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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CHRONICLE (Josh Trank/USA 2012)


"There's something wrong with Andrew."

Chronicle ~ USA 2012
Directed By: Josh Trank

Drei High-School-Kids, der introvertierte Amateurfilmer Andrew (Dane DeHaan), sein selbstbewusster Cousin Matt (Alex Russell) und der allseits beliebte Footballer Steve (Michael B. Jordan), stoßen im Wald auf ein abgestürztes außerirdisches Artefakt, mit dem sie unvorsichtigerweise Tuchfühlung aufnehmen. Schon am nächsten Tag zeigen sich die ersten Einflüsse des Himmelskörpers: Alle drei Jungen verfügen urplötzlich über telekinetische Fähigkeiten und können Dinge per Gedankenkraft bewegen. Andrew, dem sich besonders Steven nun brüderlich verbunden fühlt, blüht regelrecht auf und tankt durch seine neue Gabe Unmengen an oberflächlichem Selbstbewusstsein. Doch selbst seine sich weiterentwickelnden Fähigkeiten können seine tief verwurzelte Unsicherheit und seine familiären Probleme nicht wettmachen. Nach einigen unerfreulichen Wendungen, denen unter anderem Steve zum Opfer fällt, zieht sich Andrew noch mehr in sich zurück als früher, derweil seine Kräfte immer stärker werden. Schließlich wendet er sich der offenen Kriminalität zu. Als Andrew Amok zu laufen beginnt, kann nur noch Matt ihn aufhalten...

Eine im Grunde archetypische Superheldengeschichte im Gewand des 'embedded filming', wobei speziell diese formale Entscheidung sicherlich streitbar, weil inhaltlich kaum bis gar nicht zu rechtfertigen ist. Zu "Chronicle" gibt es, wie bereits zu "Defendor" und "Super" keine Comic-Vorlage. Die Story basiert auf einem Originalscript von John Landis' Sohn Max, der sich allerdings als überaus materienfirm erweist, speziell im Hinblick auf die moderne Mythologie der multiplen Superheldenkosmen. Im Prinzip kann man sich "Chronicle" bei Nichtkenntnis vorstellen wie eine leidlich weniger existenzphilosophische, juvenilere und pompösere Version von Shyamalans wundervollem "Unbreakable"; am Ende läuft hier wie dort alles auf das universelle Yin/Yang hinaus. Die Welt, so die mehr oder weniger berugigende Kernaussage, benötigt diametrale Größen, um im Gleichgewicht bleiben zu können. Doch bewegt "Chronicle" sich hypothetisch über die klassische Superhelden-Origin hinweg, indem er sich dem Diskurs widmet, welchen Weg ein psychisch schwer lädierter, urplötzlich mit Superkräften gesegneter Junge einschlagen würde, der seine gesamte Umwelt praktisch zeitlebens als quälend und repressiv wahrgenommen hat. Während etwa Peter Parker oder Clark Kent dereinst zwar von pubertären Problemen gebeutelte, junge Männer waren, konnten sie sich doch zumindest auf ein halbwegs stabiles soziales Umfeld stützen und waren somit quasi "Helden aus der Wiege". Andrew Detmer indes avanciert zur fleischgewordenen Nemesis der Menschheit. Auch das ist nicht neu, "Carrie" beispielsweise zeichnete eine nahezu identische Entwicklungsgeschichte nach, bloß eben in Ermangelung des symbolisch gülden gerüsteten Ritters, dessen eigener, schmerzlicher Existenzauftrag am Ende darin liegt, seinen vormals geliebten, bösen Antagonisten unter Aufwendung aller Mittel aufzuhalten.
Als kostümfreie Variante für Superhelden(film)liebhaber sicherlich Pflichtprogramm.

8/10

Josh Trank Max Landis Seattle Superhelden Freundschaft Madness embedded filming


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FACE/OFF (John Woo/USA 1997)


"Papa's got a brand new bag."

