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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE VIKINGS (Richard Fleischer/USA 1958)


"Odin!"

The Vikings (Die Wikinger) ~ USA 1958
Directed By: Richard Fleischer

England im 9. Jahrhundert: Die Küstenregionen der Insel werden ständig von den wilden Wikingerstämmen aus dem Norden überfallen, die weder mit Zivilisationsformeln noch mit der Christianisierung etwas am Hut haben. Sie rauben, morden, brandschatzen und vergewaltigen einfach lustig drauf los und haben noch ihren buchstäblichen Heidenspaß dabei. Zwei von ihnen sind der alte Häuptling Ragnar (Ernest Borgnine) und sein Sohn Einar (Kirk Douglas), die es auf Morgana, die Verlobte des englischen Königs Aella II (Frank Thring) abgesehen haben - Ragnar freilich wegen eines guten Lösegelds, während Einar eher die Schönheit der Prinzessin bewundert. Der Sklave Eric (Tony Curtis), ohne dies zu ahnen, legitimer Thronerbe von England und zugleich Einars Halbbruder, macht den Nordmännern jedoch einen dicken Strich durch die Rechnung.

Nachdem Tinseltown bereits diverse historische Epochen und Völker für sich entdeckt und ausgeschlachtet hatte, sollten mit Fleischers "The Vikings" endlich auch die Wikinger zu ihrem Recht kommen. Leider haben sich diese trotz mancher Errungenschaften zu ihrer Zeit nicht eben mit Ruhm bekleckert oder sind wegen ihres ausgereiften Feingeists aufgefallen; im Gegenteil. Umso schwieriger der Versuch einer adäquaten Darstellung jener raubeinigen Gesellen in den Zeiten des Hays Code. Doch ebenso erfolgreich, wie uns der Film verkauft, dass Kirk Douglas der Sohn des tatsächlich rund zwei Monate jüngeren Ernest Borgnine sein soll, glauben wir ihm auch vieles andere, darunter, dass jedermann (und natürlich jedefrau) gute, gebleichte Zähne besaß, romantische Avancen zum Guten Ton eines Präludiums einer jeden Jungfrauenvergewaltigung gehörten und mit Streitäxten zugefügte Wunden unsichtbar bleiben.
Hier haben wir: schickes B-Kino in A-Gewandung, ein gewitztes Star- und Spaßprodukt, für seine Zeit obendrein verhältnismäßig gewalttätig und - im semantisch originären Wortsinne - blutvoll.
Ich bin übrigens für die rasche Anfertigung eines Sequels, solange das betagte Hauptdarstellertrio noch komplett unter den Lebenden weilt. Eine inhaltliche Rechtfertigung für Ragnars und Einars Wiederaufsterhungen ließe sich bestimmt schnell finden. Und einen feschen Titel hätte ich auch schon: "The Vikings II: Exchanging Einar's Nappys"

7/10

England Mittelalter Wikinger Richard Fleischer Historie Jack Cardiff


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PICASSO TRIGGER (Andy Sidaris/USA 1988)


"Give 'em a lei - blow 'em away."

Picasso Trigger (Hawaii Connection) ~ USA 1988
Directed By: Andy Sidaris


Nur kurz nachdem der Supergangster Alejandro Salazar (John Aprea), genannt 'Picasso Trigger', in Paris von einem unbekannten Attentäter ermordet wurde, beginnt sein früherer Konkurrent Ortiz (Rodrigo Obregón) einen zuvor angekündigten Rachefeldzug gegen alle, die am Tode von Ortiz' Bruder Schuld haben, darunter vornehmlich Regierungsangestellte. Darauf wird bald der schmucke Superagent Travis Abilene (Steve Bond) aufmerksam, der daraufhin seine vornehmlich aus drallen Playmates bestehende Elitetruppe zusammentrommelt und sich Ortiz und seine Baggage vorknöpft. Dabei hat Abilene die ganze Zeit eine dunkle Ahnung: Ist Picasso Trigger wirklich tot?

