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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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IRON MAN 2 (Jon Favreau/USA 2010)


"I want my burd."

Iron Man 2 ~ USA 2010
Directed By: Jon Favreau

Nachdem der narzisstische Milliardär Tony Stark (Robert Downey jr.) seine Geheimidentität preisgegeben und sich als Mensch hinter der Maske des Superhelden Iron Man geoutet hat, sieht er sich mit diversen neuen Problemen konfrontiert. Der Rüstungsmagnat Justin Hammer (Sam Rockwell) will Starks Technologie, vorgeblich, um sie für die Verteidigung der USA zu benutzen, der Russe Ivan Vanko (Mickey Rourke) will sich an Tony für die vergangenen Sünden seines Vaters Howard Stark (John Slattery) rächen und kennt dabei kein Pardon, Tonys Herz hält der physischen Belastung, speziell jener bei den Iron-Man-Einsätzen, derweil kaum mehr Stand. Hinzu kommt das undurchsichtige Spiel durch den S.H.I.E.L.D.-Kopf Nick Fury (Samuel L. Jackson) und dessen Aghentin Natasha Romanoff aka Black Widow (Scarlett Johansson).

Ganz patenter Superhelden-Film, mehr als ordentlich gefertigt, mit kleinen Favreau-Macken wie der altmanscher Dialogüberlappung garniert, und, wenn man ehrlich ist, im Prinzip kaum mehr als ein neuerliches Präludium für den in zwei Jahren anstehenden "Avengers"-Film. Mehrere Figuren, die dafür wichtig sind, werden eingeführt bzw. bekommen eine größere Aktionsgewalt, darunter eben Black Widow und die bereits aus dem ersten Film bekannten War Machine und Nick Fury. Dass nach dem Abspann noch ein leckerer Appetizer für "Thor" gereicht wird, ist da bloß das ohnehin antizipierte Sahnehäubchen. Die Actionszenen krachen zwar adäquat, bleiben betreffs ihrer Quantität und Lauflänge aber dankenswerterweise überschaubar. Stattdessen stehen intensivierte Charakterzeichnung und ein wendungsreiches Wechselspiel im Vordergrund; die Beziehungsgeflechte zwischen Stark und seinem verstorbenen Vater einerseits und zwischen ihm und seiner höchst lebendigen Sekretärin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) andererseits bekommen jeweils neue Impulse. Schließlich kann Favreau nicht umhin, sich selbst ein paar Gags auf den Leib zu schreiben. Eine jeweilige Schau sind der hyperagierende Sam Rockwell sowie natürlich Mickey Rourke, dessen Figur im allgemeinen Wirrwarr leider nur unzureichenden Platz zugestanden bekommt und der, ähnlich wie die villains im letzten "Spider-Man"-Film, etwas profillos bleibt. Möge Wiplash irgendwann nochmal zurückkehren, dann aber mit viel mehr Wumms. Ansonsten harre ich freilich mit zunehmend feuchten Händen "Thor", "Captain America" und ganz besonders der "Avengers". Auf bald dann, wenn es endlich auf der Leinwand heißen soll: "Rächer sammeln!"

7/10

Superhelden Jon Favreau Comic Marvel Technokratie Iron Man


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ROBIN HOOD (Ridley Scott/USA, UK 2010)


"You're English?" - "When it suits me."

