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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE BIG SLEEP (Michael Winner/UK 1978)


"So many guns lately; so few brains."

The Big Sleep (Tote schlafen besser) ~ UK 1978
Directed By: Michael Winner

Philip Marlowe (Robert Mitchum) wird von dem alten General Sternwood (James Stewart) beauftragt, herauszufinden, wer ihn und seine beiden Töchter Charlotte (Sarah Miles) und Carmilla (Candy Clark) erpresst und womit. Marlowe stößt schon bald auf ein undurchdringliches Netz aus Lügen und Irrsinn sowie mehrere kleine und große Gangster, den windigen Joe Brody (Edward Fox), den ängstlichen Harry Jones (Colin Blakely) und den Casinochef Eddie Mars (Oliver Reed) mitsamt seinem Killer Canino (Richard Boone).

Nach Dick Richards' famosem "Farewell My Lovely" der zweite und letzte Auftritt Robert Mitchums als Philip Marlowe. Mitchum ist wie immer grandios, der Film ist es nicht. Dass Chandler sich relativ problem- und kompromisslos in die Gegenwart transponieren lässt, demonstrierte bereits Robert Altman mit seinem grandiosen "The Long Goodbye"; einen kapitalen Fehler begeht Winner jedoch darin, Marlowe seinen lokalen Wurzeln zu entreißen und ihn nach London und in die englische Provinz zu verfrachten. Zu Marlowe gehört schlichterdings Los Angeles und seine verkommene Unterwelt wie der Senf zum Würstchen, was besonders manifest wird angesichts der Tatsache, dass Winner sich an der Neuadaption eines bereits von Howard Hawks absolut vollkommen verfilmten Klassikers abarbeitet. Eindrucksvoll zeigt "The Big Sleep" zudem die Grenzen seines Regisseur auf: Sind seine zahlreichen Filme mit Charles Bronson wenn auch nicht durchweg meisterlich, so zumindest aber doch sehenswert, wirkt "The Big Sleep" nicht zuletzt ob seines bekanntlich höchst verwirrenden Handlungskonstrukts teilweise verloren und zerfasert. Die Verfilmung einer Marlowe-Geschichte bedarf einer stilsicheren, sensiblen Hand und nicht der eines inszenatorischen Rüpels wie Winner einer ist. Dafür gibt es zahlreiche Gastauftritte von teilweise fast vergessenen Altstars wie Richard Todd und Richard Boone, wobei letzterer mit seinen 61 Jahren reichlich steif daherkommt. Eine Schau ist außerdem die völlig hyperagierende Candy Clark, die sich - für den männlichen Betrachter - erfreulich offenherzig präsentiert. Insgesamt ein zwiespältiges Vergnügen.

5/10

Michael Winner Raymond Chandler Remake Philip Marlowe London England film noir neo noir hardboiled


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FAREWELL, MY LOVELY (Dick Richards/USA 1975)


"To hell with polite drinking."

Farewell, My Lovely (Fahr zur Hölle, Liebling) ~ USA 1975
Directed By: Dick Richards

Der Privatdetektiv Philip Marlowe (Robert Mitchum) wird von dem bulligen Ex-Knacki Moose Malloy (Jack O'Halloran) beauftragt, sein Mädchen, eine gewisse Wilma, ausfindig zu machen. Nachdem Marlowe etwas im Trüben gestochert und eine katatonische Klappsmühleninsassin gefunden hat, glaubt er den Fall bereits abgeschlossen. Da bittet ihn der zwielichtige Marriott (John O'Leary), ihn bei der Übergabe einer kostbaren Jadekette zu eskortieren, was mit einem getzielten Nackenschlag für Marlowe endet - nicht dem ersten, denn Malloy ist mit Marlowes Entdeckung keinesfalls zufrieden und die verruchte Richtersgattin Helen Grayle (Charlotte Rampling) spielt auch keine unwesentliche Rolle in dem immer undurchsichtiger werdenden Dickicht aus Lügen und falschen Fährten.