Sidaris mochte es groß: Die Handfeuerwaffen seiner muskulösen Darsteller mussten ebenso volumninös sein wie die Brustumfänge der jeweils im Gros eingesetzten Protagonistinnen. Sidaris' locations waren ausnahmslos exotische Sonnenareale, in denen - wenn überhaupt - Hawaii-Hemden getragen wurden, seine sonstigen Utensilien schicke Sportwagen und schnelle Boote, große Explosionen und gewaltsame Morde, verübt von hämisch grinsenden Attentätern, die auch noch zumeist als Zuschauersympathisanten fungierten. Der Mann kultivierte seinen betont maskulinen, etwas hölzern anmutenden Geschmack regelmäßig mit diebischer Freude, was dazu führt, dass seine Filme sich allesamt frappierend ähneln und fast wie Episoden einer TV-Serie mit wechselnden Hauptdarstellern und Figuren wirken. Dabei legte Sidaris offenkundig großen Wert darauf, dass seine Arbeiten eben nicht nach Fernsehen, sondern stets nach professionellem Kino aussahen; er drehte nach eigenem, stolzen Bekunden nur auf 35mm, setzte wenn möglich keine Miniaturen oder ähnliche Effektkunst ein und ließ seine fraglos vorhandene technische Versiertheit stets an vorderster Front walten, so dass man sein Werk aller Beschränktheit zum Trotze durchweg als eye candy bezeichnen darf.
"Picasso Trigger" veranschaulicht so eindrucksvoll wie nachdrücklich, wie unwesentlich Narration für einen Sidaris ist. Sofern man überhaupt von einer Geschichte sprechen möchte - er variiert als Quasi-Remake von "Seven" nur unwesentlich den Plot dieses leider nicht in der von Sidaris selbst zu Lebzeiten aggressiv beworbenen DVD-Collection enthaltenen Klassikers: ein Spitzenagent mobilisiert eine Truppe von mord- und bumslustigen Übermenschen, die sich jeweils eines von mehreren Zielen auf der anderen Seite zu kümmern - sprich, diese zu liquidieren - haben und zwischendurch gemeinsam duschen, im Whirlpool sitzen oder in die Kiste hopsen. Und DAS sind nur die Guten!
Als Katerfilm an heißen Sommermorgen ist das ausgesprochen exquisites Premiumprogramm!

5/10

Las Vegas Independent Hawaii Andy Sidaris Exploitation Trash


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WATCHERS (Jon Hess/CAN 1988)


"Trust me. We're the good guys."

Watchers ~ CAN 1988
Directed By: Jon Hess


Dem Provinzjugendlichen Travis Cornell (Corey Haim) läuft ein Golden Retriever zu, der sich als genmanipuliert und hochintelligent entpuppt. Jener Hund ist allerdings nicht die einzige Kreatur, die aus einem niedergebrannten Regierungslabor entkommen konnte - der sogenannte Oxcom, ein ausschließlich zum Zwecke des Tötens gezüchtetes Monster, das telepathisch mit Travis' neuem Freund verbunden ist, eliminiert gnadenlos alles und jeden, der mit dem Hund in Verbindung steht.

Kurioser kleiner Monsterfilm aus der Corman-Factory, der, obgleich für ein augenscheinlich sehr junges Publikum hergestellt, hierzulande in seiner ungekürzten Fassung noch immer indiziert ist. Zu "verdanken" hat Hess' unterhaltsame Koontz-Adaption dies einzig und allein drei, vier etwas blutrünstigeren Szenen. Ansonsten wird der "Lassie"-Faktor des so putzigen wie schlauen tierischen Protagonisten dermaßen hoch angeschrieben, dass die meisten Zuschauer jenseits des dreizehnten Lebensjahres vermutlich nur ein müdes Lächeln für "Watchers" als Gesamtwerk übrig haben dürften. Ich selbst hänge an "Watchers", weil sich mein Erstkontakt mit ihm an den seinerzeit veröffentlichten Fotoroman in der "Bravo" datiert und ich den Film kurz darauf dann auch flugs aus der Videothek besorgt bekam und in der Folge etwa alle zwei Wochen einmal schaute. Heute haut er mich zugegebenermaßen nicht mehr so ganz vom Hocker, der Nostalgiefaktor jedoch beweist nach wie vor ein erfreuliches Stehvermögen.

