Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

MÄN SOM HATAR KVINNOR - DIRECTOR'S CUT (Niels Arden Oplev/SE, DK, NO, D 2009)


Zitat entfällt.

Män Som Hatar Kvinnor - Director's Cut (Verblendung - Director's Cut) ~ SE/DK/NO/D 2009
Directed By: Niels Arden Oplev


Nachdem verlautbar wurde, dass von den Adaptionen der drei "Millenium"-Filme nach Stieg Larsson auch längere TV-Fassungen erscheinen würden, jene denn auch großspurig als "Director's Cuts" angekündigt, verzichtete ich auf die Beschau der Kinofilme uns führte mir mit einigem Abstand gleich die Fernsehschnitte zu Gemüte. Der Eindruck, den "Män Som Hatar Kvinnor", der erste Teil der Trilogie, nach seiner Erstbeschau bei mir hinterlassen hatte, wurde durch die neuerliche Betrachtung noch vertieft. Besonders der ohnehin nicht fortzuleugnende Glotzencharakter des Films erschien mir noch akuter, nicht zuletzt, da "zu Gunsten" der Fernsehausstrahlung auf das Scope-Format verzichtet wurde und der Film in der Langfassung - ohne sichtbare bildkompositorische Einbußen freilich - im schmaleren 16:9-Breitenverhältnis erscheint.
Ein gutes, wenn nicht sehr gutes TV-Format hat man da, das zu keiner Sekunde nachlässt und seine Geschichte trotz der epischen Länge von nunmehr fast drei Stunden auf Hochtouren entwickelt. Nicht zuletzt aufgrund seiner eher simpel gestrickten, kaum fordernden Narration ein wirklich hervorragendes Antidot für langweilige, scheinbar nicht enden wollende Nachmittage vor der Glotze, zumal es ja noch zwei nicht minder ausgedehnte Sequels gibt.

7/10

Schweden Millenium-Trilogie Journalismus Niels Arden Oplev Stieg Larsson Familie Serienmord


Foto

PUSHER 3 (Nicolas Winding Refn/DK 2005)


Zitat entfällt.

Pusher 3 ~ DK 2005
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der berüchtigte Kopenhagener Gangster Milo (Zlatko Buric) hat Probleme: Während seine Tochter Milena (Marinela Dekic) mit großem Trara ihren 25. Geburtstag feiert, steht er bei ein paar Ecstasy-Dealern in der Kreide, die ihm ursprünglich Heroin versprochen und dann die absatzlahmen Pillen geliefert haben. Um sie zu beschwichtigen, beherbergt Milo kurzfristig einen polnischen Mädchenhändler in seinem Restaurant, dessen herrisches Verhalten bei Milo nach kurzer Zeit alle Sicherungen durchbrennen lässt. Bald hat er zwei Leichen am Hals und sein alter Freund Radovan (Slavko Labovic), mittlerweile ehrbarer Pizzabäcker, soll ihm bei der Entsorgung helfen.

Im dritten "Pusher"-Film widmet sich Nicolas Winding Refn in der Hauptsache dem Ex-Jugoslawen Milo, einziges personelles Bindeglied zwischen allen drei Filmen. Die Nöte eines alternden Gangsters, der, zumal selbst schwer abhängig, mit Heroin und Koks aufgewachsen ist und mit neumodischem Zeug wie Ecstasy nichts anzufangen weiß, vermittelt Winding Refn in einer gewagten Mixtur aus Humor und Tragik. Wie der stressgeplagte Milo, den man bereits im ersten Teil als unberechenbaren Charakter mit zugleich immens komischem Potiental kennengelernt hat, zwischen Treffen der "Anonymen Drogensüchtigen", seinen Geschäften, der Party-Organisation und später der Bereinigung seiner unkontrollierten Bluttaten hin- und herhetzt, das hat natürlich klar identifizierbare Wurzeln: Man denke nur an das letzte Drittel von "Goodfellas", in dem ein bis zur pathologischen Paranoia bekokster Ray Liotta von einem Polizeihubschrauber durch die Gegend gehetzt wird oder an Warren Beatty, der als "Bugsy" zwischen "Geschäftsgesprächen" und töchterlicher Geburtstagstorte hin- und hereilt. Als kleine Hommage an diese großen Vorbilder funktioniert "Pusher 3" bestens, und nicht bloß als solche. Man darf nur hoffen, dass Winding Refn sich entschließt, es nicht bei einer Trilogie zu belassen, sondern viele weitere Figuren im Kopenhagener Gangstermilieu entdeckt, die genug Potential für ein Unterwelt-Abenteuer hergeben. Im Zweifelsfall kann er ja auch einen seiner alten Helden zurückkehren lassen...

