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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LEPRECHAUN 2 (Rodman Flender/USA 1994)


"The only whiskey is Irish whiskey!"

Leprechaun 2 ~ USA 1994
Directed By: Rodman Flender

Ein unter der Villa des Entfesselungskünstlers Houdini gefangener Leprechaun (Warwick Davis) wartet seit 1000 Jahren darauf, eine neue Braut freien zu können. Diese findet er in Bridget (Shevonne Durkin), der Freundin des abgebrannten Hollywood-Touristenführers Cody (Charlie Heath). Der Leprechaun entführt und sperrt sie in sein unterirdisches Verlies, derweil Codys versoffener Onkel Morty (Sandy Baron) von dem Schatz des Leprechaun erfährt, und diesen um jeden Preis in seinen Besitz bringen will. Cody gerät an eine der Goldmünzen und will mittels dieser wieder freipressen. Doch der Leprechaun lässt sich nicht ohne weiteres übers Ohr hauen…

Der launige zweite Teil des „Leprechaun“-Franchise kultiviert das nerdige Horror-Potenzial des Vorgängers zu Ungunsten der Fantasy-Elemente. Der hier involvierte Leprechaun (wenngleich Warwick Davis stets die Titelrolle in gleicher Maske und Kostümierung übernahm, handelte es sich offenbar doch immer wieder um unterschiedliche Vertreter der garstigen irischen Mythologievertreter) geht noch um einiges kompromissloser zur Sache als sein Vorgänger und lässt sich recht fiese Scherze einfallen, um selbst halbwegs Unbeteiligte, die das Pech haben, seinen Weg zu kreuzen, ins Jenseits zu befördern, so dass man mit diesem Sequel endgültig von der Kreierung einer Slasher-Reihe sprechen kann. Unter seiner charmanten Maskierung blüht der mit seiner ansonsten so sympathischen Mimik kokettierende Warwick Davis förmlich auf in der Rolle des Killerkobolds, dessen dämonisches Grinsen selbst durch die dick aufgetragenen Latexschichten authentisch wirkt. Als wirklich hervorragender Nebendarsteller mitsamt einigen spaßigen Kneipenszenen sorgt der großartige Sandy Baron für zusätzlichen Lustgewinn, so dass der erste Nachfolger das domestizierte, noch halbwegs familientaugliche Original gründlich überbügelt und, gewissermaßen, optimiert.

6/10

Rodman Flender Leprechaun Los Angeles Alkohol Slasher


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LEPRECHAUN (Mark Jones/USA 1993)


"I need me gold!"

Leprechaun ~ USA 1993
Directed By: Mark Jones

Der alte Dan O'Grady (Shay Duffin) hat in Irland einen Leprechaun (Warwick Davis) überlistet und ihm dessen Sack voll Goldmünzen entwendet. Um den aggressiven Sagenzwerg zu bannen, sperrt O'Grady ihn im Keller seines Hauses in eine Holzkiste und beschwert diese mit einem vierblättrigen Kleeblatt - der einzige Weg, einen Leprechaun zu schwächen und in Schach zu halten. Doch diese Maßnahme nützt O'Grady nicht viel - er bekommt einen Schlaganfall und landet im Pflegeheim. Zehn Jahre später ziehen J.D. Reding (John Sanderford) und seine verwöhnte Tochter Tory (Jennifer Aniston) in O'Gradys Haus. Es dauert nicht lang, bis der Leprechaun befreit wird und umgehend nach seinem Schatz sucht - dabei wird jeder, der ihn aufzuhalten versucht oder mit dem Gold in Verbindung kommt, gnadenlos attackiert. Zusammen mit dem Anstreichertrio Nathan (Ken Olandt), Ozzie (Mark Holton) und Alex (Robert Gorman) bekämpft Tory den fiesen Leprechaun mit allen Mitteln.

Aus dem damaligen kleinen Fantasy-Slasher ist mittlerweile ein stattliches DTV-Franchise geworden, das bereits fünf Fortsetzungen, denen ich mich in den nächsten Tagen widmen werde, sowie ein momentan in der Produktion befindliches Prequel nach sich zog.
Die frühen Neunziger markierten eine etwas ratlose Periode angesichts der damals stagnierenden Horror- bzw. Slasher-Franchises, die in der Vordekade aus dem Boden gestampft worden waren und florierten: "Halloween", "TCM" und "A Nightmare On Elm Street) hatten gerade längere Auszeiten durchzustehen und wechselten teilweise die Rechte-Schirmherren, bei "Friday The 13th" war dies bereits geschehen und Jason Voorhees wurde auch onscreen zu seiner eigenen Essenz regradiert, "Phantasm", "Basket Case" oder "Hellraiser" verflachten zusehends und für Remakes oder Reboots war die Zeit aufgrund der Publikumsstruktur noch nicht reif. Effektorientierter Horror war nicht mehr recht en vogue und alternative Ideen mussten her. Eine davon schlug sich im "Leprechaun" nieder, einem unübersehbar als slasher comedy für ein halbwüchsiges Publikum konzipierten Fantasy-/Horrorstreifen, der sich mit seiner eher possierlichen Titelfigur im Fahrwasser von Filmen wie "Gremlins", "Critters", "The Gate" oder "The Monster Squad" bewegte: Die Helden und Widerstreiter des/der Monster(s) befinden sich im (teils jüngeren) Teenager-Alter und bieten sich somit auch als Identifikationsfiguren für eine gleichaltrige Rezipiemtenschaft an, die Atmosphäre bleibt stets abenteuerlich und vergleichsweise licht unter Verzicht auf tatsächlich grauen- oder gar albtraumhafte Szenarien. Das bedeutet zugleich, dass angesichts der stark veränderten Sehgewohnheiten nunmehr ein auf reine Evokation zielender Konsum dieses Films weitgehend ausgeschlossen ist und man sich ihm aus anderer Perspektive nähern muss. In seiner gestalterischen Ambition ist er nämlich durchaus ansehnlich, die Ideen um den Goldsack am Ende des Regenbogens, Leprechauns Schuhputz-Ambitionen oder auch um Mark Holton als etwas zurückgebliebenem Schelm und heimlichen Helden überzeugen. Ganz bestimmt kein Spätgewinner oder besonderer Wiederentdeckungskandidat aber für eine Genrechronologie von Wert.

6/10

Mark Jones Sage Leprechaun Slasher Kalifornien


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GWENDOLINE (Just Jaeckin/F 1984)


"Superb, you're superb!"

Gwendoline ~ F 1984
Directed By: Just Jaeckin

Gwendoline (Tawny Kitaen) sucht zusammen mit ihrer Zofe Beth (Zabou Breitman) in China ihren verschollenen Vater, der hier einer seltenen Schmetterlingsspezies auf der Spur war. Zusammen mit dem verruchten Abenteurer Willard (Brent Huff) dringen die beiden Frauen nach diversen Abenteuern zu Lande und zu Wasser in das Reich der Yik-Yak ein, das von einer wahnsinnigen Amazonenkönigin (Berndatte Lafont) beherrscht wird.

Womöglich konzipiert als eine Art "Barbarella" für die Achtziger übernahm der in Angelegenheiten der Hochglanzerotik stets ansprechbare Regisseur Just Jaeckin diese Adaption der Schmutzfinken-Comics um die gleichnamige Titelheldin, deren Schöpfer John Willie die Reihe in den Fünfzigern und Sechzigern zu Papier gebracht hatte. Willie gefiel es als Bondage-Fetischist, seine vollbusigen Heldinnen von engen Fesseln und Knebeln traktieren zu lassen und auf diese Weise ihre - und natürlich seine - geheimen Wünsche zu illustrieren. Tawny Kitaen, deren erste große Darbietung die Rolle der Gwendoline darstellte, war ehedem als Hardrock-Mäuschen bekannt, das durch dieselbe Fönfrisur wie die von ihr angehimmelten Interpreten in den entsprechenden Videos erkennbar war. Zwei Jahre war sie mit David Coverdale von Whitesnake verheiratet und trat regelmäßig in dessen Clips auf. Zusammen mit der damals sogar noch attraktiveren Zabou Breitman lüpft sie gern mal das Blüschen, mehr ist in dieser Hinsicht aber nicht dran. Da punktet "Gwendoline" schon eher mit ein paar frotzeligen Splatter-Einlagen und es kommt Freude auf, wenn ein Paar Ohren am Gefängnisgitter hängenbleibt. Ob die waghalsige Montage, die einen allenthalben glauben lässt, der Film mache urplötzliche Bocksprünge, künstlerische Motive hat oder eher Zeugnis vom Dilettantismus der Hersteller ablegt, vermag ich nicht zu sagen, erstaunt war ich denn aber doch hier und da. Man schaut, man staunt, man schüttelt den Kopf. Gewisse Filme müssen gar nicht mehr leisten.

5/10

Just Jaeckin China Dschungel Exploitation Sleaze Camp Groteske mad scientist period piece Comic


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BATMAN: THE DARK KNIGHT RETURNS (Jay Oliva/USA 2013)


"It's finally here, isn't it? The moment we've both dreamed about..."

Batman: The Dark Knight Returns ~ USA 2013
Directed By: Jay Oliva

Um die Mitte der 1980er ist Batman alias Bruce Wayne bereits seit zehn Jahren von der Bildschwäche verschwunden. Im Zuge eines Regierungsdekrets, das sämtlichen Superhelden bis auf den großen Rotblauen den Einsatz verbietet, hat er sich auf Wayne Manor zurückgezogen und vegetiert als verbitterter Todessehnsüchtiger durch seine Fünfziger. Bis äußere Ereignisse Batman zurück auf den Plan rufen: Eine entfesselte, vielköpfige Gang namens "Mutanten" schickt sich an, die Stadt in Ausnahmezustände zu versetzen, Harvey Dent wird als vermeintlich geheilt aus Arkham entlassen und der lange Zeit katatonische Joker bekommt von seinem idiotisch-liberalen Psychiater Wolper auf dem Silbertablett die Chance für seinen großen finalen Massenmord kredenzt. Parallel dazu verwickelt sich die Regierung Reagan auf der Insel Corto Maltese in einen Konflikt mit der Sowjetunion, der in den Dritten Weltkrieg zu münden droht. Die Welt braucht, sie schreit geradezu nach Batman...

Frank Millers revolutionäre Miniserie gilt neben Alan Moores "Watchmen" immer noch zu Recht als Meisterwerk des Mediums. Vor gut dreißig Jahren haben die beiden von DC herausgebrachten Reihen nicht nur die neunte Kunst, sondern speziell das Superhelden-Subgenre endgültig von den letzten verbliebenen Barrieren der Infantilität befreit und dem Massenpublikum demonstriert, wie sich vermeintlich triviale Literaturartefakte zu großer Kunst ausbauen lassen, wenn sich bloß die richtigen Köpfe damit befassen. Batman war in "The Dark Knight Returns", einer Geschichte, die dem 'Elseworlds'-Konzept von DC zuzuordnen ist, welches altbekannte Figuren und deren Entstehungsgeschichten in andere zeitliche und/oder inhaltliche Kontexte setzt, seinem eigenen Raum entrückt und mehr als eine Dekade in die Zukunft katapultiert worden; ein grauhaariger, einsamer Mann, der unter schweren Neurosen und dem zeitlichen Wandel zu leiden hat. Der erste Robin ist fort, der zweite im Einsatz verstorben. Doch besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen: Kurz bevor das Chaos Gotham City zu überrennen droht, taucht Batman aus der Versenkung auf und mit ihm ein neuer (weiblicher) Robin. Dass Batmans Nemesis multiple Formen annimmt, derer er endlich auf unterschiedliche Art Herr werden kann, bevor er endlich das alte Kostüm abstreifen und als moderner Stadtguerillero in den Kampf ziehen kann, zeigt sich im Kampf gegen diverse Bedrohungen: Der Joker läuft Amok und muss endgültig gebändigt werden; Superman ist zum Schoßhündchen einer faschistoiden Wildwest-Regierung geworden und kann Richtig nicht mehr von Falsch trennen. Gegen alle diese Herausforderungen besteht Batman auf die eine oder andere Art, mit blanker Gewalt oder Gewitztheit, und sieht am Schluss einer neuen biographischen Ära entgegen.
Abgesehen von Millers und Klaus Jansons brillantem Strich adaptiert diese neue, in zwei Teilen veröffentlichte Verfilmung der gewaltigen Graphic Novel ganz ähnlich wie bereits "Year One" größenteils 1:1. Ganze Panels finden sich übernommen und mit geringfügigen Modifikationen filmisch aufbereitet, selbst zahlreiche Kleinstdetails bekommen ihren revisualisierten Platz zugewiesen. Als besonders großartig erweist sich die düstere zweite Hälfte der Umsetzung, die um die letzten Schandtaten Jokers und Batmans Duell mit Superman kreist. Hier erreicht Oliva nahezu die atmosphärische Intensität der Vorlage. Von den bisherigen DC-DTV-Animationsfilmen erscheint mir "The Dark Knight Returns" somit als der bisher gelungenste. Was die formale Umsetzung angeht, so mag jedoch ruhig noch etwas mehr Sorgfalt und Aufwand in die bildlichen Hintergründe investiert werden. Ansonsten gern weiter so. "Arkham Asylum" mag kommen.