6/10

Jon Hess Roger Corman Dean R. Koontz Hund Monster Mutant


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MEAN JOHNNY BARROWS (Fred Williamson/USA 1976)


"Why ain't I satisfied?"

Mean Johnny Barrows (Die Mafia kennt keine Gnade) ~ USA 1976
Directed By: Fred Williamson


Nachdem der hochdekorierte Vietnamkämpfer Johnny Barrows (Fred Williamson) unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde, vegetiert er als Penner im Großraum von L.A. und hält sich mit schlecht bezahlten Tagelöhnerjobs über Wasser. Als er eines Tages dem sympathischen Mafioso Mario Racconi (Stuart Whitman) begegnet, versucht dieser ihn, im Wissen um Johnnys "Talente", als Mann fürs Grobe anzuheuern. Doch Johnny lehnt trotz mehrerer großzügiger Offerten ab. Als Mario nebst seinem Vater (Luther Adler) und weiteren Beteiligten von der gegnerischen Da Vince-Familie zusammengeschossen wird - die Racconis weigern sich, in den Drogenhandel einzusteigen - lässt sich Johnny doch noch engagieren. Doch ein Feind sitzt dort, wo Johnny es am wenigsten vermutet.

Schleppend erzählter und langweiliger Blaxploiter, der zweierlei beweist: Zum einen, dass nicht aller Seventies-Exploitation-Glanz zwangsläufig ein goldiges Erlebnis verheißt und zum anderen, dass der "Hammer" Fred Williamson ein lausiger Regisseur ist. Oder zumindest war, seine späteren Arbeiten (immerhin noch 19 weitere, wie ich erstaunt festgestellt habe), sparen vielleicht zumindest den einen oder anderen der hier (noch?) angezeigten Mängel aus, keine Ahnung - "Mean Johnny Barrows" ist bislang der einzige Film von Williamson als Regisseur, den ich mir zu Gemüte geführt habe. Felsenfest steht für mich, dass die überaus selbstverliebte Inszenierung des sich häufig (möglicherweise auch semisatirisch) gern als tollster Hecht im Karpfenteich präsentierenden Ex-Profi-Footballers im Laufe des Films ein wenig zu akut wird und letztlich in keiner Relation steht zu dem Schmalhans-Küchenmeister-Geplänkel, das "Mean Johnny Barrows" ansonsten aufbietet. Es dauert eine gute Stunde, bis mal ein wenig Aktion ins Haus steht, vorher drängt sich uns an vorderster Front der Hammer auf: der Hammer, wie er durch die Straßen streift, der Hammer, wie er mit weißen Cops in Konflikt gerät, der Hammer, wie er im Hauseingang pennt, der Hammer, wie er mit Elliot Gould (in einem schönen Gastauftritt) in der Suppenküche steht, der Hammer, wie er von einem Tankstellenbetreiber (R.G. Armstrong) ausgenutzt wird. Gähn. Nebenbei installiert der Film noch flott den bei "The Godfather" abgeschauten Mafia-Zank. Am Schluss werden dann vier, fünf Pappenheimer abgeschossen und der in einer kläglichen Loserrolle aufspielende Roddy MacDowall buchstäblich versenkt. Ehrlich gesagt empfand ich selbst das forciert auf den Überraschungseffekt angelegte Ende als gegenteilig - nämlich wenig überraschend. Nee, da gibt's durchaus Spannenderes, mit dem man seine Zeit verplempern kann.

4/10

Mafia Vietnamkrieg Fred Williamson Veteran Blaxploitation Independent


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BULLITT (Peter Yates/USA 1968)


"Frank, we must all compromise." - "Bullshit."

Bullitt ~ USA 1968
Directed By: Peter Yates


Lt. Frank Bullitt (Steve McQueen) vom San Francisco Police Department erhält von dem profilierungssüchtigen Senator Chalmers (Robert Vaughn) persönlich den Auftrag, einen immens wichtigen Kronzeugen namens Johnny Ross (Pat Renella) zu beschützen, der in Kürze in einem publicityträchtigen Prozess gegen die Mafia aussagen soll. Ross wird ermordet, Bullitts Partner (Carl Reindel) schwer verletzt. Das Seltsame ist nur, dass Ross seinen Mördern offenbar selbst die Hotelzimmertür geöffnet hat. Während Chalmers vor Wut schäumt, findet Bullitt heraus, dass der echte Ross mitnichten tot ist und stattdessen einen allzu vertrauensseligen Strohmann (Felice Orlandi) geopfert hat.

Archetypisch komponierter Polizeifilm, ohne den so ziemlich alles, was sich bis heute im Genre tummelt, undenkbar wäre. Von der Charakterisierung der Titelfigur, eines höchst ehrgeizigen, wortkargen und verbissenen Berufsfanatikers, dessen Berufsethos sich jedoch zumindest noch vor der Wohnungstür abstellen lässt - ein Persönlichkeitszug nebenbei, den selbst direkte Epigonen wie Popeye Doyle und Harry Calahan schon nicht mehr auzfweisen können -, über die Demonstration eines repressiven, leistungsorientierten Obrigkeitssystems bis hin zu den hier noch vergleichsweise spartanisch eingesetzten Actionsequenzen (auf ganze drei entsprechende Szenen bringt es der Film, wobei deren Herzstück, die kunstvoll gefilmte Verfolgungsjagd, pursten Kinoklassizismus darstellt) sollten beinahe sämtliche Elemente aus "Bullitt" in den künftigen Jahren immer wieder auftauchen. Eine solche Entwicklung markiert ja stets ein Zeichen für einen ikonografischen Film und damit zugleich meist ein sich niemals abnutzendes Sahnestück der Leinwandistorie. Und ein solches ist "Bullitt", ganz ohne Zweifel.

10/10

Peter Yates car chase San Francisco


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THE 13TH WARRIOR (John McTiernan, Michael Crichton/USA 1999)


"I cannot lift this."

The 13th Warrior (Der 13te Krieger) ~ USA 1999
Directed By: John McTiernan/Michael Crichton


Im 10. Jahrhundert stößt der inoffiziell verbannte arabische Gelehrte Ahmed (Antonio Banderas) im nördlichen eurasischen Grenzgebiet auf eine Gruppe Wikinger. Zusammen mit zwölf weiteren, von den rauen Nordmännern gestellten Kriegern muss Ahmed daraufhin nach Nordwesten ziehen, um ein Dorf von einer kaum fassbaren Bedrohung zu befreien - angeblich werden die dort lebenden Menschen allenthalben von Dämonen heimgesucht. Dort angekommen und mittlerweile der Sprache der Wikinger mächtig, stellt Ahmed fest, dass es sich bei den Gegnern mitnichten um übersinnliche Kreaturen handelt, dafür aber um eine atavistisch vor sich hin troglodytierende Gruppe Kannibalen. Zusammen mit seinen neuen Gefährten nimmt er den Kampf gegen die fiesen Unholde auf.

Wie der kürzlich von mir gesehene "Supernova" repräsentiert auch "The 13th Warrior" eines der maßgeblichen Beispiele für die unselige Praxis, Filme nach ein paar test screenings grundlegend zu modifizieren und die eigentliche Vision des Regisseurs so mit Füßen zu treten. John McTiernans Version wurde von Michael Crichton, dem Autor der Romanvorlage, um gute 25 Minuten erleichtert, umgeschnitten und von den Studioverantwortlichen mit einem neuen (immerhin als sehr gelungen zu bezeichnenden) Score von Jerry Goldsmith ausgestattet, der sozusagen den Erstarrangeur Graeme Revell ablöste.
In der heute sichtbaren Fassung ist "The 13th Warrior" nurmehr ein Film, der merklich seines ursprünglichen Rhythmus' entledigt wurde, notdürftig zusammengestoppelt und uneben, an vielen Stellen tatsächlich allzu verkürzt und abgehackt wirkt und letzten Endes kaum mehr den aus seinen stattlichen Bildern ersichtlichen Aufwand rechtfertigt. Ein kaum mehr einzuordnendes, geschweige denn wertbares Trauerspiel, wo offensichtlich ein majestätisches stehen könnte. Dass McTiernan sich heute weitgehend vom Regiegeschäft zurückgezogen hat, ist angesichts solch hinterhältiger Vergewaltigungstaktiken kein Wunder. Bleibt wie stets in solchen Fällen zu hoffen, dass die Rechteinhaber eines Tages ein Einsehen haben und die Originalfassung zumindest für die Pantoffelkinos freigeben.