8/10

Drogen Familie Kokain Dänemark Heroin Ecstasy Kopenhagen Nicolas Winding Refn Menschenhandel Splatter


Foto

PUSHER II (Nicolas Winding Refn/DK 2004)


Zitat entfällt.

Pusher II ~ DK 2004
Directed By: Nicolas Winding Refn


Nachdem er aus dem Knast entlassen wird, versucht der nicht allzu intelligente Tonny (Mads Mikkelsen), in der KFZ-Werkstatt seines Vaters (Leif Sylvester), in Kopenhagen bekannt und gefürchtet als "der Schmied", unterzukommen. Doch der Schmied hat für seinen Sohn kaum mehr als Verachtung übrig und schätzt seinen Angestellten Ø (Øyvind Hagen-Traberg) deutlich höher. Zudem erfährt Tonny, dass er einen kleinen Sohn hat, dessen Mutter ausgerechnet die allerorten als Schlampe verrufene Charlotte (Anne Sørensen) ist. Als der dauerbekokste Kleingauner Mösen-Kurt (Kurt Nielsen) Tonny schließlich auch noch in eine Schuldenaffäre hineinzieht, steht dieser bald noch bedröppelter da als ohnehin, zumal das ausgelegte Geld dem Schmied gehört. Tonny steht in der Zwickmühle zwischen seinem ihn hassenden Erzeuger und dem Bedürfnis, dem eigenen Sohn einst ein besserer Vater zu sein.

Acht Jahre nach "Pusher", dessen Ende weniger offen blieb als es ehedem den Anschein hatte, wendet sich Nicolas Winding Refn erneut jenem urbanen Universum aus Drogen, bizarrer Vitalität und Tod zu. Diesmal steht Tonny, den man auch problemlos für tot hätte halten können, dessen Schicksal nach dem Erstling zumindest offen war, im Fokus der Erzählung. Tonny erweist sich als ein noch tragischerer Charakter denn sein alter Freund Frank, zeigt sich doch im Laufe des Films, dass er völlig einsam ist und keinen Menschen hat, der zu ihm hält. Umso intensiver sein in ihm keimender Wunsch, allen anderen eine lange Nase zu drehen und selbst Verantwortung für jemanden zu übernehmen. Die zuvor verübte Verzweiflungstat, nichts weniger als klassische antike Tragödie, wirkt dabei wie ein gigantischer Befreiungsakt. Am Ende heißt es dann gezwungenermaßen wieder: "Leaving Copenhagen". Be quick or be dead!

8/10

Drogen Kokain Kopenhagen Dänemark Nicolas Winding Refn Familie


Foto

PUSHER (Nicolas Winding Refn/DK 1996)


Zitat entfällt.

Pusher ~ DK 1996
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der Kopenhagener Kleindealer Frank (Kim Bodnia) gerät eines Tages in immense Schwierigkeiten, als er ein Geschäft versaut, bei dem wegen eines unvorhersahbaren Polizeieinsatzes ein großes Kontingent Heroin des Gangsters Milo (Zlatko Buric) im Wasser landet. Die lästige Polizei kann Frank fürs Erste abschütteln, doch sein bester Kumpel Tonny (Mads Mikelsen) hat ihn offenbar verraten und Milo und sein Henchman Radovan (Slavko Labovic) wollen ihren Verlust nebst einigen Altschulden von Frank ersetzt haben. Jener sitzt bald zwischen allen Stühlen.

