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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE FISHER KING (Terry Gilliam/USA 1991)


"Forgive me."

The Fisher King (König der Fischer) ~ USA 1991
Directed By: Terry Gilliam


Der ultrazynische New Yorker Radiotalker Jack Lucas (Jeff Bridges) fällt in ein tiefes Loch, als einer seiner Anrufer (Christian Clemenson) einen von Jacks "Ratschlägen" allzu wörtlich nimmt und ein Massaker in einem Café anrichtet. Jack zieht sichaus der Öffentlichkeit zurück und trifft eines Tages auf den Penner Parry (Robin Williams), der ihm das Leben rettet. Parry stellt sich als Witwer eines der Café-Opfer (Lisa Blades) heraus, der durch den gewaltsamen Tod seiner Frau eine tiefe Psychose erleiden musste. Jack, vom schlechten Gewissen befallen, fühlt sich für Parrys Schicksal verantwortlich und verhilft ihm, sozusagen aus Entschädigungsgründen, zu einer Romanze mit der schüchternen Lydia (Amanda Plummer). Doch damit beginnen Parrys Probleme von Neuem...

Nach den "Münchhausen"-Querelen nahm Gilliam zum ersten Mal in seiner Laufbahn als Filmregisseur den Auftrag eines Majors entgegen und machte "The Fisher King" für TriStar. Obwohl das Script nicht von ihm selbst stammt, könnte dieser Film, einer seiner schönsten übrigens, kaum gilliamesker sein. Bestes Futter für den Auteur-Theoretiker. Bizarre Figuren zwischen Wahn und Warmherzigkeit, das bereits in "Monty Python And The Holy Grail" abgearbeitet schienene Gralsmotiv und der übliche, verquere Humor paaren sich mit einer ansonsten recht erdverbundenen, existenzialistischen Geschichte, die im Gegensatz zu den bisherigen (und späteren) monströsen, umwälzenden Visionen Gilliams beinahe kammerspielartig erscheint. Letztlich geht es ja um nichts anderes als um einen zynischen Misanthropen, der nach seiner größten Fehlleistung erst Buße tun muss, um sich aus seinem selbstmitleidigen Egozentrismus-Sumpf wieder befreien zu können. Dass nebenbei noch ein berittener, roter Feuerdämon mitten in Manhattan, verballhornte Pornofilm-Titel ("Ordinary Peepholes", "Creamer vs. Creamer"), ein Massenwalzer mitten in der Grand Central Station und Tom Waits als philosophierender Penner vorkommen, ist ganz gewiss nichts Besonderes, sondern liegt bloß in der Natur der Sache. Wir befinden uns schließlich in einem Gilliam. Einem echten, aber bitteschön.

10/10

Heiliger Gral New York Terry Gilliam Freundschaft Obdachlosigkeit Madness Psychiatrie Erwachsenenmaerchen


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NEAR DARK (Kathryn Bigelow/USA 1987)


"It's impolite to stare."

Near Dark ~ USA 1987
Directed by: Kathryn Bigelow


Caleb Colton (Adrian Pasdar), ein gelangweilter Ranchersohn aus Oklahoma, lernt eines Nachts die hübsche Vampirin Mae (Jenny Wright) kennen und lieben. Ein etwas verwinkelt angesetzter Kuss macht auch Caleb zu einem der Nachtwesen und bald sieht er sich mit Maes Clique, einer Art dysfunktionaler Blutsaugerfamilie um den steinalten Jesse Hooker (Lance Henriksen), durch den amerikanischen Südwesten ziehen. Caleb weigert sich jedoch im Geghensatz zu seinen neuen Gefährten beharrlich, Menschen zu töten und ist Jesse und den anderen bald ein Dorn im Auge.

