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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TATORT - TOTE TAUBE IN DER BEETHOVENSTRAßE (Samuel Fuller/BRD 1973)


"Ich melde mich später wieder."

Tatort - Tote Taube in der Beethovenstraße ~ BRD 1973
Directed By: Samuel Fuller


In der Bonner Beethovenstraße wird ein amerikanischer Privatdetektiv erschossen. Der ebenfalls angeschossene Täter (Eric P.Caspar) kann kurz darauf aus der Untersuchungshaft entkommen. Zollfahnder Kressin (Sieghardt Rupp) wird eingeschaltet, den Fall zu übernehmen, doch auch er bleibt bald verletzt auf der Strecke. Sandy (Glenn Corbett), Freund und Kollege des anfänglich Ermordeten, springt ein. Er und sein Partner waren im Auftrage eines US-Senators (Sam Fuller) bereits seit längerem einer international agierenden Verbrecherorganisation auf der Spur, die hochgestellte politische Persönlichkeiten betäubt, um sie dann auf kompromittierenden Fotos abzulichten und hernach zu erpressen. Sandy macht mit dem aalglatten Mensur (Anton Diffring) den Kopf der Bande in Bonn ausfindig und gibt sich selbst als Amateurerpresser aus, um bei ihm einsteigen zu können. Kurz darauf verliebt sich Sandy in die ebenfalls involvierte Christa (Christa Lang).

Wenn Samuel Fuller einen "Tatort" inszeniert, dann steht zumindest ansatzweise Ungewöhnliches zu erwarten. Eine Kressin-Folge ist dies eigentlich bloß nominell; der kantige Sieghardt Rupp hat alles in allem etwa acht bis zehn Minuten Bildschirmzeit. Den eigentlichen Helden mimt Fuller-Veteran Glenn Corbett, ein veritabler Seventies-Schnauzbart-Held, der wunderbar in Italo-Western gepasst hätte, über einige Filme mit Andrew McLaglen jedoch nicht hinausgekommen ist. Ansonsten verdiente Corbett seine Brötchen mit Gastauftritten in nahezu jeder nennenswerten US-TV-Serie dieser Jahre. Dem bis dato erzdeutschen TV-Format "Tatort" verleiht Corbett jedoch einen gewissen internationalen Charme, wie auch das Engagement des seit vier Jahren untätigen Fuller für ein beträchtliches Potential an globaler Öffnung zu stehen scheint. Der abenteuerliche Erpresserplot passt zu den üblichen B-Movie-Storys, die man aus früheren Fuller-Krimis kennt. Was diesen Film erst zu etwas wirklich Besonderem und Kunstvollem macht, sind seine höchst eigene Montage, die in der erst kürzlich restaurierten Fassung noch etwas besser zur Geltung kommt, sowie natürlich der unbestechliche Blick eines internationalen Regiegenies auf rheinländische Urbanität, Kultur und Brauchtümer. Nicht umsonst bekommt Eric P. Caspar mit dem schönen Rollennamen "Charlie Umlaut" eine formidable Szene während des Kölner Karnevals.

8/10

Kressin Karneval TV-Film Tatort Bonn Koeln Samuel Fuller


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I AM A FUGITIVE FROM A CHAIN GANG (Mervyn LeRoy/USA 1932)


"How do you live?" - "I steal."

I Am A Fugitive From A Chain Gang (Jagd auf James A.) ~ USA 1932
Directed By: Mervyn LeRoy

Nach seiner Rückkehr als Soldat aus dem Ersten Weltkrieg will James Allen (Paul Muni) etwas mehr vom Leben als seinen alten Fließbandjob in der örtlichen Fabrik. Seine Streifzüge durch die Staaten sind jedoch nicht von Erfolg gekrönt; er wird im Süden sogar in einen Raubüberfall verwickelt und zu zehn Jahren als Kettenhäftling verurteilt. Der inhumane Strafvollzug jedoch macht ihm rasch klar: Die einzigen Alternativen lauten Flucht oder Tod. Nach einem erfolgreichen Ausbruch lässt sich James unter verändertem Namen in Chicago nieder und arbeitet sich mit den Jahren zum Vize-Vhef einer Brückenbau-Firma hoch, bis ihn seine gierige Ehefrau Linda (Noel Evans) an die Behörden verrät. Unter der Garantie, eine kurze Reststrafe abzusitzen, begibt sich der nunmehr respektierte Bürger James Allen erneut ins Gefängnis, nur um sich dann von der Justiz im Stich gelassen zu finden...

"I Am A Fugitive From A Chain Gang" formuliert deftige Sozialkritik in Reinkultur; ein ehrbarer Staatsbürger, ein Kriegsheld gar, wird zur persona non grata, weil er sich schlicht weigert, einen ihm vorgezeichneten Weg zu gehen. Damit nicht genug gerät ebenjener Mann ein zweites Mal in die Mühlen der Justiz wegen seiner konsequenten Weigerung, sich von einem repressiven System brechen zu lassen. Das ist für einen Studiofilm von 1932 recht harter Tobak und gibt bereits eine Linie vor, die mit Filmen wie "Fury", "You Only Live Once", "Grapes Of Wrath" und "The Ox-Bow Incident", die mehr oder weniger offene Kritik an Staat und Gesellschaft übten, fortgesetzt werden sollte, allerdings lediglich in Form einiger rarer Blitzlichter. LeRoys Film besteht darüber hinaus als ein aufrichtiges Plädoyer für Verzeihen und Pardon, für Einsicht und Menschlichkeit. Und Paul Muni in seiner zweiten großen Rolle nach "Scarface" ist exzellent als bis aufs Blut getriezter Veteran, dem angesichts der ihn umgebenden Ungerechtigkeiten die Fassung zu verlieren droht.

9/10

Mervyn LeRoy Chicago Gefängnis Flucht WWI


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DIRTY MARY, CRAZY LARRY (John Hough/USA 1974)


"I think I'm finally ready to unload."

Dirty Mary, Crazy Larry (Kesse Mary, irrer Larry) ~ USA 1974
Directed By: John Hough


Nachdem sie mithilfe eines perfiden Planes die Kasse eines Supermarkts geleert haben, fliehen der Ex-Rennfahrer Larry (Peter Fonda), seine Freundin Mary (Susan George) und Larrys frühere Mechaniker Deke (Adam Roarke) gen Süden. Die Polizei, allen voran der fanatische Captain Franklin (Vic Morrow) heftet sich umgehend an ihre Fersen, doch am Ende werden die drei nicht von der Staatsgewalt, die sie fortwährend überlisten können, eingeholt, sondern von der Gerechtigkeit des Schicksals.

Explodierende Träume: Besonders das Ende von Houghs wohl zu den tonangebenden Verfolgungsfilmen der Siebziger zählendem Actionstück sorgte für Furore. Es ist aber auch gemein: Man atmet mit dem einem ans Herz gewachsenen Trio auf, als es nach einer furiosen Verfolgungsjagd durch die Orangenhaine endlich die kalifornische Grenze überquert hat und dann... Aber dies ist weniger ein Film über moralische Diskurse, sondern über Straßen, Autos und Geschwindigkeit. Der wirklich wunderhübsche, hellgrüne Dodge Charger 69, gegen den Larry, Mary und deke ihren zuvor benutzten Chevy "eintauschen", steht sinnbildlich für die Spannungen innerhalb der kleinen Gruppe: Entweder muss das Auto, wenn es Streit gibt, in irgendeiner Form leiden oder eine Blessur am Wagen führt umgekehrt zu einem weiteren Konflikt. Ein Blechvehikel als heimliches Maß für gruppendynamische Prozesse - darauf muss man auch erstmal kommen.
Der offenbar schwer dem Koks zusprechende Fonda ist übrigens nicht mein persönlicher Held. Ich halte es mehr mit dem deutlich cooleren Adam Roarke, dem ich auch eine Liaison mit der offenherzigen Mary (die flotte Susan George ist für mich stets so etwas wie der personifizierte, feminine Inbegriff der sexuellen Revolution im Film) gegönnt hätte. Ansonsten ist dieser Hough um einiges gelungener als sein dröger, unmittelbar zuvor entstandener "Legend Of Hell House".