Eine Schande, dass ich mich erst so spät an "Pusher" und die beiden Nachfolger herangemacht habe, aber irrationale Vorurteile haben mir da wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zum einen zählt der wie mir erst später bewusst wurde, einige Jahre jüngere, ebenfalls aus Dänemark stammende und im Gangstermilieu spielende "I Kina Spiser De Hunde", in dem gleichermaßen Kim Bodnia die - von mir seinerzeit als besonders enervierend wahrgenommene - Hauptrolle spielt, zu meinen größten cineastischen Hassobjekten, zum anderen nahmen die mir permanent von Freunden und Bekannten vorgehaltenen Vorschusslorbeeren irgendwann dermaßen überhand, dass ich überhaupt keine Lust mehr auf die Filme verspürte. Erst Winding Refns sensationeller "Valhalla Rising" hat mich bezüglich der Qualitäten des Regisseurs eines Besseren belehrt - manchmal braucht man eben einfach die Axt. Der letztwöchig verbrachte Dänemark-Urlaub auf dem schönen Kegnæs erschien mir jetzt als zumindest regional passend für die "Pusher"-Trilogie. Und in welcher Windeseile ich die Filme verschlungen habe. Inhaltlich wusste ich glücklicherweise gar nichts über sie, so dass der Genuss sich umso großzügiger entfalten konnte.
Das Kaleidoskop des vorgestellten Personals ist bereits grandios; schon bei der Betrachtung dieses ersten Films verkuckt man sich regelrecht in die unterschiedlichen Charaktere, denen Winding Refn sich mit dokumentarischer Präzision nähert und los lassen sie einen auch Tage später nicht. Besonders der jugoslawischstämmige Gangster Milo, der sich von einem verschrobenen, lustigen Exzentriker Marke Kusturica zu einem gewalttätigen Monster entwickelt, hatte es mir gleich angetan. Glücklicherweise soll man ja später noch mehr von ihm zu sehen bekommen.

9/10

Dänemark Nicolas Winding Refn Heroin Kokain Kopenhagen Drogen


Foto

FREEBIE AND THE BEAN (Richard Rush/USA 1974)


"How can you be a creep and an asshole at the same time?"

Freebie And The Bean (Die Superschnüffler) ~ USA 1974
Directed By: Richard Rush


Freebie (James Caan) und Bean (Alan Arkin), zwei San Franciscoer Detectives, sind wohl mit Fug und Recht das, was mam als 'unkonventionelle' Polizisten bezeichnen kann. Um den stadtbekannten Mobster Red Meyers (Jack Kruschen) dingfest zu machen, greifen die beiden zu den seltsamsten Methoden, sehen sich, als ein verfeindetes Syndikat auf Meyers losgeht, jedoch in der prekären Situation, ihn sogar beschützen zu müssen. Dabei kommt es zu allerlei Bruch und Kaputtem.

Dass Richard Rush kein besonderer Freund der staatstragenden Institution der Polizei ist, kann man anhand der zwei Vorgängerfilmen "The Savage Seven" und "Getting Straight", in dem die Cops jeweils die Rolle des autoritätsdienlichen Repressionssymbols, der "pigs" zu übernehmen hatten, eindrucksvoll nachvollziehen. Mit "Freebie And The Bean" nun lieferte Rush einen satirischen Gegenentwurf zu den Harry Callahans und Popeye Doyles der bisherigen Dekade: Zwei dämliche, grenzpsychotische, vor Gewalt in den unmöglichsten Situationen nicht zurückschreckende Soziopathen, die für ihre Verfolgungsekapaden Steuergelder en masse verschwenden, indem sie die halbe Innenstadt demolieren. Und das sind nur die Helden! Rush erweist sich derweil als feiner Actionregisseur, der sich jedoch nicht entblödet, dem Genre bloß einen weiteren beliebigen Beitrag zuzuschanzen, sondern seinem Sarkasmus Flügel verleiht. Herrlich.