Robin Hood ~ USA/UK 2010
Directed By: Ridley Scott


Gegen Ende des 12. Jahrhunderts: Der Ritter Robin Longstride (Russell Crowe) kehrt im Gefolge Richard Löwenherz' (Danny Huston) vom Dritten Kreuzzug in Palästina zurück. Während der Belagerung einer französischen Burg kommt Richard ums Leben; später wird auch sein Botschafter Robert Loxley (Douglas Hodge) ermordet. Longstride nimmt Loxleys Identität an, um mit seinen Begleitern gefahrlos nach England überschiffen zu können. Daheim wird Richards Bruder John (Oscar Isaac) umgehend zum neuen König gekrönt, derweil die Adligen im Lande über die hohen Staatsabgaben jammern und gegen das Staatsoberhaupt zu revoltieren beginnen. Angesichts der von Frankreich herannahenden Armeen Philipps II benötigt der König jedoch jegliche Unterstützung und sichert den Dissidenten die Unterzeichnung einer Rechte garantierenden Charta zu. Nachdem die Franzosen unter entscheidender Beteiligung des mittlerweilec "offiziell" legitimierten "Ersatz-Loxley" zurückgeschlagen werden konnten, bricht John sein Versprechen und erklärt Robin offiziell zum Vogelfreien.

Mit dem streitbaren Anspruch, die historisch plausible Fassung einer Legende zu erzählen und diese somit zu entromantisieren ging Ridley Scott an dieses neuerliche Version der bereits dutzdenfach für das Kino aufbereiteten Mär um den titelspendenden Volkshelden Robin. Dass dabei viele ihrer beliebten, klassischen Bestandteile weichen mussten, steht bereits bei einer ersten rationalen Betrachtung außer Frage. Tatsächlich fielen Löwenherz' Gefangenschaft in Österreich und Robin Hoods Wirken im Sherwood Forest bei genauerer Betrachtung zeitlich nicht zusammen und auch die Mär von Robins Bekanntschaft mit seinem hünenhaften Busenfreund Little John (Kevin Durand) muss einer weitaus nüchterneren Betrachtung weichen. berhaupt spielen Robins Vasallen bei Scott eine sehr untergeordnete Rolle. Trösten kann/muss sich der wehmütig an Errol Flynn und Kevin Costner denkende Mittelalter-Romantiker damit, dass Scott ja im Prinzip nur von der Vorgeschichte des Mythos berichtet; tatsächlich endet seine Erzählung an dem Punkt, da Longstride/Loxley sich in die Wälder zurückziehen und sein berühmtes Outlaw-Dasein führen muss. Ob Scott jemeils eine Fortsetzung dreht, in der John ein Bogenschießen veranstaltet, zu dem Robin als Kesselflicker verkleidet erscheint, bleibt allerdings mehr als fraglich. Hier geht es weniger darum, Männer im grünen Wams durchs Unterholz hüpfen zu lassen, sondern um die kompromisslose Darstellung des grauen Mittelalters, politischer und gesellschaftlicher Ränke und die mögliche Identitätenbildung einer Sagengestalt. Auf diesen Gebieten punktet Scotts Film; hat man sich einmal damit abgefunden, dass der neue Robin Hood mit seinen früheren Inkarnationen (abgesehen vielleicht von der von Richard Lester aus den Siebzigern) nur wenig bis gar nichts mehr zu schaffen hat, mag man auch diese Perspektive der Dinge schätzen lernen. Da ich zweierlei an und in Film besonders liebe; nämlich sowohl ausufernd illustrierte Historizität als auch Ridley Scotts stets sorgfältige, penible Inszenierung; fiel mir das Aufbringen der erforderlichen Grade an Empathie und Sympathie nicht schwer. Kurz gesagt: Ich halte Scotts "Robin Hood", trotz einem gerade im Bereich monumentalen Kostümkinos gefährlichen Mangel an Emotionalität, für einen guten Film.

8/10

Kreuzzuege Robin Hood Ridley Scott England period piece Mittelalter Ritter Historie


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LOST COMMAND (Mark Robson/USA 1966)


"Well, what the hell can I do..."

