem obskuren "Monster", das auf der Insel gesehen worden sein soll, zu beschützen. Nachdem immer mehr von Ralphs Anhängern zu Jacks Gruppe überwechseln, sieht sich Ralph bald einer sich bedrohlich steigernden Aggression gegenüber.

William Goldings Allegorie auf Machtstrukturen, Machtmissbrauch und die gesellschaftliche Grundlegung für Diktaturen in erster Verfilmung des Bühnenregisseurs Peter Brook. Im zum Schulkanon gehörenden Roman noch im inhaltlichen Rahmen eines Atomkriegs "evakuiert", landen bei Brook in einem etwas realitätsangebundeneren Kontext (angesichts der damals noch aktuellen Kuba-Krise wäre auch das Weltkriegsszenario überaus passend gewesen) die Jungen eher unfällig (zumindest suggeriert der Film nichts anderes) auf ihrer einsamen Insel, durch ihre unerschöpflichen Ressourcen und klimatischen Verhältnisse zunächst zu einem Paradies avanciert. Bis die klerikal geprägten "Jäger" des körperlich am weitesten entwickelten Jack demonstrieren, dass sie durch rigorose Urinstinktaktivierung und bereitwilligen Rückfall in atavistische Verhaltensweisen den anderen in dieser "Überlebenssituation" überlegen sind. Ralphs und vor allem die Versuche seines schwächlichen Freundes Piggy (Hugh Edwards), schon seit jeher ein 'Opferkind', Raison walten zu lassen, werden mit Ausschluss und bald mit offener Gewalt beantwortet, derweil Jacks Untergebene sich die Zeit mit immer blutrünstiger werdenden Jagdspielen, irrsinnigen "Festen" und Körperbemalung vertreiben. Die Möglichkeit, je wieder gerettet und in die (erwachsene) Zivilisation zurückkehren zu können, bildet für sie keine Option mehr.
Die Hölle, das sind die anderen? Nicht bei Goldman. Wie der Autor mit seiner im Grunde simplen Parabel den Zustand von Welt und Menschheit auf die beschleunigte Staatsbildung einer Gruppe kleiner Jungen herunterbricht und überträgt, ist noch heute ebenso beeindruckend wie mustergültig. Nicht minder gilt dies für Brooks naturalistisch gehaltenen, nüchternen Film: Der mit dem rücksichtslosesten Wesen, der größten Klappe und den härtesten Muskeln übernimmt die Führung, nachdrücklich, aber doch mit Volkes Gunst. Die Intelligenzia mit ihrem ewigen, salonhaften Sinnieren nach Konsequenzen und Zukunft verliert derweil. Das Gesellschaftsgros indes ist mit der Möglichkeit der Demokratie langfristig überfordert, es verlangt nach Usurpatoren, um die übermächtige Sinneslust seines Es zu befriedigen.

9/10

Peter Brook William Golding Insel Kinder Parabel Dystopie





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare