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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LES RAISINS DE LA MORT (Jean Rollin/F 1978)


Zitat entfällt.

Les Raisins De La Mort (Foltermühle der gefangenen Frauen) ~ F 1978
Directed By: Jean Rollin

Élisabeth (Marie George Pascal) reist mit dem Zug in den Languedoc, um dort ihren Verlobten Michel (Michel Herval), einen Winzer, zu besuchen. Als sie und ihre Mitreisende im Zug von einem Wahnsinnigen mit eitrigen Beulen am Kopf attackiert werden, kann Élisabeth in letzter Sekunde per Notausstieg fliehen. Ihre Odyssee durch die herbstlichen Weinberge führt sie noch zu diversen weiteren Provinzbewohnern, die allesamt dieselbe Krankheit zu teilen scheinen: Pestartige Ausschläge und zunehmenden Irrsinn kombiniert mit aggressiven Handlungen. Haben die Symptome etwas mit der jüngsten Weinernte zu tun...?

Sein Roter ist dem richtigen Franzosen mindestens so heilig wie ein Stück Baguette, das wissen wir nicht erst seit "La Soupe Aux Choux". Umso aufrüttelnder Rollins Warnung vor dem Einsatz unbekannter Pestizide, die nicht nur die Lese verderben, sondern auch noch den Bauern bekloppt machen. Und nicht nur diesen: Jeder, der vom neuen Wein probiert, fängt bald an, in den schönsten Tönen zu eitern und zu bluten, dass es ein wahres Fest ist. Doch befällt der Wahn nicht allein die Traubenfreunde: Aggressive Umstände erforden Adaption. Die schöne Dorfblondine Jeanette (Brigitte Lahaie) bleibt äußerlich makellos, dreht aber trotzdem durch. Der Bauer Paul hat erstmals seit der Résistance wieder einen langersehnten Grund, seine Flinte zu benutzen, nämlich gegen die Verseuchten, was er dann auch mehr oder weniger schamlos ausnutzt und Élisabeth schließlich ihren Lebenssinn wegballert, was er wiederum selbst mit dem Tode zu bezahlen hat.
Aber Rollin wäre nicht Rollin, wenn er diesem etwas, nun ja, arbeiteraffinen Topos nicht eine metapoetische Ebene zu entlocken wüsste. Tatsächlich sind seine Bilder des spätherbstlichen Languedoc von morbider Schönheit und der Diskurs um industriell verdorbene Weinernten (nebenbei erfährt man, dass der Berg zwischen einem Atomkraftwerk und einer Militärkaserne liegt), also einer Existenzgrundlage französischer Lebensart, ist in einem Splatterfilm auch nicht übel aufgehoben.

8/10

Europloitation Splatter Wein Herbst Virus Madness


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CARNIVAL OF SOULS (Herk Harvey/USA 1962)


"I don't belong in the world."

Carnival Of Souls (Tanz der toten Seelen) ~ USA 1962
Directed By: Herk Harvey

Nach einem Autounfall infolge eines kindischen Wettrennens kann sich Mary (Candace Hilligoss) als einzige Überlebende aus dem im Kansas River versunkenen Wagen ihrer Freundin retten. Kurz darauf tritt die junge Frau eine neue Stelle als Kirchenorganistin in Utah an. Bereits auf dem weg dorthin erscheinen ihr unentwegt merkwürdige Menschen und Gesichter, die sich als Phantome erweisen. Doch die seltsamen Zeichen häufen sich: Besonders ein geisterhafter Mann (Sidney Berger) scheint Mary überall hin zu folgen, sie selbst erlebt eine Episode, da sie sich mitten in einem Warenhaus in Luft aufzulösen scheint und in der Kirche spielt sie eigenartige Litaneien. Und dann ist da ein stillgelegter Vergnügungspark vor der Stadt, der einen unwiderstehlichen Reiz auf Mary ausübt...