Lost Command (Sie fürchten weder Tod noch Teufel) ~ USA 1966
Directed By: Mark Robson


Nach der desaströsen Niederlage von Dien Bien Phu kehren Colonel Raspeguy (Anthony Quinn) und sein Batallion von Fallschirmjägern nach Frankreich zurück. Die ersehnte Beförderung zum General bleibt dem sturköpfigen, bauernstämmigen Offizier weiterhin versagt, weswegen er sich einen baldigen Folgeeinsatz erhofft und findet: Raspeguy soll nach Algerien ziehen, um dort eine Gruppe Rekruten zu schleifen und den noch vereinzelt stehenden Separatisten entgegenzutreten. Ausgerechnet einer von Raspeguys eigenen Männern, Lt. Mahidi (George Segal), erweist sich als Guerilleraanführer, der diverse Anschläge gegen die Franzosen von den Bergen aus leitet. Pikanterweise verliebt sich zudem des Colonels rechte Hand, Capitan Esclavier (Alain Delon), ungewahr in Mahidis nicht minder radikale Schwester Aicha (Claudia Cardinale)...

Über den Algerienkrieg sind nur wenige bedeutsame Filme gemacht worden, in erster Instanz und unerreicht natürlich "La Battaglia Di Algeri". Robsons "Lost Command", im selben Jahr entstanden, dürfte so ziemlich das diametrale Gegenstück und als Basis einen gänzlich differerierenden Ansatz zu Pontecorvos Meisterwerk repräsentieren: Als buntes, stargespicktes Hollywoodkino hat er so wenig mit einer realitätsorientierten Darstellung der Ereignisse zu tun wie wohl jedes andere im silver age entstandene Monumentalstück auch.
Der Betrachtungsansatz muss also bereits a priori ein ganz anderer sein. Robson, der aus der Val-Lewton-Schule stammt und einige der schönsten Filme aus dessen RKO-Zyklus angefertigt hat, war stets ein immens wechselhafter Filmemacher. Von ebenjenen intimen kleinen Psychostudien in expressionistischem Schwarzweiß bis hin zu großem, teurem Katastrophenkino in den Siebzigern reicht seine Bilanz. "Lost Command" steht irgendwo unentschlossen dazwischen. Augenscheinlich bewusst enthält sich Robson des großen Pathos und betrachtet die zeigenössische Militärgeschichte des traditionellen Kolonialstaats Frankreich aus einer an sich gesunden Distanz heraus (und, wie die überaus libenswerte letzte Einstellung beweist, einem deutlichen Sympathieüberhang für die Algerier). Für eine runde Filmdramaturgie ist diese emotionale Askese allerdings nur bedingt förderlich; "Lost Command" wirkt über weite Strecken unbeteiligt und unpersönlich. Dass er darüberhinaus jedoch nicht langweilt, ist vor allem Anthony Quinns wie immer unglaublicher Präsenz zu verdanken, der wie so oft nicht nur ganze Szenen dominiert, sondern sogar den gesamten Film in seiner Hand zu halten scheint. Allein seine Darstellung macht "Lost Command", abseits von dessen technischer und formaler Strenge, bereits sehenswert.

7/10

Mark Robson Kolonialismus Indochinakrieg Algerienkrieg


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TANGO & CASH (Andrej Konchalovskij/USA 1989)


"I believe in Perestroika!" - "Welcome to America."

Tango & Cash ~ USA 1989
Directed By: Andrej Konchalovskij


Um die beiden emsigen, wenn auch sehr gegensätzlichen Polizisten Ray Tango (Sylvester Stallone) und Gabe Cash (Kurt Russell), der eine ein geschniegelter Yuppie mit Börsenambitionen, der andere ein waschechter Prolet vor dem Herrn, loszuwerden (ohne sie gleich "zu Märtyrern zu machen") sorgt Gangsterboss Perret (Jack Palance) dafür, dass sie zunächst unschuldig im Gefängnis landen, um sie dann später von den Insassen abservieren zu lassen. Doch die zwei Haudegen sind schneller wieder draußen als Perret lieb ist und stürmen im Duett Perrets Wüstenfestung.