Nicht zuletzt aufgrund Eric Reds Gespür für die Poesie des Dust Bowl, die man bereits in ausgereiftester Form in "The Hitcher" bewundern konnte, wurde "Near Dark" zu einem ganz besonderen Markstein des Vampirfilms. Bis 1987 assoziierte man die Blutsauger auf der Leinwand wohl kaum mit delinquenten Ledergestalten, die sich wie Outlaws aus dem vorvergangenen Jahrhundert durch die Gegend marodieren, danach standen die Türen offenfür ganz neue Experimente. Kathryn Bigelow in ihrem bis heute schönsten Film ließ die all die Jahrzehnte lang wohlgelittenen, spitzen Eckzähne sowie diverse weitere Typenklischees draußen vor der Tür und stattdessen andere, zeitgemäßere Aspekte walten: Ein Kind (Joshua Miller) in Vampirgestalt etwa, das aufgrund seiner untoten Natur körperlich und emotional nicht altern kann, eine Parallelisierung der Vampirwerdung mit dem Übergang in die Adoleszenz, die Notwendigkeit von Anpassung und Verweigerung, den Wert der sozialen Institution Familie und diverse weitere, teils sehr lyrische Denkansätze. Verpackt in eine dunkle, obskurerweise zugleich kalte und warme Bildsprache und begleitet von der flächigen Musik von Tangerine Dream ergibt das eine Pflichtübung für Liebhaber des Subgenres. Ganz nebenbei hat's dann noch ein kleines Marine-Jahrestreffen in direkter "Aliens"-Nachfolge: Vasquez (Jenette Goldstein), Hudson (Bill Paxton) und natürlich Bishop (Henriksen) finden sich ein zu trauter Wiedervereinigung.

9/10

Independent Eric Red Coming of Age Kathryn Bigelow Vampire Neowestern


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FREUDE AM FLIEGEN (Franz Josef Gottlieb/BRD 1977)


"Geh' ohne Angst in den Fick!"

Freude am Fliegen ~ BRD 1977
Directed By: Franz Josef Gottlieb


Die ihre sexuelle Mündigkeit ziemlich prüde betrachtende Silvia Bergmann (Corinne Cartier) leidet unter ihrem langweiligen Freund Kurt (Michel Jacot) und hält alles, was mit wahrer Befriedigung oder Promiskuität zu tun hat, für Teufelswerk. Erst die Lektüre des Behelfsbuchs "Freude am Fliegen" und ihre Liebe zu dem ausgesprochenen Filou Jörg (Gianni Garko) bringen Silvia schließlich von ihrer strengen Linie ab.

Sumsen ist buper! Die später unter dem wesentlich unpassenderen Titel "Sylvia - Im Reich der Wollust" LISA-Produktion indes kann heute nurmehr wenig begeistern. Eigentlich liegt der einzige Grund, den sich im Gegensatz zu späteren Nachtzüglern noch viel zu wichtig nehmenden Schmarren anzusehen, in der wohlgestalteten Figur, pardon, Person Olivia Pascals, die darüberhinaus leider nur wenige Auftritte spendiert bekommt. Der geneigte Europloitation-Fan freut sich derweil noch mehr über Auftritte von "Sartana" Gianni Garko in einer seiner vier appearances unter Spezi Gottlieb in deutschen Tittenlustspielen sowie Supertranse und Franco-Muse Ajita Wilson, mit der Garko später ein fachgerechtes Poppfestival zünden darf. Die zwei wichtigsten Ingredienzien für diese Art Film fehlen jedoch: unausgegorener Schwachsinn und fetziger Discosound. Damit ist "Freude am Fliegen" summa summarum leider eine Nullnummer.
Immerhin konnte ich feststellen, dass mir jetzt nur noch "Griechische Feigen" und "Heiße Kartoffeln" fehlen, dann habe ich den Kanon der deutschen Disco-Komödie beisammen. Juch-he.

3/10

Franz Josef Gottlieb Disco-Komödie Lisa-Film


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LAND OF THE PHARAOHS (Howard Hawks/USA 1955)


"You prepare the fastest camels. I ride for Luxor tonight."