Herk Harveys einziger Spielfilm ist eine poetische Geschichte vom widerwilligen Übergang ins Totenreich. Später wurden Storys um Tote, die ihre Zustandsveränderung zunächst nicht akzeptieren wollen oder können zu einem Genre-Standard, Harveys "Carnival Of Souls" darf jedoch als Pionierleistung dieser motivischen Ausrichtung bezeichnet werden. Ohne große Effektkirmes aber mit einer dafür umso wirksameren Bildsprache kreieren Harvey und der Autor John Clifford eine eher der Charakterisierungsfach verpflichtete Frauenstudie, von der Polanski drei Jahre später noch zu zehren wusste. Die fragile Mary ist ein in sich gekehrter Mensch, bisweilen neurotisch und ablehnend gegenüber männlichen Annäherungsversuchen, sprich denen ihres Zimmernachbarn John (Sidney Berger, wohl nicht ganz zufällig derselbe Darsteller des "Haupt-Phantoms"). Schließlich scheint das auditive Element in Marys auf Musik ausgerichtetem Dasein eine elementare Rolle einzunehmen: Als sie für ihre Umwelt unsichtbar wird, verliert Mary andererseits die Fähigkeit, ihre Umgebung akustisch wahrzunehmen, derweil ihr Orgelspiel ganz abrupt mehr nach Free Jazz klingt als nach Psalmen, was den Ministranten (Art Ellison) zu heftigen Schimpfkanonaden hinreißt. Ein singender Vogel in einem Baum, Symbol des Lebens, erschließt ihr dann - zweimal - die Rückkehr in die materielle Welt. Es dauert einige Zeit, bis Mary sich ihres Schicksals gewahr wird und sich ihm - noch immer nicht ganz willfährig - ergeben kann, erst dann lösen Harvey und Clifford das Geheimnis um ihren Schwebezustand.

8/10

Herk Harvey Geister Utah Kansas Independent Carnival


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THE OTHERS (Alejandro Amenábar/E, USA, F, I 2001)


"This house is ours."

The Others ~ E/USA/F/I 2001
Directed By: Alejandro Amenábar

England, 1945: Die Soldatenfrau Grace Stewart (Nicole Kidman) bewohnt mit ihren beiden unter einer lebensbedrohlichen Lichtallergie leidenden Kindern Anne (Alakina Mann) und Nicholas (James Bentley) ein Herrenhaus auf der Kanalinsel Jersey. Ihr Mann Charles (Christopher Eccleston) ist bisher nicht aus dem Krieg heimgekehrt. Ein neues Verwaltertrio, bestehend aus der liebenswerten Mrs. Mills (Fionnula Flannagan), dem freundlichen Gärtner Mr. Tuttle (Eric Sykes) und dem stummen Hausmädchen Lydia (Elaine Cassidy) wird bei Grace vorstellig und von ihr eingestellt. Parallel dazu häufen sich seltsame Begebenheiten: Anne glaubt, allenthalben einen Jungen namens Victor zu sehen, eine alte Frau treibt ihr Unwesen und unsichtbare Hände spielen auf dem alten Flügel. Befinden sich Geister im Haus?

Die Idee, eine Geistergeschichte ausnahmsweise einmal aus der "anderen" Perspektive zu erzählen, ist so einfach wie lohnenswert. Shyamalan hatte diese Sichtweise zumindest in Ansätzen bereits in seinem "The Sixth Sense" auszubauen versucht, der Spanier Amenábar schließlich brachte sie in seinem erstaulicherweise auf keiner literarischen Vorlage beruhendem, schauerromantischen Plot vollendet auf den Punkt. An Wilde, Bierce und andere große Literaten erinnernd entspinnt sich eine ebenso formvollendete wie komplexe Charakterstudie, die insbesondere ein mehrfaches Anschauen lohnenswert macht - ist die Auflösung des Ganzen einmal bekannt, lohnt es sich nämlich, sich mit dem Schuld-Sühne-Aspekt auseinanderzusetzen sowie das von der zunehmend enervierten Grace immer wieder aufgegriffene, christliche Konzept des Jenseits mit dem fraglos säkularisierten, paranormalen des Films zu vergleichen. Demzufolge ist der "Himmel" nämlich bloß eine Art ortsgebundene Ewigkeit in multiplen Dimensionen, die sich hier und da zu überschneiden ruhen. Es bleibt allerdings offen, wer wohin gerät und ob eine lokale Verbindung zwischen Seele und Ruhestätte auf die Art des Sterbens zurückzuführen ist. Massig Raum also für diskursive Ansätze - oder auch einfach bloß für 100 Minuten genießerisch-schwelgendes Geisterkino mit Erlösungsgarantie.

9/10

Alejandr Amenábar England Jersey Haus Geister Kinder WWII


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JANGHWA, HONGRYEON (Jee-woon Kim/KR 2003)


Zitat entfällt.

Janghwa, Hongryeon (A Tale Of Two Sisters) ~ KR 2003
Directed By: Jee-woon Kim

Die beiden jugendlichen Schwestern Su-Mi (Su-jeong Lim) und Su-Jeon (Geung-Young Moon) kommen nach längerer Zeit wieder nach Haus zu ihrem Vater (Kap-su Kim) und dessen neuer Frau Eun-ju (Jung-ah Yum). Su-Mi hasst ihren Vater und ihre Stiefmutter aus verschiedenen Gründen: Der Tod ihrer Mutter scheint von den Beiden einst als höchst willkommen aufgefasst worden zu sein, zudem quält Eun-ju die offenbar besonders labile, schweigsame Su-Jeon unentwegt, während der Vater nur daneben steht. Damit nicht genug, scheint im abgelegenen Haus der Familie ein geisterhaftes weibliches Wesen seine unheimliche Aufwartung machen zu wollen...

Meditativ-besinnlicher, dabei meisterhaft geschlossen inszenierter, anfangs schwer zu durchschauender Geistergrusel, der sich mit zunehmender Laufzeit von seinen paranormalen Wurzeln emanzipiert und zu einem psychologisch durchaus fundierten Drama über eine schwere Neurose wird. Über dem Film liegt trotz seiner pastellfarbenen, sanften und hellen Photographie eine latente, bleierne Traurigkeit, der sich nur schwer zu entziehen ist. Man fühlt unweigerlich mit den beiden, offenbar zutiefst verletzten Schwestern, spürt ihre bereits entschieden in Richtung Depression abdriftende, existenzielle Unzufriedenheit und ihre daraus erwachsende Angst, die das seltsame, verwachsene Geistermädchen kaum evozieren, sondern vielmehr kanalisieren dürfte. Dann die Hilflosigkeit des ergrauten Vaters, dem es obliegt, mit den Scherben der einst so glücklichen familiären Idylle fertigzuwerden. Kim derweil kadriert diese Geschichte einer ausgeprägten psychiatrischen Störung mittels größtmöglicher Behutsamkeit, zeigt einen kubrick'schen Hang zu Symmetrien und allgemein zum bildlichen Perfektionismus, vor dem die immer wieder hervortretenden Tendenzen Richtung Genrekino teilweise bös kritisiert oder als vulgär eingestuft wurden. Zu Unrecht: Nur in dieser, mit dem Schrecken liebäugelnden Form nämlich erreicht der Film seine schlussendliche Vollkommenheit.

9/10

Korea Haus Madness Psychiatrie Schuldkomplex Geister Jee-woon Kim


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THE DIVIDE (Xavier Gens/USA, CA, D 2011)


"They're welding us in."

The Divide ~ USA/CA/D 2011
Directed By: Xavier Gens

Als eine Atombombe unbekannten Ursprungs auf New York fällt, verschanzen sich neun Personen im halbwegs geschützten Keller eines zerstörten Hochhauses. Hier hat der 9/11-erfahrene Feuerwehrmann Mickey (Michael Biehn) eine Art Luftschutzbunker voller Vorräte und anderer überlebenswichtiger Dinge angelegt. Vor der Kellertür wird sich indes ein Gewirr aus luftdichten Gängen errichtet, in dem unbekannte Laboranten die Wirkungen von Strahlung und Fallout untersuchen. Nach zwei Konflikten mit den Militärs wird die Tür von außen verschweißt. Als die Übrigen nach einiger Zeit merken, dass Mickey nach einiger Zeit längst nicht alle seiner Objekte zu teilen bereit ist, bricht ein offener Konflikt aus, der schon bald die ersten Toten und neben dem physischen auch zunehmenden psychischen Verfall nach sich zieht...