Es gibt nur einen Weg, wie man "Tango & Cash" halbwegs verdaulich genießen kann - man muss ihn als reine Satire begreifen. Der Film spitzt die Genreentwicklung des vorangegangenen Jahrzehnts so zu, dass er im Gegenzug nicht mehr als ein bloßer Scherenschnitt bleibt: Sämtliche der auftretenden Figuren sind nichts anderes als ihre eigenen, stilisierten Ikonografien; vom Heldengespann über seine Alliierten bis hin zum Bösewicht und dessen Handlangern ist jeder einzelne ein Abziehbild Dutzender bereits bekannter Prototypen. "Tango & Cash" legt dabei im Gegensatz zu den meisten seiner zeitgleich entstandenen Konkurrenzproduktionen auch nicht den geringsten Wert auf einen bloßen Hauch von Realitätsanbindung; alles ist rein comicesk und behauptet; - die Stadt bei Tag, das Gefängnis bei Nacht, die Räume und Appartments, Büros und Clubs, schließlich die Festung von Jack Palance und schließlich Michael J. Pollards waffenstarrender Straßenpanzer, der bei der Erstürmung derselben hilft, derweil der Oberboss vor seinen Beobachtungsmonitoren herumhampelt und -zetert wie weiland Herbert Lom als Inspector Dreyfus oder Christopher Lee als Fu-Manchu. Den Gipfel des Nonsens erreicht der Film schließlich in der Wiedergabe des Dialogscripts - falls von einem solchen überhaupt gesprochen werden kann. Es gibt tatsächlich nicht eine Person im gesamten Film, die mehr als einen normalen Satz zustande bringt; die verbale Kommunikation spielt sich ausschließlich über an Markanz wie an Lächerlichkeit kaum zu überbietende Sprüche ab, die das dem Genre zugrunde liegende machismo bis zur letzten Instanz karikieren und im Prinzip der Lächerlichkeit preisgeben. Dazu dudelt permanent - wie passend - ein von Harold Faltermeyer nur unwesentlich variierter "Axel F." -Score.
Die Produktionsgeschichte des Films beweist, dass seine spür- und sichtbare Untentschiedenheit und Inhomogenität nicht von ungefähr kommt; das kostensprengende Budget hängen nicht zuletzt damit zusammen, dass diverse Mitarbeiter gefeuert und ersetzt wurden, darunter der aus einem beflisseneren Kino stammende Konchalovskij selbst und auch der dp Barry Sonnenfeld. Im besten Falle mag man "Tango & Cash" als einen subtilen Vorläufer von "The Last Action Hero" begreifen, im schlechtesten als hoffnungslos dämliches Manifest der Infantilie und Verrat an seiner eigenen Historie. Wie würden Sie entscheiden?

5/10

Andrej Konchalovskij Gefaengnis Buddy Movie Los Angeles


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KICK-ASS (Matthew Vaughn/USA, UK 2010)


"Good call, baby doll!"

Kick-Ass ~ USA/UK 2010
Directed By: Matthew Vaughn

Der Teenager, Außenseiter und Comicfan Dave Lizewski (Aaron Johnson) fragt sich, warum es im wahren Leben keine Superhelden gibt. Nach ein paar altersgemäßen Initialerlebnissen mit Bullys und Abzockern bestellt er sich einen Dress im Netz, um fortan als Vigilant 'Kick-Ass' auf Verbrecherjagd zu gehen. Seine erste Mission geht jedoch schwer in die Hose und endet mit diversen Knochenbrüchen sowie einer Stahlplatte im Schädel in Krankenhaus und Reha. Doch Dave gibt nicht auf, landet nach einem weiteren, erfolgreicheren Einsatz auf youtube und ist bald der Held der Generation Internet. Als er das wesentlich ernsthafter zur Tat schreitende Vater-Tochter-Gespann Big Daddy (Nicolas Cage) und Hit-Girl (Chloe Moretz) kennenlernt, wird Kick-Ass automatisch zu einem Dorn im Auge des Gangsterbosses Frank D'Amico (Mark Strong) und muss um sein Leben fürchten.