8/10

Batman Superhelden Comic Superman period piece Apokalypse Kalter Krieg Atombombe Dystopie DC Comics


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SAMSON AND DELILAH (Cecil B. DeMille/USA 1949)


"He was not captured by force of arms, but by their softness."

Samson And Delilah (Samson und Delilah) ~ USA 1949
Directed By: Cecil B. DeMille

Der bärenstarke Nasiräer Samson (Victor Mature) ist den tyrannischen Philistern ein Dorn im Auge: Kaum, dass diese mal wieder irgendeinen alten oder verkrüppelten Hebräer triezen - eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen - ist auch schon Samson zur Stelle und wichst ihnen gehörig die Klumpen. Dass Samson die schöne Philisterin Semadar (Angela Lansbury) freit, wird ihm zähneknirschend gestattet, nachdem er einen Löwen mit bloßen Händen erwürgt. Semadars jüngerer Schwester Delilah (Hedy Lamarr), die ihrerseits ein Auge auf Samson geworfen hat, passt das jedoch gar nicht. Mittels eines intriganten Plans verhindert sie die Eheschließung des Muskelmannes mit Semadar und akzeptiert sogar deren Tod. Als sie merkt, dass Samson sich trotz allem nicht für sie interessiert, biedert sich Delilah dem Philisterkönig Saran (George Sanders) an, um sich wenigstens an dem Objekt ihrer Begierde rächen zu können. Nachdem sie Samson zum Verrat an seinem eigenen Volk treibt, ihm symbolisch seine Körperkraft durch den Verlust seines Haupthaars nimmt und dafür sorgt, dass seine Feinde ihn blenden können, opfert sie sie sich am Ende für ihn, als Samson, wieder bei Kräften, im Alleingang den Tempel des heidnischen Gottes Dagon auseinandernimmt.

Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde jedes Jahr pünktlich zur Mittsommernacht in meinem imaginären Freiluftkino ein triple feature bestehend aus King Vidors "Duel In The Sun", Hawks "Land Of The Pharaohs" und "Samson And Delilah" zeigen, dazu ein Dutzend Tempeltänzerinnen engagieren und Rotwein aus goldenen Kelchen reichen. Welches dieser drei Meisterwerke des goldenen Hollywood-Camp das schönste, weil verworfenste ist, kann man gar nicht sagen. In jedem genannten Film regieren Wolllust, körperliche Habgier und rücksichtsloser Sex vor gleißender Technicolor-Sonne; beben die juwelengefassten Dekolletés und ahnt der Zuschauer, dass die jeweils gezeigte Leinwand-Diva (ob Jennifer Jones, Joan Collins oder die Lamarr) die größte Schlampe der ganzen Weltgeschichte sein muss, die mit Brüsten versehene Personifizierung des Sündenfalls, die Schlange mit der flotten Zunge!
Cecil B. DeMille - das ist das Schöne an all seinen Filmen - konnte so, wie er wollte. Und er wollte eine Menge. Sein Hang zur gewaltigen Bibeladaption nahm im Laufe seiner Karriere immer groteskere Formen an, bis seine private Bigotterie soweit ging, dass sein Finalepos "The Ten Commamdments" sich als nichts anderes darbot denn als die Zelluloidform des vom Volk Israel gegossenen Goldkalbs. "Samson And Delilah" zeichnet diesen Weg bereits vor; er ist teuer, großkotzig und auf beklatschenswerte Art trashig; hat mit Victor Mature einen meiner Lieblingsschauspieler der Vierziger vorzuweisen und bietet mit Hedy Lamarr, die sechzehn Jahre zuvor im zarten Alter von 19 für einen handfesten Skandal gesorgt hatte, weil sie noch unter dem Namen Hedy Kiesler im österreichisch-ungarischen Film "Ekstase" eine ausgedehnte Nacktszene präsentierte, einen wahrlich steilen Zahn auf. Der liebe Gott indes präsentiert sich einmal mehr in der Menschheitsgeschichte als böser Gott, wenn er Samson unter Donner und Blitzschlag die Macht verleiht, bloß mit dem Unterkieferknochen eines Esels bewaffnet über tausend Philister-Soldaten die Schädel einzuschlagen. Aber so ist die Bibel: Ein Fanal des Blutes und der verhinderten Geilheit! Wie DeMilles grandioses Epos hier.

9/10

Cecil B. DeMille Bibel period piece Camp Sandalenfilm amour fou femme fatale


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LIFE OF PI (Ang Lee/USA, TW 2012)


"Religion is darkness."

Life Of Pi ~ USA/TW 2012
Directed By: Ang Lee

Der Universitätsdozent Pi Patel (Irrfan Khan) berichtet einem in einer Schaffenskrise befindlichen Romancier (Rafe Spall) die unglaubliche Geschichte seines einstigen Schiffbruchs während einer Pazifiküberfahrt von Indien an die nordamerikanische Westküste: Pis Vater hatte dereinst auswandern und seine Zootiere nach Kanada verkaufen wollen und zu diesem Zwecke eine Schiffspassage für seine Familie und die Tiere gebucht. Nur Pi selbst, ein Zebra mit gebrochenem Bein, eine Hyäne, ein Orang Utan und der bengalische Tiger Richard Parker können sich auf ein Rettungsboot flüchten. Bald leben nur noch Pi und der Tiger und es entsteht eine von gegenseitigem Lernen geprägte Zwangssymbiose zwischen den beiden so unterschiedlichen Kreaturen.

Yann Martels Buch, das jenes existenzialistische, komplexe Abenteuer von Pi Patel und dem Tiger Richard Parker beschreibt, liebe ich sehr - ein zu Tränen rührender Abriss der Biographie eines gelernten Philanthropen und Weltenkenners, einer der wenigen unterhaltungskulturellen Schriften, in denen ich die philosophische Annäherung an Religion und Glaubensfragen akzeptieren kann und die geprägt ist von einer wohlmeinenden Schönheit, welche das Leben selbst in die Arme zu schließen versucht. Zugleich handelt es sich um eine Meditation über das Wesen von Erzählungen und Faktenwiedergabe und den persönlichen Preis des Erzählers.
Ang Lees Adaption ist dann auch weitestgehend tatsächlich jener vielgefeierte Glücksfall einer rundum geglückten Literaturadaption, sie rettet den Geist und Seele der magischen Vorlage hinüber auf Film und ist gleichermaßen eine stürmische Liebeserklärung an dieselbe. Während des Films musste ich an genau derselben Stelle weinen wie bei der Romanlektüre - ich denke, anderen wird es da ähnlich ergehen. Jedenfalls macht "Life Of Pi" glücklich - der Film beinahe so sehr wie der Roman.

9/10

Ang Lee Yann Martel Indien Kanada Tiger Freundschaft Reise Religion Ozean Pazifik Zoo


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THE MOLE PEOPLE (Virgil W. Vogel/USA 1956)


"In archaeology all things are possible."

The Mole People (In den Klauen der Tiefe) ~ USA 1956
Directed By: Virgil W. Vogel

Die drei Archäologen Bentley (John Agar), Bellamin (Hugh Beaumont) und Lafarge (Nestor Paiva) entdecken auf einem Bergplateau im südlichen Irak die Spur einer 5000 Jahre alten Sumerer-Dynastie. Tief im Inneren des Bergmassivs stoßen sie auf die Überbleibsel jener Kultur: Eine überschaubare Gruppe albinöser Anbeter der Kriegsgöttin Ishtar, deren Zivilisation sich seit damals nicht weiterentwickelt hat. Die Sumerer halten sich als Arbeitssklaven zudem eine Rasse monströser Maulwurfsmenschen mit Buckeln und Klauen, die verzweifelt unter der bösen Knute der Albinos zu leiden haben. Lafarge fällt ihnen durch einen Unfall zum Opfer. Als der durchtriebene Hohepriester Elinu (Alan Napier) auch Bentley und Bellamin aus dem Weg räumen will, befreien diese die Maulwurfsmenschen und zetteln mit ihnen eine Revolte an...

Liebenswerter kleiner Sci-Fi-Film mit den typischen production values, die dem Genrekino jener Tage durch die produzierende Universal zuteil wurden: Sicherlich als B-Picture für den schnellen Dollar im Autokino konzipiert, kann man "The Mole People" seine aufgenfälligen Qualitäten nicht absprechen; die an Wells angelehnte Story, in der erfreulicherweise einmal die - physiologisch als solche angelegten - Monster die heimlichen Helden sind, kommt recht witzig daher, es gibt nette matte paintings, Score und Photographie sowie die beiden Hauptdarsteller John Agar und Nestor Paiva kennt man bestens aus den phantastischen Filmen von Jack Arnold oder John Sherwood. Kurzum: Wer sich in diesen zu Hause fühlt, der wird auch ohne große Umwege mit "The Mole People" warm werden, wenngleich sich ein direkter Vergleich zu den großen Arnold-Klassikern sicherlich verbieten mag.

6/10

Virgil W. Vogel Archäologie Monster


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BUBBA HO-TEP (Don Coscarelli/USA 2002)


"What do I care? I got a growth on my pecker."

Bubba Ho-Tep ~ USA 2002
Directed By: Don Coscarelli

Elvis (Bruce Campbell) und John F. Kennedy (Ossie Davis) sind mitnichten tot, sondern hocken, unfreiwillig in cognito, in einem kleinen Seniorenheim in Osttexas. Niemand will ihnen abnehmen, welch legendäre Persönlichkeit hinter ihrem jeweiligen, kaum wiederzuerkennenden Antlitz steckt und so dämmern und welken sie ihrer Tage dahin. Das ändert sich, als eine altägyptische Mumie ihr Unwesen in der Gegend zu treiben beginnt: Der Untote betätigt sich als Seelenvampir und glaubt, er habe mit den alten Leuten leichtes Spiel. Doch Elvis und JFK laufen im Kampf gegen das stinkende Böse ein letztes Mal zu alter Höchstform auf.