Die späteren Siebziger hielten neben einigen anderen schönen Rollen auch zwei besondere Bonmots für Robert Mitchum bereit: Er durfte für den Produzenten Elliott Kastner den klassischen L.A.-Detektiv Philip Marlowe in zwei Neuverfilmungen von ursprünglich bereits in den Vierzigern adaptierten Chandler-Romanen interpretieren. "Farewell, My Lovely" von dem leider nur sehr geringfügig beschäftigten Dick Richards wurde dabei zu einem der schönsten unter den vielen period pieces der New-Hollywood-Ära, während Michael Winners eher auf TV-Niveau befindlicher "The Big Sleep" in vielerlei Hinsicht als zelluloidgewordenes Sakrileg gilt, nicht zuletzt, weil Marlowe hier urplötzlich in England agieren musste. Richards' Film jedoch hält en gros sämtliche Stärken bereit, die ein hartgekochter Detektiv-Krimi benötigt: Eine Großstadt, die in nachtschwarzer Kriminalität, moralischer Verworfenheit und Korruption zu ersaufen droht, ein herrlich kunterbuntes Figureninventar, eine schön unübersichtliche Story mit diversen Irrläufern und Sackgassen sowie eine bis in höchste Kreise reichende, diverse Menschen ihr Leben kostende Verschwörung. Schließlich wäre da ein Robert Mitchum, dessen Schaffenszenit faktisch seine gesamte Karriere hindurch anhielt. Im Gegensatz zu vielen anderen Stars der goldenen Ära, die ihr Renommee wahlweise im Suff ertränkten, in billigen italienischen Exploitern ihren letzten Hafen fanden oder ihr Talent zumindest an schwachbrüstige Katsatrophenfilme verscheuerten, blieb Mitchum stets 'state of the art', ließ sich auf New Hollywood ein und blieb ein Monster der wahren Coolness. "Farewell, My Lovely", dessen Script ihm einige köstliche Oneliner in den Mund legt, ist dafür Beweis genug.

9/10

New Hollywood neo noir film noir Verschwörung Remake Los Angeles Philip Marlowe Raymond Chandler Dick Richards period piece hardboiled


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UOMINI SI NASCE POLIZIOTTI SI MUORE (Ruggero Deodato/I 1976)


Zitat entfällt.

Uomini Si Nasce Poliziotti Si Muore (Eiskalte Typen auf heißen Öfen) ~ I 1976
Directed By: Ruggero Deodato

Die beiden einer Spezialeinheit angehörenden Polizisten Fred (Marc Porel) und Tony (Ray Lovelock) schießen grundsätzlich erst, bevor sie fragen. Jeder Gewaltverbrecher, der ihnen in die Finger kommt, wird kurzerhand vor Ort abgeurteilt und erledigt. Der Gangsterboss Pasquini (Renato Salvatori) jedoch entpuppt sich als härtere Nuss als die beiden gewohnt sind - gut, dass ihr väterlicher Chef (Adolfo Celi) ein wachsames Auge auf sie hat.

"Uomini Si Nasce Poliziotti Si Muore" ist genau das, was man in Ermangelung komparativen Vokabulars so gern als "Wahnsinn auf Stelzen" bezeichnet: Ein absolut rückhaltloser Bastard von einem Film, der nicht nur zynisch und beiläufig gewaltverliebt bis in die Haarspitzen ist und den Poliziottesco sozusagen bis auf die letzte denkbare Konsequenz herunterschält, sondern auch noch das Männlichkeitsbild des mediterranen maschillista böse ad absurdum führt. Wie jedes Genre hat ja auch der Actionfilm seine mehr oder weniger verhüllten Schwulenepen und Deodatos Film führt jene Liste ganz weit vorne mit an. Fred und Tony machen alles zusammen, heizen stets gemeinsam und eng umschlungen auf einer Enduro durch Roms Straßen (wobei Tony stets den Sozius belegt), hausen zusammen in einer Wohnung wie ein altes Ehepaar und baggern zum Schein die Sekretärin des Chefs mit schmierigen Sprüchen an. Als sich ihnen eine dralle blonde Nymphomanin (Sofia Dionisio) feilbietet, über die sie beide in geradezu verpflichteter Weise rüberrutschen, scheinen sie im Nachhinein eher angewidert denn glücklich und erledigen den "Job" im Prinzip sowieso nur, um ihrem Erzfeind Pasquini eins auszuwischen - die Begattete ist nämlich dessen Tochter. Ich weiß nicht, ob die zwei Süßen ein wenig an "Starsky & Hutch" gemahnen sollten, in jedem Fall ist dies bislang der erste und einzige (tatsächlich nicht nur latent) schwule Poliziottesco, den ich kennenlernen durfte. Eine ziemlich spezielle Erfahrung...

