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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE STRANGE LOVE OF MARTHA IVERS (Lewis Milestone/USA 1946)


"Welcome to Iverstown."

The Strange Love Of Martha Ivers (Die seltsame Liebe der Martha Ivers) ~ USA 1946
Directed By: Lewis Milestone

Fast wirkt es wie ein willkürlich herbeigeführter Unfall: Nach rund 20 Jahren kommt der ehemalige Herumtreiber Sam Masterson (Van Heflin) gezwungenermaßen - sein Auto muss repariert werden - auf der Durchreise in seine frühere Heimat Iverstown. Seine reiche Jugendfreundin Martha (Barbara Stanwyck) ist mit Abstand die mächtigste Frau der Gegend und selbst ihr Ehemann, der versoffene Staatsanwalt Walter O'Neil (Kirk Douglas) scheint nur eine Marionette für Marthas Einflussbereich zu sein. Als Sam die verloren wirkende Toni (Lizabeth Scott) kennenlernt und diese mit dem Gesetz ins Konflikt gerät, entschließt er sich, Walter damit zu drohen, ein längst begraben geglaubtes Geheimnis zwischen ihm, Martha und Walter wieder ans Tageslicht zu hieven, wenn er nicht Tonis Freilassung erwirkt. Doch damit setzt Sam eine Tragödie großen Ausmaßes in Gang.

Kirk Douglas' Kinodebüt - auf Lauren Bacalls Engagement hin mit 30 vom Broadway nach Hollywood wegengagiert, gibt er sogleich eine impressive Vorstellung als permanent alkoholisierter Ehemann einer allmächtigen Matriarchin - Barbara Stanwycks typische Rolle während dieser Jahre. Sein späteres Strahlemann-Image tritt hier bereits in der nach außen hin transportierten Illusion einer selbstbestimmten Karriere hervor - ansonsten ist er die tragischste Gestalt in Milestones herrlich finsterem Drama, das sich nur bei Nacht abzuspielen scheint, in Clubs, Kaschemmen und Hotels. Iverstown ist das Bild einer archetypischen Noir-Kleinstadt, deren Geschicke durch eine - zudem weibliche - Person gelenkt zu werden scheinen; sie trägt sogar die Familienbezeichnung jener hier seit Ewigkeiten ansäßigen Gründerdynastie. Doch wie viele Namen mit vorgeblich gutem Klang ist auch dieser blutbefleckt und mit dem ansonsten ehrbaren Sam Masterson kehrt ausgerechnet der einzige Mensch in die Stadt zurück, der an Marthas Thron zu sägen vermag. Eine grandiose Ausgangslage für einen Film wie diesen, der sich in wunderbar campigen Dialogen und in einer geradezu obszönen Langsamkeit und Laszivität ergeht, wie sie nur der film noir zu bieten hatte.

8/10

Lewis Milestone Kleinstadt film noir Nacht Robert Rossen


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THE FIRM (Alan Clarke/UK 1989)


"I need the buzz!"

The Firm ~ UK 1989
Directed By: Alan Clarke

Eigentlich hat Bex Bissell (Gary Oldman) alles, was ein junger, mittelständischer Familiengründer sich wünschen kann: Einen geregelten Job als Immobilienmakler, eine junge Frau (Lesley Manville), ein gesundes Baby, ein nettes Reihenhäuschen in einem Londoner Vorort, gute Freunde. Doch Bex und seine Clique gehen einem bizarren Hobby nach: Sie sind Hooligans, die die Spiele ihrer Amateurclubs dazu nutzen, sich mit der Konkurrenz Prügeleien bis aufs Blut zu liefern. Bex' größter Plan besteht darin, die drei lokalen Vereine zu vereinen und als eine Art Inselmacht zur kommenden EM in Deutschland zu reisen, um dort richtig Krawall zu machen. Doch dazu kommt es nicht, zumindest nicht mit Bex an der Spitze: Die Rivalität mit seinem Erzfeind Yeti (Philip Davis) eskaliert...

Wenn die Aggression die Überhand gewinnt: Dass Drogen-, Alkohol- und Spielsucht Familien und Existenzen zerstören, weiß man auch als Nichtbetroffener zur Genüge; dass jedoch das noch unbegreiflichere Dasein als Hooligan sich in einem Ausmaß verselbstzuständigen vermag, dass es eine Kleinfamilie sprengt, ist für szenefremde Pazifisten wie meinereiner nur schwerlich vorstellbar. Umso intensiver die Erfahrung von Clarkes letztem Film: Der zur Darstellung von Soziopathen geborene Gary Oldman gibt den anfamgs noch gelassen erscheinenden Familienvater, der es scheinbar akzeptiert, dass man seinen Kleinwagen mit Sprühfarbe verschandelt. Tatsächlich aber ist damit der Keim für seinen eigenen Untergang gesät: Fortan nimmt nichts mehr von Bex' Aufmerksamkeit in Anspruch als seine umfassende Rache. Es wird organisiert wie bei einem Kleinkrieg: Schlachtfelder und Termine werden ausgemacht, Waffen mit durchaus tödlicher Wirkung besorgt, neue Rekruten scharfgemacht. Dass seine kleine Tochter sich durch seine Schuld schwer verletzt, nimmt Bex gar nicht mehr richtig wahr. Am Ende erwartet ihn das einzig mögliche Resultat einer immer weiter eskalierenden Gewaltspirale, denn auch die Konkurrenz ist nicht untätig...
Die größte Stärke von "The Firm" liegt, wie bei Clarke üblich, in seinem unbestechlichen Realismus; alles mag sich jederzeit so abspielen wie hier dargestellt. Mit fast dokumentarischer Genauigkeit verfolgt der Film Bex' Weg in den selbstgeschaufelten Abgrund, der gerade deshalb so schwer fassbar scheint, weil nicht sein Körper oder Geist, sondern die Seele vergiftet ist.

8/10

Alan Clarke Subkultur Familie TV-Film England Hooligan


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MADE IN BRITAIN (Alan Clarke/UK 1982)


"Bollocks!"

Made In Britain ~ UK 1982
Directed By: Alan Clarke

Trevor (Tim Roth) ist ein Nazi-Skin der denkbar schlimmsten Sorte: Er ist überaus intelligent und nutzt die Subkultur nicht aus verqueren politischen Ansichten heraus, sondern als Möglichkeit, seinem unendlichen Frust Gestalt zu verleihen. Trevor ist unendlich renitent, respektiert keinerlei Autorität und akzeptiert seinen vorgezeichneten Weg in Arbeitslosigkeit und Kriminalität mit lauthalsem Protest.

Clarkes kurzer TV-Film ist, ähnlich wie der von der BBC abgesetzte Borstal-Panorama "Scum", ein hoffnungsloses, dafür jedoch umso aufrüttelnderes Porträt fehlgeleiteter Aggression bei Jugendlichen in der Ära Thatcher. Das Nazi-Skin-Gewese beginnt in den frühen Achtzigern im Angesicht von Arbeitslosigkeit und Einwanderern aus den ehemaligen Kolonien, die sich auf der Insel rasch neue Existenzen in Form kleiner Läden aufbauen, zu florieren. Trevor ist dabei einer der hoffnungslosesten Sorte: Seine Wut sitzt so tief, dass niemand sie bei der Wurzel packen kann, sein Hass und seine Ablehnung sind nicht voirgeschoben, sondern Charakterzüge. Wenn die Konfrontation ihn nicht findet, dann sucht er sie sich. Mit Sympathiebekundungen, ob authentisch oder geheuchelt, kommt man nicht weiter. Bei Trevor hätte selbst Robin Williams keine Chance gehabt. Wenn solche tickenden Zeitbomben die zukünftigen Geschicke Englands bestimmen, dies suggeriert "Made In Britain" unmissverständlich, dann muss man konkret Angst um sie haben.

8/10

Alan Clarke Subkultur Skinhead England Teenager TV-Film


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LAWLESS (John Hillcoat/USA 2012)


"I'm a Bondurant. We don't lay down for nobody."