5/10

Wikinger Michael Crichton John McTiernan Kannibalismus Historie Mittelalter


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HELL IN THE PACIFIC (John Boorman/USA 1968)


"My log!"

Hell In The Pacific (Die Hölle sind wir) ~ USA 1968
Directed By: John Boorman


In den späteren Tagen des Zweiten Weltkriegs rettet sich ein abgeschossener USAF-Pilot (Lee Marvin) mit Mühe und Not auf ein kleines Pazifikeiland. Dieses wurde jedoch bereits von einem ebenfalls dort gestrandeten japanischen Offizier (Toshiro Mifune) in Beschlag genommen. Anfangs kommt es zu erbitterten Grabenkämpfen und gegenseitigen Erniedrigungen, doch je mehr die beiden situativ bedingten Todfeinde sich von der Zivilisiertheit entfernen, desto mehr vergessen sie ihre Rivalität. Als es ihnen schließlich gelingt, von der Insel zu entkommen und nach harter Kreuzfahrt auf eine größere, bevölkerte Insel zu gelangen, erweist sich ihre vorhergehende Annäherung als befristet.

"Merry Christmas Mr. Lawrence", in dem es ebenfalls (wenn auch um einiges differenzierter aufgearbeitet) um den unfassbaren Widerspruch zwischen der Mentalitätsspanne auf der einen und der Sympathieoption zwischen den Kriegsgegnern Japan und Abendland auf der anderen Seite geht, erinnerte mich an dieses knackige, eine finstere Situationskomik nicht scheuende Zwei-Personen-Kammerspiel von Boorman. Von Toshiro Mifune ist mir leider noch nicht ganz so viel bekannt, aber da ich mir sicher bin, Lee Marvin selten in einer besseren Performance gesehen zu haben, fühle ich mich geneigt, das Spiel des ebenfalls großartigen Mifune ganz in der Nähe einzuordnen. Unabhängig von dem brillanten Spiel der beiden bedaure ich, zusätzlich mit "Point Blank" im Hinterkopf, dass vom Duo Boorman/Marvin nicht mehr kam. Es scheint, als spornten sich beide gegenseitig zu intensivsten Leistungen an. Boorman entdeckt Natur und Grün für sich und erklärt die einsame Insel zum eigentlichen Gegner, angesichts dessen wesentlicher Feindseligkeit der politische Konflikt der beiden Antagonisten lächerlich unbedeutend scheint. Ein brillanter Vorgriff auf die Motivlage von "Deliverance".

9/10

Parabel WWII Pazifikkrieg John Boorman Groteske


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JOHNNY HANDSOME (Walter Hill/USA 1989)


"We both know what and who you are, Johnny Handsome."

Johnny Handsome ~ USA 1989
Directed by: Walter Hill


Der durch einen Geburtsdeffekt gesichtsentstellte John Sedley (Mickey Rourke), den seine Bekannten aus der Unterwelt von New Orleans nur spöttisch 'Johnny Handsome' nennen, nimmt an einem Überfall auf einen Juwelier teil, der helfen soll, Johnnys einzigen, väterlichen Freund Mickey (Scott Wilson) zu sanieren. Das Verbrecherpärchen Rafe (Lance Henriksen) und Sunny (Ellen Barkin), die ebenfalls dabei sind, hauen die anderen übers Ohr, erschießen alle bis auf Johnny und setzen sich danach ab. Johnny kommt ins Gefängnis, wird dort jedoch zum Opfer eines von Rafe befehligten Mordanschlags. Sein behandelnder Arzt (Forest Whitaker) bietet Johnny an, an einem Resozialisierungsprogramm teilzunehmen, das Johnnys Gesicht glätten und ihm eine neue Identität verschaffen soll. Johnny willigt ein, mit nur einem Gedanken im Kopf: Rache.

Zwischen den recht lauten und schussintensiven "Extreme Prejudice" und "Another 48 Hrs." kam von Walter Hill dieses kleine Gangsterkammerspiel, eine so seltsame wie faszinierende Melange unterschiedlichster Elemente. Seine Keimzelle findet "Johnny Handsome" zweifelsohne im film noir. Die Charaktere erscheinen eher grob skizziert und stark archetypenbeeinflusst, Figuren, wir wie sie bereits hundertmal gesehen zu haben glauben. Die Konstellation Gangster - Bulle, zwischen gegenseitiger Feindschaft und innerer Sympathie, ist ganz ähnlich wie im elf Jahre älteren "The Driver" angelegt; wirklich neu indes ist das "Elephant Man" - Mosaikstück - ein physisch gezeichnetes, an sich sanftmütiges Individuum, das den grausamen Zynismus seiner sensibilitätsentledigten Umwelt zu ertragen hat. Dass es dann unerkannt, mit anderem Gesicht zurückkehrt, um die Karten neu zu mischen, hat wiederum etwas von Delmer Daves' wunderbarem "Dark Passage". Da schließt sich dann auch der Kreis der Einflüsse.

8/10

New Orleans film noir Walter Hill Rache neo noir


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THE WARRIORS (Walter Hill/USA 1979)


"Fuckin' A."

The Warriors ~ USA 1979
Directed By: Walter Hill


Nachdem sie einem riesigen Bandentreffen auf der anderen Seite der Stadt beigewohnt haben, dessen Organisator Cyrus (Roger Hill) der üble Luther (David Patrick Kelly) aus reiner Boshaftigkeit erschießt, werden die neun Abgeordneten der Coney-Island-Gang 'Warriors' unschuldigerweise von allem und jedem gejagt. Quer durch das nächtliche New York müssen sie fliehen, werden auseinandergerissen und finden an den wichtigen Verkehrsknotenpunkten wieder zusammen, bis sie, am Ziel ihrer Heimreise angelangt, endlich die ihnen zustehende Gerechtigkeit erfahren.

"The Warriors" ist neben dem etwas jüngeren "48 Hrs." mein Lieblingsfilm von Walter Hill. Was mir, ganz abgesehen davon, dass der Regisseur ein in jeder Hinsicht prachtvolles Genrestück kreiert hat, in der Hauptsache am Film gefällt, ist sein genuin schwarzseherischer Zeitgeist. Analog zu vielen anderen aus dieser Ära stammenden Hollywood-Filmen werden Amerika und insbesondere seine großen Metropolen als großer Schmelztiegel der Gangs und der Gesetzlosigkeit gezeichnet. Auf höchst reaktionäre und sozialpessimistische Art formulieren die meisten jener Werke, so sie keinen nostalgischen Ansatz pflegen wie etwa Kaufmans "The Wanderers", eine bärbeißige Untergangsstimmung; die junge, nachfolgende Generation hält als Sammelstelle verbrecherischer Sündenbock-Brigaden her. Zwar repräsentierte das Figureninventar der 'juvenile delinquents' stets gewisse einseitige pädagogische Weckrufe, so kompromisslos wie in den Siebzigern und Achtzigern schoss man jedoch nie zuvor und auch kaum mehr danach. "The Warriors" bietet da einen verhältnismäßig unorthodoxen Ansatz: Die titelgebende Gang bekommt Persönlichkeit, einen klar umrissenen Ehrenkodex sowie einen sich nach und nach herausschälenden Helden- und Sympathieträgerstatus auferlegt. Spätestens die wunderbare Szene, in der zwei geschniegelte Discopärchen aus Uptown mit den Warriors in einem Bahnwaggon sitzen und dem abgekämpften 'Kriegsführer' Swan (Michael Beck) und seiner neuen Freundin Mercy (Deborah Van Valkenburgh) mit einer Mischung aus Angst und arrogantem Naserümpfen begegnen, erreicht Hills Film einen Differenzierungsgrad, den andere Filme ähnlicher Kuleur erst gar nicht anzustreben wagen. Geschickt verwobene Elemente der griechischen Mythologie, darunter die Spartanerschlachten und natürlich Homers "Odyssee" verleihen "The Warriors" darüberhinaus einen literarisch relevanten Status. Score und Songs sind perfekte Atmosphäenspender. Dass Hill außerdem einer der denkwürdigsten Filme zu den ewigen Motivkreisen "Nacht" und "New York" geglückt ist, wird da fast zur schönen Nebensache.

10/10

Gangs Odyssee Teenager Nacht Slum Walter Hill New York


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THE DRIVER (Walter Hill/USA 1978)


"I really like chasing you." - "Sounds like you got a problem."

The Driver ~ USA 1978
Directed By: Walter Hill


Der Driver (Ryan O'Neal), ein in völliger Anonymität arbeitender Fluchtwagenfahrer, gilt als Bester seines Metiers. Dem Detective (Bruce Dern) ist er jedoch ein gewaltiger Dorn im Auge. Als der Driver von einer Spielerin (Isabelle Adjani) identifiziert wird, besticht er sie, damit sie den Mund hält. Gemeinsam versucht man, an die Beute eines von Kunden des Driver vermasselten Raubzugs zu kommen, den Detective stets dicht auf den Fersen.

Für "The Driver" reduziert Walter Hill die Genrevorgaben auf das absolut notwendigste Minimum. Seine Figuren benötigen nicht einmal mehr Namen, weil diese bereits als Kokettiererei missverstanden werden könnten. Obgleich - schon der Titel suggeriert es - Hills Film mit Begriffen wie Verfolgung, Jagd und Bewegung operiert, erscheint er auf angenehme, weil vollkommen lässige Weise statisch. Hill bewegt sich in atmosphärischer Hinsicht eher im Dunstkreis seines französischen Kollegen Melville (den er darüberhinaus ausgiebig zitiert) denn in jenem der eigentlich doch naheliegenderen Vorbilder aus dem eigenen Lande. Bildliche Kinetik und Rasanz strebt der Film dann auch ausschließlich in den (durchaus als Motor des Films inszenierten) Szenen an, in denen der Driver seine 'Kunst' ausstellt - einmal, als er in einer Tiefgarage zweien vom Detective angestifteten Räubern (Joseph Walsh, Rudy Ramos) absichtlich den Mercedes zerlegt, demonstriert er eindringlich, warum er es sich leisten kann, Schusswaffen abzulehnen. Sein stets kühl agierender Verstand und seine Kaltschnäuzigkeit, die allerdings kaum vieler Worte bedarf, sind ihm Waffe genug. Ryan O'Neal, der, wie es einem veritablen Einzelgänger geziemt, stets auch ein wenig Traurigkeit und Wehmut im Blick hat, ist perfekt in seiner Rolle. Im Nachhinein verwundert es, dass er nicht mehr solche Vorstellungen gegeben hat.
"The Driver" ist auch ein ultimativer Großstadtfilm. Seine plastische Urbanität zeichnet er primär in Nachtszenen, wenn der Stadtkern, abgesehen von den zahlreichen, hell erleuchteten Hochhausfenstern, wie tot wirkt und das vertikal-horizontale Straßennetz zum persönlichen Aktionsfeld des Driver wird. Unter anderem darum ist Hill einer der wichtigsten und beleumundetsten Fachmänner - er hat die Strukturen, derer er sich bedient bzw. die er umgestaltet, nicht nur gänzlich durchschaut, sondern sie auch bis zur letzten Konsequenz internalisiert.

9/10

Duell car chase Walter Hill





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