7/10

John Hough Road Movie car chase Heist Trio Couple on the Loose


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THE SAVAGE INNOCENTS (Nicholas Ray/UK, I, F 1960)


"This man is hungry."

The Savage Innocents (Im Land der langen Schatten) ~ UK/I/F 1960
Directed By: Nicholas Ray


Der erste Kontakt mit der sogenannten Zivilisation endet für den Eskimo Inuk (Anthony Quinn) in einer Katastrophe: Er erschlägt im Affekt einen Geistlichen (Marco Guglielmi), der die in den Augen der Inuit unverzeihliche Unverschämtheit besitzt, Inuks Angebot, mit seiner Frau (Yoko Tani) zu schlafen, abzulehnen. Was für das an das raue Naturleben gewöhnte Paar einen unglücklichen Zwischenfall darstellt, ist im Auge des weißen Gesetzes ein Kapitalverbrechen. Zwei Polizisten (Peter O'Toole, Carlo Giustini) jagen Inuk durch die Wildnis und verhaften ihn schließlich. Erst ein zäher Begreifensprozess führt dazu, dass Inuk nicht der Gerichtsbarkeit übergeben wird.

"Nicholas Ray ist das Kino" verkündete Godard einst und angesichts so herzzereißender Filme wie "Johnny Guitar" und auch "The Savage Innocents" ist man sehr geneigt, ihm dieses hochtrabende Postulat abzunehmen. Der culture clash zwischen der untechnisierten Welt der Inuit, die ein Kleinkalibergewehr für ein geradezu göttliches Wunder halten und dem okzidentalen Lebensstil, in der es nebenbei noch Flugzeuge, Bücher, Häuser, Musikboxen, Alkohol und, am schlimmsten, Gesetzbücher und Bibeln gibt, endet für die einfach, aber umso lebensbejahender gestrickten Menschen des Nordens in einem Meer des Zweifelns und der Verständnislosigkeit. Schnell wird Inuk und ganz besonders Asiak klar, dass die vermeintlichen Bequemlichkeiten und Verlockungen der Parallelwelt nichts anderes sind als Schwachmacher und korrumpierende Luxusartikel. Ray erzählt dieses berührende, zutiefst humanistische Märchen im Stile eines Bilderbuches für Kinder, lässt einen Off-Erzähler Wissenswertes über die arktische Hemisphäre verkünden und wirft zivilisationskritische Fragen auf, deren Immanenz sich wohl niemand entziehen kann, der diesen wunderbaren Film genossen hat.

9/10


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STILL OF THE NIGHT (Robert Benton/USA 1982)


"I bet you's like her."

Still Of The Night (In der Stille der Nacht) ~ USA 1982
Directed By: Robert Benton


Kurz nachdem George Bynum (Josef Sommer), einer der Patienten des Psychiaters Dr. Sam Rice (Roy Scheider), ermordet wurde, wird in dessen Praxis eine junge Dame namens Brooke Reynolds (Meryl Streep) vorstellig. Jene stellt sich als Arbeitskollegin und ehemalige Geliebte von Bynum aus und steht ferner unter vordringlichem Tatverdacht. Der von Brooke faszinierte Rice mag jedoch nicht an Brookes Schuld glauben und stellt auf eigene Faust Ermittlungen an, die ihn in einen Strudel des Zweifelns stoßen.

Die amour fou mit einem mordverdächtigen Part - ein mehr als ausgewalztes Motiv des amerikanischen Hochglanz-Thrillers der 80er und 90er Jahre, mal halbwegs ausgereift kredenzt, mal schludrig hingerotzt. Robert Bentons recht frühe Variante gehört, wie man angesichts des Regisseurs und seiner Darsteller freilich erwarten kann, zu den besseren. Dazu tragen vor allem zwei Faktoren bei: Die ernsthaft und fachgerecht in den Plot integrierte Psychoanalyse, die letzten Endes zur Demaskierung der wahren Täterin verhilft und ein Einblick in das faszinierende Milieu der New Yorker Kunstauktionen. Solch kluge und schwungvoll inszenierte Sequenzen machen einfach viel Freude und "Still Of The Night" zu gediegenem Entertainment. So etwas wie Nachhaltigkeit sollte man von dem Film allerdings nicht erwarten, dazu ist er insgesamt betrachtet schlicht zu unspektakulär und auch zu beliebig in der Wahl seiner Mittel.

6/10

Robert Benton amour fou Psychiatrie New York


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PICKUP ON SOUTH STREET (Samuel Fuller/USA 1953)


"I'm just a guy keeping my hands in my own pockets."

Pickup On South Street (Polizei greift ein) ~ USA 1953
Directed By: Samuel Fuller


Der erst kürzlich aus dem Knast entlassene Taschendieb Skip McCoy (Richard Widmark) beklaut in der U-Bahn die unwissend als Botin für kommunistische Agenten tätige Candy (Jean Peters), die in ihrer Börse einen Mikrofilm mit einer brisanten Atomwaffen-Formel mit sich trägt. Candy ihrerseits wird von FBI-Leuten beschattet, die Skip jedoch nicht rechtzeitig erwischen. Als der windige Gauner erfährt, welch wertvolles Gut er in Händen hält, beschließt er, dessen Zielgruppe zu erpressen - mit immenser Gefahr für Leib und Leben.

Die erste von zwei aufeinander folgenden Fuller-Arbeiten mit Richard Widmark, ein zynischer, kleiner film noir, der seinen Hauptdarsteller von einer wenig angenehmen Seite zeigt. Auch wenn Skip McCoy die Ehrgrundsätze der Straßengauner nie ganz vergisst, so ist er doch kaum der Typ, dem man gern über den Weg traute. Seiner zukünftigen Freundin, die, auch das gehört zu Fullers Weltbild, von Skips mitunter brutaler Art nicht wenig angezogen ist, verpasst er einen gezielten Haken im Dunkeln, amüsiert sich, als er feststellt, dass er eine Frau ausgeknockt hat und weckt sie auf, indem er ihr grinsend eine Bierneige übers Gesicht kippt. Und das ist der Held der Geschichte! Soviel Kaltschnäuzigkeit war im Kino von 1953 keine Selbstverständlichkeit. Die humanitäre Wärme weht aus anderer Richtung, nämlich von der wie stets wunderbaren Thelma Ritter her, die als Polypenspitzel Moe Williams eine rührend-authentische Vorstellung gibt.
Was das Thema der kommunistischen Verschwörung auf US-Boden anbelangt, so mag man es als Zeitzeichen abtun, das bestenfalls von kulturhistorischem Interesse ist. Letzten Endes ist die für diese Zeit nicht unübliche Sinnentstellung in der deutschen Fassung, die aus den "Roten" Rauschgiftgangster macht, höchstens insofern von Belang, als dass die opportunistische Haltung von Skip McCoy eine deutlich abgeschwächte Note erhält. Ansonsten bleibt "Pickup" selbst in dieser bizarren Form noch eine kleine Pflichtveranstaltung.

8/10

Hafen New York Verschwoerung film noir Samuel Fuller Taschendiebstahl Kalter Krieg Spionage


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A SCREAM IN THE STREETS (Carl Monson/USA 1973)


"Women... I hate them all!"

A Scream In The Streets (Der Schlächter) ~ USA 1973
Directed By: Carl Monson


Ein in Frauenkleidern umherziehender Serienkiller macht ein Kleinstädtchen unsicher, bis die beiden dauernd zu ähnlichen Sexialdelikten gerufenen Detectives Haskell (John Kirkpatric) und Streeker (Frank Bannon) ihn dingfest machen können.

Wie ich gemerkt habe, zumindest momentan nicht meine Art Film. "A Screeam In The Streets" bietet vervollkommneten Sleaze aus der Werkstatt des Billiproduzenten Harry Novak mit mehr oder weniger verhohlenen, teils ellenlang ausgespieltenen und entsprechend langweiligen Porno-Anleihen, ist dabei jedoch nahezu völlig unblutig. Als auch nur halbwegs akzeptabler Beitrag zum Serienkiller-Subgenre schlägt das Teil lang hin, die dümmlichen bis sinnentleerten Dialoge (die zumindest in der noch schmierigeren deutschen Fassung gehöt werden sollten) verlieren spätestens nach einer Dreiviertelstunde ihr spärliches Amüsier-Potenzial (zumindest so man nüchtern ist) und man wünscht sich irgendwann einfach nur das Ende herbei, das dann auch so ziemlich den Gipfel der Doofheit darstellt.
Nee, solche barbarischen Kulturzeugnisse allseitigen Unvermögens sind mehr was für die Schulferien, wo man Zeit hat, sich ohnehin jeden Klopps anzutun. Heuer empfand ich "A Scream In The Streets" leider bloß als durchdringend infame Zelluloid-Frechheit sowie als kardinalen Zeitraub.

2/10

Harry Novak Carl Moron Exploitation Trash Independent Madness Serienmord Travestie


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THEY LIVE BY NIGHT (Nicholas Ray/USA 1948)


"I won't sell you hope when there ain't any."

They Live By Night (Sie leben bei Nacht) ~ USA 1949
Directed By: Nicholas Ray


Der junge Bankräuber Bowie (Farley Granger) arbeitet im Verbund mit den beiden alten Hasen Chickamaw (Howard Da Silva) und T-Dub (Jay C. Flippen). Als Bowie die nette Farmerstochter Keechie (Cathy O'Donnell) kennenlernt, brennt er, nachdem er bei einem erneuten Bruch schwer verwundet und von Keechie gesundgepflegt wird, mit ihr durch. Unterwegs heiraten die beiden und verstecken sich dann in einem Wochenendchalet in den Bergen. Doch Chickamaw macht sie ausfindig und nötigt Bowie zu einem weiteren "Ding", das für die beiden alternden Gangster den Tod bedeutet. Die mittlerweile schwangere Cathy versteckt Bowie im Motel einer alten Bekannten (Helen Craig), die das junge Paar an die Polizei verrät, um Straferlass für ihren eigenen Mann zu bekommen.

Poetisch-pessimistischer Film noir von Nicholas Ray und erste Adaption des eigentlich in der Depressionszeit angesiedelten Krimis "Thieves Like Us" von Edward Anderson. Gleich mit diesem Frühwerk gelang Ray eine meisterhafte Arbeit: Ray scheint jeglichen Naturalismus, jeglichen grellen Effekt und überhaupt jede Form der Vordergründigkeit ganz bewusst abzulehnen und konzentriert sich ganz auf die von vornherein zum Scheitern prädestinierte Liebesgeschichte seines Protahonistenpaars. Farley Granger besitzt dabei aber auch rein gar nichts von dem mysteriösen, aggressiven Zauber, der all die klassischen Gangster-Darsteller von Robinson bis Bogart einrahmte. Er ist eher - wie eigentlich stets in seinen damaligen Rollen - das verschüchterte, sich unterordnende Jüngelchen, ein Stücklein Holz in der Brandung, unfähig zur Gegenwehr und daher stets an der Schwelle zum Abgrund.
Ray scheint speziell mit diesem Werk die perfekte Vorlage für die Autoren-Theorie zu liefern; er gibt sich ganz als Metteuer en scène, hebt die Inszenierung deutlich von den Reizen seines Films ab und schafft damit eine höchst spezifische, so lyrische wie melancholische Stimmung, wie sie mir in sonst keinem anderen Noir-Stück begegnet ist.

10/10

Nicholas Ray amour fou Flucht film noir Couple on the Loose


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DARK PASSAGE (Demer Daves/USA 1947)


"You'd be insane to follow me. "

Dark Passage (Die schwarze Natter) ~ USA 1947
Directed By: Delmer Daves


Vincent Parry (Humphrey Bogart), angeblicher Mörder an seiner Ehefrau, der tatsächlich zu Unrecht verurteilt wurde, flieht aus San Quentin, um seine Unschuld zu beweisen. Vor San Francisco stößt er auf die junge Künstlerin Irene (Lauren Bacall), die ihm über die Runden hilft. Um Zeit zu gewinnen, lässt Parry sich von einem im Untergrund tätigen Chirurgen (Houseley Stevenson) das Gesicht verändern. Dies feit ihn jedoch nicht vor allzu neugierigen Polizisten und einem gierigen, kleinen Erpresser (Clifton Young). Schließlich muss Parry, nachdem er die wahre Schuldige (Agnes Moorehead) ausfindig gemacht hat, nach Peru fliehen, wohin ihm Irene, eine glückliche Zukunft zu zweit im Blick, alsbald folgt.

"Dark Passage" brachte manches Novum mit sich ins Kino: Nicht nur, dass Daves mit einer neuartigen, kleinformatigen Handicam arbeitete, um während des ersten Filmdrittels Parrys subjektive Perspektive zu visualisieren (ein mittlerweile etwas possierlich wirkendes, nichtsdestotrotz interessantes Experiment), er wurde zudem on location in San Francisco gefilmt, was für die damals noch vornehmlich im Atelier arbeitenden Studios eine durchaus ungewöhnliche Maßnahme bedeutete. Immerhin sind diese beiden Faktoren in der Hauptsache dafür verantwortlich, dass "Dark Passage" ein recht frisches, ungewöhnliches Aussehen verbuchen kann - allerdings hatte die Konstruktion der Story gleichsam zur Folge, dass man Bogarts Antlitz erst nach etwa einer Stunde zu sehen bekommt.
Die Kriminalgeschichte um Parrys unschuldige Verurteilung sowie um eine pathologisch eifersüchtige Irre, die tatsächlich für die Parry zur Last gelegten Verbrechen verantwortlich ist, wirkt derweil wie bloßes Beiwerk, zuweilen wie Ballast gar, der die deutlich spannendere Story um den verfolgten Mann mit neuem Gesicht eher ausbremst denn sie zuzuspitzen.

8/10

San Francisco Nacht Delmer Daves film noir


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GILDA (Charles Vidor/USA 1946)


"Statistics show that there are more women in the world than anything else. Except insects."

Gilda ~ USA 1946
Directed By: Charles Vidor


Der abgehalfterte Zocker Johnny Farrell (Glenn Ford) kommt nach Buenos Aires, wo ihm der Casino-Besitzer Ballin Mundson (George Macready) prompt das Leben rettet. Johnny wird Macreadys rechte Hand und leitet für ihn seinen Club, bis Macready ihm seine neue Frau Gilda (Rita Hayworth) vorstellt. Gilda und Johnny kennen sich noch von früher und haben sich keinesfalls vergessen. Eine Affäre um deutsche Wolfram-Konzessionen wird Macready schließlich zum Verhängnis und er täuscht seinen Selbstmord vor. Johnny und Gilda treiben nach Macreadys vermeintlichem Tod ein obskures Katz-und-Maus-Spiel. Erst Macreadys unerwartetes Wiedererscheinen bringt sie endgültig zusammen.

Vidors eigenartiger, nicht minder bezaubernder Romantikkrimi trieb die filmische Erotik in den Vierzigern um ein gutes Pfund nach vorn. Wenngleich die Zuschauer nahezu eineinhalb Stunden warten mussten bis zu jener, umgehend zur Legende avancierten Szene, in der die Hayworth "Put The Blame on Mame, Boys" haucht, dabei ihre langen Samthandschuhe abstreift und sich danach, um Glenn Ford zu brüskieren, von der johlenden Menge komplett ausziehen lassen will: Das war und ist sogar noch heute brandheißer Stoff. Die Kriminalgeschichte von "Gilda" indes degradiert zur puren Nebensache; ein eigenartiges "Konsortium" fast hanebüchen scheinender Wirtschafts- und Agenten-Spekulativa. So, wie Macreadys Figur zur Gänze eigentlich bloß einen personifizierten MacGuffin darstellt, der Hayworth und Ford als unbequemer Felsbrocken im Wege liegt und den es fachgerecht zu entsorgen gilt, um zum gemeinsamen Glück zu gelangen. Wobei, ob selbst nach dem Finale tatsächlich von "Glück" im klassischen Wortsinne die Rede sein kann, muss offenbleiben. Diese seltsame, von wechselseitig sadomasochistischen Tendenzen gefütterte Hassliebe könnte ihre Teilhaber auch ebenso gut in den Wahnsinn treiben. Auf ihre ganz spezielle Weise werden sie im Hollywood-Orkus aber sicherlich Befriedigung erlangt haben.

9/10

film noir femme fatale Buenos Aires Charles Vidor Casino amour fou





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Funxton

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