Face/Off (Im Körper des Feindes) ~ USA 1997
Directed By: John Woo

Endlich sieht es so aus, als hätte FBI-Agent Sean Archer (John Travolta) seine verhasste Nemesis, den terroristen Castor Troy (Nicolas Cage) da, wo er ihn haben will: unschädlich gemacht und im Koma liegend. Doch Archer muss noch Troys letzte, noch immer aktive Bombe finden, deren Lage außer dem Komatösen nur dessen Bruder Pollux (Alessandro Nivola) kennt. Zu diesem Zweck kommt ihm ein neues chirurgisches Verfahren zuhilfe: Archer kann sich operativ in ein Ebenbild Troys umoperieren lassen, mit dessen Gesicht anstelle des eigenen. Als perfekt getarnter V-Mann entlockt Archer dem einsitzenden Pollux Troy das Geheimnis, doch es ist bereits zu spät: Castor ist nämlich unterdessen wieder erwacht, hat sich seinerseits in Archers Double verwandeln lassen, jeden Mitwisser ausgeschaltet und führt nun die Existenz des Erzfeindes. Um sich sein Leben zurückzuholen, muss Archer aus dem Hochsicherheitsknast flüchten und einen letzten Krieg gegen den Feind führen.

Getragen von einer eigentlich famosen Genreprämisse erweist sich "Face/Off" besonders aus zwangsläufig gereifter, heutiger Perspektive als eklektizistisches Puzzle, das seine vielen brauchbaren Versatzstücke nicht zu einem homogenen Gesamtbild finalisieren kann. Es gibt ebenso viele tolle wie hoffnungslos abstürzende Einfälle und Szenen, die in der gegeneinander aufgerechneten Summe einen insgesamt leider bloß mittelmäßigen Film ergeben. Die prinzipielle Grundidee, die Antagonisten, Schwarz und Weiß, zunächst die Plätze tauschen zu lassen, um sich den Heimweg am Ende wieder entbehrungsvoll zurückerobern zu müssen, ist eines John Woo zunächst durchaus würdig. Der traumatisiert-todessehnsüchtige, psychisch ruinierte Familienvater allerdings nervt als in die Neunziger transportierter Archetypus nurmehr, weil er in all seiner oberflächlichen, gestylten Selbstherlichkeit schlicht nicht mehr glaubwürdig erscheint. Ein Mel Gibson wäre toll in jener Rolle gewesen, John Travolta ist einfach bloß ölig und penetrant. Nicolas Cage derweil entpuppt sich als wunderbarer, ethisch unmotivierter Psychoterrorist, der lediglich Rabbatz um des Rabbatzes Willen macht. Ein wiederum geistreich verankerter, psychologischer Dreh: Unter dem Gesicht seines Widerparts Sean Archer erweist er sich als deutlich brauchbarerer, weil Es-gesteuerter Ehemann und Vater. Seine Frau (Joan Allen) hat nach langer Zeit wieder erfüllenden Beischlaf, seine pubertierende Tochter (Dominique Swain) findet den "neuen", anarchisch angehauchten Papa deutlich interessanter als den traurigen alten Spießersack von letzter Woche. Die Grenze, den falschen Archer Sex mit seiner Pseudotochter haben zu lassen, war dann offenbar aber doch zu überschreitungsssensibel - angedeutet jedoch wird diese Option durchaus. Wie Archer in Troys Körper derweil endgültig den Verstand zu verlieren droht und von seinem alten Adlatus Dietrich (super: Nick Cassavetes) einen Drogencocktail kredenzt bekommt, ist wiederum erinnerungswürdig. Dann jedoch kommt der Film mit einem geradezu ekelhaft überzuckerten Kinder-Nebenplot um die Ecke, der, der Gipfel der Provokation, am Ende auch noch dazu führt, dass die Archers einen Ersatzsohn (David McCurley) adoptieren können. Zusammen mit teils alberner Bond-Action, wo ernige Shoot-Outs klassischen Woo-Zuschnitts völlig gelangt hätten, bleibt so ein submediokres Konglomerat der vergebenen Möglichkeiten. Umso mehr ärgert man sich und sinniert dem verschwendeten Potenzial von "Face/Off" hinterher.