Nachdem der Vorlagenautor Mark Millar bereits in "Wanted" seinen Nerd-Phantasien freien Lauf gelassen hatte und einen erklärten Verlierer in supercoole Metawesenssphären aufsteigen ließ, transferierte er sein Konzept auf die Highschool-Ebene und ließ in "Kick-Ass" in etwa dasselbe Schicksal einem belächelten Schüler widerfahren, der weniger zum kostümierten Helden wird, weil er in diese Rolle gedrängt wird, oder gar um einem wie auch immer gearteten moralischen Kodex stattzugeben, sondern um eigene Probleme zu kompensieren. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Adaption geht, obschon durchaus gelungen, in etlichen Punkten wesentlich zimperlicher zu Werke als Millars Comic. Wo jenes seinen "Helden" nach sukzessiver Mythenkonstruktion wieder brutal demontiert und schließlich dorthin zurücksetzt, wo er angefangen hat, nämlich in den grauen(haften) Alltag, romantisiert Vaughn die Geschichte bis zur letzten Konsequenz, beschert Dave unter anderem eine Romanze mit seinem Traummädchen (Lyndsy Fonseca), lässt ihn am Ende als strahlenden Gewinner einer glorreichen Superheldenzukunft entgegensehen und ist damit im klassischen Sinne wesentlich 'comicesker' als das Comic selbst. Zudem steht Vaughn damit in direkter Tradition der Schwemme von Losergeschichten, die ja in jüngerer Zeit das Kino fluten und peu à peu auch - mal mehr, mal weniger erfolgreich - in den Genre-Bereich vordringen.
Bezeichnend weiterhin, wie sich speziell hierzuland zum einen die Ästhetikgrenzen und zum anderen die zensurbedingte Toleranzschwelle bezüglich Gewaltdarstellungen auf der Leinwand verschieben. Im Grunde ist "Kick-Ass" rein graphisch betrachtet nicht viel weniger gewalttätig als ein "Punisher: War Zone"; nur scheint ersteren die Einbettung in eine "teenage dream fantasy" nicht bloß a priori vor dem Index zu bewahren, sondern eine ungeschnittene 16er-Freigabe sogar absolut tolerabel zu machen. Und das, wo die meisten toten Gangster auf das blutgetränkte Konto einer Elfjährigen gehen. Da können Léon und seine Mathilda wahrlich einpacken.

7/10

Comic Vigilantismus Superhelden Matthew Vaughn New York Coming of Age Teenager


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THE EXPENDABLES (Sylvester Stallone/USA 2010)


"I need more money."

The Expendables ~ USA 2010
Directed By: Sylvester Stallone


Barney Ross (Sylvester Stallone) und seine Söldnertruppe nehmen einen Auftrag in dem lateinamerikanischen Kleinstaat Vilena an, bei dem es darum geht, swohl einen Diktator (David Zayas) als auch dessen "Berater", den Ex-CIA-Agenten und Drogendealer James Munroe (Eric Roberts) auszuschalten. Nach einer anfänglichen Sondierung der Situation entscheiden sich Ross und seine Männer zunächst gegen die Mission, lassen sich dann aber doch von "höherem" Gerechtigkeitsdenken umstimmen.

Den genreimmanenten Rang seiner "Rambo"-Revision erreicht Stallones "The Expendables" zwar in keiner Weise, auf eine sehr entspannte Art vermeidet er jedoch jedweden Anschein, dass ihm daran auch nur im Mindesten gelegen wäre. Im Gegenteil begreift sich der Film als nichts anderes denn als eine Revitalisierung des ordinären 80er-Actionkinos mit all seinen anachronistischen Vorzügen und vorprogrammierten Fehlern. Allerdings beschränkt sich jener Nostalgiefaktor auf atmosphärische Elemente; ästhetisch bleibt der vor Testosteronschüben berstende "The Expendables" stets auf Augenhöhe mit all den Modernismen, die der Actionfilm in jüngeren Jahren hervorgebracht und fest inventarisiert hat. Dass dieser heterogene Ansatz zur Gänze aufgeht liegt zum einen fraglos an der Flut von personellen und dramaturgischen Reminszenzen, die Stallone der von ihm damals entscheidend mitkreierten Epoche zuteil werden lässt und zum anderen an der wörtlichen Schwerelosigkeit, mit der hier unzählige gesichtsloser, antagonistischer Probanden ins Jenseits befördert werden, derweil Stallone/Ross nicht einen einzigen seiner Alliierten opfert und im Gegenteil den kurzfristigen Wankelmut eines seiner Männer mit Nachsicht bedenkt. Ein metaphorisches Bad in längst vergessen geglaubter, naiver Unschuld.

8/10

Sylvester Stallone Söldner Freundschaft car chase


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THE 'HUMAN' FACTOR (Edward Dmytryk/UK, I 1975)


"Oh noooo!"

The 'Human' Factor (Ein Mann rechnet ab) ~ UK/I 1975
Directed By: Edward Dmytryk


Der für die NATO in Neapel tätige Computerfachmann John Kinsdale (George Kennedy) wird aus heiterem Himmel mit dem Antlitz des Schreckens konfrontiert, als seine gesamte Familie eines Tages von Terroristen aufgesucht und ermordet wird. Wie sich herausstellt, sind die Kinsdales nur die ersten Opfer einer Kette von Anschlägen, die ausschließlich in Italien lebenden, amerikanischen Familien gilt. Kinsdale gibt sich äußerlich ruhig und gelassen, plant insgeheim jedoch längst das gezielte Ausfindigmachen und Töten der Attentäter.

George Kennedy, zur Entstehehungszeit des Films etwa fünfzig Jahre alt, verleiht dem Antlitz des Familienvaters, dem urplötzlich der Boden unter den Füßen fortgerissen wird, eine fast erschreckende Glaubwürdigkeit. Allzu schnell vergisst man, was für ein vielseitiger und hochklassiger Akteur der wegen seiner imposanten Statur besonders in späteren Karrierejahren so gern als Teddybär und hero's best friend missbrauchte Kennedy ist. Hier, als rächender Selbstjustizler, dessen innerer brodelnder Vulkan erst in den letzten Filmminuten unerbittlich zum Ausbruch gelangt, walzt er sich wie ein menschlicher Dreißigtonner durch ein pittoreskes Südeuropa, das mit seiner geballten, amerikanischen Wut weder rechnen kann, noch sie zu bremsen in der Lage ist. Es erweist sich als erfreulich und vor allem abwechslungsreich, zu sehen, dass ausnahmsweise einmal nicht der drahtige, klischierte Actionheros im Mittelpunkt steht, sondern der einstmals knuffige Typ von nebenan.
Dennoch bleibt festzuhalten: Für den großen Edward Dmytryk, der Hollywood nach dem Western "Alvarez Kelly" endgültig den Rücken zuwandte und fortan nurmehr in Europa tätig war, hätte man sich eine bravourösere Abschlussvorstellung gewünscht als diesen Vigilantenthriller. Andererseits hätte es auch noch sehr viel schlimmer kommen können. Insgesamt liegt Dmytryk mit "The 'Human' Factor" dann auch genau auf der Linie der anderen großen Regisseure des golden und silver age, die in den Siebzigern vor dem Zusammenbruch des tradierten Studiosystems kapitulierten.

6/10

Edward Dmytryk Rache Italien Terrorismus


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DAYBREAKERS (Michael Spierig, Peter Spierig/AU, USA 2009)


"It's not too late."

Daybreakers ~ AU/USA 2009
Directed By: Michael Spierig/Peter Spierig

Im Jahre 2019 sehen die mittlerweile die Welt beherrschenden Vampire sich mit einem empfindlichen Problem konfrontiert: Nahrungsmittelverknappung. Mittlerweile sind nur noch wenige Menschlein zum Aussaugen übrig und es drohen böse Hungerepidemien, die im schlimmsten Falle, nämlich dem des Kannibalismus, sogenannte 'Subsiders', eine Art instinktreduzierte Monstervampire, hervorbringen. Der für den Großindustriellen Charles Bromley (Sam Neill) tätige Hermatologe Edward Dalton (Ethan Hawke) forscht nach einem Blutersatz, bleibt jedoch erfolglos. Dafür entdeckt er mit Hilfe des wieder zum Menschen gewordenen Ex-Vampirs Cormac (Willem Dafoe) und der Untergrundkämpferin Audrey (Claudia Karvan) zwei andere Geheimnisse, von denen der zum Teil ebenfalls informierte, gierige Bromley zumindest eines unbedingt wohlbehütet wissen möchte, um seine Vormachtsstellung in der Welt der Vampire nicht zu gefährden...

