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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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AVENGING FORCE (Sam Firstenberg/USA 1986)


"Your fight is my fight."

Avenging Force (Night Hunter) ~ USA 1986
Directed By: Sam Firstenberg

Ein Revidierungseintrag ist eine Premiere in meiner nunmehr achteinhalb Jahre währenden FTB-"Karriere", in diesem Falle aber dringend notwendig. Nachdem ich Firstenbergs Film bei einem Kumpel gestern im Zuge eines Themenabends im Gefolge von seinem "Revenge Of The Ninja" und der integralen, aufgemöbelten Bootleg-Fassung von Gordon Hesslers "Pray For Death" auf Großleinwand schauen durfte, bin ich über meinen arrogant formulierten, halbherzigen Eintrag von 2005 mittelmäßig entsetzt. Muss damals einen schlechten Tag gehabt haben, da "Avenging Force", wie ich ja damals bereits schrieb, eigentlich ein alter Lieblingsfilm ist. Gestern, respektive heute morgen in aller Früh wurde mir wieder klar, warum: Firstenberg hat nach "American Ninja" mit dem darin vorgestellten winning team Dudikoff/James seinen besten Film vorgelegt, einen beinharten Manhunt-Thriller, der, mit heiligem Ernst vorgetragen, das Resultat allseitiger Profiarbeit von Überzeugungstätern darstellt. Die freundschaftliche Chemie von Dudikoff, der hier wirklich spielt, und James geht spürbar über das berufliche Verhältnis hinaus, man wird gewahr, dass die beiden harten Herren sich auch abseits der Kamera gut verstanden haben müssen. Umso glaubwürdiger die Rachegeschichte, in deren Präludium Larry Richards' (James) gesamte Familie der bösen Pentangle-Bruderschaft zum Opfer fällt. Das Schurken- und Jägerquartett Ryan/Wallace/Alaimo/Johnson (der mir neulich noch als Türsteher in "Valley Girl" ins Auge gefallen war) nebst seiner bizarren, martialischen Aufmärsche in den Bayous ist umwerfend (Ryans Sterbeszene ist der Hammer; dass er nicht auch noch schmilzt, verwundert geradezu); die an Hills "Southern Comfort" gemahnenden Verweise an das für Außenstehende höchst eigenartig anmutende Cajun-Milieu sind großartig. Und welcher bärtige Stuntman gibt sich die Ehre seiner zwingenden Präsenz? Kane "Victor Crowley" Hodder ist's! Irgendwie scheint sich gegen Ende des Kalenderjahres nochmal alles puzzlegleich zu fügen...
Jedenfalls: Kombiniert mit George S. Clintons blechern-schepperndem Südstaaten-Sound ergeben all diese Versatzstücke eine höchst ambitionierte Genre-Mischung, die ihren ganz speziellen, unikalen Touch besitzt und die unbedingt ihren festen Platz im Pantheon der großen Menschenjagd-Filme von "The Most Dangerous Game" bis "Surviving The Game" zugewiesen bekommen muss.
Ein kleines Sahneschnittchen und mithin ein Film der Superlativen: Einer der besten Cannon-Actioner, Firstenbergs bester, Dudikoffs bester.

8/10

Sam Firstenberg Cannon Buddy Movie New Orleans Louisiana Mardi Gras Sumpf Menschenjagd Südstaaten


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THE JANUARY MAN (Pat O'Connor/USA 1989)


"I'm going to go home, mix some paint, and try to create something original."

The January Man (Im Zeichen der Jungfrau) ~ USA 1989
Directed By: Pat O'Connor

Um einen seit elf Monaten immer wieder zuschlagenden Serienkiller dingfest zu machen, beordert der New Yorker Bürgermeister Flynn (Rod Steiger) den mittlerweile als Feuerwehrmann tätigen, exzentrischen Profiler Nick Starkey (Kevin Kline) zurück in den Polizeidienst, der einst wegen einer ungeklärten Korruptionsaffäre den Hut nehmen musste. Sewinem Bruder, dem Commissioner Frank Starkey (Harvey Keitel) sowie Captain Alcoa (Danny Aiello), ist Nicks Re-Aktivierung ein Dorn im Auge, nicht so jedoch des Bürgermeisters Tochter Bernadette (Mary Elizabeth Mastrantonio), die sich heftig in Nick verliebt.