7/10

Buddy Movie Fernando Di Leo Europloitation Rom Ruggero Deodato Poliziottesco


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DEATH WISH (Michael Winner/USA 1974)


"This is gun country."

Death Wish (Ein Mann sieht rot) ~ USA 1974
Directed By: Michael Winner

Nachdem seine Frau (Hope Lange) infolge eines Überfalls durch ein paar Straßengangster ihr Leben lassen muss und seine Tochter (Kathleen Tolan) katatonisch zurückbleibt, ohne dass die Täter gefasst werden können, verschafft der New Yorker Architekt Paul Kersey (Charles Bronson) sich auf eigene Weise Befriedigung seiner Rachegelüste: er greift zur Waffe und provoziert nächtens Räuber, um sie dann zu erschießen. Während die Öffentlichkeit den Vigilanten zum heimlichen Helden stilisiert, versucht die Polizei in Person von Detective Ochoa (Vincent Gardenia), ihn zu überführen und abzuschieben.

Ein radikaler Gegenentwurf zum linksliberalen Hollywoodflügel der bärtigen Bombenleger-, Verzeihung, Filmemacherclique, die mit ihrem sozialkritischen Autorenkino die Leinwände der Welt eroberten. Bei Michael Winner geht es derweil rigoros zurück zu den alten Pioniertugenden; jeder sollte das Recht auf Waffe und Selbstverteidigung haben, um im neuen "Wilden Areal" der Großstadtdschungel das persönliche Überleben zu sichern. Nun ja, dies ist zugegebenermaßen etwas überspitzt-polemisch formuliert. Im ersten Teil der inhaltlich und dramaturgisch später zunehmend bizarr und phantastisch werdenden "Death Wish"-Reihe setzt Winner noch halbwegs auf die freie Entscheidungsfindung des Rezipienten. Er räumt ein, dass sein "Held" unter einem posttraumatischen, psychischen Defizit zu leiden hat, das im Prinzip dem seiner Tochter gar nicht unähnlich ist, bloß, dass es sich eben diametral, in exponentiell exponierter Weise äußert und sich leider in höchster Weise gewaltkriminell gestaltet. Bronson meistert diese charakterliche Ambiguität unerwartet gut, man kann hier betreffs seiner Wenigkeit gar ausnahmsweise von "differenziertem Spiel" sprechen. Das eigentlich Skandalöse des Films liegt in der gesellschaftlichen und vor allem politischen Reaktion auf Kerseys Vorgehen. Sein Beispiel beginnt Schule zu machen und denunziert die Stadtgewaltigen zwangsweise als passiv und unfähig. Andererseits will man keinen Märtyrer und lässt Kersey daher am Ende ziehen und in Amt und Gnaden verbleiben. Das Schicksal will es, dass er in den klassischen amerikanischen Sündenpfuhl, nämlich Chicago, zu ziehen hat (wenngleich das Sequel ihn in L.A. situiert). Das unzweideutige Ende lässt denn keinen Zweifel mehr zu: Auch hier wird Kersey gehörig durchkehren und sich verdammt gut dabei fühlen.
Winners Film ist reaktionär, daran sollte wohl kein Zweifel bestehen. Doch er wahrt zugleich selbstironische Distanz und präsentiert sich als formales Bravourstück mit großartigem Schnitt und einem Score (Herbie Hancock) von höchsten Gnaden. Zudem ist er für einen hlbwegs vollständigen popkulturellen Überblick über sein Jahrzehnt unverzichtbar.

9/10

Michael Winner New York Rache Vigilantismus Skandalfilm


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THE CONVERSATION (Francis Ford Coppola/USA 1974)


"All I want is a good record."