Zwiespältige Angelegenheit. Zum einen geriert sich "Daybreakers" sicherlich als durchaus schick, gelackt und auch kurzweilig dazu, zum anderen aber ebenso als substanzlos und als insbesondere für die Weiterentwicklung des Vampirfilms vollkommen unbedeutender Beitrag, dessen prominente Besetzung vielleicht sogar ein paar Sekunden lang über die Tatsache hinwegzutäuschen vermag, dass sich hinter der groß aufgezogenen Fassade - aufrichtig gesprochen - kaum mehr denn ein Häuflein Nichts verbirgt. "Daybreakers", von den beiden "Undead"-Regisseuren und Aussie-Brüdern Spierig inszeniert, bedeutet für selbige sicherleich einen nicht unwesentlichen Karrieresprung; allerdings hätten sie zumindest versuchen sollen, den Hauch einer Eigennote in ihr Projekt einfließen zu lassen. Tatsächlich präsentiert das Resultat nichts anderes als ein Kollektiv aus Einflüssen und Inspirationen - böse Zungen bezeichnen sowas als Plagiatismus -, das Etliches von dem, was im Horror- und Actionfilm in den letzten Jahren 'innovativ' gerufen wurde, in sich vereint, wiederkäut und unpassend hochglänzend über sein Publikum auskotzt. Trotzdem habe ich mich großherzigerdings dazu entschieden, "Daybreakers" zumindest ein bisschen zu mögen und ihn bei Gelegenheit auch nochmals anzusehen - dann allerdings mit genau der geschmälerten Erwartungshaltung, die ihm tatsächlich zukommt.

5/10

Vampire Peter Spierig Michael Spierig Zukunft


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BROOKLYN'S FINEST (Antoine Fuqua/USA 2009)


"Just don't thank me. You even couldn't if I've had a second to think about what to do."

Brooklyn's Finest (Das Gesetz der Straße - Brooklyn's Finest) ~ USA 2009
Directed By: Antoine Fuqua


Drei Brooklyner Polizisten am Rande des Nervenzusammenbruchs: Der desillusionierte und einsame Eddie Dugan (Richard Gere) hat nur noch eine Woche bis zur Pensionierung und soll ausgerechnet jetzt noch einen potenziellen Nachfolger einarbeiten; Clarence Butler (Don Cheadle) arbeitet undercover um schneller befördert werden zu können und spürt langsam, dass er seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen ist; Sal Procida (Ethan Hawke) ist Vater einer stets weiterwachsenden Familie, die er dringend in einem größeren und sauberen Haus unterbringen möchte. Weil das Geld fehlt, kommt er auf dumme Gedanken...

Mit den schon vor einigen Dekaden von Altman installierten Mitteln des klassischen Ensemblefilms näherte sich Regisseur Fuqua dem Polizeidrama an und bewerkstelligte einen Genrefilm originärer Schule, wie er so ähnlich auch vor dreißig Jahren hätte entstehen können. Mit hartem Naturalismus und frei von jedweder Art der Auflockerung geht es Fuqua im Gegensatz zu seinen Urahnen Sidney Lumet oder Daniel Petrie weniger um das Aufzeigen eines innerlich faulenden, korrupten Systems sondern darum, Einzelschicksale und das zerstörerische Potenzial dieses vielbespuckten Knochenjobs dramaturgisch auszuloten. Dass dabei vor kleineren Klischees hier und da nicht unbedingt Halt gemacht wird, erschien mir vermschmerzbar angesichts der ansonsten durchaus packend erzählten und am Ende sogar vortrefflich montierten Drei-Ebenen--Plots. Ebenfalls positiv zu vermerken ist die vollmundige Brillanz, mit der sämtliche Akteure ihre Rollen ausfüllen. Besonders Wesley Snopes wäre es zu wünschen, dass er sich langsam wieder aus der DTV-Schiene emporarbeiten kann. Bei solcher Qualitätsarbeit wie in diesem Falle dürfte ihm das eigentlich nicht allzu schwer fallen.