Ein höchst eigenartiger Film ist "The January Man", dennoch mochte ich ihn aus naheliegenden Gründen immer recht gern. Wer eine konventionelle Serienkiller-Hatz erwartet, der ist zunächst einmal schiefgewickelt und wird sich nachhaltig enttäuscht finden: Spannend ist O'Connors Film nämlich faktisch gleich null und die obligatorische Konfrontation zwischen Held und Übeltäter am Ende ist zu allem Überfluss eine burleske Farce. Der Serienmörder, der immerhin elf Opfer zu verantworten hat, entpuppt sich trotz vorheriger Geheimnistuerei als geschminkte, bislang uneingeführte Figur, vorheriges Rätselraten und Verdächtigen seitens des Publikums läuft somit frontal vor die Wand. Als Krimi oder gar Thriller ist "The January Man" somit ein lupenreiner Rohrkrepierer, nicht so jedoch als Schauspielerfilm, der über sieben bestens aufgelegte Musterexemplare ihrer Gattung verfügen kann und diese so gut es geht, unter einen Hut bringt. Neben den Erwähnten finden sich noch Susan Sarandon und Alan Rickman als exzentrischer Maler ein, letzterer im Zuge einer figural betrachtet vollkommen redundanten Vorstellung, der im Prinzip nichts zum Plot beiträgt, mit Ausnahme seiner reinen Präsenz. Da es sich jedoch um Alan Rickman handelt und dieser in jenen Tagen zu den coolsten Darstellern des Planeten zählte, nimmt man einen solch überflüssigen Luxus nur umso lieber mit. Nein, "The January Man" ist kein Genrefilm, nötigenfalls kann man ihn als "Genrefilm" bezeichnen, "der keiner ist". Aber gerade in seiner lässig dargebrachten Enttäuschung von Erwartungshaltungen gefällt er mir.

7/10

Serienmord Pat OConnor New York Norman Jewison


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I SPIT ON YOUR GRAVE 2 (Steven R. Monroe/USA 2013)


"You'll enjoy this."

I Spit On Your Grave 2 ~ USA 2013
Directed By: Steven R. Monroe

Die hübsche, junge und selbstbewusste New Yorkerin Katie (Jemma Dallender) ist auf der Suche nach einem ernsthaften Engagement als Fotomodell. Als sie an den zwielichtigen Fotografen Ivan (Joe Absolom) gerät, bedeutet dies den Auftakt einer Reise in die Hölle: Ivans Freund, der emotional gestörte Georgy (Yavor Baharov) stellt Katie nach, vergewaltigt sie schließlich in ihrer Wohnung und tötet den Hausmeister (Michael Dixon). Nachdem Ivan und der Dritte im Bunde, Nicolay (Aleksandar Aleksiev), herbeigerufen sind, setzt man Katie unter Drogen. Sie erwacht in einem schmutzigen Keller, bereits vielfach vergewaltigt und anderweitig erniedrigt. Als ihr die Flucht gelingt, stellt sie fest, dass man sie nach Sofia verschleppt hat und die vermeintlichen Fotografen Menschenhändler sind, die im Auftrage der vorgeblichen Frauenaktivistin Ana (Mary Stockley) arbeiten. Nach einer letzten furchtbaren Folter soll Katie "entsorgt" werden, doch wie durch ein Wunder kann sie fliehen. Ihre Rache ist furchtbar.

