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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE FLESH AND THE FIENDS (John Gilling/UK 1960)


"I'm just responsible to my very own consciousness."

The Flesh And The Fiends (Der Arzt und die Teufel) ~ UK 1960
Directed By: John Gilling


Edinburgh in den 1820ern: Der renommierte Mediziner Dr. Knox (Peter Cushing) ist ein ausgesprochener Zyniker seiner Zunft. Vor dem Tode pflegt er keinerlei Respekt und beschäftigt somit diverse Leichenräuber, die ihn auf illegale Weise mit frischen "Versuchsobjekten" beliefern, da üblicherweise nur exekutierte Verbrecher für medizinische Experimente verwendet werden dürfen. Als die beiden Tagelöhner William Burke (George Rose) und William Hare (Donald Pleasence) auf Knox aufmerksam werden, beginnen sie, ihm die Körper just Verstorbener zu bringen. Dass es sich um Mordopfer von Burke und Hare handelt, spielt für Knox zunächst keine Rolle, da für ihn der Zweck die Mittel heiligt. Erst ein spätes Schlüsselerlebnis führt ihn auf den Pfad der Tugend zurück.

Wundervolle Kino-Adaption der berühmten West-Port-Mordserie, in deren Zuge die beiden skrupellosen Mörder Burke und Hare insgesamt siebzehn Personen töteten, um aus ihren Leichen Profit schlagen zu können. Bereits 1945 war der Fall als "The Body Snatcher" von Robert Wise innerhalb des neunteiligen Schauerzyklus von Val Lewton für die RKO produziert worden, in einem nicht minder prächtigen Film. Allerdings stand diesem vornehmlich Robert Louis Stevensons fiktionalisierende Kurzgeschichte vor, die die Knox-Affäre nah ihrem Ende weiterspinnt. Bei Gilling, der seine teils gewagten, buchstäblich labyrinthischen Schwarzweißbilder in edles, breites Scope einfasst, kommt allerdings mit deutlicher Vehemenz der ethische Aspekt um Knox' (zumindest historisch betrachtet) beinahe tragischen Werdegang zum Tragen. Für Cushing, der soeben in den ersten großen Hammer-Filmen zu Ruhm gelangt war, stellte die Rolle des Dr. Knox eine Art Gratwanderung zwischen seinen zwei vorherigen Medizinern dar: Dem kühlen, aber im Zeichen des Guten agierenden Professor Van Helsing und dem wahnsinnigen, über jede Moral hinwegsehenden Victor Frankenstein. In Knox' Fall gewinnt, etwas anders als es die Tatsachen diktieren, am Ende das Berufsethos: Er wird zu einer Art heldenhaftem Pionier der medizinischen Progression und, nach einer kurzen Phase der Abwendung, auch für seine Studenten wieder der Doktorvater nach Herzenslust. Der tatsächliche Knox konnte nach den Gerichtsprozessen um ihn herum nicht weiter erfolgreich lehren noch praktizieren und musste schließlich nach England gehen.

9/10

Serienmord Historie period piece Edinburgh Schottland West-Port-Morde John Gilling Medizin


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ZINKSÄRGE FÜR DIE GOLDJUNGEN (Jürgen Roland/BRD, I 1973)


"Dem zeigen wir's, dem Spaghetti!"

Zinksärge für die Goldjungen ~ BRD/I 1973
Directed By: Jürgen Roland


Er kam, sah und verlor: Der ursprünglich aus Sizilien stammende Chicagoer Gangsterboss Luca Messina (Henry Silva) will die Hamburger Unterwelt im Sturm erobern. Da ist jedoch noch der amtierende Oberganove Otto Westermann (Herbert Fleischmann) vor, der mit seinem Fassadenkegelclub "Schwarzer Pudel" die Reeperbahn regiert. Zwischen Westermann und Messina bricht ein Krieg aus, der selbst durch die junge Liebe ihrer Kinder Sylvia (Patrizia Gori) und Erik (Horst Janson) nicht bereinigt werden kann...

"Zinksärge für die Goldjungen", eine Wolf C. Hartwig-Produktion, startet genau wie die "Schulmädchen-Report"-Filme mit einem wichtig eingesprochenen Audio-Intro von Manfred Schott, der uns wie immer weismachen will, dass in den kommenden neunzig Minuten bierernste und in höchstem Maße gesellschaftsrelevante Themen verhandelt werden. Dass der schmissig geschriebene Streifen tatsächlich ein glorioser Mix ist aus dem zeitgenössischen italienischen Gangsterkino rund um Silva, Rolands eigenen St.-Pauli-Exploitern, Shakespeare und der besagten Report-Filmchen verheimlicht man uns und lässt stattdessen Bilder sprechen. Und wie man die sprechen lässt: Der Irrsinn schlägt förmlich Purzelbäume rund um all die Titten, Bomben und Maschinenpistolen, bis es am Ende auf eine Schnellboot-Verfolgungsjagd durch den Hafen mitsamt Speicherstadt-Etappe geht. Dufte! Dazu gibt's Dénes Törzs als schmierigen Makkaroni-Killer (der allerdings mit Thomas Brauts breitem Organ herumprahlt). Und über all dem thront - natürlich - Henry Silva. Den hageren Patron mit den graumeliert gefärbten Schläfen auf Tante Uschis Bundeskegelbahn im 'Kaisereck' beim Pudelwerfen muss man schlicht gesehen haben, um's zu glauben. Gut Holz!

7/10

Jürgen Roland Kiez Sleaze Europloitation Trash Hamburg


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A FEW GOOD MEN (Rob Reiner/USA 1992)


"You can't handle the truth!"

A Few Good Men (Eine Frage der Ehre) ~ USA 1992
Directed By: Rob Reiner


Der aalglatte junge Navy-Anwalt Lt. Kaffee (Tom Cruise) wird dazu verdonnert, zwei des Mordes angeklagte Marines (Wolfgang Bodison, James Marshall) vor dem Militärgericht in Washington D.C. zu verteidigen. Die beiden in Guantanamo stationierten Männer sollen einen anderen Soldaten (Michael DeLorenzo) im Zuge einer Mobbing-Maßnahme bewusst getötet haben. Es gibt jedoch zwei Haken: Zum Einen behaupten die Marines, sie hätten einen von ihrem Vorgesetzten (Kiefer Sutherland) erteilten Befehl ausgeführt - was dieser allerdings stoisch leugnet -, zum anderen hatten sie angeblich nie vor, ihr Opfer wirklich zu töten, es sollte lediglich "eine Lektion erteilt" bekommen.

Bei "A Few Good Men" handelt es sich grundsätzlich sicherlich um eines der vorrangigen Courtroom-Dramen der Kinogeschichte, das in in einer Liga spielt mit den ganz großen, allseits bekannten Hausnummern. Ohne ein deftiges "Aber" sollte man Reiners brillant gespielten Film aber dennoch nicht einfach so wegtreten lassen. Sein omnipräsentes Militärpathos, dessen sich das Script und die ansonsten dramaturgisch überaus dichte Hochglanz-Inszenierung bedienen, ist nämlich ganz gewiss ein markiger Kritikpunkt. Zwar geben sich Aaron Sorkins Stück, auf dem der Film basiert, und auch sein Buch als vordergründig uniformkritisch, halten das globalpolizeiliche Ethos der US Army, von wegen "wir müssen für die kämpfen, die selbst nicht kämpfen können" jedoch latent im Publikumsbewusstsein. Ist man mit seiner Hinterfragung des Ganzen erst soweit gekommen, wird man dann auch unweigerlich weiterbohren und frösteln müssen über die offen herausgekehrte Unbeholfenheit der zwei Angeklagten, die ja offensichtlich als repräsentativ für die meisten Privates und Lance Corporals des U.S. Marine Corps gelten dürfen: Hohlköpfige, blinde Organe für bigotte Vorgesetzte, die ihre Befehle, und mögen diese noch so widersinnig sein, weder mehr als nötig hinterfragen, noch zu eigenständiger Reflexion in der Lage sind. Auch wenn zumindest der Film am Ende anderes suggeriert: Das Straßmaß für die beiden Angeklagten ist ein Witz. Solch gefährliche Patrone gehören für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in den Bau. Davor sollte schon mal gar keine Uniform und auch kein noch so diabolischer Jack Nicholson schützen.

7/10

Militaer based on play Washington D.C. Rob Reiner Courtroom Kuba


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BRIGHTON ROCK (John Boulting/UK 1947)


"You wanted a recording of my voice, well here it is. What you want me to say is, 'I love you'. Well I don't. I hate you, you little slut."

Brighton Rock ~ UK 1947
Directed By: John Boulting


Im Brighton der Zwischenkriegsjahre versucht sich der strebsame junge Gauner Pinkie Brown (Richard Attenborough) im schmutzigen Geschäft der Schutzgelderpressung. Dabei ist er im Vergleich zu Brightons führendem Gangsterboss Colleoni (Charles Goldener) bloß ein kleines Licht. Seinen folgenschweren Fehler, in die Stadt zurückzukehren bezahlt einer von Pinkys früheren Berufsgenossen (Alan Wheatley) dennoch mit dem Leben. Es gibt allerdings zwei mittelbare Zeugen: Die Tingeltangel-Sängerin Ida (Hermione Baddeley) und die junge Kellnerin Rose (Carol Marsh). Letztere macht sich Pinky durch vorgetäuschtes Liebesgesäusel zu eigen, ist jedoch viel zu abgebrüht, um es ehrlich mit ihr zu meinen.

Bitterstes, realitätsgebundenes Traditionsgangsterkino aus dem Königreich mit einem formidablen Attenborough, seinerzeit junge 24 und ungewohnt diabolisch. Mit Ausnahme seines Serienmörders John Christie in Fleischers "10 Rillington Place" dürfte der Part des skrupellosen Nachwuchsgangsters Pinky Brown seine schwärzeste Rolle darstellen. Ein wahrer Misanthrop vor dem Herrn ist dieser egomanische kleine Psychopath, einer, vor dem selbst seine sogenannten Freunde Angst haben, weil er jeden Fehltritt mittels bösester Sanktionen quittiert. Umso herzzerbrechender Browns Antagonistin, die naive junge Rose, die ihm, jener symbolischen, hoffnungsvollen Fahrkarte heraus aus dem tristen Katechismus ihrer unbeleuchteten Existenz, vollkommen verfällt. Ihrer bedingungslosen Liebe zu ihm begegnet Brown mit einem kühlen Lächeln voller Bitterkeit. Für sie, dieses kleine Dummchen, empfindet er tatsächlich nichts als misogyne Abscheu, die er in einem besonderen Anfall von Ekel sogar auf Schellack verewigt. Immerhin darf sie ihren verlogenen kleinen Traum von der großen Liebe selbst noch weiterträumen, nachdem der Atlantik Pinky Brown, jenen leicht verhinderten Cockney-Erben von Enrico Bandello und Co., längst verschluckt hat.

8/10

Roy Boulting Graham Greene period piece John Boulting Brighton


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M (Fritz Lang/D 1931)


"Muss! Will nicht! MUSS! WILL NICHT!"

M ~ D 1931
Directed By: Fritz Lang


In Berlin geht ein pathologischer Kindermörder um, der nach außen hin unscheinbare Hans Beckert (Peter Lorre). Dieser versetzt nicht nur die Bevölkerung und die Polizei, allen voran Kriminalinspector Lohmann (Otto Wernicke), in Aufruhr, sondern auch das unter permanenten Großrazzien leidende, organisierte Verbrechen. Schließlich kommen die Unterweltler auf die zündende Idee, den noch anonymen Mörder mithilfe der städtischen Bettler zu finden, dingfest zu machen und ihn vor ihr hauseigenes Femegericht zu stellen.

Langs Meisterwerk in der restaurierten Fassung zu sehen, befreit vom Schmutz und Staub der Jahrzehnte und mattglänzend wie nie, ist, man kann es sich denken, ein wahrer Hochgenuss. Auch wenn "M" für mich kulturhistorisch betrachtet primär ein mit Döblins "Berlin Alexanderplatz" ranggleiches Porträt über die Hauptstadt der entstehenden und langsam kippenden Weimarer Republik (beides liest sich ganz gut als symbolbehaftete Fallstudie) darstellt - das eigentliche große Thema, das Lang zeit seiner Karriere bewegte - der gesellschaftlich Ausgestoßene im Angesichte der Lynchjustiz - wird hier bereits bis zur Vollendung ausgespielt, da es sich noch bewusst untendenziös gibt und die volle Entscheidungsgewalt seinem Publikum überlässt: Wie kann man einem Mann wie Hans Beckert in adäquater Weise begegnen? Die reale Antwort auf ebendiese Frage ergab sich wenige Wochen nach der Filmpremiere, als Peter Kürten, der "Vampir von Düsseldorf", zu dessen Fall "M" einige bewusste Analogien aufzeigte, seinem Scharfrichter begegnete und enthauptet wurde. Hier stand die soziale Bestialität der psychopathologischen für einen luftleeren Moment in nichts nach und Langs Film mit seinem bis heute unerreichten, ungeheuer intensiv aufspielenden Peter Lorre bekam seine vollendete historische Daseinsberechtigung. Was bleibt, ist Perfektion: gestern, heute, immerdar.

10/10

Serienmord Weimarer Republik Berlin Fritz Lang Unterwelt


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ODDS AGAINST TOMORROW (Robert Wise/USA 1959)


"Well, to me you ain't just another white spot on the streets."

Odds Against Tomorrow (Wenig Chancen für morgen) ~ USA 1959
Directed By: Robert Wise


Um sich zu sanieren, will der betagte Ex-Cop Burke (Ed Begley) eine Bank in Merton, Upstate New York überfallen. Dazu braucht er noch zwei Männer, die er in den Gaunern Earl Slater (Robert Ryan) und Johnny Ingram (Harry Belafonte) gefunden zu haben glaubt. Burke bedenkt jedoch nicht, dass Slater und Ingram, einmal zusammengeführt, schlimmer als Hund und Katz sein müssen. Slater, ein ausgebrannter, misanthropischer und zur Gewalttätigkeit neigender Weltkriegsveteran legt starke rassistische Tendenzen an den Tag, während der farbige Ingram eine Familie zu versorgen und einiges an Schulden bei dem Kredithai Bacco (Will Kuluva) einzulösen hat - nicht eben die treffsicherste Konstellation für einen gelungenen Bruch...

Meisterliches von Wise, mit Blick auf seine Filmographie schätzungsweise einer seiner besten Filme. In tristgrauen, zutiefst im Realismus verankerten Einstellungen tischt Wise seine hoffnungslose Einbrechergeschichte auf, die, das weiß man bereits im Vorfeld, weniger von der eleganten Ausführung eines Coups handelt als vielmehr davon, drei desillusionierte Versager zum letzten Mal in ihrem Leben verlieren zu sehen. Bereits die gefeierte "Waiting"-Sequenz - Burke, Slater und Ingram halten sich, ihren Gedanken nachhängend und mit großem örtlicher Distanz zueinander, an einem Flussufer auf, um die Zeit bis zum Überfall zu überbrücken - ist von einer formalen Brillanz, die noch heute jeden angehenden Filmemacher in Ehrfurcht erblassen lassen und nachhaltig erschüttern sollte. Spätestens angesichts dieser flüchtigen Augenblicke wird auch klar, dass "Odds Against Tomorrow" eine brutale Studie des Scheiterns ist. Dabei wird der so groß angekündigte Rassismus-Aspekt glücklicherweise eher zur beiläufigen Facette - anders als die vielen thematisch ähnlich gelagerten Filme jener Zeit wirkt "Odds" nicht, als wolle er irgendwen oder irgendwas mit Gewalt etablieren. Seine bittere Konsequenz ist lediglich die, dass die Hautfarbe spätestens im Tode sowieso ohne jedwede Bedeutung ist.

10/10

Rassismus Heist Robert Wise New York Abraham Polonsky


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RADIOACTIVE DREAMS (Albert Pyun/USA 1985)


"We now saw the world for what it was: cold and bitter."

Radioactive Dreams ~ USA 1985
Directed By: Albert Pyun


Die beiden vierjährigen Jungs Philip Chandler und Marlowe Hammer werden von ihren Dads (George Kennedy, Don Murray) pünktlich zur Explosion der Bombe in einen Atombunker gesperrt. Fünfzehn Jahre später, ihre Väter haben sie längst verlassen, betreten Chandler (John Stockwell) und Hammer (Michael Dudikoff) staunend die postnukleare Welt, in den Manteltaschen zwei geheimnisvolle Schlüssel. Die Bildung der beiden jungen Männer besteht vornehmlich aus Detektivgeschichten der dreißiger und vierziger Jahre; entsprechend naiv begegnen sie dem Trümmerchaos, das sie nun erwartet. Wilde Punkgangs, Disco-Mutanten, Kannibalen, unterirdisch lebende Monster, aber auch die "klassische" Femme fatale begegnen ihnen und wollen ihnen durchweg jene seltsamen Schlüssel abluchsen.