The Conversation (Der Dialog) ~ USA 1974
Directed By: Francis Ford Coppola

Der einsam und anonym lebende Harry Caul (Gene Hackman), seines Zeichens "bester Abhörspezialist der Westküste", hat einen neuen Auftrag: Er soll ein Pärchen (Frederic Forrest, Cindy Williams) in einem Park bespitzeln. Erst im Zuge der späteren Auswertung wird ihm die Tragweite der dabei gemachten Aufnahmen bewusst: Möglicherweise schwebt das abgehörte Paar in höchster Lebensgefahr. Harry, durch dessen sekundäre Beteiligung schon einmal eine Familie sterben musste, gerät in höchste Gewissensnöte und versucht, seinen "Opfern" in spe zu helfen...

Die erste Hälfte der Siebziger, eine Ära des Umbruchs und des katerschweren Erwachens, war eine gute Zeit für die misstrauischsten, schonungslosesten Werke New Hollywoods: Pakula fertigte in aller gebotenen Ruhe seine berühmte Paranoia-Trilogie und auch Coppola kommentierte Watergate kurz nach dem epischen zweiten "Godfather"-Film in Form des galligen "The Conversation". Mit der Figur des Harry Caul schuf Gene Hackman eine seiner prägnantesten Darstellungen, den ultimativen Handlanger des Bösen; das definitive Rad im Getriebe des Verderbens. Ein puritanischer Tüftler, der seine Erlösung noch in der Beichte sucht und der dennoch lange Zeit blind genug ist, zu glauben, ihm könne niemand etwas vormachen. Am Ende zerbricht er angesichts der gnadenlosen Realität: Auch er ist bei Bedarf bloß eine Zielscheibe von irgendjemandem.
Bei all der konzentriert-gemächlichen Inszenierung seines Psychogramms mit vielen Plansequenzen und langgezogenen Zooms verzichtet Coppola nicht auf trockenen, zeitgenössischen Humor: Die Gilde der Wanzenleger entpuppt sich als eine Berufssparte mit einem Selbstbild wie jede andere; man besucht gemeinsam Wochenend-Messen und nimmt diese zum Anlass, hinterher feucht-fröhliche Partys zu feiern. Allein Harry Caul, dem zunächst unwissenden advocatus diaboli, wird allmählich bewusst, dass sein Job längst jedwede Unschuld eingebüßt hat.

10/10

San Francisco Francis Ford Coppola New Hollywood Verschwörung


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TRAFFIC (Steven Soderbergh/USA, D 2000)


"They talk like they're conspiring to conspire."

Traffic ~ USA/D 2000
Directed By: Steven Soderbergh

An allen möglichen nordamerikanischen Fronten tobt der Krieg gegen und für Kokain und Crack aus Mexiko: Ein ehrgeiziger Politiker (Michael Douglas) wird mit den Schrecken der Sucht in Person seiner eigenen, kinderjährigen Tochter (Erika Christensen) konfrontiert, ein Polizist (Benicio Del Toro) aus Tijuana wandelt beständig auf dem schmalen Grat zwischen Angst und Gewissen, zwei US-Cops (Don Cheadle, Luis Guzmán) beschützen einen wichtigen Kronzeugen (Miguel Ferrer), der gegen einen der wichtigsten Koks-Importeure (Steven Bauer) Kaliforniens aussagen soll, dessen Gattin (Catherine Zeta-Jones) sich angesichts der Enthüllungen um ihren Mann und existenzieller Bedrohungen vom biederen Hausmütterchen zur knallharten Gangsterbraut entwickelt, ein mexikanischer General (Tomas Milian) plant, selbst in das wohlkorporierte Geschäft mit harten Drogen einzusteigen.