4/10

John Woo Duell Terrorismus FBI Familie Los Angeles Rache


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THE MAN WITH TWO BRAINS (Carl Reiner/USA 1983)


The Man With Two Brains (Der Mann mit zwei Gehirnen) ~ USA 1983
Directed By: Carl Reiner

Der verwitwete Gehirnchirurg Dr. Hfuhruhurr (Steve Martin) fährt versehentlich die bösartige Millionärsgattin Dolores (Kathleen Turner) an, operiert und heiratet sie. Doch das Miststück hat sich über ihren Unfall hinaus nicht verändert: Sie hungert Dr. Hfuhruhurr sexuell aus und treibt es stattdessen mit Ramón (Natividad Vacío), dem Gärtner. Außerdem hat sie es lediglich auf das Verrmögen ihres Gatten abgesehen. Als Hfuhruhurr zu einem Kongress in Wien eingeladen wird, wo gerade der berüchtigte Fahrstuhlmörder sein Unwesen treibt, lernt er neben dem Kollegen Dr. Necessiter (David Warner), der Gehirnaktivitäten per Strom übertragen kann, das Gehirn von Anne Uumellmahaye kennen, in das er sich verliebt. Anne benötigt einen Körper, um am Leben zu bleiben - doch woher nehmen, wenn nicht töten?

Wine weitere formidable Reiner/Martin-Komödie, in der man sich diesmal die B-Genrefilme der fünfziger Jahre vorknöpft. "Donovan's Brain" findet sich sogar direkt erwähnt. Der Film quillt von Anfang bis Ende über vor brillanten Gags, die sich einerseits aus verrückten Einfällen von Reiner und Martin speisen und andererseits aus der herrlichen Komik des Hauptdarstellers, die ja dereinst, bevor er sich solcherlei Albernheiten zu verkneifen pflegte, vor allem darin bestand, vollkommen absurde Szenen völlig selbstverständlich zu spielen und dabei sein seriös-gepflegtes Äußeres stets zu wahren. Doch auch Kathleen Turner, möglicherweise der weibliche Hollywood-Hot-Spot der ersten Achtzigerhälfte, ist schlichtweg zum Niederknien. Und was ein echter Gehirn-Schocker ist, der kann auch einen kostümierten Pseudogorilla vorweisen, wobei hier Don McLeod unübersehbar im selben Ganzkörperpelz steckt, den er kurz darauf wieder in "Trading Places" tragen wird. Qualität hat eben Bestand.

8/10

Carl Reiner Mad Scientist Gehirn Groteske Slapstick Ehe Medizin Österreich Wien


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LEPRECHAUN 4: IN SPACE (Brian Trenchard-Smith/USA 1996)


"As Shakespeare said, shit happens."

Leprechaun 4: In Space (Space Platoon) ~ USA 1996
Directed By: Brian Trenchard-Smith

Im späten 21. Jahrhundert hat eine Gruppe Marines die Aufgabe, ein vermeintliches Alien, das die Golderträge einer interplanetaren Handelsgesellschaft dezimiert, dingfest zu machen. Tatsächlich handelt es sich mitnichten um ein außerirdisches Wesen, sondern um einen Leprechaun (Warwick Davis), der gerade dabei ist, auf einem entlegenen Planeten seine Hochzeit mit einer verwöhnten Königstochter (Rebecca Carlton) vorzubereiten. Die Marines führen den Auftrag vermeintlich erfolgreich durch, lassen den Leprechaun scheinbar tot zurück und nehmen die komatöse Prinzessin mit an Bord eines Raumschiffes des verrückten Wissenschaftlers Dr. Mittenhand (Guy Siner). Doch hier materialisiert sich der Leprechaun wieder und möchte gern schleunigst seine ihm zuvor entwendeten Dinge zurück.

Herrlich gaga, dieser wiederum von Trenchard-Smith vorgelegte Viertauftritt des Leprechaun. Die Reihe wandelt sich mit dieser Folge noch mehr zur Groteske als zuvor ohnehin schon und veranstaltet unter semi-verzweifelter Akzeptanz ihrer schmalen Produktionsbedingungen einfach ein betont schlechtes Trashfest, das eine Menge von absurdem Theater hat. Tatsächlich ist "Leprechaun 4" einer jener Filme, deren Unverwechselbarkeit man wohl selbst 'erfahren' haben muss, um sich einen treffende Vorstellung machen zu können von dem Gebotenen. An der Splatterfront lässt das Drittsequel derweil stark nach, die wenigen visuellen Effekte sind so hanebüchen, dass man offenbar nicht mehr davon zeigen konnte - oder wollte. So passt sich die schmierige "The Fly"-Hommage am Ende, die der Einfachheit halber gleich Original und Remake in ein und derselben Szene zitiert, dem übrigen Niveau des Films an: Himmelschreiend. Aber eben auch urkomisch.

5/10

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COCOON: THE RETURN (Daniel Petrie/USA 1988)


"You're my favorite Martian."

Cocoon: The Return (Cocoon II - Die Rückkehr) ~ USA 1988
Directed By: Daniel Petrie

Fünf Jahre nach ihrer extraterrestrischen Emigration Richtung Antaria kehren drei der Seniorenpaare für einen Kurzaufenthalt wieder zurück auf die Erde, zum einen, weil ihre außerirdischen Gastgeber die im Meer lagernden, durch Seebeben gefährdeten Kokons endgültig abholen wollen, zum anderen aus persönlichen Gründen - um sich von Freunden und Familie noch einmal richtig verabschieden zu können. Doch die wenigen Tage Erdaufenthalt bringen entscheidende Wendungen mit sich: Joes (Hume Cronyn) Tumor macht sich wieder bemerkbar, seine Frau Alma (Jessica Tandy) hat einen schweren Autounfall, Bess (Gwen Verdon) wird schwanger und Ben (Wilford Brimley) und Mary (Maureen Stapleton) hadern mit ihrem unirdisch verlängerten Leben auf Antaria. Derweil kommt Bernie (Jack Gilford) immer noch nicht über den Tod seiner Frau Rose (Herta Ware) hinweg. Als einer der Kokons von Meereswissenschaftlern gefunden, geborgen und in ein Labor gebracht wird, heißt es schließlich für die Truppe, einen letzten gemeinsamen Rettungseinsatz zu begehen.

Von logischer Fortführung kann man im Falle "Cocoon: The Return" kaum sprechen. Viele der inhaltlichen Wendungen stehen gar in vollkommenem Widerspruch zu dem, was der Rezipient im Vorgänger gelernt hat. Das Management der erzählten Zeit (der gesamte Inhalt soll sich in einer Frist von nur drei Tagen zutragen) wirkt geradezu lächerlich verfehlt. In formaler Hinsicht fehlt der Inszenierung ein versierterer Regisseur als der hauptberufliche Fernsehmacher Petrie. Man erhält den zwingenden Eindruck, dass die Fortsetzung, anders als das Original, nicht allein einen Film über Senioren darstellt, sondern zugleich einen für sie. So eine Art 'Love Boat' der Science Fiction. Und dennoch ist Daniel Petrie, vermutlich eher zufällig, mit dem Sequel ein schöner Film gelungen. Er macht nicht den Fehler, eine bloße Kopie des ersten Teils zu liefern (wenngleich strukturelle Analogien sich nicht übersehen lassen), sondern pickt sich eine von dessen Stärken, die Soap-Elemente nämlich, heraus und kultiviert sie. Noch sehr viel episodischer angelegt verwandelt sich "Cocoon: The Return" so zu einem etwas vulgären "Short Cuts", in dem diverse Probleme und Konflikte binnen einer wie erwähnt stark untertrieben kurzen Frist abgehandelt werden wollen. Das alles wird noch sehr viel rührender und gefühlsbetonter dargeboten als in "Cocoon"; James Horners Musik erklimmt passend dazu ihre womöglich tränendrückendsten Sphären ever. Dass das gesamte Ensemble (Brian Dennehy und Herta Ware lediglich in jeweils kurzen Cameos) des ersten Teils wieder zusammenfindet und sich sogar Gelegenheit für ein paar zusätzliche charakterliche Ausbuchtungen ergibt, wie etwa im Falle von Steve Guttenbergs Figur, fand ich an "Cocoon: The Return" immer schon prima.

7/10

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COCOON (Ron Howard/USA 1985)


"If this is the foreplay, I'm a dead man..."

Cocoon ~ USA 1985
Directed By: Ron Howard

Ben (Wilford Brimley), Joe (Hume Cronyn) und Art (Don Ameche), drei in Florida lebende, rüstige Rentner, halten sich fit, indem sie auf einem leerstehenden Grundstück den mondänen Swimmingpool benutzen. Nur ihr Freund Bernie (Jack Gilford) hat sich sein Spießertum im Alter bewahrt und hält nichts von solchen Kindereien. Just diesen Swimming-Pool wählen einige als Menschen getarnte Aliens vom Planeten Antaria aus, um eine seit den Zeiten von Atlantis auf dem Meersesgrund in Kokons schlummernde Landmannschaft, die sie zuvor mithilfe des ungläubigen Skippers Jack (Steve Guttenberg) vom Meeresgrund geborgen haben, aufzubewahren Die ihnen zunächst schleierhafte Anwesenheit der Kokons hat eine ungemein vitalisierende Wirkung auf das Seniorentrio: Ben und Art sind fit wie noch nie, beglücken ihre Frauen wie junge Hengste und tanzen Breakdance, Joes Tumor verschwindet wie von selbst. Schließlich gestattet Walter (Brian Dennehy) den Freunden, den Lebenspool weiterhin zu benutzen. Eine unbedachte Bemerkung Bernies jedoch sorgt für eine Katastrophe, die dazu führt, dass die Antarianer in Windeseile die Erde verlassen müssen, um nicht entdeckt zu werden...

Das etwas merkwürdige Subgenre des "gerontologischen Science-Fiction-Films" dauerte in den Achtzigern nur kurz an: Eine Episode in dem Serienrevival "Twilight Zone", "Batteries Not Included" und die beiden "Cocoon"-Filme repräsentierten es.
Besonders "Cocoon", dessen Grundstory um freundliche außerirdische Lichtwesen, die in menschlicher Verkleidung ihre vor Jahrtausenden hier gestrandeten Artgenossen evakuieren wollen, im Grunde kaum mehr denn eine Alibifunktion besitzt um den Hauptteil der Geschichte anzukurbeln: Alte Menschen, die über ihre verbliebene Bedeutung im Gefüge des Lebens nachgrübeln, erhalten eine "zweite Chance" in Form eines buchstäblichen Jungbrunnens, der ihnen Kraft, Geist und Jugend zurückgibt. Ein wunderbares Ensemble von ergrauten Stars aus Hollywoods Golden und Silver Age spielt diese betagten Helden, Lubitsch-, Hitchcock-, Zinnemann-, Mankiewicz-Veteranen. Wobei im Falle Wilford Brimley etwas gemogelt wurde, der ist nämlich gut 25 Jahre jünger als seine vermeintlichen Altersgenossen. Doch sei's drum. Die kleine Faltenclique ist von nachhaltig sympathischer Erscheinung und die abseits von dem ziemlich einfältigen SciFi-Plot erzählte Mär um die offerierte Gelegenheit, das bereits endende Leben auf ewig auszudehnen, nicht uninteressant. Umso fintenreicher die heimlich versteckte Botschaft des Films, den griesgrämigen Bernie Lefkovitz als wahren Helden zu zelebrieren. Dieser besitzt nämlich als einziger der Freunde den Mut, den wahren Erfordernissen und Unwägbarkeiten des Altwerdens zu begegnen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Im Sequel sind dann auch die anderen dazu gezwungen. Man mag von Ron Howard halten, was man will, "Cocoon" tut sein mangelnder Verzicht auf Kitsch und Pathos ungemein wohl. Weil er sonst schlicht belanglos wäre.

8/10

Ron Howard Aliens Florida Senioren Ehe Freundschaft Atlantis


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BATMAN: THE DARK KNIGHT RETURNS (Jay Oliva/USA 2013)


"It's finally here, isn't it? The moment we've both dreamed about..."

Batman: The Dark Knight Returns ~ USA 2013
Directed By: Jay Oliva

Um die Mitte der 1980er ist Batman alias Bruce Wayne bereits seit zehn Jahren von der Bildschwäche verschwunden. Im Zuge eines Regierungsdekrets, das sämtlichen Superhelden bis auf den großen Rotblauen den Einsatz verbietet, hat er sich auf Wayne Manor zurückgezogen und vegetiert als verbitterter Todessehnsüchtiger durch seine Fünfziger. Bis äußere Ereignisse Batman zurück auf den Plan rufen: Eine entfesselte, vielköpfige Gang namens "Mutanten" schickt sich an, die Stadt in Ausnahmezustände zu versetzen, Harvey Dent wird als vermeintlich geheilt aus Arkham entlassen und der lange Zeit katatonische Joker bekommt von seinem idiotisch-liberalen Psychiater Wolper auf dem Silbertablett die Chance für seinen großen finalen Massenmord kredenzt. Parallel dazu verwickelt sich die Regierung Reagan auf der Insel Corto Maltese in einen Konflikt mit der Sowjetunion, der in den Dritten Weltkrieg zu münden droht. Die Welt braucht, sie schreit geradezu nach Batman...

Frank Millers revolutionäre Miniserie gilt neben Alan Moores "Watchmen" immer noch zu Recht als Meisterwerk des Mediums. Vor gut dreißig Jahren haben die beiden von DC herausgebrachten Reihen nicht nur die neunte Kunst, sondern speziell das Superhelden-Subgenre endgültig von den letzten verbliebenen Barrieren der Infantilität befreit und dem Massenpublikum demonstriert, wie sich vermeintlich triviale Literaturartefakte zu großer Kunst ausbauen lassen, wenn sich bloß die richtigen Köpfe damit befassen. Batman war in "The Dark Knight Returns", einer Geschichte, die dem 'Elseworlds'-Konzept von DC zuzuordnen ist, welches altbekannte Figuren und deren Entstehungsgeschichten in andere zeitliche und/oder inhaltliche Kontexte setzt, seinem eigenen Raum entrückt und mehr als eine Dekade in die Zukunft katapultiert worden; ein grauhaariger, einsamer Mann, der unter schweren Neurosen und dem zeitlichen Wandel zu leiden hat. Der erste Robin ist fort, der zweite im Einsatz verstorben. Doch besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen: Kurz bevor das Chaos Gotham City zu überrennen droht, taucht Batman aus der Versenkung auf und mit ihm ein neuer (weiblicher) Robin. Dass Batmans Nemesis multiple Formen annimmt, derer er endlich auf unterschiedliche Art Herr werden kann, bevor er endlich das alte Kostüm abstreifen und als moderner Stadtguerillero in den Kampf ziehen kann, zeigt sich im Kampf gegen diverse Bedrohungen: Der Joker läuft Amok und muss endgültig gebändigt werden; Superman ist zum Schoßhündchen einer faschistoiden Wildwest-Regierung geworden und kann Richtig nicht mehr von Falsch trennen. Gegen alle diese Herausforderungen besteht Batman auf die eine oder andere Art, mit blanker Gewalt oder Gewitztheit, und sieht am Schluss einer neuen biographischen Ära entgegen.
Abgesehen von Millers und Klaus Jansons brillantem Strich adaptiert diese neue, in zwei Teilen veröffentlichte Verfilmung der gewaltigen Graphic Novel ganz ähnlich wie bereits "Year One" größenteils 1:1. Ganze Panels finden sich übernommen und mit geringfügigen Modifikationen filmisch aufbereitet, selbst zahlreiche Kleinstdetails bekommen ihren revisualisierten Platz zugewiesen. Als besonders großartig erweist sich die düstere zweite Hälfte der Umsetzung, die um die letzten Schandtaten Jokers und Batmans Duell mit Superman kreist. Hier erreicht Oliva nahezu die atmosphärische Intensität der Vorlage. Von den bisherigen DC-DTV-Animationsfilmen erscheint mir "The Dark Knight Returns" somit als der bisher gelungenste. Was die formale Umsetzung angeht, so mag jedoch ruhig noch etwas mehr Sorgfalt und Aufwand in die bildlichen Hintergründe investiert werden. Ansonsten gern weiter so. "Arkham Asylum" mag kommen.

8/10

Batman Superhelden Comic Superman period piece Apokalypse Kalter Krieg Atombombe Dystopie DC Comics


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TIME AFTER TIME (Nicholas Meyer/USA 1979)


"Ninety years ago I was a freak. Today I'm an amateur."