9/10

Buddy Movie San Francisco New Hollywood Richard Rush Satire


Foto

EINE STADT WIRD ERPRESST (Dominik Graf/D 2006)


"Wollen Sie auch mal probieren?"

Eine Stadt wird erpresst ~ D 2006
Directed By: Domink Graf


Die betreffende Stadt ist Leipzig und das titelspendende Delikt von einer unbekannten Erpresserbande ersonnen, die sich mit Sprengstoff auskennt und als Demonstration ihres Machtradius' einen wichtigen Strommast fällt. Die eilends eingesetzten Ermittler Kalinke (Uwe Kockisch), Rogalla (Julia Blankenburg) und Banderes (Misel Maticevic) verfolgen eine Spur in die Provinz, wo ein eingeschneites Dörfchen vor dem immer näher heranrückenden Braunkohletagebau zittert.

"Eine Stadt wird erpresst" könnte als Stilübung zu Grafs Mammutprojekt "Im Angesicht des Verbrechens" durchgehen; wie selbiges von Rolf Basedow gescriptet, vereinigen sich hier eine gewisse atemlose Gehetztheit und grobkörnige Authentizität zwecks einer eindrucksvollen Beschau eines großpolizeilichen Einsatzes. Arved Birnbaum ist bereits in der gleichen Rolle zu sehen, die er in "Im Angesicht des Verbrechens" zu spielen haben wird, nämlich als trockener Einsatzleiter, der sein Team zusammenhält und gegenüber der Politik deckelt. Und auch hier spielt die Russenmafia als Abnehmer der "heißen Ware", nämlich der erpressten Diamanten in Millionenwert, eine wesentliche Rolle. Einzig die knappe Erzählzeit verhindert eine ausladendere Komplexität; dafür ist der sozialkritischen Aspekte einer nie getilgten Altschuld sowie der der ehemaligen Ostzonenprovinz, die nach der Wende zum Spielball kapitalistischer Machtbefugnisse wird und damit keinesfalls besser fährt als anno dazumal, ein durchaus packender, wenn auch irgendwie TV-Krimi-typischer.

8/10

TV-Film Erpressung Dominik Graf Leipzig


Foto

IN A LONELY PLACE (Nicholas Ray/USA 1950)


"I was born when she kissed me. I died when she left me. I lived a few weeks while she loved me."

In A Lonely Place (Ein einsamer Ort) ~ USA 1950
Directed By: Nicholas Ray


Der wegen seiner Aggressivität gefürchtete Scriptautor Dix Steele (Humphrey Bogart) gerät unter Mordverdacht: Er soll eine Gastronomie-Angestellte (Martha Stewart) umgebracht haben. Dix' Nachbarin Laurel (Gloria Grahame) stützt seine Alibi-Aussage bei der Polizei. Die beiden verlieben sich heftig ineinander und verleben ein paar glückliche Tage. Als Laurel dann jedoch Zeugin von einem von Dix' unberechenbaren Wutausbrüchen wird, der auch noch fast mit einem Totschlag endet, ist sie nicht mehr so sicher, ob ihr Geliebter wirklich so unschuldig ist wie er zu sein vorgibt. Zudem bekommt sie mehr und mehr Angst vor ihm.

Liebe und Verlust: Dieses eindrucksvolle Portrait der Filmstadt Hollywood, ihrer hoffnungsvollen Beschäftigten und ihrer Gefräßigkeit ist zugleich das filigrane Psychogramm eines neurotischen Cholerikers, dessen Emotionen in Extremsituation außer Kontrolle geraten. Den Status von "Sunset Boulevard" und "All About Eve" hat Rays unspektakulär traurig endende Love Story leider nie erringen können, dabei ist er ebenso wertig wie die Gennanten. Rays Kritik an der zynischen und unbarmherzigen Raffgier des Studiosystems greift an allen Ecken und Enden seines meisterlichen Films; Bogarts mutige Interpretation eines gewalttätigen Mannes, der sich über seine Fäuste definiert und dabei in Bezug auf jedwede Form der Zwischenmenschlichkeit ein ganz armes Würstchen ist, zählt, ähnlich wie die des Captain Queeg in "The Caine Mutiny", als gnadenlose Helden-Demontage zu den mutigsten seiner Karriere.