"The Divide" steht in einer langen Tradition von postapokalyptischen Kammerspielen, die eine kleine, meist zufällig zusammengewürfelte Gruppe von Individuen im Angesicht des finalen Überlebenskampfes präsentiert. Gens' Film sticht aus dieser Phalanx nicht sonderlich hervor, macht ihr allerdings auch keine Schande. Wie es von einem Vertreter der neueren französischen Hardcore-Horror-Welle zwangsläufig zu erwarten ist, steigert sich die misanthropische Atmosphäre der ohnehin schon traumatischen Szenerie im Laufe der Spielzeit mehr und mehr. Die immer maroder werdenden Charaktere verwandeln sich nach anfänglicher Unscheinbarkeit in widerliche Egomanen, die zum Gipfel ihrer immer hitziger auszutragenden Konflikte hin die schlimmsten in ihnen schlummernden Eigenschaften nach außen tragen. Intimi des transgressiven Kinos dürften sich von den forciert unangenehmen Bilderwelten Gens' jedoch nicht erschlagen sehen, auch wenn alles zuerst in einem Scheißebad (Scheißebäder begegnen mir im aktuelleren Kino häufiger) und dann in der endgültigen Hoffnungslosigkeit kulminiert, New York, Fanal der westlichen Industriemächte, liegt in Sack und Asche. So wollen wir dann doch lieber nicht enden, besten Dank auch für die Warnung, Monsieur Gens!

7/10

Xavier Gens Apokalypse Atombombe New York Belagerung Transgression


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THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE (Marcus Nispel/USA 2003)


"Nothing wrong with us."

The Texas Chainsaw Massacre ~ USA 2003
Directed By: Marcus Nispel

Texas, 1973: Auf dem Weg zurück aus Mexiko und hin zu einem Lynyrd-Skynyrd-Konzert nehmen die fünf Jugendlichen Erin (Jessica Biel), Kamper (Eric Balfour), Pepper (Erica Leerhsen), Andy (Mike Vogel) und Morgan (Jonathan Tucker) eine gestörte Anhalterin mit, die sich in ihrem Van den Kopf wegschießt. Auf der Suche nach Hilfe stoßen sie auf die in der Gegend scheinbar omnipräsente Familie Hewitt, inzestuös derangierte Serienmörder und Kannibalen, die bis auf die tapfere Erin alle dahinschlachten.

Nispels Remake, das im Hinblick auf die Popularität des Co-Produzenten teilweise ja auch als "Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre" beworben wurde, verdeutlicht in exemplarischer Form sowohl Probleme als auch Existenzrechtfertigung der in der letzten Dekade vorherrschenden und in Ermangelung von Ausgangsstoffen langsam wieder abebbenden Horror-Remake-Schwemme. Der Film spielt als period piece im selben Jahr wie das Original, also 1973. Alles soll möglichst schmutzig, dreckig und verworfen wirken, zu Rekapitualationszwecken; wahlweise, um eine ähnliche Wirkung wie seinerzeit Hoopers Film zu erzielen vielleicht, um oder selbigem auch nur keine allzu große Schande zu machen. Tatsächlich gerät die Inszenierung jedoch garantiert nie in den Verdacht des Avantgardistischen - dies ist schlicht und einfach hochbudgetiertes, auf Devisen abzielendes Kommerzkino, artifiziell und von vorn bis hinten durcharrangiert wie ein Videoclip, mit denen Nispel ja so seine Erfahrungen hat. So tut das Remake denn im neutralen Sinne auch nie wirklich weh, kann nie wirklich affizieren, mitreißen oder schockieren, geschweige denn den monolithischen Status des Originals repetieren oder gar seinen kulturellen Effekt aktualisieren. Dennoch ist es für sich betrachtet recht spannend gestaltet, mit einigen hübschen Sadismen angereichert und innerhalb des Genrefachs sicherlich eine passable Abwechslung. "TCM" für eine neue, medialästhetisch verwöhnte Generation, wohl unvermeidbare in-jokes wie den mit Harry Knowles' Kopf auf einem Tablett inklusive.