In Soderberghs Ensemblefilm kreuzen sich irgendwann mal die Wege fast aller Beteiligten; ohne, dass sie jeweils gerade ahnen, wer ihnen entgegenkommt, sind das jeweils schicksalhafte Begegnungen. Überstilisierung hat man dem Regisseur vorgeworfen, der hier mit grobkörnigen Filtern und tiefen Primärfarben arbeitet, mit DV-Kamera und Jump Cuts herumhantiert, als gelte es, die Nouvelle Vague auf amerikanischem Grund verspätet lobzupreisen. Dabei soll doch bloß Realismus Trumpf sein, die wesentliche Sinnlosigkeit des ewigen Kriegs gegen die Schwemme harter Opiate aufgezeigt werden, die man, so das nüchterne Fazit des Films, mit rechtsstaatlichen Mitteln niemals gänzlich in den Griff bekommen wird. Dabei geht es Soderbergh weniger um gezielte Milieueinblicke, nein, eine großangelegte, sämtliche Facetten und Charaktere abdeckende Bestandsaufnahme hatte er im Sinn, mit scheinbar unwillkürlich und rein zufällig beteiligtem Personal, das jeweils reale Pendants sein Eigen nennen darf. So kommt es schließlich, dass die abgefuckte Cracknutte hier ausnahmsweise mal nicht der Ethnie XY entstammt, sondern just des vom Senat obersten Drogenbeauftragten Töchterlein ist. Realismus? Vielleicht doch nicht so ganz...
Aber dann gibt es da ja noch die umso lohnenswertere zwingend-tolle Episode um Milian als ultrabösem Sith Lord des globalen Drogenimperiums und Benicio Del Toro als dessen tapferem Widersacher, so wie eigentlich das gesamte, atemberaubende, mit mindesten sechzehn großen Namen auftrumpfende Ensemble einfach nur bombastisches Spiel präsentiert. "Qualitätskino", sicher, aber welches von der Sorte, das sich gefallen zu lassen nicht weh tut.

8/10

Steven Soderbergh Drogen Kalifornien Mexiko Politik Crack Kokain Ensemblefilm


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ASSASSINATION GAMES (Ernie Barbarash/USA, RO 2011)


"People choose their deaths when they choose how they live."

Assassination Games ~ USA/RO 2011
Directed By: Ernie Barbarash

Die beiden Profikiller Vincent Brazil (Jean-Claude Van Damme) und Roland Flint (Scott Adkins) treffen in Bukarest aufeinander, als sie - der eine aus professionellen, der andere aus privaten Gründen - dasselbe Ziel in Augenschein nehmen: Den brutalen Gangsterboss Polo Yakur (Ivan Kaye), der unter anderem die Schuld am komatösen Zustand von Flints Frau (Bianca Bree) trägt. Zudem steht Flint auf der schwarzen Liste eines Interpol-Beamten (Serban Celea), der sämtliche Verbindungen zu einst auf semilegalem Wege beauftragten Cleanern kappen will. Nach anfänglichem Misstrauen schließen sich Brazil und Flint schließlich zusammen und machen ihren Gegnern die Hölle heiß.

Wenn Actionfilme mit Niztzsche-Zitaten eingeleitet werden, dann sollte gesundes Misstrauen sich in Griffbereitschaft befinden, doch weit gefehlt: "Assassination Games" ist ein stilsicherer, eleganter Ostblock-DTV-Klopper, der geradezu eine Wohltat darstellt im Vergleich zu dem sich zunehmend megalomanisch gerierenden 3D-Blockbuster-Krempel aus den Studios. Mittels genussvoll ausgeblichener, goldbraun getoasteter DV-Fotografie gibt sich "Assassination Games" ganz der Faszination der geöffneten Ex-Diktatur hin und ist, wie die meisten der hier entstandenen Genreproduktion zwar einerseits kostengünstige Alternative, andererseits jedoch auch ein Zeitporträt von gegenwärtig noch unschätzbarem, bleibenden Wert, das eine stets zu kippen drohende, orientierungslose Wirtschaftsbrache sozusagen durch die Hintertür linsend präsentiert. Vom etwas abgedroschenen Plot des seine Emotionswelten entdecken Auftragskiller sollte man sich nicht blenden lassen; kann auch sein, dass Van Dammes Schildkröte einmal zuviel gekrault wird. Macht alles nichts, die zwingend involvierende, traumwandlerische Visualität des Films rettet ihn aus jedweder übrigen Unbill. Mir scheint fast, dass die ganze hinter dem zerrissenen Vorhang tätige Autorenfilmermischpoke rund um Isaac Florentine, Dolph Lundgren und nun eben Ernie Barbarash (Freund Oli weiß da sicher noch ein paar Patrone(n) mehr zu benennen) sich klammheimlich zu einem Künstlerkollektiv mausert, dass unbemerkt von der Welt eine teuflisch ernstgemeinte Nouvelle Vague des B-Actionfilms fabriziert. Oder bin ich etwa ein Spätmerker? Sei's drum, wenn solche Qualitätsprodukte dabei herauskommen wie "Assassination Games" haben die Jungs meinen Segen allemal!