Time After Time (Flucht in die Zukunft) ~ USA 1979
Directed By: Nicholas Meyer

Ausgerechnet an jenem Abend des Jahres 1893, an dem der Autor H.G. Wells (Malcolm McDowell) seinen Freunden die von ihm entwickelte Zeitmaschine vorstellen und zu seiner ersten Reise in die Zukunft mit ihr antreten will, entpuppt sich sein Kamerad Stevenson (David Warner) als der berüchtigte Jack The Ripper. Stevenson entführt die Zeitmaschine und reist mit ihr ins Jahr 1979, versäumt jedoch, den Schlüssel abzuziehen, so dass das Gerät kurz darauf wieder bei Wells auftaucht. Dieser zögert nicht lang und jagt Stevenson, der seinem unseligen Treiben in der Zukunft weiter nachgeht, durch die Zeit hinterher. Dort verliebt sich Wells in die putzige Bankkassiererin Amy (Mary Steenburgen), kann jedoch nicht verhindern, dass sie in die Affäre um den Serienmörder hineingezogen wird.

"Time After Time" hat ein bisschen was von einem 'happening movie', verbindet er doch etliche vergangene und künftige Motive, Einflüsse und Lebensereignisse der beteiligten Kreativgewaltigen, so dass ein ganzes Netz von Querverbindungen entsteht. Am nachhaltigsten dürfte wohl die Tatsache in Erinnerung bleiben, dass sich das spätere Ehepaar McDowell und Steenburgen am Set kennen und lieben gelernt hat, was zu einer - zumindest in bescheidenem Rahmen - legendär gewordenen Chemie zwischen den beiden geführt hat. Ansonsten ist "Time After Time" ein recht netter, sorgfältig hergestellter Genrebeitrag, der sich um ein ausgeglichenes Verhältnis von Humor und Spannung bemüht, jedoch die typisch biedere Inszenatorik und vor allem den gepflegt moderat gehaltenen Schreibstil seines Regisseurs und Autors Meyer, der später immerhin an der Herstellung der drei besten "Star-Trek"-Filme beteiligt war, nicht verhehlen kann.

7/10

Nicholas Meyer H.G. Wells Zeitreise London San Francisco period piece Victorian Age Jack The Ripper Serienmord


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THE DAY AFTER (Nicholas Meyer/USA 1983)


"Is there anybody there? Anybody at all?"

The Day After (Der Tag danach - The Day After) ~ USA 1983
Directed By: Nicholas Meyer

Als Westberlin durch DDR-Truppen von der Bundesrepublik abgeschnitten wird und die Sowjets militärische Ziele in Westdeutschland angreifen, eskaliert der Kalte Krieg. Die USA und die UDSSR setzen Nuklearwaffen gegeneinander ein. Die Bürger der Kleinstadt Lawrence, Kansas erleben die grauenhaften Folgen eines Atomschlags hautnah mit, da auch Kansas City und die umliegenden Raketenbasen das Ziel von Bomben wird. Wer nicht bereits durch den Atomblitz umgekommen ist, bekommt es mit den langwierigen Folgen des Fallout zu tun.