9/10

Nicholas Ray Hollywood film noir


Foto

TATORT - FREUNDE (Klaus Emmerich/BRD 1986)


"Frieder, du hast gewonnen."

Tatort - Freunde ~ BRD 1986
Directed By: Klaus Emmerich


Als Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) einem perfekt geplanten und ausgeführten Raubüberfall nachspüren, stoßen sie auf Frieder Schön (Klaus Wennemann), einen langjährigen Freund Schimanskis seit Kindheitstagen. Frieder, in der kriminellen Szene alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, hat jedoch ein hieb- und stichfestes Alibi und selbst weitere Recherchen können ihm nichts anhaben - dabei ist für Schimanski sonnenklar, wer hinter dem Verbrechen steckt. Pikanterweise schuldet der Bulle dem Ganoven noch einen großen Gefallen von früher, umso größer die Gewissensbisse davor, Frieder ans Messer zu liefern. Während Königsberg (Ulrich Matschoss) und Thanner schließlich zu Recht beginnen, an Schimanskis Gesetzesloyalität zu zweifeln, startet der Kommissar seinen höchstpersönlichen Feldzug.

Großartiger Schimanski-Tatort, der tiefe Einblicke in Vergangenheit und Psyche des Protagonisten gewährt. Duisburg-Rheinhausen liegt mal wieder unter einer konstanten, grau-braunen Schmierglocke, die der eben einsetzende Winteranfang kaum aufzuhellen vermag. Kulisse für ein ganz privates Polizisten-Drama. Schimanski hebt sich ja ohnehin häufig von seinen Amtskollegen dadurch ab, dass er einige Verbindungen ins Milieu pflegt, die nicht ganz astrein sind und die ihn zudem oft stärker involvieren, als es seiner Repuation gut tut. So ist es auch in "Freunde", dessen Titel bereits das maßgebliche Stichwort darstellt. Ob Frieder Schön Schimmis bester Freund ist, weiß man nicht recht, auf jeden Fall ist er nah dran. Allerdings leuchtet spätestens nach dem Kloß-im-Hals-Finale jedermann ein, dass der Kommissar wie so oft in diese Beziehung mehr Gefühle investiert hat als sein Gegenüber. Aber gerade das hebt eben den Ganoven vom Bullen ab. Oder sollte es zumindest.

9/10

Tatort TV-Film Schimanski Klaus Emmerich Heist Ruhrpott Freundschaft


Foto

DE BRUIT ET DE FUREUR (Jean-Claude Brisseau/F 1988)


Zitat entfällt.

De Bruit Et De Fureur (Lärm und Wut) ~ F 1988
Directed By: Jean-Claude Brisseau


Der kleine Bruno (Vincent Gasperitsch) zieht in eines der namenlosen Hochhausappartements in den Banlieues südlich von Paris. Seine berufstätige Mutter bekommt er praktisch nie zu Gesicht, so bilden sein kleiner Zeisig "Superman", ein herbeiphantasierte Fee (Lisa Hérédia) und der ein paar Etagen tiefer wohnende Freund Jean-Roger (François Négret) Brunos soziale Hauptkontakte. Jean-Roger, ein höchst renitenter Jugendlicher, kommt aus einem völlig verwahrlosten Haushalt mit einem infolge der Algerienkrise schwer kriegstraumatisierten und dem Verbrechen verfallenen Vater (Bruno Cremer). Selbst Mord und Totschlag sind für Jean-Roger völlig normale Alltäglichkeiten. Brunos Lehrerin (Fabienne Babe) schafft es zwar zu ihm durchzudringen, doch auch sie kann nicht 24 Stunden in seiner Nähe sein - im Gegensatz zu Jean-Roger...