Land Of The Pharaohs (Land der Pharaonen) ~ USA 1955
Directed By: Howard Hawks


Ägypten, vor etwa viereinhalbtausend Jahren: Pharao Khufu (Jack Hawkins), beeindruckt von der Konstruktion der Verteidigungsbarrieren auf seinem letzten Feldzug, wünscht, dass der nunmehr von ihm versklavte Architekt Vashtar (James Robertson Justice) ein repräsentatives Pharaonengrabmal konstruiere, das vor Grabräubern absolut sicher ist. Im Gegenzug ließe Khufu Vashtars Volk heimkehren. Einige Jahre später, die gigantische Pyramide befindet sich bereits seit langem im Bau, bietet sich dem Pharao die junge Prinzessin Nellifer von Zypern (Joan Collins) selbst im Austausch für einen nicht zu entrichtenden Naturalienbtribut an. Khufu lässt sich von der Wildheit und Unbeugsamkeit der Schönen blenden und übersieht neben ihrer charakterlichen Falschheit, dass sie ebenso gierig nach Gold und Reichtümern ist wie er selbst. Schließlich findet er sein Verderben durch ihren Verrat.

Auch wenn sich Henri Langlois von Hawks' einzigem Monumentalfilm sehr angetan zeigte - der Regisseur konnte und mochte auch im Nachhinein nicht verhehlen, dass dies schlichterdings nicht sein Metier war. "Land Of The Pharaohs", ein fast schon obszön pompöses Werk, für das Hawks in einer Szene 12.000 Statisten aufmarschieren ließ (engagierte muss man dazu sagen, für russische Produktionen drapierte man teilweise sogar doppelt so viele Komparsen im Bild, die sich dann allerdings auch aus der staatlichen Armee rekrutierten), sieht zwar blendend aus, lässt es aber an der kindlichen Überzeugungskraft fehlen, die die großen Konkurrenzwerke mit oftmals biblischem Unterbau (auch dieser fehlt ja hier) ausstrahlten. Nicht umsonst bezeichnet man das Sandalenepos heute gern als 'campy', eine Kategorisierung, der sich ein Hawks-Film normalerweise bereits prinzipiell entzieht, die zu "Land Of The Pharaohs" jedoch passt wie gespuckt. Der Dialog gibt sich ganz unverhohlen ominös und lässt die Schauspieler durch ihre Szenerien stapfen wie Schmierenakteure; das geschichtsmoralische Fundament vom Hochmut der antiken Weltreiche, die später allesamt umso tiefer fallen sollten, ist regulärer Bestandteil des Monumentalepos, wurde im Film ansonsten jedoch höchstens noch in italienischen Billigproduktionen auf so dummdreiste Weise veräußert.
"Land Of The Pharaohs" ist somit dann doch wieder etwas Besonderes, ein Trashepos in feinster Hollywood-Studio-Gewandung nämlich, saumäßig unterhaltsam und zugleich pappendämlich. Ein lohnenswerter Spaß!

7/10

Howard Hawks Historie Aegypten period piece


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BAD BIOLOGY (Frank Henenlotter/USA 2008)


"We two belong together."

Bad Biology ~ USA 2008
Directed By: Frank Henenlotter


Der New Yorker Kunstphotographin Jennifer (Charlee Danielson) macht ihre anatomische Besonderheit, eine siebenfache Klitoris zu besitzen, nicht eben wenig zu schaffen. Ihr Bedarf nach koitalen Kontakten ist nämlich dementsprechend hoch und die dazu auserkorenen Partner überleben den Beischlaf zumeist nicht, weil Jennifers ekstatische Orgasmen sich bisweilen sehr ausufernd gestalten. Zudem gebiert sie stets rund zwanzig Minuten später ein unfertig augebildetes Freakbaby, das jeweils zurückgelassen oder in der nächsten Mülltonne entsorgt wird. Doch es gibt Hoffnung für Jennifer in Form eines potenziell perfekten Gegenparts: Batz' (Anthony Sneed) primäres Geschlechtsmerkmal als 'Penis' zu bezeichnen, käme einer Beleidung für alle Penisse dieser Welt gleich. Das etwa einen halben Meter des Raumes beanspruchende, ungeschlachte und vor allem widerlich hässliche Riesenteil führt nicht nur ein trotziges Eigenleben, sondern ist zudem unersättlich, was seine Befriedigung angeht. Eines Tages macht Batz' Pimmel sich dann selbstständig und geht auf Weiberjagd in Manhattans Upper-Class-Apartments, derweil Jennifer Batz ausfindig gemacht hat und ihm ihre Zuneigung gesteht - leider mit etwas Verspätung...

Siebzehn Jahre nach seiner letzten Regiearbeit "Basket Case 3" kommt der New Yorker Undergroundfilmer Frank Henenlotter also doch nochmal mit einer lang erwarteten, weiteren Geschmacklosigkeit um die Ecke. Das Erfreulichste gleich vorweg: Henenlotter hat nichts verlernt, sein bizarrer Humor lässt noch immer den instinktiv arbeitenden Körperregionen den Vortritt. Seine eigenartige Vorliebe für phallische Extremitäten spiegelt sich nach wie vor in obskuren, per stop-motion animierten Knetkreaturen wider - Batzens Schwanz beispielsweise könnte auch ein Cousin zweiten Grades von des fiesen kleinen Pusherwurms Elmer aus "Brain Damage" sein. Doch auch sonst bleibt das Meiste beim Alten, sieht man vielleicht von Henenlotters bisher unentdecktem Interesse für Hip-Hop ab: "Bad Biology" bietet, wie das komplette bisherige Oeuvre des Regisseurs, kompromissloses, abseitiges Independent-Kino, das jedoch stets einen gewissen Sinn für Anstand und Ästhetik wahrt und nie vollends in die gefährlich lockende Selbstzweckhaftigkeit ausufert. Trotz aller seiner streitbaren formalen Merkmale erzählt "Bad Biology" primär noch immer eine tragische Romanze und die Geschichte zweier unglücklicher Großstadt-Individuen, denen ihre jeweilige, brisante Physis einen Strich durch alle auch nur annähernd konventionellen Lebensentwürfe macht. Als Film ist das, Henenlotters Signatur eben, natürlich nicht für jeden gemacht, aber doch ein mutiges Stück Kino und für grundsätzlich Genreinteressierte zumindest einen Blick wert.

8/10

Monster Independent Underground Bohème New York Frank Henenlotter


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BRAZIL (Terry Gilliam/UK 1985)


"An empty desk is an efficient desk."

Brazil ~ UK 1985
Directed By: Terry Gilliam


In einem nicht näher bezeichneten totalitären Staat des vergangenen Jahrhunderts, der allerdings frappierend einem dystopischen England gleicht, entdeckt der unbedeutende Büroangestellte Sam Lowry (Jonathan Pryce) die Fehleranfälligkeit des Systems, für das er buckelt. Statt eines freischärlenden, des Terrorismus verdächtigten Heizungsingenieurs (Robert De Niro) wird ein braver Familienvater in die grausamen Verhörmühlen des Großen Bruders Mr. Helpmann (Peter Vaughan) gezwängt. Zusammen mit der sich rebellisch gebenden Jill (Kim Greist) begehrt Sam zugleich gegen die ihn umfangenden systemischen und matriarchalischen Diktaturen auf - und scheitert jeweils kläglich.

Gilliams Meisterwerk, ein ungeheuer vielschichtiges, monströses, zugleich enthusiastisches und grausiges Horrorszenario über die Macht der Träume und das, was einem letztlich niemand stehlen kann: Das tief verborgene, innere Selbst. "Brazil", entstanden im Orwell-Jahr 1984, führt in zugleich satirischer und höchst glaubwürdiger Weise die Schrecken eines absoluten Überwachungsstaats vor Augen, in dem die menschliche Population nicht mehr zu leben, sondern nur noch zu funktionieren hat. Die emotionale Wahrheit hat hier längst jeglichen Wert verwirkt, alles verkommt zu verlogener Hörigkeit einer grotesken Obrigkeitsidee. Gut hat es hier nur, wer "jemanden kennt", so wie Sams fürchterliche Mutter (Katherine Helmond), ein Vorzeigeprodukt der unter überreifen Damen hochaktuellen Verjüngungschirurgie. Allein durch ihren Einfluss, respektive den von Sams bereits verstorbenem Vater, fällt der kleine kafkaeske Held die Treppe des innersystemischen "Erfolges" herauf bis ins "Ministerium für Informationenwieder-beschaffung". Ein paar Etagen höher findet sich hier auch Sams alter Freund Jack Lint (Michael Palin), oberster Verhörspezialist und Folterknecht von Mr. Helpmann, der, innerlich und äußerlich blutbesudelt und -berauscht, seine eigene Familie nicht mehr identifizieren kann. Dem armen Sam ist schlussendlich immerhin eine romantische Liebesnacht mit seiner Jill vergönnt, bevor er selbst auf Lints Stuhl sitzt und ihm nur noch die Flucht in die (Un-)Tiefen seiner eigenen Traumwelt bleibt, so tief hinab freilich, dass ein Wiederhervorkommen unmöglich ist. "He's got away from us", bleibt es Mr. Helpmann, dem heimlichen (und unheimlichen) obersten Kopf des vielgliederigen Bürokratiestaats, da nur noch mit höhnischem Bedauern zu konstatieren. Der bittere Sieg des kleinen Mannes.