"The Day After" war 1983 ein leidenschaftliches filmisches Pamphlet gegen die stets dräuende Kulmination des Kalten Kriegs der Weltmächte. Dabei kann er sich als US-TV-Produktion der ABC eine gewisse politische Schuldzuweisung nicht verkneifen, die aber wohl ihre strategische Rechtfertigung haben dürfte, um das hauseigene Publikum gewogen zu halten und die Perspektive auf die letzten Endes primären Inhalte des Films, nämlich den Effekt eines Nuklerakriegs, nicht zu erschweren. Zwar weiß aufgrund der ausgeklügelten Frühwarnsysteme auf beiden Seiten am Ende niemand mehr, wer als erster seine A-Waffen entsendet hat, aber der erste aggressive Akt geht freilich von den Roten aus. Wie dem auch sei - "The Day After" ist fürchterlich beklemmend und nach wie vor ein Film mit hohem Albtraumpotenzial, den jeder global relevante Politiker zu Schulungszwecken einmal im Jahr zwangsverordnet bekommen sollte. Dass er eine fernsehproduktion ist, merkt man ihm zu keiner Sekunde an und andernorts, so auch in Deutschland, wurde er im Kino uraufgeführt. Klugerweise wird das Schreckensszenario ausschließlich auf eine Kleinstadt im Mittelwesten in der Kornkammer der USA verlagert, wo unter anderen neben einer fünfköpfigen Farmerfamilie (John Cullum, Bibi Besch, Lori Lethin, Doug Scott, Ellen Anthony) auch ein alternder Mediziner (Jason Robards), ein junger Student (Steve Guttenberg) und ein Airforce-Pilot (William Allen Young) sich zumeist vergeblich durch die Zeit nach der Bombe kämpfen. Wenn sie nicht bereits alles in unmittelbarer Folge der Detonationen verloren haben, so torpediert bald die Strahlenkrankheit ihren teils noch immer beachtlichen Lebenswillen. Meyer inszeniert dieses beinahe biblische Szenario in quälenden Einstellungen, die in ihrer markigen Wirkung all die großen und kleinen Armageddon-Filme der Jahre zuvor, die zumeist eher als Genreproduktionen angelegt waren und auf Mutanten, Marodeure und Helden nicht verzichten mochten, weit übertreffen. Ein Film somit, dem trotz einzelner Kritikpunkte das seltene Gütesiegel 'wichtig' zugeteilt werden darf.

8/10

Nicholas Meyer Atombombe Kansas Kleinstadt Ensemblefilm WWIII Kalter Krieg Apokalypse Transgression


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FROM THE EARTH TO THE MOON (Byron Haskin/USA 1958)


"Why didn't you tell me before...?"

From The Earth To The Moon (Von der Erde zum Mond) ~ USA 1958
Directed By: Byron Haskin

Nach dem Ende des Bürgerkriegs setzt sich die Rivalität zwischen dem unionistischen Waffenfabrikanten Victor Barbicane (Joseph Cotten) und seinem konföderierten Konkurrenten Stuyvesant Nicholl (George Sanders) beinahe nahtlos fort. Barbicane hat einen superstarken Sprengstoff namens 'Power X' entwickelt, mit dem sich jedes beliebige Ziel auf der Erde von jedem beliebigen Punkt attackieren lässt. Nicholl hält mit einer neuen Metalllegierung dagegen. Als Präsident Grant (Morris Ankrum) um die Gefährlichkeit von 'Power X' erfährt, ersucht er Barbicane persönlich, jede weitere Arbeit mit dem Material sofort zu unterlassen. Stattdessen wächst in ihm die Idee, mithilfe von Nicholls Spezialmetall eine Rakete zu bauen, die bis zum Mond fliegen soll.

Eine - es wurmt mich geradezu, das so schreiben zu müssen - ziemlich müde Verne-Verfilmung, die aus ihren Gegebenheiten, zu denen neben der wirklich wunderbaren Besetzung auch einige liebevolle production values wie hübsche Ausstattungsrequisiten ganz im Sinne ihres Ersinners oder ein paar nette matte paintings, kaum etwas macht. Haskin bekommt niemals die Kurve zu einer auch nur halbwegs spannungsreichen Geschichte; vielmehr tangiert einen das beinahe tragisch endende Duell zwischen Barbicane und Nicholl überhaupt nicht, was zur Folge hat, dass mit dem Herzstück auch der Rest des Films versandet. Besonders schmerzlich erscheint dies angesichts all der anderen, schönen Verne-Adaptionen dieser Jahre rund um "20,000 Miles Under The Sea" oder "Journey To The Center Of The Earth", die, nicht minder naiv, die gleichermaßen kindliche wie visionäre Gemengelage aus Vernes Phantasie so treffend auf die Leinwand zu zaubern wussten. Eine schwer verschenkte Chance.
Und es möge bitte mal jemand SchröderMedia ersuchen, keine eigenen Synchronisationen mehr anfertigen zu lassen, sondern das Budget lieber in halbwegs fehlerfreie Untertitelspuren zu investieren. Sämtliche der diesbezüglich bisher von mir vernommenen Vertonungsfragmente sind nämlich, jede für sich genommen, ein Schwerverbrechen an der Synchronkunst.

4/10

Byron Haskin period piece Sezessionskrieg Jules Verne Duell Mond Raumschiff





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Funxton

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