Lawless ~ USA 2012
Directed By: John Hillcoat

Zu Beginn der dreißiger Jahre verdienen sich die drei Bondurant-Brüder Forrest (Tom Hardy), Jack (Shia LeBoeuf) und Howard (Jason Clarke) eine gute Stange Geld mit illegaler Schnapsbrennerei. Mit der Verankerung der Prohibitionsgesetze ist es jedoch vorbei mit der Gemütlichkeit im ländlichen Virginia: Plötzlich strömen aus den Städten Gangsterbosse wie Floyd Banner (Gary Oldman) und korrupte Cops wie Deputy Rakes (Guy Pearce) in die Provinz, die auf Kosten der hart arbeitenden Moonshiner ihren Reibach machen wollen. Die Bondurants jedoch wappnen sich für den Krieg mit harten Bandagen, komme, was da wolle.

Wer den spröden Erzählstil des Australiers John Hillcoat und seine latente, stets unterschwellig präsente Verankerung im klassischen US-Western mag, der sollte auch bei "Lawless" auf seine Kosten kommen. Hier behauen Hillcoat und sein Spezi und Autor, der Musiker Nick Cave, ein authentisches Kapitel jüngerer amerikanischer Geschichte, nämlich das der Prohibitionsära, die unter anderem in Franklin County, Virginia abseits von Chicago auch provinzielle Auswüchse trieb. Das 'Bootlegging' oder 'Moonshining' bot dort eine traditionelle, wenn auch anrüchige Art, der Depression entgegenzustrampeln und sich illegal einen fixen Dollar zu verdienen. Da die drei Bondurant-Brüder irgendwann zu groß und damit sowohl Gesetzestreuen als auch Gesetzlosen ein Dorn im Auge werden, kommt es für sie bald zu zunehmend gewalttätigen Scherereien. Ähnlich wie Michael Mann in "Public Enemies" erzählt "Lawless" von einem sich zuspitzenden, historisch verankerten Konflikt in etwas dröger, geflissentlich unpassender DV-Optik. Da Hillcoat sich allerdings auf das vergleichsweise intime Interieur einer Kleinstadt beschränkt und weniger auf ausstatterischen Pomp, denn auf sorgfältige Lokalkolorit- und Figurenzeichnungen setzt, bekleidet sein Film trotz monetärer Beschränkungen einen ähnlich hohen Qualitätsstandard.

8/10

John Hillcoat period piece Historie Prohibition Great Depression Virginia Südstaaten Bootlegging Nick Cave Brüder Familie Alkohol


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ARGO (Ben Affleck/USA 2012)


"Argo fuck yourself."

Argo ~ USA 2012
Directed By: Ben Affleck

Teheran, 1979: Nachdem der todkranke Shah ins amerikanische Exil geflüchtet ist, überziehen Khomeinis fanatische Glaubensbrüder den Iran mit einer neuerlichen Welle des Terrors. Zu den Aktionen gehört auch die Erstürmung und anschließende Geiselnahme der US-Botschaft in der Hauptstadt. Sechs Mitarbeiter können jedoch rechtzeitig fliehen und sich nach Umwegen in der kanadischen Botschaft verstecken, die ständige Angst vor Entdeckung im Genick. Eine tollkühne Befreiungsaktion muss her; diese ersinnt der Spezialist Tony Mendez (Ben Affleck), indem er die Ankündigung einer angeblichen Hollywood-SciFi-Produktion namens "Argo" schaltet, in den Iran reist, sich als Produzent des Streifens ausgibt, die sechs Flüchtlinge mit falschen Pässen als weitere Stabsmitglieder ausstattet und sie so außer Landes schmuggelt.

Die "Argo"-Story ist dermaßen filmreif, dass man sich im Prinzip sehr wundern muss, warum sie erst jetzt in Angriff genommen wurde. Wie dem auch sei: Übersieht man geflissentlich das Hohelied, das Affleck auf die USA und die CIA anstimmt und mit dem die auch durch die Genannten begangen bzw. übersehenen Ungeheuerlichkeiten im Iran schlicht paraphrasiert werden, bleibt ein hervorragender Thriller, der besonders gegen Ende von nahezu unerträglicher Spannung gekrönt wird. Mit einem brillanten Auge für Zeitkolorit nutzt Affleck "Argo" nicht nur zur Wiedergabe der Ereignisse von Teheran, sondern auch als sanfte Hollywood-Satire. Die Filmmetropole, durcheinandergebracht von auteurism und einer irrwizigen Suche nach neuen, erfolgsversprechenden Stoffen durch die lahmgelegten Studiobosse, liegt ebenso brach wie ihr Wahrzeichen in den Hills. Dies war der einzige Zeitpunkt, zu dem eine solche Aktion wie sie Mendez durchführte, überhaupt nur ansatzweise möglich war. So ist "Argo" auch als temporäre Zustandsbeschreibung sehenswert - solange er sich auf amerikanischen Boden beschränkt. Mit Mendez' Einreise in den Iran geht allerdings dann auch die alttypische tendenziös-populistische Berichterstattungsweise des US-Films einher. Damit lässt sich, unter Bewahrung eines Bruchteils kritischer Blickwinkel, leben - wenn der Rest so stimmungsvoll daherkommt wie in diesem Fall. Außerdem gibt es eine kleine, aber feine Einspieler-Auswahl großartiger kontemporärer Songs.

8/10

Ben Affleck period piece Historie Iran Film im Film Hollywood CIA Best Picture


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RAID ON ENTEBBE (Irvin Kershner/USA 1976)


"Shalom! Shalom!"

Raid On Entebbe (...die keine Gnade kennen) ~ USA 1976
Directed By: Irvin Kershner

Am 27. Juni 1976 entführt eine Handvoll Terroristen unter der Führung des Deutschen Wilfried Böse (Horst Buchholz) eine Air-France-Maschine, die von Athen über Tel Aviv nach Paris fliegen soll und leiten sie um bis nach Uganda, wo Staatschef und Diktator Idi Amin (Yaphet Kotto) Hijackern und Geiseln am Flughafen Entebbe Unterschlupf gewährt. Die Terroristen verlangen die Freilassung von über 50 inhaftierten Gesinnungsgenossen, ansonsten drohen sie mit der Ermordung der zahlreichen jüdischen Geiseln. Idi Amin inszeniert sich derweil medienwirksam als Verhandlungspartner, der die Freilassung der nichtjüdischen Gefangenen erwirkt, sich zugleich jedoch auf die Seite der palästinensischen Entführer schlägt. Derweil fällt Premierminister Ytzhak Rabin (Peter Finch) die verzweifelte Entscheidung zur Genehmigung der 'Operation Thunderbolt': ein Geheimkommando unter Führung des Offiziers Shomron (Charles Bronson) soll die noch verbliebenen Geiseln in einer Nacht- und Nebel-Aktion befreien und nach Israel bringen.

Ende 1976 entstanden nahezu parallel zwei TV-Filme über die 'Operation Entebbe', in direkter Folge der aus jüdischer Sicht geglückten Geiselbefreiung von Uganda, beide umfangreich starbesetzt und medienwirksam produziert. Als Zeit- und Kulturdokument von hohem Interesse ist in jedem Falle dieser Beitrag, den Irvin Kershner für Fox-TV inszenierte. Der andere, "Victory At Entebbe" von Marvin J. Chomsky, startete etwa einen Monat früher und ist mir leider bis dato unbekannt. 1977 wurden beide Filme im hiesigen Kino lanciert.
Als US-Produktion rückt "Raid On Entebbe" erwartungsgemäß die israelische Perspektive in sein Zentrum; Ytzhak Rabin, verzweifelt angesichts der Situation, muss Gewissensentscheidungen treffen, deren internationale politische Ausmaße sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch in nebulöser Ferne befinden. Kershners Film interessieren diese faktisch ebensowenig. Es geht ihm um die minutiös gestaltete Aufarbeitung der Umstände vor Ort und in der Machtzentrale, wobei einige zentrale Charaktere, die natürlich von bekannten Gesichtern repräsentiert werden, Anhaltspunkte im Wirrwarr bieten. Martin Balsam als tapferer jüdischer Familienvater wiederholte jene Rolle nochmal in Menahem Golans "Delta Force", wie überhaupt zwischen den Filmen auffällige Parallelen auf der Handlungsebene nachweisbar sind.
Die mittelbaren Folgen für primär Unbeteiligte an Rabins Aktion erwiesen sich in der Realität derweil als verheerend: Die in einem ugandischen Hospital befindliche Seniorin Dora Bloch wurde nach der Befreiung auf Befehl Idi Amins ermordet, ebenso wie mehrere hundert Kenianer im Zuge einer Vergeltungsaktion des Diktators, der damit die Hilfestellung Kenias für Israel rächte. Die Kontroversen um die Aktion Rabins dauern bis heute an und schwanken zwischen einhelliger Begeisterung über den resoluten Aktionismus der Israelis und einer Verurteilung des in seiner Effektivität blind durchgeführten Befreiungsschlages.

6/10

Irvin Kershner TV-Film Historie Terrorismus Nahost-Konflikt Entebbe Uganda Kidnapping ethnics


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UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING (John Hyams/USA 2012)


"If you remenber it that way, it certainly was."

Universal Soldier: Day Of Reckoning ~ USA 2012
Directed By: John Hyams

Als der einstige Familienvater John (Scott Adkins) aus dem Koma erwacht, erinnert er sich lediglich daran, dass eine Gruppe maskierter Männer nächtens ihn und seine Familie überfallen und seine Frau (Michelle Jones) und kleine Tochter (Audrey P. Scott) ermordet haben. Der Kopf dieser Gewaltverbrecher war offenbar der Unisol Luc Deveraux (Jean-Claude Van Damme) und genau hinter ihm ist John nun her. Über Umwege und mit fast unmerklicher Hilfe von Regierungsagenten nimmt er die Spur von Deveraux auf: Dieser leitet offenbar in den Sümpfen Floridas ein geheimes Versteck, in dem er abtrünnige Unisols um sich schart, um ihnen einen freien Willen zurückzugeben...

Das filmische Äquivalent zu einem Kontrabass. Nach "Universal Soldier: Regeneration" kehrt Petersohn John Hyams erneut in das Universum der Zombie-Soldaten zurück, diesmal, indem er die subjektive Perspektive eines ihrer verbesserten Modelle einnimmt und diesen traurigen Part dem sich ganz gemächlich zum leuchtendsten Stern am DTV-Actionhimmel aufschwingenden Scott Adkins zuschustert. Gebt dem Mann endlich mehr stardom!
Die existenzialistische Subebene des Vorgängers wieder aufgreifend, fährt Hyams genau nach dessen unheilvollem Finale fort. Analog den Unisols hat sich nämlich natürlich auch die Wissenschaft weiterentwickelt. Jede der Kampfmaschinen ist nun beliebig replizierbar, das heißt, man hat es nun in keinster Weise mehr mit Individuen zu tun; selbst mit blind gehorsamen nicht, ab jetzt gibt es nur noch "Versionen". Für die Identifikationsebene zwischen Rezipient und Protagonist mutet dies zunächst schadhaft an, da er sich nicht darauf verlassen kann, ob seine Helden tatsächlich von ihrer geschichtlichen Tilgung gefährdet sind - allein Andrew Scott (Dolph Lundgren) dürfte mittlerweile in seiner mindestens ersten Reinkarnation antreten. Hyams konzeptueller Ansatz der Identitätsverlorenheit jedoch verarbeitet diesen Kniff in brillanter Form. Überhaupt die etlichen literarischen Verweise; von Mary Shelley über Joseph Conrad bis hin zu Philip K. Dick geht die Reise durch Hyams' Einflussbereiche. Der unglaubliche Andrei Arlovski ist auch wieder an Bord, diesmal mit dichtem Vollbart, und trotz Adkins' schwindeln machendem finishing move gehe ich jede Wette ein, dass der auch im nächsten Teil des sich längst verselbstständigenden Franchise wiederkehrt. Für Hyams, sofern er sein Interesse nicht gänzlich anderen Stoffen zuwendet, dürfte es, im Falle einer neuerlichen Zuwendung hin zur Unisol-Saga allerdings schwer werden, sich selbst nochmals zu übertreffen.