7/10

Ernie Barbarash Bukarest Profikiller Buddy Movie Rumänien


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SOURCE CODE (Duncan Jones/USA, F 2011)


"It's the same train, but it's different."

Source Code ~ USA/F 2011
Directed By: Duncan Jones

Der bei einem Einsatz schwerverletzte Offzier Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) hat den sozusagen 'postaktiven' Auftrag, mittels eines 'Source Code' genannten, achtminütigen Zeitfensters in den Geist eines Explosionsopfers zu schlüpfen, um so den Verursacher der betreffenden Katastrophe zu ermitteln und außerdem einen weiteren, noch viel verheerenderen Anschlag zu verhindern. Jene "Reise" muss er allerdings diverse Male unternehmen, da die Puzzleteile sich nur langsam zusammensetzen und Stevens parallel zu seinem Auftrag auch etwas über seinen persönlichen Verbleib in Erfahrung zu bringen sucht, über den man ihm nichts sagen möchte...

Spannender Zweitfilm von Bowie-Filius Duncan Jones, mit einem weitaus großzügigeren Budget ausgestattet, deshalb jedoch nicht etwa ökonomischer Korruption anheim gefallen oder gar minder gelungen. Jones hat sich vom Ruf des Mainstreamkinos fürs Erste nicht vereinnahmen lassen und verfolgt weiter seine Linie des an Dick orientierten Identitätskrisen-ScFi-Films, dessen vollständiges Bild sich erst nach und nach erschließt und das bei kurzer Erzählzeit einen durchaus anregenden Effekt zu hinterlassen vermag. Dabei überzeugt vorrangig seine strenge formale Komposition, die sich etwa durch den sehr überschaubaren Gebrauch an Handlungsorten und eine entsprechend konzentrierte Raumgestaltung auszeichnet.
Aus älteren Genrefilmen bekannte motivische Versatzstücke kommen dabei zu repetitivem Einsatz; an die Komödie "Groundhog Day" fühlt man sich am Häufigsten erinnert und tatsächlich obliegt beiden Filmen der identische, philopsophische Grundgedanke. Dann fallen einem zwangsläufig noch "Strange Days", "Minority Report" und "Deja Vu" ein und sogar eine Prise "RoboCop" macht sich gegen Ende bemerkbar. Große Vorbilder also, geschickt rekonstruiert und zusammengefügt. Einen Originalitätspreis würde ich "Source Code" folglich vielleicht nicht unbedingt verleihen wollen, aber dass er dereinst als beseeltes Frühwerk eines talentierten Regisseurs Bestand haben wird, daran habe ich ebensowenig Zweifel.

8/10

Identitätskrise Duncan Jones Parallelrealität Chicago Zug Militär Terrorismus Atombombe Zeitschleife


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LA POLIZIA RINGRAZIA (Steno/I, BRD, F 1972)


Zitat entfällt.

La Polizia Ringrazia (Das Syndikat) ~ I/BRD/F 1972
Directed By: Steno

Der römische Commissario Bertone (Enrico Maria Salerno) hat alle Hände voll damit zu tun, der sich immer höher auftürmenden Verbrechenswelle in der Stadt Herr zu werden und gleichzeitig das öffentliche Bild der Polizei in den Medien zu präservieren. Als zeitgleich ein flüchtiger junger Raubmörder (Jürgen Drews) ein Mädchen (Laura Belli) kidnappt und immer wieder eine offenbar von höchsten Würdenträgern finanzierte Vigilanten-Organisation zuschlägt, wird Bertone mit dem Stress kaum mehr fertig.

Einer der ersten Poliziottesci, der mitbestimmend war für das Bild jenes nationalspezifischen italienischen Subgenres. Bevor die zunehmend actionbetonte Inszenierung dieser Filme begann, mehr und mehr in Exploitationgefilden zu wildern und sich dem nicht minder beliebten italienischen Gangsterfilm immer mehr anglich, bis nurmehr schwerlich eindeutige Trennlinien gezogen werden konnten und Helden wie Maurizio Merli, Henry Silva, Fabio Testi oder Franco Gasparri das Feld übernahmen, war noch der sozialpolitische Subtext vorrangiges Element und der Polizeifilm näher an den Politthrillern von Damiani und Petri. Es gab daher auch einen tapferen, zu Beginn noch allzu systemtreuen und verblendeten Staatsanwalt (Mario Adorf), der am Ende sozusagen die Heldenfackel weiterzutragen hat. Später ging es dann nurmehr darum, den unbestechlichen Polizisten als einsamen Stadtwolf und Superhelden zu verklären. Ganz interessant die Besetzung, die durchblicken lässt, dass an der Produktion auch der deutsche Dieter Geissler maßgeblich beteiligt war: Mario Adorf in einem seiner nicht mal seltenen Auftritte im italienischen Genrefilm der Siebziger hat es da und natürlich den Sonnyboy Drews in einem ungewohnten, gerade deshalb jedoch sehenswerten Auftritt.

8/10

Steno Poliziottesco Rom


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VERY BAD THINGS (Peter Berg/USA 1998)


"We're fucked."

Very Bad Things ~ USA 1998
Directed By: Peter Berg

Ein von seinen vier besten Kumpels (Christian Slater, Leland Orser, Jeremy Piven, Daniel Stern) organisierter, alkohol- und drogenseliger Junggesellenabschied in Vegas zu Ehren des bald heiratenden Kyle Fisher (Jon Favreau) endet in einer Katastrophe: Die angeforderte Nutte (Kobé Tai) kommt bei einem koitalen Unfall ums Leben und die anschließende Vertuschung der Sache erfordert ein zusätzliches Mordopfer in Form eines allzu neugierigen Security-Beamten (Russell B. McKenzie). Kurzerhand werden die beiden Toten zersägt und in der Wüste Nevadas verscharrt. Da die Freunde mit dem psychischen Druck der sich zwangsläufig anschließenden Geheimhaltung ihrer Bluttat nicht zurecht kommen, schließen sich bald weitere Unfälle und Todesfälle an...

Die Vokabel 'Geschmackssicherheit' ist dem Autorendebüt des zuvor als Darsteller tätigen Peter Berg außerordentlich fremd: Hier wird geholzt, was die Hütte hergibt und junge Männer, deren psychische Disposition ohnehin bereits schwer im Argen scheint, werden zu wahren Berserkern. Dabei bezieht sich der "Ungeheuerlichkeitsfaktor" allerdings weniger auf seine Visualisierung als vielmehr auf die pietätbefreite, laxe Moral des Dargebotenen. Dass "Very Bad Things" wohl letzten Endes unter jene Kategorie Film fält, die um diese Zeit gern und abschätzig als "Taranteenie" bezeichnet wurde, muss sich Berg dabei allerdings auf ewig gefallen lassen. Im Prä-"Pulp Fiction"-Zeitalter jedenfalls wäre sein Film, in dem Gewalt, Mord, Tod und ähnlich finstere existenzielle Entitäten zu witzigen Nebensächlichkeiten degradiert werden, zumindest in seinem Herstellungsland mit Verständnislosigkeit und Kopfschütteln rezipiert worden - nun jedoch vermochte man die satirische, groteske Qualität dieser Darstellungsform abzuschätzen und mancherorts gar zu würdigen.
Nun ist "Very Bad Things" aber auch ein Film mit einer eher geringen Halbwertszeit, da er sehr mit den affektgesteuerten Momenten kurzzeitiger Überraschung und reaktiven Staunens operiert, die entweder nur solitär oder mit großem Abstand hinreichend tragfähig sind. Immerhin - etwas besseres hat Berg, mittlerweile als zuverlässiger Auftragsegisseur hochbudgetierter Mainstreamware im Einsatz, bis dato auch nicht zustande gebracht.

7/10

Las Vegas Los Angeles Feundschaft Drogen Kokain Junggesellenabschied Schwarze Komödie Peter Berg Alkohol Groteske Satire





Filmtagebuch von...

Funxton

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