Kein Sequel im eigentlichen Sinne, sondern eine Variation des ebenfalls von Monroe inszenierten Vorgängers. Wie dieser macht auch "I Spit On You Grave 2" keine Gefangenen, tatsächlich legt er sogar noch ein Schippchen drauf. Sorgsam in zwei Hälften gesplittet, steht die erste ganz im Zeichen von Exposition, Gefangennahme und Vergewaltigungsfolter an Katie, die zweite dann gehört ganz ihrer katalytischen, göttlich legitimierten Rache, die natürlich auch für den Rezipienten von einigem kathartischen Wert ist. Wie es sich für Filme dieses Sujets ziemt, spielt Monroe heftigst auf der Gefühls- und Ertragensklaviatur seines Publikums, lässt Katie in einem furchtbarten Passionsspiel entblößt und erniedrigt durch alle Demütigungshöllen wandeln, nur um sie dann mit vielfach potenzierter Härte zurückschlagen zu lassen. Die Methoden, derer sie sich dabei bedient, zeugen von einiger abgründiger Kreativität und sollen an dieser Stelle nicht breitgetreten werden.
Von kontroversem Potenzial ist Monroes Film natürlich in multipler Hinsicht: Einmal mehr im torture porn finden sich die Wurzeln allen Bösen in Osteuropa lokalisiert, im als zivilisationsfern denunzierten Umbruchsland, in dem Recht und Ordnung vor der Menschenverachtung kuschen und einem zum Überleben nur der Griff zur Selbstjustiz bleibt. Auch die von Monroe mittels suggestivster Methoden evozierte Auge-um-Auge-Moral, die er gewissermaßen noch theistisch legitimiert, mag sich als recht fragwürdig kategorisiert finden. Doch wie immer in solchen Fällen gilt ohnehin: Wer sanften Gemütes ist und dem sadistischen Schweinhund in sich nicht manchmal Zunder geben muss, der braucht sich auch "I Spit On Your Grave 2" nicht anzusehen und kann auf dementsprechende Apologien sicherlich getrost verzichten. Ich Sau hingegen warte insgeheim und kalt lächelnd bereits auf Teil 3, diesmal vielleicht in... der Ukraine?

6/10

Steven R. Monroe Sequel New York Bulgarien Sofia torture porn Rache Terrorfilm Vergewaltigung Rape & Revenge


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BLUE SUNSHINE (Jeff Lieberman/USA 1978)


"I'll get your Wayne! He's gone crazy from that acid you sold him, and so did your wife!"

Blue Sunshine ~ USA 1978
Directed By: Jeff Lieberman

Nachdem sein bester Freund Frannie (Richard Crystal) auf seiner eigenen Party durchgedreht ist, einen der weiblichen Gäste in den offenen Kamin geschubst hat und hernach auf der Flucht von einem Auto überfahren wird, gilt zunächst der ahnungslose Jerry Zipkin (Zalman King) als verdächtig. Doch Jerry kann und will sich damit nicht einfach abfinden: Wieso trug Frannie eine Perücke über einer gut versteckten Glatze? Und woher stammte seine urplötzlich auftretende Raserei? Bald erfährt Jerry von ähnlichen Fällen, die sich allesamt in der Person des im Wahlkampf befindlichen, künftigen congressman Ed Flemming (Mark Goddard) führen: Dieser hat offensichtlich vor zehn Jahren in Stanford einen LSD-Verschnitt namens 'Blue Sunshine' an diverse ahnungslose Konsumenten verhökert, die es nun mit dem Langzeiteffekt zu tun bekommen...

Insgesamt ein feiner zweiter (Lang-)Film des mittlerweile leider nurmehr rar arbeitenden Jeff Lieberman, hier und da ungeachtete seines Minimalbudgets jedoch auch versehen mit mancher Kritikschanze. Dass "Blue Sunshine" heute anmutet wie ein früher, etwas kantenloserer Cronenberg, ist okay, in diesem Punkt ist Lieberman sicherlich kein Vorwurf zu machen. Der aufstrebende Politiker als insgeheimer Schweinhund mit finsterer Drogendealer-Vergangenheit, auch das ist, wenn schon wenig innovativ, so dennoch eine probate Idee zur Plotentschlüsselung. Dann aber ergeben sich hier und da auch manche, zumeist inhaltlich bedingte, lose Enden: Jerry scheint irgendeine Art von PSI-Kräften zu besitzen, er kann Tatort-Szenarien nachempfinden und Gefahren vorausahnen - ein Faktum, das der Zuschauer allerdings als gegeben und ohne weitere Erklärungsnöte tolerieren muss. Auch die Rolle von Jerrys Doktorkumpel Blume (Robert Walden) bleibt mysteriös: Ist er nun selbst ein ehemaliger "Blue-Sunshine"-Konsument oder einfach nur so etwas durch den Wind? Zudem erscheinen die (zumindest wenigen) Actionsequenzen ziemlich unbeholfen und wie unter Zwang inszeniert. Man spürt deutlich, dass dies Liebermans Sache nicht war. Der Film bleibt alles in allem unter seinen Möglichkeiten.
Dennoch, bei aller, sich zugegebenermaßen sehr verwöhnt darstellenden, obigen Nörgelei meinerseits sticht "Blue Sunshine" markant aus dem damaligen Genregros heraus und ist noch heute sehr sehenswert, zumal als satirische kolorierte Abrechnung mit hohlen 68er-Träumereien.