9/10

John Hyams Sequel Kunstmensch Militär Klone Florida


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DRIVING MISS DAISY (Bruce Beresford/USA 1989)


"You know your letters don't you?"

Driving Miss Daisy (Miss Daisy und ihr Chauffeur) ~ USA 1989
Directed By: Bruce Beresford

Atlanta, 1948: Die pensionierte Lehrerin Daisy Werthan (Jessica Tandy) schrottet eines schönen Tages ihren Chrysler. Für ihren Sohn Boolie (Dan Aykroyd), einen erfolgreichen Baumwollfabrikanten, Grund genug, ihr zusammen mit dem neuen Wagen einen Chauffeur aufs Auge zu drücken. Die starrköpfige jüdischstämmige Dame jedoch weigert sich, den farbigen Hoke Colburn (Morgan Freeman), einen zwar ungebildeten, dafür aber umso lebenserfahrenen Mann, als Fahrer zu akzeptieren. Hoke jedoch lernt seinerseits, welche Tasten er bei Miss Daisy anzuschlagen hat, um sich im Laufe der Zeit ihrer Sympathie zu versichern. Ihre kleinen Spleens lernt er zu akzeptieren, ebenso wie sie unmerklich Hokes leise Wahr- und Weisheiten zu schätzen beginnt.

Auch dies ein retrospektiv typischer "Oscar"-Gewinner, mir jedoch einer der liebsten der letzten dreißig Jahre. "Driving Miss Daisy" hat mich schon immer begeistern können, ganz einfach, weil er leises, kluges Entertainment feilbietet. Der Film ist zugleich auch eine schöne, unaufdringliche Reflexion über Klischees und Stereotypen, ihre Entstehung, ihr Wachsen und schließlich ihre Ablehnung, die manchmal auch bloß einer Form von Leugnung aus Selbstschutz gleichkommt. Der Blick durch die interkulturelle Brille via die Inszenierung einer im Grunde dearart erzamerikanischen Dramödie durch einen Australier tut dem Film nebenbei immens gut. Wie die meisten Academy-Lieblinge dieser Zeit trägt sich "Driving Miss Daisy" jedoch vor allem als fabulöses Schauspielerkino, das mich neben all seiner übrigen Multiperspektivik - er erzählt außer von alltäglichem Südstaaten-Rassismus auch von Freundschaft, mentaler Reife, einer typischen Mutter-Sohn-Beziehung und zeitlichem Wandel über die Dekaden - vor allem als gerontologische Studie begeistert.

9/10

Bruce Beresford Rassismus based on play Georgia Südstaaten Familie Senioren ethnics Freundschaft Best Picture


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RAIN MAN (Barry Levinson/USA 1988)


"I'm an excellent driver."

Rain Man ~ USA 1988
Directed By: Barry Levinson

Der windige Autoimporteur Charlie Babbitt (Tom Cruise) ist vor allem mit sich selbst beschäftigt. Als er eines Tages die Nachricht vom Ableben seines von ihm weithin ignorierten Vaters erhält, reist er ungerührt nach Ohio, um das beträchtliche Erbe in Empfang zu nehmen. Doch Pustekuchen; das Vermögen geht an einen Treuhänder mit Sitz in einem Heim für behinderte Menschen. Erbost erfährt Charlie vor Ort, dass er einen wesentlich älteren Bruder namens Raymond (Dustin Hoffman) hat, der hier wohnhaft ist und unter dem 'Autistic-Savant'-Syndrom leidet. Um an sein Geld zu kommen, nimmt Charlie Raymond kurzerhand mit nach Kalifornien. Dort will er eine Pflegeverfügung für Raymond erwirken. Die Reise sorgt jedoch unerwarteterweise dafür, dass sich nicht Charlies Geldbeutel öffnet, sondern seine Augen und sein Herz.

Vermutlich noch immer einer der stärksten Hollywood-Einträge zum Topos 'geistige Behinderung', aufrichtig philanthropisch und liebevoll im Umgang mit seinen Figuren, egal, was die Leute sagen. Tom Cruise, der ja nicht zuletzt aufgrund seines verqueren Privatlebens ein wandelndes Hassobjekt personifiziert, etabliert sich hierin als famoser Schauspieler, von Dustin Hoffman gar nicht zu reden. Für das Krankheitsbild des Autismus brach "Rain Man" seinerzeit eine Kerbe in der Öffentlichkeit frei, die zeigt, welchen gesellschaftlichen Impact Populärkultur zu evozieren vermag.
Andererseits ist es sicher auch leicht, den Film zu hassen, denn er ist bei seinem recht sensiblen Sujet auch äußerst glatt und, wie viele Road Movies, eine unterschwellig stolze Americana. Böse Zungen mögen ihm sogar Durchtriebenheit vorwerfen. Story, Regie, Darsteller und Darstellung sowie der emotionsträchtige Score zielen eindeutig darauf ab, Kritik und Publikum und Preise für sich zu gewinnen. Aber, herrje, dann soll es eben so sein. Ich jedenfalls bin der sicherlich unpopulären Ansicht, "Rain Man" verdient, was er sich erarbeitet hat.

8/10

Barry Levinson Behinderung Autismus Brüder Road Movie Las Vegas Kalifornien Ohio Best Picture


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TERMS OF ENDEARMENT (James L. Brooks/USA 1983)


"Some people say Des Moines is the best city in Iowa."

Terms Of Endearment (Zeit der Zärtlichkeit) ~ USA 1983
Directed By: James L. Brooks

Die hochmütige Texanerin Aurora Greenway (Shirley MacLaine) wird früh Witwe. Ihre einzige Tochter Emma (Debra Winger) betüttelt sie vom Säuglingsalter an; dennoch wird aus ihr eine selbstbewusste, junge Frau, die ihrer exzentrischen Mom durchaus die Stirn zu bieten weiß. Dennoch stellen sich Auroras Weisheiten zuweilen als treffend heraus, etwa, als sie Emma davon abrät, den fachlosen Dozenten Flap (Jeff Daniels) zu heiraten. Nachdem sie nach Des Moines gezogen sind, wo Flap eine neue Einstellung erhält, bekommen die beiden über die Jahre zwar drei Kinder, doch betrügt Flap Emma ohne mit der Wimper zu zucken. Im Gegenzug nimmt sie sich einen Bankangestellten (John Lithgow). Aurora beginnt derweil eine Affäre mit ihrem Nachbarn, dem gesetzten Astronauten und Lebemann Garrett Breedlove (Jack Nicholson). Als Emma unheilbar an Krebs erkrankt, heißt es für alle Beteiligten, Bilanz zu ziehen.

Man kann nicht leugnen, dass man "Terms Of Endearment" die Fernsehherkunft James L. Brooks' nicht ansähe, dafür ist er inszenatorisch dann doch einfach zu routiniert und zu bieder. Der Regisseur macht sich - so paradox es anmuten mag - bemerkbar, indem er sich nicht bemerkbar macht. Ob das positiv zu werten ist oder nicht, liegt wohl im Auge des Betrachters. Was den Film letztlich wirklich anhebt, sind sein vorzügliches, trotz des gegen Ende schwar dramatisch werdenden Sujets eine stete, sophistische Ironie wahrendes Script und seine noch exzellenteren Darsteller. Hier hat Hollywood aufgefahren, und zwar big time. MacLaine und Nicholson sind zum Niederknien. "Terms Of Endearment" ist auch schön als ein weiteres Texas-Manifest des Autors Larry McMurtry, der die in den Plot integrierten, anderen Mittelwest-Staaten mit dem Naserümpfen des verschworenen Lokalpatrioten beäugt, und als waschechter tear jerker, dem sich am Schluss bei aller probaten Gegenwehr wohl niemand entziehen kann.

8/10

James L. Brooks Texas Iowa Mutter & Tochter Krebs Ehe Familie period piece Larry McMurtry Best Picture





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