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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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FREAKS (Tod Browning/USA 1932)


"Gooble-gobble, gooble-gobble!"

Freaks ~ USA 1932
Directed By: Tod Browning


Der zwergenwüchsige Artist Hans (Harry Earles) aus dem Sideshow-Zirkus der Madame Tetrallini (Rose Dione) verliebt sich zur großen Enttäuschung seiner Verlobten Frieda (Daisy Earles) in die normalgroße Seilakrobatin Cleopatra (Olga Baclanova). Diese, eine zutiefst gierige und boshafte Person, macht sich einen Spaß daraus, die wertvollen Geschenke des vor Liebe blinden Hans anzunehmen und sich dabei vor der ganzen Zirkusgesellschaft über ihn lustig zu machen. Als Cleopatra erfährt, dass Hans eine großzügige Erbschaft im Rücken hat, geht sie sogar soweit, ihn mit Mordplänen im Hinterkopf zu heiraten. Doch sowohl Hans als auch die anderen körperlich deformierten Zirkusmitglieder kommen Cleopatra dahinter und rächen sich grausam an ihr und dem Kraftmenschen Hercules (Henry Victor), ihrem "partner in crime".

Mit dem erklärten Ziel, die gruseligen Horror-Talkies der Konkurrenz von Universal an schockierendem Effekt noch zu überbieten, verlangte MGM-Executive Irving Thalberg nach entsprechend rüdem Stoff. Die MGM entwickelte sich schließlich, mit Ausnahme vielleicht noch von der RKO, zum einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten auf dem Gebiet des Horrorfilms dieser nicht nur für jenes Genre goldenen Jahre. Zwar hatte jedes Studio seine zwei, drei Vorzeigeprojekte, doch nur die genannten drei vermochten es, praktisch Klassiker in Serie hervorzubringen. Nachdem die Universal unter Carl Laemmle bereits "Dracula", Frankenstein" und "The Mummy" von der Leine gelassen hatte, zog MGM nach: Man entlieh "Dracula"-Regisseur Tod Browning bei der Konkurrenz, engagierte echte Sideshow-Mitarbeiter mit wirklichen physischen Abnormitäten und schuf einen Horrorfilm, der eigentlich gar keiner ist. Vielmehr erzählt "Freaks" ein soapiges Romantikdrama mit kriminalistischem Ausgang, das so ähnlich auch als späterer Noir-Stoff funktioniert hätte. Das von dem Film womöglich evozierte Grauen entstammt bekanntlich der Selbstprojektion des Publikums, das erstmal schlucken muss, dass die physisch normalgewachsenen die innerlich Verabscheuungswürdigen sind und die Deformierten und Behinderten die wahrhaft edlen Charaktere mit strengem Gemeinschafts- und Ehrenkodex. Um es den Leuten nicht ganz so schwer zu machen, bekamen sie die voll bei den Freaks inegrierten "Normalos" Phroso (Wallace Ford) und Venus (Leila Hyams) als Identifikationsfiguren mit auf den Weg.
Es lässt sich bis heute trefflich darüber streiten, ob der Film die Behinderungen seiner Akteure selbstzweckhaft ausbeutet oder ein humanistisches Pamphlet ist; Argumente gibt es hinreichend für beide Positionen. Als Film von allerhöchster atmosphärischer Qualität indes darf "Freaks" als unumstritten gelten. Dabei verachtete ihn das zeitgenössische Publikum als geschmacklos und unansehnlich: Das Werk wurde um ein Drittel gekürzt, für seinen Regisseur entwickelte es sich zu einer Sollbruchstelle des Karriere-Abstiegs und es war ein jahrzehntelanger Giftschrankkandidat bis zu seiner Wiederentdeckung durch die Gegenkultur der Sechziger. Eine entsprechend schöne Hommage bietet beispielsweise Bertoluccis "The Dreamers".

10/10

Behinderung Zirkus amour fou Tod Browning


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A PLACE IN THE SUN (George Stevens/USA 1951)


"Goodbye, George."

A Place In The Sun (Ein Platz an der Sonne) ~ USA 1951
Directed By: George Stevens


Der junge Herumtreiber George Eastman (Montgomery Clift) kommt nach Kalifornien, um in der Bademodenfabrik seines reichen Onkels Charles (Herbert Heyes) arbeiten zu können. Am Fließband lernt er die Arbeiterin Alice (Shelley Winters) kennen. Nah einer heftigen Affäre wird sie von ihm schwanger und erwartet von George, dass er sie heiratet. Dieser hat sich derweil jedoch in das aus wohlhabendem Hause stammende Society Girl Angela Vickers (Elizabeth Taylor) verliebt. Alice wird für George, der das süße Leben der reichen Gesellschaft zu schätzen beginnt, zu einem beschwerlichen Klotz am Bein und er beginnt zunehmend aggressive Gedanken gegen sie zu hegen. Schließlich kommt es zur Katastrophe.

"A Place In The Sun" gilt als einer der großen Hollywood-Klassiker und wird regelmäßig hinzugezogen, wenn es um repräsentative Kanonisierungen der amerikanischen Filmgeschichte geht. Und tatsächlich bietet Stevens' Romamadaption großatmiges Standesdünkel-Drama vom Feinsten. Ein Emporkömmling, der zunächst seine, aus großbürgerlicher Warte betrachtet ungebührliche Vergangenheit schwärzen muss, bevor er wirklich zu den oberen Zehntausend gehören kann, gerät in die Falle kapitaler Notkriminalität. Die "Mordszene" (die eigentlich bestenfalls eine halbe ist) auf dem finsteren, unenergründlich tief scheinenden Eistaucher-See bedeutet vermutlich Stevens' inszenatorische Sternstunde, "Shane" hin, "Giant" her. Und dann ist da ja noch die Liebe. Eigentlich kommt George Eastman ja gar nicht zu den Frauen - sie kommen zu ihm. Erst die rustikale Alice Tripp (Shelley Winters sah tatsächlich mal jung und rank aus), dann die ätherische Angela Vickers (Elizabeth Taylor war nie schöner) und beide brechen sie ihm auf ihre Weise das Genick. Immerhin kann George sich auf seinem letzten Gang ihrer beider aufrichtiger Liebe sicher sein.

9/10

amour fou Americana Kalifornien Theodore Dreiser George Stevens Courtroom


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TATORT - DER TAUSCH (Ilse Hofmann/BRD 1986)


"Wenn hier einer 'Scheiße' sagt, dann bin ich das."

Tatort - Der Tausch ~ BRD 1986
Directed By: Ilse Hofmann


Eine Gruppe iranischer Terroristen versucht verzweifelt, den einsitzenden, auf Mikrochip-Technologie spezialisierten Physiker Dr. Bohm (Gerhard Garbers) freizupressen. Als eine erste Befreiungsaktion misslingt, kidnappen sie den neunjährigen Sohn (Rainer Matschurat) von Schimanskis (Götz George) Freundin Veronique (Yolande Gilot). Der Kommissar überredet die Geiselnehmer zu einem Tausch: Er selbst gegen den Jungen. Doch beide Seiten spielen mit gezinkten Karten...

"Der Tausch" markiert in der Chronolgie der Schimanski-Filme einen recht bedeutenden Abschnitt, immerhin handelte es sich um den ersten regulären TV-Beitrag nach dem Kinostück "Zahn um Zahn". Dieses setzte in punkto Aktion, Tempo und Spannung natürlich ganz neue Maßstäbe, die sich nunmehr auch als Reglement für das Fernsehformat erwiesen. In "Der Tausch" geht es demzufolge großspurig zur Sache; internationaler Terrorismus, Explosionen, Schimanski beim Sex und bei einem persönlich motivierten Kommando-Unternehmen, bewaffnet außerdem mit einer Uzi. Globale Actionstandards warfen urplötzlich ihre Schatten auf den vormals gutbürgerlichen "Tatort". Entsprechend unterhaltsam aber das Produkt. Ferner bildet "Der Tausch" den Beginn der unheiligen Kollaboration zwischen Schimanski und dem "Komponisten" Dieter Bohlen mitsamt dessen synthetischen Schlagerpop-Ergüssen, hier: "Midnight Lady", geträllert von Ex-Smokie-Sänger Chris Norman. Menschen meiner Generation werden sich noch mit sanftem Grausen erinnern. Umso fürchterlicher, dass ausgerechnet jenes Stück gleich zweimal zur Gänze durchläuft (einmal davon immerhin bloß als Abspann-Untermalung).

8/10

Tatort TV-Film Schimanski Ilse Hofmann Ruhrpott Terrorismus


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LE CASSE (Henri Verneuil/F, I 1971)


Zitat entfällt.

Le Casse (Der Coup) ~ F/I 1971
Directed By: Henri Verneuil


Ein Gaunerquartett, bestehend aus dem Safeknacker Azad (Jean-Paul Belmondo), den beiden älteren Hasen Ralph (Robert Hossein) und Renzi (Renato Salvatori) sowie Azads junger Freundin Hélène (Nicole Calfan), raubt dem griechischen Multimillionär Tasco (José Luis de Villalonga) eine edle Smaragdkollektion aus dessen Villa in Athen. Als der gierige Kommissar Zacharia (Omar Sharif) davon Wind bekommt, will er den Dieben die Edelsteine mit allen Mnitteln abjagen - jedoch keineswegs, um sie wieder dem eigentlichen Besitzer zuzuführen...

Leider zerfällt "Le Casse" bald in seine vielen Bestandteile, was ein für meinen Geschmack etwas zu heterogenes Resultat hervorbringt: Die episodisch erzählte Geschichte verliert häufig den Fokus aus den Augen und konzentriert sich allzu sehr auf die Wirkung einzelner Szenen und Bausteine, die dann jeweils auch ziemlich toll geworden sind, den Film in seiner Gesamtheit aber nicht gänzlich zu tragen vermögen. Da gibt es etwa den sich mit großen Vorbildern messenden Überfall auf die Villa zu Anfang, zwei wirklich wunderbare Verfolgungsjagden durch die Athener Infrastruktur, einige nette Dialogsequenzen mit Sharif, eine bizarre Szene in einem Pornoschuppen, Sharifs Tod unter Tonnen von sich auf ihn ergießendem Korn, Morricones wie immer tolle Musik. Dann aber rutscht Verneuil immer wieder in einen völlig unnötigen Leerlauf und "Le Casse" dehnt sich in der Summe auf zwei Stunden, wo zwanzig Minuten weniger doch absolument gereicht hätten. So bleibt ein überdurchschnittlicher Film, dem man seine Möglichkeiten zu wirklich Denkwürdigem permanent anmerkt, was umso mehr schmerzt.

7/10

Henri Verneuil Athen Griechenland Heist Duell


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TATORT - RECHNUNG OHNE WIRT (Peter Adam/BRD 1984)


"Deine Verlobung is' mir sowas von scheißegal..."

Tatort - Rechnung ohne Wirt ~ BRD 1984
Directed By: Peter Adam


Kommissar Schimanski (Götz George) gerät mit der Schutzgeldmafia aneinander, als sein alter Freund Guido Tessari (Guido Gagliardi), Betreiber eines italienischen Restaurants in Duisburg, erpresst zu werden scheint. Tatsächlich verbergen sich hinter Guidos "Problemen" ganz andere Ursachen, die Schimanski erst zur Gänze durchschaut, als es fast schon zu spät ist. Hinzu kommen kleine Nervenreizer durch einen höchst unangenehmen neuen Vorgesetzter, Kriminalrat Wolf (Wilfried Blasberg).

Und mal wieder Ärger mit einem alten Kumpel. Schimanskis Vergangenheit offenbart ja ständig neue Gesellen, die gern im Trüben fischen oder der manchmal allzu gutherzige und -gläubige Kommissar fällt auf neue, vermeintlich sympathische Individuen herein, die ihm hinterrücks eine lange Nase drehen. Aber so ist sie eben, die Menschlichkeit des Ruhrpöttlers. Es allen recht machen wollen und dann mit Karacho auf die Schnauze fallen, gern auch zum zehnten, zwölften Mal. Da sollte man sich dann doch besser an den etwas spießigen und zur Subordination neigenden, immerhin aber etwas verkopfteren Kollegen halten. Der weiß wenigstens zumeist, wo's langgeht. Dass es in diesem Tatort von Peter Adam, ohnedies einem der besten Schimanski-Regisseure, diverse mehr oder weniger pittoreske Duisburger Innenansichten zu bestaunen gibt, die mir allein schon jeden Film der (Sub-)Reihe zum Hochgenuss machen, muss ich eigentlich nicht extra betonen. Hiermit trotzdem geschehen.

8/10

Tatort TV-Film Schimanski Peter Adam Ruhrpott Freundschaft Mafia


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L'UOMO SENZA MEMORIA (Duccio Tessari/I 1974)


Zitat entfällt.

L'Uomo Senza Memoria (Der Mann ohne Gedächtnis) ~ I 1974
Directed By: Duccio Tessari


Der in London tätige Antiquitätenhändler Peter Smith (Luc Merenda) leidet infolge eines Unfalls unter Amnesie. Seine gesamte Vergangengheit bleibt nebulös, bis er eines Tages eine Einladung seiner Frau Sara (Senta Berger) nach Portofino erhält, die zugleich offenbart, dass Peter tatsächlich Edward heißt. Zuvor wird er noch in seiner Wohnung überfallen, doch der Unbekannte wird durch einen gezielten Schuss durchs Fenster ermordet. In Portofino angekommen stellt Edward fest, dass die Einladung mitnichten von seiner Frau, von der er sich offenbar im Streit getrennt hatte, stammte und dass ein mysteriöser Unbekannter ihn hierher gelockt hat. Da alte Liebe nicht rostet, finden Sara und Edward wieder zueinander, allerdings hält Edwards frühere Identität auch einige unangenehme Überraschungen bereit.

Feiner Krimi, von Duccio Tessari bis auf ein paar total manierierte und überflüssige SloMos im Showdown sehr stilvoll inszeniert. Tessari beweist ein hervorragendes Gespür für Räume und Orte, macht laternenerleuchtete Gässchen und nächtliche Gärten zu seinen Komplizen und versteht es nebenbei vorzüglich, die schöne Senta Berger nicht nur stets ins rechte Licht zu rücken, sondern sie ferner zu einer sehr sympathischen Agentin des Zuschauers und damit zur trefflichen Identifikationsfigur zu machen. Die Berger scheint dem Restpersonal des Films darstellerisch ohnehin sehr überlegen, wobei Luc Merenda, obschon ich ihn recht gern sehe, mir immer latent unsympathisch ist und er mir viel zu selten als Bösewicht besetzt scheint. "L'Uomo Senza Memoria" lebt vordringlich von seiner recht deutlich an Hitchcock angelehnten Atmosphäre. Dass seine Epigonenschaft dem Film ein Stück Originalität verwehrt, lässt sich dabei angesichts des ansonsten schicken Resultats sehr gut verkraften.

8/10

Duccio Tessari London Portofino Amnesie Heroin Giallo


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TATORT - FRAU BU LACHT (Dominik Graf/D 1995)


"Ich glaub', ich hab' grad'n Déja-vu..."

Tatort - Frau Bu lacht ~ D 1995
Directed By: Dominik Graf


Die Münchener Kommissare Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) sind mit der Aufklärung des Mordes an einem Herrn Mauritz betraut. Mauritz hatte eine thailändische Frau (Anna Villadolid) mitsamt kleiner Tochter (Sabine Speicher) "aus dem Katalog" bestellt. Beide scheinen ob der Ermordung des Familienvaters sehr verstört. Um mehr über die Vermittlungsagentur zu erfahren, hören sich die Polizisten bei weiteren Klienten um und stellen fest, dass dem aalglatten Anwalt Zimmer (Ulrich Noethen) seine thailändische Angetraute (Yo Gerhardt) fortgelaufen ist. Batic tarnt sich kurzerhand als "Suchender" und findet heraus, dass die Agentur gern Frauen aus dem ostasiatischen Raum mitsamt kleinen Kindern an eine pädophile Klientel "verscherbelt"...

Trotz meiner großen Liebe für Schimanski und Thanner ist "Frau Bu lacht" vermutlich der beste Tatort, den ich kenne. Nicht etwa des Kommissarteams wegen, sondern schlicht wegen Domink Grafs so einfühlsamer wie handwerklich überragender Inszenierung. Ferner scheint mir das sensible Thema Pädophilie in Spielfilmform selten so behutsam und zugleich eloquent aufbereitet worden wie hier. Das Script geht gerade wegen seines traurigen Sujets sehr taktvoll vor, umschifft erfolgreich jede Sensationsklippe und bleibt stets auf dem realitätsverbundenen Teppich, den eine solche Geschichte unumgänglicherweise einfordert. Um den düsteren Topos etwas sonntagabendtauglicher zu machen, wurde noch ein amüsanter Nebenplot um einen thailändischen Dolmetscher und Kulturverständigen (Maverick Quek) eingefügt, der wider Erwarten sogar überaus prima funktioniert.
Dass am Ende das menschliche über das Berufsethos siegt, bleibt schließlich auch als gleichermaßen humanistischer Triumph im Gedächtnis haften. Fabelhaft.