Was sich nach erstklassigem Trivialtrash der Mid-80s anhört, entpuppt sich als nicht viel mehr denn eine Kinokuriosität aus der Hochperiode der Bombenparanoia. Mit der produktiven Unterstüzung des damals noch präsenten Dino De Laurentiis fertigte der dem Vernehmen nach stets sehr von sich selbst überzeugte Hawaiianer Albert Pyun seinen zweiten Film nach "The Sword And The Sorcerer", diesmal ein echtes Autorenstück, dessen Ideenspanne jedoch weitaus geringer bleibt als sich angesichts des tollen Titels und Poster-Artworks erhoffen lässt. "Radioactive Dreams" erscheint höchst wirr und unausgegoren, jedoch auf eine Weise, die deutlich mehr mit inszenatorischer Nachlässigkeit zu tun hat als mit den angepeilten Noir-Strukturen. Abgesehen von seinem poppigen Grundgedanken scheint Pyun die Muse irgendwann schlicht verlassen zu haben. Somit verbleibt kaum mehr als ein ansätzlich sicherlich gutgemeinter, im Vergleich zu jedem beliebigen Italo-Endzeit-Klopper derselben Periode aber teils überhängend langweiliges filmhistorisches Exponat.
Epilog: Von den jüngst veröffentlichten deutschen DVD-Veröffentlichungen rate ich halbwegs geduldigen Interessierten, Abstand zu nehmen. Das Bildformat ist von 2,35:1 auf 1,78:1 gecroppt und merklich seiner originären Komposition beraubt. Ferner bin ich froh, mir nicht die hoffnungslos überteuerte Soundtrack-Edition geleistet zu haben, denn der grauenhaft beliebige, mit weiblichen Vocals intonierte Achtziger-Pop-Rock dürfte höchstens Kulturmasochisten erfreuen.

4/10

Coming of Age Groteske Albert Pyun Atombombe Apokalypse film noir


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COLPO IN CANNA (Fernando Di Leo/I 1975)


Zitat entfällt.

Colpo In Canna (Ich polier' dir deine Glatze) ~ I 1975
Directed By: Fernando Di Leo


Die amerikanische Stewardess Nora Green (Ursula Andress) überbringt dem Neapeler Gangsterboss Silvera (Woody Strode) eine Nachricht des gefürchteten internationalen Verbrecherkopfes "Der Amerikaner". Dafür lässt Silvera sie erstmal gehörig vertrimmen. Der nicht ausschließlich an Noras Gesundheit interessierte Manuel (Marc Porel) nimmt sie darauf mit zu sich nach Haus. Wie sich bald herausstellt ist Nora weit weniger ahnungslos als zunächst vermutet: Tatsächlich stecken sie und einige Gespielen hinter dem Pseudonym des "Amerikaners", was Silvera und auch sein Konkurrent Don Calò (Aldo Giuffrè) bald unsanft zu spüren bekommen.

Mit "Colpo In Canna", dem ersten Teil einer Trilogie von Gaunerkomödien, hat Fernando Di Leo eine völlig bizarre Gaunerkomödie aus der Taufe gehoben. Die Leo, der immerhin für einige der besten italienischen Gangsterfilme der Siebziger verantworlich zeichnet, hat den Film als eine Art Miniplagiat zu Hills Erfolgsfilm "The Sting" konzipiert, wofür der gleichermaßen undurchsichtige wie komödiantisch gewichtete Plot sowie die stark an Hamlischs Ragtime-Score angelehnte Musik von Bacalov sprechen. Auf weitere Analogien verzichtet Di Leo jedoch; er siedelt seine Geschichte in der Gegenwart an und scheut auch vor dämlichsten Slapstick-Elementen nicht zurück, die die vor Blödsinn nur so blühende deutsche Synchronfassung vermutlich noch verstärkt. Dabei macht der Regisseur den kapitalen Fehler, seinen Film formal wie dramaturgisch völlig zerfasern und schließlich sogar regelrecht fahrlässig zerfallen zu lassen. Zunächst gibt sich "Colpo In Canna" den Anstrich eines "erwachsenen" Gangstermovies mit einigen Gewalttätigkeiten und einer besonders zeigefreudigen Ms. Andress, bis er nach einigen ohnehin wilden Loops und Loopings in einem Finale kulminiert, das so auch in einem Spencer-Hill-Werk hätte vorkommen mögen: Einer lustigen Massenprügelei mit allerlei Vogelgezwitscher und ähnlichen infantilen Gags. Mal sehen, was die weiteren Teile der Trilogie mit Ausnahme ihrer weit weniger erfrischenden deutschen Titel noch zu bieten haben...

5/10

Fernando Di Leo Neapel


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DER SKORPION (Dominik Graf/D 1997)


"Auf was bist du?"

Der Skorpion ~ D 1997
Directed By: Dominik Graf


Der Münchner Polizist Josef "Jupp" Berthold (Heiner Lauterbach) ist einem Ecstasy-Ring auf der Spur, der mit besonders brutalen Mitteln arbeitet. Als die Verbrecher Bertholds Frau (Renate Krößner) unter LSD setzen und diese darauf bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wird, geht er umso vehementer gegen die Bande vor. Bertholds Sohn Robin (Marek Harloff) bendelt derweil ausgerechnet mit einer jungen Frau (Birge Schade) aus der "Szene" an.

Diese TV-Arbeit von Graf erweist sich zuweilen als nicht wenig sperrig. Der ganze Film ist, analog zu seinem Thema, gefilmt wie ein Trip, per stark nachbearbeitetem 35mm-Material. Extreme Überbeleuchtung, künstlich eingefügte Defekte und Schmutzpartikel sowie ein mitunter anstrengender Schnitt verdeutlichen primär die Amphetamin-Episoden von Bertholds Sohn Robin, der mit der Bekanntschaft der diesbezüglich höchst erfahrenen Daria in einen permanenten Ecstasy-Rausch abdriftet. Das Resultat erweist sich als interessant genug um als solide Graf-Arbeit zu bestehen, ermangelt jedoch meiner Wahrnehmung zufolge ein wenig der notwendigen emotionalen Involvierung. Möglich auch, dass eine wiederholte Betrachtung noch Zwiebelschichten erschließt, die mir bislang verborgen geblieben sind - wie gesagt macht der stark auf seine Oberfläche fixierte Film es einem nicht ganz leicht.

7/10

Ecstasy LSD Drogen TV-Film München Familie Dominik Graf


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THE YOUNG SAVAGES (John Frankenheimer/USA 1961)


"What do you want? What are you searching for?" - "The truth!"

The Young Savages (Die jungen Wilden) ~ USA 1961
Directed By: John Frankenheimer


In Harlem wird auf offener Straße ein fünfzehnjähriger, blinder, puertoricanischer Junge (José Perez) ermordet. Als Täter erweisen sich drei Jugendliche (Stanley Kristien, John Davis Chandler, Neil Nephew) zwischen fünfzehn und siebzehn Jahren aus dem benachbarten italienischen Viertel. Die Anklage gegen sie vertritt Staatsanwalt Bell (Burt Lancaster), selbst ein Emporkömmling aus Harlem, voll von beruflichem Ehrgeiz und latentem Hass gegen die Zustände in seinem Stadtteil. Berufliche Recherche sorgt dafür, dass Bell die Aggressionen der Jugendlichen gegen sich und seine Familie schürt. Erst nach einer Extremsituation in der U-Bahn findet Bell die nötige Objektivität für die anstehende Gerichtsverhandlung.

Hartes Sozialdrama als Kinodebüt von Frankenheimer, das mit einem exzellent inszenierten "Knall" beginnt und sich bis zur obligatorischen courtroom sequence am Ende durchweg fesselnd belässt. "The Young Savages" greift das schon in den Jahren zuvor häufig bediente Thema der juvenile delinquents auf, der verwahrlosten Kids, die in den Straßen der Groß- und Kleinstädte aufzubegehren beginnen gegen muffige Autorität und soziale Perspektivlosigkeit. Ein Mord ohne Sinn ist hier der Dreh- und Angelpunkt, einer, in dem sich die hochgekochten Aggressionen mit aller Macht den Weg bahnen und der letzten Endes nur ein solches Medienecho arreicht, weil er von einem Gouverneurskandidaten (Edward Andrews) zum wahlrelevanten Politikum hochgespielt wird. Für den wie immer fabelhaft spielenden Burt Lancaster ist indes der obligatorische Wandel vom Saulus zum Paulus angesagt. Der ehrgeizige D.A. blickt über den Tellerrand seiner Profession und tut am Ende das Richtige. Abgesehen von dieser bald märchenhaft-überzeichneten, klischierten Figurenzeichnung ist Frankenheimers Film als reine Regieleistung bereits zu diesem frühen Zeitpunkt geprägt von höchster Könnerschaft.

8/10

John Frankenheimer Courtroom New York Ethnics





Filmtagebuch von...

Funxton

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