7/10

Marcus Nispel Remake Texas Kannibalismus Familie Madness Terrorfilm period piece Leatherface Kim Henkel


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LEATHERFACE: TEXAS CHAINSAW MASSACRE III (Jeff Burr/USA 1990)


"I like liver. And onions. And pain."

Leatherface: Texas Chainsaw Massacre III (Leatherface - Die neue Dimension des Grauens) ~ USA 1990
Directed By: Jeff Burr

Während der Überführung eines Familienwagens geraten die aus Kalifornien stammenden Michelle (Kate Hodge) und Ryan (William Butler) an die Familie Sawyer, die im texanischen Hinterland noch immer ihrem mörderischen treiben frönt. Ihnen zur Seite steht der Freizeit-Survivalist Benny (Ken Foree), der Leatherfaces (R.A. Mihailoff) brandneuer, verchromter Kettensäge einige feurige Argumente entgegenzusetzen hat.

Weniger Irrsinn, mehr Konventionalität, weniger Terror, mehr Action - das Konzept der Firma New Line, die um die frühen Neunziger mit Ausnahme von "Halloween" die wichtgsten Horror-Franchises unter ihrem Dach hatte, greift erwartungsgemäß nur bedingt. "Leatherface" ist ohne den erfrischend bizarren Kamikaze-Stil eines Tobe Hooper wirklich nurmehr ordinärer Backwood-Horror, der mit dem Popularitätsgrad seiner nicht umsonst zur Titelfigur gekürten Ikone hausieren geht und in der damals im Kino gezeigten R-Rated-Fassung eine veritable Enttäuschung gewesen sein muss. Die glücklicherweise längst rekonstruierte unzensierte Version ist zwar um Einiges deftiger, entbehrt aber noch immer einige Sekunden. Der Film macht in dieser Form zwar durchaus Spaß und langweilt garantiert nie, es mangelt ihm aber eindeutig an der revolutionäre Radikalität seiner Vorgänger, sei es die Unerbittlichkeit des Originals oder auch der pathologische Humor des ersten Sequels. Ferner ist dies im Prinzip kein Sequel im eigentlichen Sinne; schon der einleitende Text deutet darauf hin, dass die Storyline von "TCM 2" schlicht ignoriert wurde, um den Filmplot an den des Erstlings anknüpfen lassen zu können. Die Sawyer-Familie präsentiert sich dann auch in ganz neuer Besetzung, erstmals tritt mit Ma Sawyer (Miriam Byrd-Nethery) das klassische Südstaaten-Matriarchat auf den Plan; dem ebenfalls in Erinnerung an das Finale des Originals eine Beinschiene tragenden Leatherface wird ein hübsches, wenngleich umso fieser agierendes Töchterlein (Jennifer Banko) mit blonden Zöpfen angedichtet und Viggo Mortensen als Tex demonstriert, dass Inzucht zuweilen auch zu physiognomisch ansprechenden Fönfrisur-Resultaten führen kann.

6/10

Jeff Burr Sequel Texas Madness Terrorfilm Splatter Kannibalismus Familie Leatherface


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THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE 2 (Tobe Hooper/USA 1986)


"I've got a real good eye for prime meat. Runs in the family."

The Texas Chainsaw Massacre 2 ~ USA 1986
Directed By: Tobe Hooper

Die Kannibalenfamilie Sawyer hat es mittlerweile in den Norden des Staates verschlagen, wo Drayton (Jim Siedow) mit seinen "Geheimrezepten" einen florierenden kleinen Mobilimbiss betreibt. Als seinen Söhnen Leatherface (Bill Johnson) und Chop-Top (Bill Moseley) zwei unvorsichtige Teenager (Barry Kinyon, Chris Douridas) in die Quere kommen, müssen diese flugs dran glauben. Jedoch bleibt die forsche Radiomoderatorin Stretch (Caroline Williams) als weitere Zeugin. In Absprache mit dem Ranger Lefty Enright (Dennis Hopper), einem Verwandten von Sally und Franklin, macht Stretch die Sawyers auf sich aufmerksam - eine folgende Nacht des Terrors inklusive.