7/10

Jeff Lieberman Drogen LSD Los Angeles Independent


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PHANTOM LADY (Robert Siodmak/USA 1944)


"You hate him, don't you?" - "Yes. I hate him."

Phantom Lady (Zeuge gesucht) ~ USA 1944
Directed By: Robert Siodmak

Der Ingenieur Scott Henderson (Alan Curtis) flaniert nach einem Streit mit seiner Frau durch die New Yorker Nacht. In einer Bar lernt er eine nicht minder verzweifelt scheinende Frau (Fay Helm) kennen und geht kurzerhand mit ihr in eine Nachtclub-Revue. Danach trennt man sich freundschaftlich und - anonym. Wieder zu Haus wartet bereits die Polizei auf Scott - seine Frau wurde erdrosselt. Da alle Indizien gegen ihn sprechen, seine mysteriöse Bekanntschaft unauffindbar bleibt und ihn keiner der übrigen Zeugen wiedererkennen will, wird Scott nach einem Mordprozess zum Tode verurteilt. Seine ihn liebende Sekretärin Carol (Ella Raines) setzt jedoch alles daran, Scotts Alibi, die 'Phantom-Lady', wiederzufinden und setzt dabei auch auf die Hilfe von Scotts bestem Freund Jack Marlow (Franchot Tone) - nicht ahnend, dass dieser wahnsinnig ist...

Mein liebster Film von Robert Siodmak und ergo auch einer meiner liebsten films noirs. Die Gründe dafür sind eher persönlicher Natur: Ich kenne "Phantom Lady" bereits seit vielen Jahren und er hatte somit ausgiebig Zeit, sich mit Widerhaken in meinem Gedächtnis festzuklammern. Mit Ella Raines, deren überaus bewusste erotische Ausstrahlung mich jedesmal wieder voll in Beschlag nimmt, wenn ich den Film sehe, bietet Siodmak eine der bezauberndsten Darstellerinnen jener Tage auf, mit Franchot Tone einen der besten Kinopsychopathen; mit Alan Curtis einen gezielt farblos gehaltenen, schwächlichen Helden in der Todeszelle, wie geschaffen für eine faszinierende Geschlechterreduktion, der ohne den haltlosen Wagemut und den Einsatz einer ihn Liebenden termingerecht auf dem Stuhl zu brutzeln hätte; mit dem wie immer bedauenswert kleinen Elisha Cook Jr. als orgiastisch aufspielenden Drummer bei einer versoffenen Jam-Session, in der mit der Raines ohne Körperkontakt koitiert, eine weitere bombastische Performance. Dazu gibt es von Woody Bredell vorzügliche photographierte, hochkonzentrierte Impressionen des nächtlichen Molochs Manhattan, hier wäre zuvorderst die absolut monolithische Bahnhofsszene zu nennen. Ein Meisterwerk in allen Belangen, jetzt endlich auf DVD zu haben.

10/10

Robert Siodmak Cornell Woolrich New York Madness film noir


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FIGURES IN A LANDSCAPE (Joseph Losey/UK 1970)


"It's up to you this time."

Figures In A Landscape (Im Visier des Falken) ~ UK 1970
Directed By: Joseph Losey

Zwei Männer, ein älterer, 'Mac' MacConnachie (Robert Shaw), und ein jüngerer, Ansell (Malcolm McDowell), fliehen, jeweils die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, durch ein unwirtliches Grenzgebiet. Ein Hubschrauber, dessen Piloten das ungleiche Duo eher zu verhöhnen denn ernsthaft zu jagen scheinen, befindet sich permanent auf ihren Fersen. Nachdem sich Mac und Ansell ihrer Fesseln entledigt und sich Schusswaffen besorgt haben, setzen sie sich gegen die Helikopterpiloten zur Wehr und verteidigen sich erfolgreich gegen ein gegen sie ziehendes Bataillon. Als sie die Grenze zum Nachbarland in luftiger Höhe erreicht haben, scheint das Entkommen für Mac jedoch keine Rolle mehr zu spielen.

Eine typische Ausgangssituation für etliche Geschichten und Szenen im Genre: Zwei Individuen, die sich erst aneinander zu adaptieren haben, bevor sie erfolgsversprechend agieren können, fliehen vor einer Übermacht durch bewegungsfeindliches Gelände. Doch "Figures In A Landscape" will wesentlich mehr: Losey bricht jene Prämisse, basierend auf einem Script von Hauptdarsteller Robert Shaw basierend auf einem Roman von Barry England, so weit wie möglich auf ihr nur scheinbar karges Herz hinunter. Dass die beiden Protagonisten Namen tragen und etwas über ihre Persönlichkeiten preisgeben, ist schon das Schmückendste, was die Geschichte ihnen gönnt. Ansonsten bleibt das Publikum geradezu aufreizend uninformiert: Das Setting könnte überall angesiedelt sein; Griechenland, Spanien (wo der Film, in der Sierra Nevada, gedreht wurde), Lateinamerika vielleicht - irgendeine faschistische oder Junta-Regierung, zumindest liegt das nahe, denn die beiden sich als Briten zu erkennen gebenden Männer scheinen politische oder Kriegsgefangene zu sein und ihre Verfolger unerbittliche Militärs. Ob das rettende Gebirge die Anden oder die Pyrenäen darstellen soll, erfährt man erwartungsgemäß ebensowenig. Es bleibt lediglich jene mysteriöse, äußere Gemengelage, die zur Folge hat, dass der Zuschauer fast noch weniger Anteil am Geschehen hat als die Hauptfiguren, weil ihm schlicht jedwede Motivation für Gefangenschaft, Flucht und Widerstand verborgen bleibt. Es gilt, sich mit dieser ebenso diffusen wie höchst experimentellen Handlungsbasis nicht nur zu arrangieren, sondern sie darüberhinaus als Teil von Loseys Kunstwerk zu akzeptieren, ansonsten lohnt die weitere Beschäftigung mit selbigem nicht.

8/10

Joseph Losey Flucht Parabel Freundschaft


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TOURIST TRAP (David Schmoeller/USA 1979)


"We're going to have a party!"

Tourist Trap ~ USA 1979
Directed By: David Schmoeller

Fünf junge Leute (Jocelyn Jones, Jon Van Ness, Tanya Roberts, Robin Sherwood, Keith McDermott) reisen durch die Provinz. Nach einer Reifenpanne bleiben sie in der Nähe des anseits gelegenen Hauses von Mr. Slausen (Chuck Connors) hängen, der mitten im Nirgendwo ein kleines Wachsfigurenkabinett betreibt. Nach und nach verschwindet einer nach dem anderen aus der Clique und Slausen, der vorbibt, sich um Hilfe zu bemühen und die Kids vor seinem "gefährlichen Bruder" warnt, benimmt sich zunehmend seltsam. Zudem scheinen seine Figuren und Puppen ein merkwürdiges Eigenleben zu führen...

Die Bezeichnung "Tourist Trap" steht ursprünglich für provinzielle Andenkennepper, die an den zahllosen Interstates mit Sehenswürdigkeiten wie dem "Größten Staubkorn der Welt" wetteifern, um entsprechend geneigten Ausflüglern ein paar Kröten aus den Taschen zu jubeln. In Schmoellers wunderbarem kleinen,von einem damals noch freistehenden Charles Band produziertem Horrorfilm gewinnt dieser Name jedoch an verhängnisvoller Zweideutigkeit. Das für die Kinoaufführung erteilte PG-Rating, das dem visuell sehr zurückhaltenden, eher hinterrücks verstörendem Werk seinerzeit auferlegt wurde, sorgte ironischerweise für einen anfänglichen Kasseneinbruch, denn die Kids wollten Blut und Messer. Seinen Klassikerstatus erlangte Schmoellers wohl schönste Arbeit erst im Laufe der Folgejahre, als man nach und nach seines wahren Potenzials gewahr wurde. Chuck Connors als gestörter Backwood-Psycho, der augenscheinlich über telekinetische und Bauchredner-Fähigkeiten verfügt, ist in der Rolle seines Lebens zu sehen. Lustvoll gestaltet er den Part des ebenso schizophrenen wie sadistischen Psychotikers, der seine Opfer ersteinmal heftigst in Panik zu versetzen versteht, bevor er sie dann seiner Sammlung einverleibt. Ganz famos auch die deutsche Synchronfassung, in der Arnold Marquis auf Connors eine meisterhafte Kostprobe seines stimmlichen Könnens zum Besten gibt.
Was in Slausens Gestaden wirklich vorgeht; ob die Puppen ein unseliges Eigenleben führen oder nur durch die Kräfte ihres Herrn und Meisters in Bewegung und Gelächter versetzt werden, bleibt bis zum Ende unklar. Gut so, denn gerade diese vagen, leisen Vermutungen machen "Tourist Trap" so schön bedrohlich und anders als den Rest.

8/10

David Schmoeller Backwood Terrorfilm Charles Band Madness Slasher Serienmord Puppen


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ONLY GOD FORGIVES (Nicolas Winding Refn/DK, F, THAI, USA, S 2013)


"It's a little more complicated than that, mother."

Only God Forgives ~ DK/F/THAI/USA/S 2013
Directed By: Nicolas Winding Refn

Bangkok: Nachdem er eine sechzehnjährige Prostituierte ermordet hat, wird Unterweltboss Billy (Tom Burke) seinerseits von dem von Police Lieutenant Chang (Vithaya Pansringarm) zur Rache genötigten Vater (Kowit Wattanakul) hingeschlachtet. Für Crystal (Kirstin Scott Thomas), Billys Mutter, ist dies nicht akzeptabel. Sie macht ihren jüngeren Sohn Julian (Ryan Gosling) zum Racheinstrument. Der seiner Mutter anfänglich noch hörige Julian versagt jedoch auf ganzer Linie, zumal er gegen den schwertschwingenden Racheengel Chan nicht den Hauch einer Chance hat und dies auch zu spüren bekommt.

Viele der mit Refns vormaligem Werk nur unzulänglich vertrauten "Drive"-Fans und -Hyper dürften mit "Only God Forgives" ihre liebe Not gehabt haben. Wer indes mit "Fear X", "Bronson" und "Valhalla Rising" etwas anzufangen wusste, der sollte auch mit dem sich ähnlich sperrig wie die Genannten gebenden "Only God Forgives" sein Auskommen finden. Der hypnotische Sog der Genannten, ihre äußere Verschrobenheit und Stasis, gepaart mit den wundervoll beleuchteten Bildern des vollkommen artifiziell wirkenden, Bangkoker Halbwelt-Milieus, bestimmen das Bild dieses keineswegs im Vorbeigehen konsumierbaren Films, der eigentlich nur die beiden Alternativoptionen zulässt, sich gänzlich auf ihn und sein spinnenetzartiges Gewebe einzulassen, oder sich ihm trotzig zu verweigern. Ersteres lohnt sich in jedem Fall, wobei mir zugegebermaßen mein fortgeschrittener Promillepegel durchaus behilflich war dabei. Und Refn ist meines Erachtens der einzige Regisseur, der Gosling vernünftig inszeniert. Wobei ich besonders die Arena-Szene genossen habe, in der er pfundweise auf die schöne Fresse bekommt.

8/10

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PASSION (Brian De Palma/D, F 2012)


"I confess."

Passion ~ D/F 2012
Directed By: Brian De Palma

Als ihre Untergebene Isabelle (Noomi Rapace) eine bahnbrechende Idee für einen Handy-Werbespot hat, reagiert die Agenturleiterin Christine Stanford (Rachel McAdams) höchst biestig: Sie gibt den Einfall als ihren eigenen aus. Die zunächst schwer geschockte Isabelle jedoch, die zugleich ein Verhältnis mit Christines Lover Dirk (Paul Anderson) pflegt, dreht den Spieß um. Nun ist Christines Rache nicht mehr aufzuhalten: Sie macht Isabelle vor sämtlichen Kollegen lächerlich und diffamiert sie in aller Öffentlichkeit. Isabelle lässt sich Schlaftabletten verschreiben und scheint sehr aus der Spur zu geraten. Als Christine dann eines Nachts in ihrem Haus ermordet wird, steht Isabelle zunächst erwartungsgemäß unter dringendem Tatverdacht. Doch sie hat für die Tatzeit ein wohlfeiles Alibi...

Neben "Trance" und "Side Effects" nun also ein weiterer, doppelbödiger Thriller um hinterfotzige Weibsbilder und ihre sinistren Konspirationen. "Passion" besitzt gegenüber den beiden Erstgenannten allerdings den Vorteil, mit Brian De Palma der ungekrönte Meister solch vordergründig abgeschmackter Kriminalstorys als Mastermind und Dirigenten aufweisen zu können. "Passion" beginnt wie das campige Kinoabbild einer x-beliebigen Daily Soap; die Werbebranche, stets gern als Kulisse für Erfolgs- und Zickenkrieg genutzt, trägt auch hier die Wurzel allen Übels. Berlin, London, New York, die Glitzermetropolen reicher, selbstverständlich ausnahmslos mänlicher Managementsäcke und lüsterner Emporkömmlinginnen, stehen Pate für das gnadenlose Ausblutungsbusiness. Bei De Palma kann man jedoch wohlfeil davon ausgehen, dass er solch offensichtlich durchtriebenes Gebuhle höchst satirisch aufarbeitet. Die Bluttat folgt auf dem Fuße und Traum, Realität und Schuldkomplexe verschwimmen zu einem künstlerisch gefilmten Vexierspiel mit all den wohlfeilen Kabinettstückchen: split screen, subjektive Kameraperspektiven, schräge Aufnahmewinkel.
Dass ich die Vorlage "Crime D'Amour" nicht kannte, habe ich im Nachhinein nicht bereut. Kann sowieso nicht besser sein als ein Werk des Meisters.

8/10

Brian De Palma Berlin Werbung Mobbing femme fatale neo noir Remake


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FRAILTY (Bill Paxton/USA 2001)


"There is no God."

Frailty (Dämonisch) ~ USA 2001
Directed By: Bill Paxton

Eines Abends schneit ein Mann (Matthew McConaughey), der sich als Fenton Meiks ausgibt, in das Büro des FBI-Agenten Wesley Doyle (Powers Boothe) und eröffnet diesem, er könne ihn zum gesuchten "Hand-Gottes-Killer" führen, einem Serienmörder, der seine Taten offenbar in spirituellem Auftrag vollzieht. Während eines langen Gesprächs berichtet Fenton von seiner Kindheit, in der er (Matt O'Leary) und sein jüngerer Bruder Adam (Jeremy Sumpter) unter ihrem fanatischen Vater (Bill Paxton) aufwachsen mussten, der sich eines Tages als "von Gott erleuchtet" wähnt und behauptet, der Herr habe ihn beauftragt, eine ganze Liste von Dämonen in menschlicher Gestalt zu vernichten. Fenton wird unweigerlich Zeuge, wie sein Vater sich zum Serienkiller entwickelt und sieht den einzigen verbleibenden Ausweg, ihn aufzuhalten, darin, ihn zu töten. All das ist viele Jahre her - wer also hat dann die jüngsten Taten begangen?

Sauber inszeniert, mitreißend erzählt und für das Regiedebüt eines Schauspielers ganz bestimmt beachtlich, entwickelt "Frailty" sogar hinreichend Zugstärke, um inmitten ausgetretener Genrepfade als etwas nicht ganz Alltägliches bestehen zu können. Sein auf sich selbst ausgeübter Zugzwang führt jedoch dazu, dass der Film sich irgendwann zu seinem selbst gesäten Mummenschanz von dem auserwählten Gotteskiller bekennt. Die irren Landeier, die in himmlischer Mission die Axt schwingen und eigenmächtig Leute von der Platte putzen, die Spinner, die ihre Kinder im Keller einsperren, auf dass sie geläutert werden mögen, diese verrückten Erzwahnsinnigen werden doch allen Ernstes legitimiert! Ihre gottgegebene Fähigkeit, das Böse im Menschen durch Handauflegen zu identifizeren, ist gar keine Erfindung und (fast) alle Ermordeten sind lediglich ihrer göttlich gerechten Strafe zugeführt worden. Dieser Punkt hat mich an "Frailty" schon immer gestört, hätte das Script doch zumindest den Mut besessen, ihn im Vagen zu lassen und die Herren Killer Vater und Sohn nicht auf Glaubensebene zu rehabilitieren. Hier verliert "Frailty" völlig unnötig viel von seiner vorherigen Stärke, indem er sich einer geisteskranken Moralität öffnet. Damit kann man zwar leben, zumal der "liebe" Gott sich, wie schon in DeMilles "The Ten Commandments" selbst einmal mehr als "böser" Gott veräußert, aber manchmal ist ein gewisse erläuternde Zurückhaltung ja auch von einigem Wert für das Gesamtwerk.

7/10

Bill Paxton Südstaaten Fanatismus Serienmord Vater & Sohn Familie





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