Der geriatrische Genrefilm ist keine Erfindung Coscarellis; bereits in den Achtzigern wagten eine Episode aus "Twilight Zone: The Movie" sowie die SciFi-Komödien "Cocoon" und "Batteries Not Included" den jeweils sehr sanft gestalteten Versuch, greise Mitbürger zu Helden zu deklarieren und dem Mainstream-Publikum somit neuen Respekt vor den Alten einzubläuen. Jessica Tandy wurde in diesem Zuge zu einer bekannteren Größe im Filmgeschäft denn je zuvor und auch andere Berufsgenossen zehrten und zehren bis heute von der popkulturellen Emanzipation des Lebensherbstes.
"Bubba Ho-Tep" war dann etwas respektloser. Der sich förmlich selbst überlebende Bruce Campbell, mittlerweile eine größere Kunstfigur als alle seine Filmfiguren zusammen, musste sich noch ein wenig nachschminken lassen, derweil der große Ossie Davis bereits seit längerem ein Original-Senior war. Die Kombination macht's und so präsentiert Coscarellis Film sich dann auch eher als liebenswert denn brachial oder gar unappetitlich, wenngleich mancher Dialog der beiden Helden sich dann doch eher um die primärsten Grundbedürfnisse kreist respektive die hier und da unappetitlichen Wehwehchen des finalen Quartals. Die Idee mit der Mumie wirkt da beinahe wie ein weniger notwendiges phantastisches Einsprengsel, um die verrückte Prämisse noch etwas verrückter zu gestalten und Coscarellis Ruf zu manifestieren. Immerhin, ein narratives Ziel hat er seiner bunten Heldengeschichte damit verliehen und ein durchaus charmantes noch dazu.

8/10

Don Coscarelli Independent Groteske Mumie Senioren Texas


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CLOUD ATLAS (Tom Tykwer, Andy Wachowski, Lana Wachowski/D, USA, HK, SG 2012)


"Don't leave me here!"

Cloud Atlas ~ D/USA/HK/SG 2012
Directed By: Andy Wachowski/Lana Wachowski/Tom Tykwer

Auf sechs Zeitebenen kämpfen unterschiedliche Inkarnationen ein und derselben Seele gegen die Repressionen, Zwänge und Freiheitsbeschneidungen ihrer jeweiligen Ära: 1849 kämpft der Anwalt Adam Ewing (Jim Sturgess) auf einem Schiff im Pazifik sowohl um sein eigenes Leben als auch um das des entflohenen neuseeländischen Sklaven (David Gyasi); 1936 wird der bisexuelle Nachwuchs-Komponist Robert Frobisher (Ben Whishaw) aufgrund seiner sexuellen Präferenzen von einem alternden Berufsgenossen (Jim Broadbent) übervorteilt und erpresst; 1973 gerät die Journalistin Luisa Rey (Halle Berry) in höchste Lebensgefahr, weil sie einem Atomkraft-Skandal auf die Spur kommt; 2012 wird der verschuldete Verleger Cavendish (Jim Broadbent) von seinem rachsüchtigen Bruder (Hugh Grant) in ein geschlossenes Senioenheim abgeschoben, aus dem es zu fliehen gilt; 2144 schließt sich die 'Duplikantin' Sonmi-451 (Doona Bae) einer revolutionären Bewegung an; 106 Jahre nach der Apokalypse bekommt der unbedarfte Insulaner Zachry (Tom Hanks) es mit der brutalen Unterdrückung durch einen feindlichen Stamm, der weiter fortschreitenden Verseuchung der Erde sowie seinem eigenen bösen Gewissen zu tun.

Zu Lebzeiten wäre die Adaption eines Bestsellers wie Mitchells diesem Film zugrunde liegenden Romans ein unbedingter Fall für Bernd Eichinger gewesen; heute springt statt der Constantin dann eben X-Filme in die Bresche. Tom Tykwer, der ja mit "Das Parfüm" bereits hinreichende Erfolgsliteraturverfilmungserfahrung gesammelt hat, tat sich dafür mit den Wachowski-Geschwistern zusammen und teilte die Inszenierung wohlfeil zwischen ihnen und sich selbst auf. Dabei ist unschwer zu erkennen, wer für welche Segmente verantwortlich ist; die atmosphärisch wie kinetisch betrachtet sanfteren Episoden gehen selbstverfreilich auf Tykwers Konto, während die actionreiche(re)n (Zukunfts-)Parts, in denen es zu zum Teil spektakulären visuellen Aufwendungen und athletischen Shoot-Outs kommt, natürlich von den Wachowskis dirigiert wurden.
Ich kenne das Buch nicht und habe nach dem Film auch nicht das Gefühl, seine Lektüre unbedingt nachholen zu müssen, aber die metaphysischen Diskurse zumindest der Adaption gleiten bisweilen offenherzig ins Vulgärpsychologische ab; die Wanderungen edler, wankelmütiger und niederträchtiger Seelen in immer neuerlichen Reinkarnationen, wobei der Astralkörper des Helden respektive der Heldin immer wieder in die Haut eines anderen Körpers wandert, der zu anderen Zeiten und unter anderen Bedingungen freilich weniger heroisch auftritt, derweil "das ultimative Böse", der ewige Satan immer wieder und immer nur von Hugo Weaving verkörpert wird. Was hat der Mann bloß angestellt, dass er stets so gemein daherkommen muss...? Das alles gibt sich wesentlich wichtiger und bewegter als es letzten Endes ist. Was bleibt, ist ein trotz anderweitiger Behauptung nicht sonderlich ausgefuchtes Genrestück, das sich zumindest über seine beträchtliche Erzähldistanz senkrecht halten kann. "Cloud Atlas" unterhält auf hohem formalen Niveau und erweist sich als in audiovisueller Hinsicht so ziemlich makellos, dennoch: 'thinking man's cinema', also das, was man hier doch offenkundig so gern kredenzt hätte, stelle ich mir trotzdem anders vor, meine Damen und Herren T. und W..

7/10

Andy Wachowski Lana (Larry) Wachowski Tom Tykwer period piece Ensemblefilm Zukunft Apokalypse Reinkarnation Sklaverei Atomkraft David Mitchell London San Francisco Kolonialismus Dystopie


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ALTERED STATES (Ken Russell/USA 1980)


"I'm on fucking fire."

Altered States (Der Höllentrip) ~ USA 1980
Directed By: Ken Russell

Ende der sechziger Jahre experimentiert der Wissenschaftler Eddie Jessup (William Hurt) mit den Halluzinationen, die sich nach längerem Aufenthalt in einem Isolationstank einstellen: Jessup ist der festen Ansicht, dass die auf den evolutionären Ausgangspunkt reduzierte Persönlichkeit des Menschen physikalisch messbar ist. Als er seine zukünftige Frau Emily (Blair Brown) kennenlernt und eine Familie mit ihr gründet, stellt er seine Forschungen für etwa zehn Jahre hintenan. Dann hört Jessup von einer psychoaktiven Droge, die mexikanische Indianer auf Pilzbasis herstellen. Vor Ort probiert er das Gebräu. Mit erstaunlichen Auswirkungen - Jessup hat extreme Halluzinationen und erlegt im Vollrausch eine Ziege. Begeistert nimmt er eine Probe von dem Rauschmittel mit. In Kombination mit weiteren Isolationstank-Aufenthalten beginnt Jessup dann, eine kkatastrophale Veränderung durchzumachen. Zeitweilig verwandelt er sich in ein behaartes Urzeitwesen und ist nicht mehr Herr seiner Sinne.

Weniger interessant aufgrund der recht abgestandenen Motivlage - "Altered States" intellektualisiert den klassischen 'Jekyll/Hyde'-Plot, indem er ihn im Milieu der drogenaffinen, mit Hofmann und Leary vertrauten 68er verankert, von dort aus theologisiert und im Grunde den alten moralinsauren Zeigefinger von der bitteschön stets zu wahrenden Ethikgrenze und der wahren Liebe, die alles besiegt, permanent erhoben lässt - denn seiner formalen Komposition wegen. Auch vor leichten B-Film-Avancen scheut Russell nicht zurück, wenn er William Hurt als keifenden Primaten durch den Universitätskeller und danach durch den Bostoner Zoo hampeln lässt. Mehr als alles andere prägt jedoch die Erfahrung mit Halluzinogenen die Grundierung des Werks; "Altered States" ist ein klassisches trip movie, das Hurts Erfahrungen mittels ausgedehnter Bildcollagen visualisiert, die häufig mit satanischen Motiven herumspielen. Auf der irdenen Seite überzeugt vor allem Hurt, der hier unglaublicherweise sein Filmdebüt gibt, als ebenso besessener wie verschrobener Versuchsanordner.

8/10

Ken Russell Paddy Chayefsky Monster Mad Scientist Ehe Drogen Boston Jekyll und Hyde





Filmtagebuch von...

Funxton

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