8/10

Antoine Fuqua New York Ensemblefilm


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THE BOOK OF ELI (Albert Hughes, Allen Hughes/USA 2010)


"What was it like before?"

The Book Of Eli ~ USA 2010
Directed By: Albert Hughes/Allen Hughes


Dreißig Jahre, nachdem ein globaler Atomkrieg die Erdoberfläche verwüstet hat, regen sich hier und da wieder erste Ansätze zur Rezivilisierung. Der in Kampfeskünsten höchst versierte Wanderer Eli (Denzel Washington) pilgert, die womöglich letzte noch existente Bibel im Rucksack, Richtung Westküste, weil ihm eine innere Stimme einst den Auftrag dazu gegeben hat. In einer Wüstenkolonie begegnet er dem Autokraten Carnegie (Gary Oldman), der allenthalben seine marodierenden Killertrupps entsendet, um ihm eine Bibel zu suchen und zu bringen. Carnegie erhofft sich von dem darin Geschriebenen unerlässliche Unterstützung für sein demagogisches Werk. Als er feststellt, dass Eli tatsächlich im Besitz einer Heiligen Schrift ist, startet er eine gnadenlose Verfolgung.

Dafür, dass "The Book Of Eli" immerhin das erste Projekt der Hughes-Brüder seit rund neun Jahren und damit unmittelbarer Nachfolger der Moore-Adaption "From Hell" ist, erscheint er weit weniger spekatakulär als erwartet. Der Film steht in der seit längerem nicht mehr verfolgten Tradition der Postapokalypse-Einzelgänger-Filme und befleißigt sich wie diese einschlägiger Vorbilder, primär des Italowestern. Ein paar ganz reizende, ergänzende Ideen stecken durchaus darin; etwa, die, einen iPod als eine der letzten noch verbliebenen Kulturartefakte zu veräußern oder jene, Alcatraz als Hort der Ästhetik und Keimzelle der neuen Menschheit zu installieren.
Die unablässig vorgetragene christliche Konnotation des Films jedoch, die die Bibel völlig unkritisch zum ultimativen Zivilisationsstifter deklariert, ging mir doch derb gegen den Strich. Da der nukleare Holocaust diesmal (im Gegensatz zu früheren Variationen, in denen Energiekrise oder Kalter Krieg als Auslöser genannt wuden) offenbar auf einen Glaubenskrieg zurückgeht, wurden sämtliche religiösen Schriften verbrannt - was ich persönlich übrigens für eine durchaus im Bereich des Utopischen zu verankernde Vorstellung halte - und nur Denzel Washington, Messias, Auserwählter, emsiger Psalmen-Rezitator und Machetenschwinger, hat noch eine im Gepäck (und nicht nur dort). Wie er am Schluss, kahlgeschoren und weiß gewandet, endlich seine göttliche Mission erfüllt hat und selbst zum Heiligen verklärt wird, das ist schon ein, gelinde gesagt, starkes Stück. Als modisch-blass bebilderter, professionell gefertigter Actionfilm, der nach langer Pause endlich mal wieder in die Traditionskerbe des Endzeitspektakels schlägt, ist "The Book Of Eli" gut zu gebrauchen, als überkommenes Glaubenspamphlet kann er mir mal kreuzweise den Buckel runterrutschen. Glücklicherweise bin ich auf einem Ohr taub.

7/10

Apokalypse Hughes Brothers Religion Bibel Road Movie





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