10/10

Menschenhandel TV-Film Tatort Muenchen Dominik Graf Pädophilie


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BLACK ANGEL (Roy William Neill/USA 1946)


"What a fine couple we two were..."

Black Angel (Schwarzer Engel) ~ USA 1946
Directed By: Roy William Neill


Die als sehr unangenehm bekannte Society-Schnepfe Mavis Marlowe (Constance Dowling) wird in ihrem Appartement ermordet. Hauptverdächtiger ist der treusorgende Ehemann Kirk Bennett (John Philips), der mit ihr eine Affäre pflegte. Mavis' eigener Ex-Mann, der alkoholkranke Bar-Pianist Martin Blair (Dan Duryea), hat indes einen ganz anderen Verdacht: Er hat noch am Abend von Mavis' Ermordung den windigen Clubbesitzer Mr. Marko (Peter Lorre) in ihrem Hause angetroffen. Zusammen mit Bennetts Frau Catherine (June Vincent), die ihren Mann unbedingt aus der Todeszelle holen möchte, beginnt Martin gegen Mr. Marko zu ermitteln.

Ganz ausgezeichneter film noir, leider inmitten der vielen anderen großen Klassiker dieser Jahre sehr untergegangen. Zu Unrecht: "Black Angel" ist ein kleines Kunstwerk. Schon die erste Einstellung, eine Kamerafahrt an der Fassade von Mavis Marlowes Wohnhaus hinauf und hinein in ihr Appartement weist den Weg - die Story von Neills letztem Film geht verschlungene Pfade. In "Black Angel" geht es darüberhinaus auch um die vernichtende Wirkung des Alkohols. Ein Jahr nach Wilders "The Lost Weekend" wird hier ein weiterer, bedauernswerter Protagonist Opfer seiner pathologischen Sucht und das gleich in mehrfacher Weise. Der notorisch unsympathische Dan Duryea, später vor allem gern für Schurkenrollen in kleineren Western herangezogen, ist als schlaksiger Suffkopp, dessen eiserne Überheblichkeit sich als reine Behauptung entpuppt, eine wahre Fundgrube. Und dann hat der Film neben seiner feinen Kameraarbeit und einigen nett vorgetragenen Songs noch eine absolut unschlagbare Ingredienz: Peter Lorre, einmal mehr als kleine, schmierige Halbweltschabe zu sehen, stiehlt allen und allem anderen die Schau.

8/10

Los Angeles Alkohol Roy William Neill film noir Sucht Cornell Woolrich


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LUFTSLOTTET SOM SPRÄNGDES - DIRECTOR'S CUT (Daniel Alfredson/SE, DK, D 2009)


Zitat entfällt.

Luftslottet Som Sprängdes - Director's Cut (Vergebung - Director's Cut) ~ SE/DK/D 2009
Directed By: Daniel Alfredson

Nur mit knapper Not entgeht Lisbeth Salander (Noomi Rapace) dem Mordanschlag durch ihren Vater (Georgi Staykov) und ihren Halbbruder (Micke Spreitz) und landet schwer verletzt auf der Intensivstation. Die Polizei sitzt ihr jedoch nach wie vor im Nacken, da sie weiterhin als Hauptverdächtige für einen Dreifachmord gilt. Die "Sektion" ist derweil dabei, alle Mitwisser um ihre Existenz, darunter auch Zalachenko, der nur ein paar Zimmer von Lisbeth entfernt liegt, gnadenlos um die Ecke zu bringen. Blomkvist (Michael Nyqvist) hilft Lisbeth derweil von außerhalb: Er macht ihre Akte ausfindig und recherchiert einige Beweise für Lisbeths quasi lebenslange, unflätige Behandlung durch die Staatsbürokratie.

Das Finale der "Millenium"-Trilogie geriert sich etwas ruhiger als die beiden Vorgänger und schwenkt mehr Richtung Drama. Im Kern des Films steht Lisbeths Gerichtsverhandlung, die klären soll, ob ihre Unmündigkeitserklärung und die psychiatrischen Gutachten tatsächlich gerechtfertigt sind. Dabei erfährt man wiederum einige Details aus der unrühmlichen Vergangenheit der Dame, die ihren bizarren Hang zur Finsterromantik, den Lisbeth zur Zeichensetzung besonders während des Prozesses auslebt, denn auch etwas plausibler machen. Ansonsten hat man dem Film jawohl des Öfteren offen zum Vorwurf gemacht, dass er nach den flotten Vorgängern etwas den Fuß vom Gas nimmt, jedenfalls meine ich, mich an Entsprechendes erinnern zu können. Finde derartige Kritik überhaupt nicht gerechtfertigt. Höchstens Lisbeths finales Duell gegen ihren Halbbruder, den blonden Nazi-Roland ist möglicherweise ein wenig zuviel des Guten. Musste aufgrund der location permanent an den "Cobra"-Showdown denken, aber das ist wohl mein persönliches Problem. Resümierend empfinde ich die "Millenium"-Filme wie bereits erwähnt als vortrefflichen Unterhaltungsstoff, der sich zwar abmüht, seinem Publikum gegenüber immer moderat zu bleiben und stets in gesicherten Bahnen verläuft, diese aber auch reichlich auszufüllen weiß.

7/10

Millenium-Trilogie Courtroom Journalismus Daniel Alfredson Stieg Larsson Schweden


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FLICKAN SOM LEKTE MED ELDEN - DIRECTOR'S CUT (Daniel Alfredson/SE, DK, D 2009)


Zitat entfällt.

Flickan Som Lekte Med Elden - Director's Cut (Verdammnis - Director's Cut) ~ SE/DK/D 2009
Directed By: Daniel Alfredson


Als die mittlerweile gesund gestoßene Lisbeth Salander (Noomi Rapace) vom Tod ihrer Mutter erfährt, kehrt sie nach über einem Jahr unter südlicher Sonne zurück nach Stockholm. Dort gerät sie bald in die Schusslinie polizeilicher Ermittlungen, denn ihr ehemaliger Vormund, der schmierige Bjurman (Peter Andersson), ist, ebenso wie ein Journalist (Hans-Christian Tulin) und dessen Freundin, ermordet worden. Dahinter steckt offenbar ein ehemaliges Mitglied einer schwedischen Geheimpolizei, das Lisbeth nur allzu gut kennt: Es handelt sich um ihren Vater Alexander Zalachenko (Georgi Staykov), einen ehemaligen Überläufer aus dem Osten, der nun auf eigene Rechnung Killerjobs übernimmt. Seine Ex-Organisation, die Lisbeths alter Freund Blomkvist (Michael Nyqvist) "Sektion" tauft, sieht dies gar nicht gern. Blomkvist will nun gleichermaßen die brandheiße Story über Ostblock-Mädchenhändler durchboxen und Lisbeth vor der drohenden Gefahr durch ihren eigenen Vater und die Polizei schützen.

Wiederum Spannendes aus der skandinavischen Krimiküche. Nachdem der raue Duktus des ersten Teils sich bereits beim Rezipienten etabliert und gesetzt hat, können die teils unangenehmen physischen Akte dieses Films kaum mehr schockieren. Alfredson setzt wiederum auf eine modisch-schicke Digicam-Ästhetik und müht sich so, dem sozialkritische Nebensujet des Films um böse Mädchenhändler und eine paralegale Armee von SiPo-Veteranen zusätzliches Gewicht zu verleihen. Dabei tritt eine Figur auf, die hart an der Grenze zur Karikatur entlangschlittert; ein (natürlich) deutschstämmiger Riesennazi nämlich, der einen ganz besonderen Segen genießt: Durch eine Nervenkrankheit kann er keinen Schmerz empfinden. Darum wichst der an Frank Zagarino erinnernde, wasserstoffblonde Goliath auch alles und jeden zu Klump, der ihm auch nur im Mindesten doof kommt. Die eigenartigen Familienverhältnisse Lisbeths sowie ihre nebulöse Vergangenheit werden nun endlich erhellt. Das tut ihrer klischierten Zeichnung als kettenqualmende, hackende Gothic-Lesbe mit patentiertem Testikeltritt jedoch kaum einen Abbruch; im Gegenteil. Doch genug gelästert. "Flickan" hält das erzählerische Niveau des Erstlings, bleibt durchweg interessant und es gelingt ihm sogar, sich durch ein gewisses Maß an inhaltlicher Komplexität geringfügig vom Vorgänger zu emanzipieren.

7/10

Millenium-Trilogie Schweden Familie Daniel Alfredson Journalismus Stieg Larsson





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Funxton

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