10*/10

Zukunft Parabel Farce Traum Dystopie Terry Gilliam Satire Terrorismus


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CAN'T HARDLY WAIT (Harry Elfont, Deborah Kaplan/USA 1998)


"It's up to you to make it happen."

Can't Hardly Wait (Ich kann's kaum erwarten) ~ USA 1998
Directed By: Harry Elfont/Deborah Kaplan


Pünktlich zur großen Highschool-Abschlussfete macht der Schulheld Mike (Peter Facinelli) mit seiner hübschen Freundin Amanda (Jennifer Love Hewitt) Schluss - schließlich, so Mikes brillante Deduktion, gäbe es demnächst im Universitätsleben einen ganzen Schwarm hübscher Studentinnen zu beglücken, und da könne sowas wie Treue höchstens hinderlich sein. Der "Normalo" Preston (Ethan Embry), der schon seit langem unsterblich in Amanda verliebt ist, wittert nun seine große Chance. Doch diese Drei sind nicht die einzigen, die an jenem folgenschweren Abend ins Erwachsenenleben eintreten sollen...

Kein wirklich großer Wurf, aber eine inmitten von unterbelichtetem Blödsinn wie der "American Pie"-Serie durchaus brauchbare teen comedy, deren Vorteil bei allen nicht zu leugnenden Schwächen darin liegt, ihre Figuren ernstzunehmen. Zumindest wird in "Can't Hardly Wait" der redliche Versuch unternommen, einem ansonsten wie üblich abziehbildhaft charakterisierten Personal Leben einzuhauchen und die mit Klischees gepflasterten Ersteindrücke zumindest ein wenig zu relativieren. Da avanciert der Obernerd (Charlie Korsmo) zum Partylöwen und Womanizer, der postpubertäre WASP-Rapper (Seth Green) zum geläuterten Frauenversteher, das sportliche Oberekel (Facinelli) zum überraschenden Kurzzeithelden. Und immerhin besitzt der Film die Chuzpe, den "Morgen danach" zu zeigen, an dem dann doch alles wieder seinen gewohnten Gang geht. So riecht das Ganze gleich etwas bekömmlicher und etwas mehr nach Crowe oder Linklater denn nach Paul Weitz etc. pp.
Wie viele der so oder ähnlich gelagerten Generationsporträts lebt auch "Can't Hardly Wait" letztlich von einer exzellenten Musikauswahl, die eine Menge schicker Popklassiker ausgräbt und vom Old-School-HipHop über Sleaze-Metal bis hin zu damals aktuellem Punkrock einen Haufen Gute-Laune-Knöpfe drückt. Die Entscheidung, wunderhübsche Stücke von Yazoo ("Only You"), Foreigner ("Waiting For A Girl Like You"), Nazareth ("Love Hurts"), Dire Straits ("Romeo & Juliet") und natürlich Barry Manilow ("Mandy") zu Schlüsselsongs zu machen, ist in ihrer gleißenden Offensichtlichkeit schon wieder unwiderstehlich. Man freut sich eben irgendwie doch immer wieder, den ollen Schmus zu hören. Außerdem: Ein nach einer Replacements-Nummer benannter Film zeugt zwangsläufig von Geschmack.

7/10

Coming of Age Musik Schule Harry Elfont Deborah Kaplan


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TWENTIETH CENTURY (Howard Hawks/USA 1934)


"That's the final irony!"

Twentieth Century (Napoleon vom Broadway) ~ USA 1934
Directed By: Howard Hawks


Erst macht er sie zum Broadwaystar, dann flutscht sie ihm durch die Lappen - und ausgerechnet in Richtung Hollywood. Doch wie soll man es auch aushalten mit einem solch selbstgefälligen Impresario wie dem berühmt-berüchtigten Oscar Jaffe (John Barrymore)? Solches denkt sich jedenfalls die Starschauspielerin Lily Garland (Carole Lombard), die eigentlich Mildred Plotka heißt, aus Hoboken, New Jersey stammt und ehemaliges Model für Unterwäsche ist. Oscars unnachgiebiges Training machte aus ihr eine gefeierte Bühnenaktrice. Leider ging damit auch ein eifersüchtiger Privatterror bis hin zur Rund-um-die-Uhr-Beschattung einher, der Lily schließlich von den Brettern von Bühne und Bett vertrieb. Mit Lily verlässt den armen Oscar auch der Erfolg. Doch wittert jener eine letzte Chance, als er Lily zufällig im Twentieth Century, einem Luxuszug von Chicago nach New York, begegnet...

Wie der spätere "His Girl Friday" basiert auch "Twentieth Century" auf einer Bühnenkomödie von Ben Hecht und Charles MacArthur (nämlich "Napoleon Of Broadway") und wie in erstgenanntem geht es auch hierin um einen kontrollbesessenen, zwischen widerwärtig und liebenswert changierenden Geschäftspatriarchen, der seine eigentlich heißgeliebte Lebensgefährtin von Heim und Hof ekelt, nicht zugeben will, was er an ihr verloren hat und sie später mittels schmutziger Tricks zurückgewinnt, weil sich eigentlich doch beide gegenseitig verdienen (und ergo natürlich keine(n) andere(n)). Oscar Jaffe braucht die Parkettkreide, Lily Garland das Gezänk - und beide den hochgestochenen theatralischen Gestus ihres potenziell ewigen Gegenübers.
"Twentieth Century" kommt direkt aus dem Herzen der screwball comedy, ist laut, hektisch, verrückt und ungeheuer eloquent geschrieben. Es wimmelt von urigen bis bescheuerten Nebencharakteren, seien es Jaffes zwei Helfershelfer (Walter Connolly, Roscoe Karns), die von ihrem cholerischen Boss alle fünf Minuten gefeuert und wieder eingestellt werden, oder ein durchgedrehter Pharmahersteller (Etienne Girardot), der den titelgebenden Zug mit hirnverbrannten Aufklebern zupflastert. Das ist auch der Dreißiger-Hawks in Reinkultur; der, dem Witz und bizarre Romantik noch alles bedeuteten und der auf seinem Sektor schon damals ein Feldherr war.

9/10

based on play Theater Screwball Howard Hawks


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DESIGN FOR LIVING (Ernst Lubitsch/USA 1933)


"It's true we had a gentleman's agreement, but unfortunately, I am no gentleman."

Design For Living (Serenade zu dritt) ~ USA 1933
Directed By: Ernst Lubitsch


Im Zug nach Paris begegnen die mittellosen Bohémiens George (Gary Cooper) und Tom (Fredric March) der Werbedesignerin Gilda (Miriam Hopkins). Diese beginnt ohne das Wissen des jeweils anderen mit beiden ein Techtelmechtel. Als die zwei Freunde von ihrem "Glück" erfahren, gibt Gilda zu, dass sie sich für keinen der beiden entscheiden kann. Man entscheidet sich also für eine platonisch gehaltene Dreiecksbeziehung. Kaum jedoch, dass auf Tom der große Erfolg in London wartet - durch Gildas Intervention wurde sein Stück produziert - hat der Ärmste das Nachsehen. Als er über ein Jahr später nach Paris zurückkehrt, auch George ist mittlerweile als Maler erfolgreich, wird Gilda sofort wieder wankelmütig und entschließt sich, der Misere endgültig durch eine Vernunftehe mit ihrem spießigen Berufskollegen Plunkett (Edward Everett Horton) zu entgehen. Ein glatter Selbstbetrug.

Der auf einem Theaterstück von Noel Coward basierende "Design For Living" kommt inhaltlich ungefähr einer domestizierten Episode aus Henry Millers "Quiet Days In Clichy" gleich. Autor und Maler, beste Freunde und professionelle Berufsgammler vor dem Herrn, landen mit derselben Frau im Bett und entdecken bald, dass es sich auch so gut leben lässt. Für einen Hollywoodfilm von 1933 ist diese Botschaft, die gesellschaftliche Untugenden wie die wilde Ehe propagiert, schon ziemlich frivol geraten. Nun, der Hays Code griff um diese Zeit noch nicht vollends und im Grunde beschränkte sich die unzweifelhafte Lüsternheit auf die Dialoge und das laszive Gehabe der Hopkins, die sich, selbstverständlich im Abendkleid, selbsttrunken von ihrer radikalen Feminität, als Quasi-Nymphomanin auf einem Chaiselongue räkelt. Da wir uns in einem Lubitsch-Film befinden, stößt das Liegemöbel jedoch bei jeder ihrer Bewegungen dicke Staubwolken aus - und schon relativiert sich die perfide Erotik der Szene, um wieder in perzeptionistisch akzeptable Bahnen zurückzufallen. Dies ändert jedoch glücklicherweise nichts an den insgesamt doch rotzfrechen statements des Films, die ihrer Gegenwart um ein paar Äonen voraus sind.

8/10

Paris based on play Screwball Ernst Lubitsch Noel Coward Ménage-à-Trois


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THIEVES LIKE US (Robert Altman/USA 1974)


"You liar! You cheated on me!"

Thieves Like Us (Diebe wie wir) ~ USA 1974
Directed By: Robert Altman


Misissippi zur Depressionszeit: Die drei Lebenslänglichen Bowie (Keith Carradine), Chicamaw (John Schuck) und T-Dub (Bert Remsen) fliehen aus dem Staatsgefängnis und rauben im gesamten Süden der USA zahlreiche Banken aus. Besonders Chicamaw geht dabei zunehmend gewalttätig vor. Als Bowie sich in die unbedarfte Jungfrau Keechie (Shelley Duvall) verliebt, beginnt er ansatzweise, seine kriminelle Existenz zu hinterfragen, kann und will jedoch nicht über seinen Schatten springen, was ihn schlussendlich das Leben kostet.

In den USA der dreißiger Jahre Bankräuber zu sein, bedeutete angesichts der ökonomischen Verhältnisse zugleich Rebellion als oberstes Existenzprinzip sowie eine besonders harsche Form der Systemfeindlichkeit; erst einige Dekaden später wurden aus den grimmigen Schattenwesen hinter den Tommy Guns echte Menschen, die in der Populärkultur bis heute eine nachträgliche Mythisierung erfahren. Im Gegensatz zu Bonnie und Clyde oder John Dillinger sind die "Helden" in Altmans "Thieves Like Us", jener nach Rays gut 25 Jahre älterem "They Live By Night" bereits die zweite Verfilmung von Edward Andersons gleichnamigem Roman, derweil Gegenstände reiner Fiktion, die eine starke Verwurzelung in der historischen Realität allerdings nicht verleugnen können. Der unweigerliche Moralisierungsfaktor ist zwar auch hier evident, jedoch verdeutlicht Altman durch stetige kleine Hinweise die schon damals allgegenwärtige Einflussnahme der Massenmedien, in diesem Fall des Radios. Permanent laufen im Hintergrund die damals beliebten Rundfunkserien wie "The Spirit" und "The Shadow", die das Bandenunwesen staatlich legitimiert und in höchstem Maße naiv bis in seine Grundfesten verdammen und der öffentlichen Ächtung preisgeben, als eine Art stiller Kommentar. Dabei bestand seinerzeit für den "kleinen Mann" eine der wenigen Chancen, zu etwas Flüssigem zu kommen, darin, den göttlichen Pfad der Tugend zu verlassen. Altman versäumt es trotz bewusster Aussparung von offensichtlichem Sozialkitsch nicht, darauf hinzuweisen. Müßig zu erwähnen, dass "Thieves Like Us" stilistisch eindeutig als einer seiner Filme identifizierbar ist.

8/10

New Hollywood period piece Suedstaaten Great Depression Robert Altman Couple on the Loose





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Funxton

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