Zu den illustren Unternehmungen der Cannon Group während der Achtziger zählte auch dieses Sequel zu Hoopers Klassiker "The Texas Chain Saw Massacre", das den Regisseur sogar noch entfesselter zeigte als der Erstling. "The Texas Chainsaw Massacre 2" ist eine dem Original in künstlerischer Hinsicht beinahe ebenbürtige, tiefschwarze Terrorkomödie, die humoristischen Ansätze des Originals deutlich großzügiger auslegend und mit postmodernistischen Symbolen hantierend, als dieser Begriff noch lange nicht zum gängigen Inszenierungsvokabular gehörte. Die titelgebende Kettensäge wird hier nicht nur zum eindeutigen Phallussymbol stilisiert, sondern wird darüberhinaus sogar als unmissverständlicher Penisersatz benutzt - Leatherface verliebt sich.
Das Sequel ist noch lauter und wirkt im Vergleich zum Vorgänger wie eine grelle Kirmes-Achterbahnfahrt. Die Katakomben-Sets erinnern analog dazu an Spielberg-Produktionen wie "Indiana Jones An The Temple Of Doom" oder "The Goonies", die sich hier ebenso gnadenlos durch den blkutigen Kakao gezogen finden, wie das texanische Nostalgiebedürfnis. 'When we were great...' Die Sawyers haben sich ihr kannibalisches Domizil ausgerechnet unterhalb eines leerstehenden Vergnügungsparks errichtet, der zu Ehren berühmter hiesiger Schlachten wie der von Fort Alamo gebaut wurde. Dennis Hoppers dramaturgische Funktion ist reichlich unterbelichtet und deer um diese Zeit schwer angeschlagene Darsteller macht auch keinen Hehl daraus. Grandios.

9/10

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THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE (Tobe Hooper/USA 1974)


"You damn fool! You ruined the door!"

The Texas Chain Saw Massacre (Blutgericht in Texas) ~ USA 1974
Directed By: Tobe Hooper

Sally (Marilyn Burns) und ihr berollstuhlter Bruder Franklin (Paul A. Partain) reisen mit dreien ihrer Freunde (Allen Danziger, William Vail, Teri McMinn) per Van in den Süden von Texas, um dort ihre familiären Wurzeln zu besuchen. Nachdem sie einen geistesgestörten Anhalter (Edwin Neal) mitgenommen und wieder rausgeworfen haben, kommen sie zu ihrem alten, leerstehenden Haus. In dessen unmittelbarer Nachbarschaft haust auch die restliche Familie des verrückten Anhalters, eine Gruppe degenerierter Hinterwäldlerkannibalen, die die Kids einen nach dem anderen umbringt. Sally kann mit Mühe und Not als einzige entkommen.

Um 1974/75 disparierte sich das Horrorgenre infolge von New Hollywood endgültig in zwei eigentlich bis heute gültige Stränge: Den Studio-Blockbuster, repräsentiert durch Filme wie Spielbergs "Jaws" und später "The Omen" zum Einen und den beißwütigen, griesligen Indie-Terrorfilm zum anderen. Zwar gab es vorher bereits entsprechende Beiträge wie "The Last House On The Left", die ihre exploitative Gesinnung aber dennoch aus jeder gemeinen Pore schwitzten. "The Texas Chain Saw Massacre" indes ist ein filmisches Kunstwerk ersten Ranges. Für kleines Geld gefertigt, explodieren hierin Ambition, mediale Revolution und Könnertum. Hier haben Leute etwas zu sagen und nehmen dazu kein Blatt vor den Mund. Der Film ist ein Fanal reinen Terrors, das ohne übertriebene Visualisierung ein Maximum an Wirksamkeit erreicht. Insbesondere mithilfe geschicktester Nutzung der Tonspur erzeugen Hooper und sein Co-Writer Kim Henkel eine Atmosphäre des vollkommenen Nihilismus, im so stolzen und traditionsbewussten, dabei jedoch längst hoffnungslos bastardisierten Süden der USA, in dem Inzucht und Kleingeistigkeit die Bevölkerung zu einer Art Höllenvorhut haben werden lassen. Bei vollem Tageslicht und heißesten Temperaturen schlägt der Horror erstmalig zu, keineswegs bei Dunkelheit, also der klassischen Stunde des Genres (wenngleich zumindest Sallys Odyssee natürlich eine nächtliche sein wird und irgendwie wohl auch sein muss). Die bösen Omen häufen sich, die Grabschändungen, das überfahrene Gürteltier, ein wirr stammelnder, alter Säufer, das Schlachthaus, der Anhalter, ungünstige Horoskope. Wer aber soll damit rechnen, dass urplötzlich ein wie ein Schwein quiekender, überdimensionaler Metzger mit Menschenhautmaske per Vorschlaghammer zudrischt? Rumms, Tür zu, Affe tot. Und bis zum Ende hat man keine ruhige Sekunde mehr.
The one to start them all, still the one to beat them all.

10/10

Tobe Hooper Independent Texas Terrorfilm Familie Kannibalismus Leatherface Kim Henkel


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MARTIN (George A. Romero/USA 1977)


"There is no real magic. There's no real magic ever."

Martin ~ USA 1977
Directed By: George A. Romero

Martin (John Amplas), ein emotional schwer gestörter junger Mann, kommt zu seinem Großonkel Cuda (Lincoln Maazel) nach Pittsburgh. Martin hält sich für einen Vampir und hat stets eine Betäubungsspritze dabei, um seine potenziellen Opfer erst ohnmächtig machen und hernach ihr Blut trinken zu können. Tatsächlich ist dieser Wahnzustand offensichtlich von Martins familiärem, christfanatischem Umfeld entscheidend geprägt worden: Selbst Cuda hält Martin für seinen Vetter, einen 84 Jahre alten Dämon, der schon in der alten Welt verfolgt wurde. Sämtliche Versuche, sich Mitmenschen zu öffnen, enden in mittleren Katastrophen. Als Cudas Enkelin (Christine Forrest) den häuslichen Irrsinn nicht mehr erträgt und die Flucht nach vorn antritt, steigert sich der Wahn des alten Mannes noch mehr.

Ein gleichermaßen intimes wie intensives Kammerspiel um den hinter biederer christlicher Fassade brodelnden Irrsinn, das die Motivationslage mit "Carrie" teilt, jedoch noch den "vampirischen" Zusatz bereithält. Romero porträtiert auch seine Heimatstadt Pittsburgh, respektive den überalterten Stadtteil Braddock. Einst ein florierender Industriestandort hat der Strukturwandel nurmehr Brachen hinterlassen. In erster Linie bevölkern Senioren das marode, sich zunehmend ghettoisierende Viertel, ansonsten ziehen jugendliche Gangs in den Fabrikruinen ihre Kleindeals ab. Martin lernt die einsame Mrs. Santini (Elyane Nadeau) kennen, eine unfruchtbare, sexuell frustrierte und dem Suff verfallene Enddreißigerin, die dem schweigsamen Jungen zumindest ein bisschen Selbstbewusstsein beibringt, dann jedoch den Freitod vorzieht. Ausgerechnet dieser Tod, an dem Martin keinerlei Schuld trägt, soll ihm ironischerweise selbst zum Verhängnis werden.
Romero findet für sein Charakterporträt eine extensiv-poetische Bildsprache, die so gar nicht zum gemeinen Bild des amerikanischen Horrorfilms passen mag und eher an die neuen Filmwellen in Europa erinnert. Seine urbanen Momentaufnahmen sind bewusst ungeschönt und blass, eine Welt ohne Hoffnung, deren Herunterwirtschaftung durch die Arroganz ihrer Bewohner noch forciert wird.
Romero sagt in einem Interview dies sei sein Lieblingsfilm, die einzige seiner Arbeiten, an der er rückblickend nichts zu mäkeln habe. Das spricht Bände.

9/10

George A. Romero Pittsburgh Vampire Serienmord Madness Familie Independent





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