Aufrüttelndes und zugleich sehr poetisches Jugendporträt des französischen 80er-Kinos, das einen Brückenschlag wagt zwischen thematisch ähnlich gelagerten Filmen wie Charefs "Le Thé Au Harem D'Archimède" oder Assayas' "Désordre" und den transzendenten Metarealitäten eines Andrzej Zulawski oder Jean-Jacques Beineix. Stete Hoffnung spendend und am Ende doch tieftraurig und resigniert lässt Brisseau sein Publikum zurück; in einer drückenden und doch nie penetrant werdenden Wolke aus Sehnsucht, Gewalt und Tod. Brisseaus Botschaft ist all ihrer schweren Verdaulichkeit zum Trotze ganz einfach: Schon wer ein Mindestmaß überflüssiger Gewalt anwendet, kann unter Umständen und aus Versehen ganze Universen vernichten. Dass eine Schuldfrage darüber hinaus nie geklärt werden kann beziehungsweise sich eine solche Frage erst gar nicht stellt und es nur Verlierer gibt, macht die Geschichte der beiden Jungs Bruno und Jean-Roger umso bitterer.

9/10

Schule Jean-Claude Brisseau Banlieue Jugend Coming of Age


Foto

NUTS (Martin Ritt/USA 1987)


"You had good. Now you got me."

Nuts ~ USA 1987
Directed By: Martin Ritt


In einer gerichtlichen Sonderanhörung soll festgestellt werden, ob die wegen Totschlags angeklagte Edelprostituierte Claudia Draper (Barbra Streisand) überhaupt prozessfähig ist. Claudias überaus renitentes Verhalten gegenüber jeder Form staatlicher Autorität sorgt dafür, dass sie schon seit längerem in der Gefängnispsychiatrie einsitzt. Ihr neuer Pflichtverteidiger Aaron Levinsky (Richard Dreyfuss) hat jedoch ein Herz für diese ungewöhnliche Frau.

Bühne frei für die Streisand, deren höchstpersönliche Vorstellung "Nuts" natürlich ist, auch wenn das Thema "Staatliches Gericht gegen soziale Minderheit" Ritt aus naheliegenden sicherlich stark tangiert haben wird. Gegen seine Inszenierung ist auch überhaupt nichts Negatives hervorzubringen. Tatsächlich schreit jedoch förmlich alles an Streisands zugegebenermaßen eindrucksvollen Darbietung nach "Oscar"-Bettelei und es kam dann auch die zu erwartende Nominierung - tatsächlich aber "bloß" für einen Golden Globe, so als wollten die Juroren der Academy ihre Unberechenbarkeit unter Beweis stellen. Müßig, weiter darüber nachzudenken. Ihrem etwas zweifelhaften Ruf als jiddische Hausfrauen-Diva macht die Actrice hier jedenfalls alle provokante Ehre; sie flucht in höchsten Tönen und schmeißt mit bösen Vier-Buchstaben-Wörtern um sich, dass jede weiße, gutbürgerliche US-Familienmama um die vierzig ihre Portion stummen, inneren Stolzes suggeriert bekommt ob jener dargestellten Form abseitiger feministischer Emanzipation. Das höchst sensible Thema "Kindesmissbrauch" wird derweil eher stiefmütterlich abgehandelt und nach einer wie pflichtbewusst vorgetragenen, immerhin aber sehr intensiven Sequenz im Film wieder rotwangig ad acta gelegt. Abseits von all diesem geflissentlich unangenehmen Kalkül bietet "Nuts" natürlich grandioses Schauspielkino mit einer durchweg bravourös agierenden Star-Grandezza. Zumindest in diesem Punkt ist dann auch alles absolut im Reinen und der Film wirklich hochklassiger Mainstream.

6/10

Prostitution Courtroom Martin Ritt Sexueller Missbrauch based on play





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare