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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SPELLBOUND (Alfred Hitchcock/USA 1945)


"Women's talk. Bah!"

Spellbound (Ich kämpfe um dich) ~ USA 1945
Directed By: Alfred Hitchcock


Mit Dr. Edwardes (Gregory Peck), dem neuen Chef der im Sanatorium Green Manors tätigen, etwas altjüngferlichen Psychotherapeutin Dr. Constance Petersen (Ingrid Bergman), stimmt etwas nicht. Schon nach zwei Tagen durchbricht ein gewaltiger Schuldkomplex Dr. Edwardes' Verhaltensmuster; er erleidet einen Zusammenbruch und muss feststellen, dass er gar nicht der echte Edwardes, dessen Tod er beobachtet hat, ist, und zudem unter schwerer Amnesie leidet. Constance, die sich in den Hilfsbedürftigen verliebt hat, will ihm dabei helfen, die wahren Hintergründe seiner Psychose offenzulegen und vor allem dabei, seine Unschuld zu beweisen. Dabei hilft ihr ihr früherer Lehrmeister Dr. Brulov (Michael Chekhov).

Nach dem nonchalanten, propagandistischen Kammerspiel "Lifeboat" nun ein Meilenstein für die Nutzung der Psychoanalyse als dramaturgisches Element im Kino und somit auch für die Popularisierung jener öffentlich kritisch beäugten medizinischen Richtung. Traumdeutung, Neurosen, Sublimierung, Übertragung - allesamt Termini, die 1945 (im Film gibt es nebenbei eine tolle Einstellung in der Central Station, in der ein großes Werbebanner für den Kauf von 'war bonds' - Kriegsanleihen - prangt) noch alles andere als selbstverständlich waren. Die berühmte Traumsequenz ließ Hitchcock von dem spanischen Surrealisten Dalí kreieren, dessen visueller Einfluss hier unverkennbar ist. Allerdings kann man die "Therapierung" des von Gregory Peck gespielten Helden, der sich im Nachhinein als ein Allgemeinmediziner namens 'John Ballantyne' entpuppt (und somit einen standesgemäßen Partner für die Bergman darstellt), kaum für voll nehmen. Ein unter einer derartig komplexen Störung leidender Patient, der zudem alle naselang in Ohnmacht fällt, bedürfte wohl einer mindestens dreijährigen Gesundung - die Bergman heilt ihn "mal eben so" innerhalb einer Woche, deckt einen seit seiner Kindheit verwurzelten Schuldkomplex auf, macht selbigen vergessen und sprengt die aktuell verursachte Amnesie mitsamt ihrem Auslöser. Das psychologische Moment ist somit zwar keinesfalls ungeschickt konstruiert; seine Offenlegung jedoch einem straff erzählten Filmdrehbuch angepasst. Inszenatorisch, technisch, visuell und betreffs seines dialogischen Geistreichtums ist "Spellbound" übrigens tadellos.

9/10

New York Alfred Hitchcock Psychiatrie


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SHADOW OF A DOUBT (Alfred Hitchcock/USA 1943)


"Go... away!"

Shadow Of A Doubt (Im Schatten des Zweifels) ~ USA 1943
Directed By: Alfred Hitchcock


Die grüblerische Charlie (Teresa Wright), ein nicht ganz alltäglicher Teenager aus dem kalifornischen Kleinstädtchen Santa Rosa, sieht nurmehr eine Möglichkeit zur Aufhellung ihres von latenter Depression gefährdeten Alltags: Ihr Lieblingsonkel Charles (Joseph Cotten), den sie als lebenslustigen, warmherzigen Menschen im Hinterkopf hat, muss her. Bevor Charlie ihm jedoch ihre Einladung telegraphieren kann, hat sich Charles schon selbst angekündigt. Fast zeitgleich mit ihm treffen zwei angebliche Demografen (Macdonald Carey, Wallace Ford) in Santa Rosa ein, die sich ziemlich rasch als Polizisten entpuppen. Der Grund für ihr Kommen: Sie verfolgen Charles, da er ihm dringenden Verdacht steht, ein gesuchter Frauenmörder zu sein. Charlie erscheint diese Eröffnung ungeheuerlich, doch dann kommen ihr berechtigte Zweifel an Onkel Charlies Unschuld, die sich bald in schreckliche Gewissheit verwandeln...

Hitchcocks persönlicher Lieblingsfilm aus seinem Eigen-Œuvre trägt dieses große Attribut nicht zu Unrecht: "Shadow Of A Doubt" ist der bis hierhin vielschichtigste, gekonnteste, bravouröseste, kurzum: beste Film, den der Meister inszeniert hat. "Shadow Of A Doubt" erzählt gleich mehrere Geschichten parallel; die offensichtlichste davon schildert den Einbruch des puren Bösen in das kleinbürgerliche, amerikanische Familienidyll. Hinter dem bisher so beliebten Onkel Charlie, der sich nach außen stets erfolgfreich als freundlicher Herr von nebenan zu verkaufen wusste, verbirgt sich ein irrsinnig gewordener Misanthrop und Serienmörder, der die Leichtgläubigkeit von Familie und Freunden aufs Gemeinste für sich ausnutzt. Dabei ist seine Liebe zu seiner ältesten Nichte gleichen Namens, die über rein familiäre Zuneigung hinauszugehen scheint, anfänglich noch durchaus aufrichtig. Als das Mädchen Charlie dann von Onkel Charlies Schuld überzeugt ist und ihn mit ihrer Sicht der Dinge konfrontiert ist es, als reiße sein letzter Verbundsfaden zur Menschlichkeit. Von hier ab wird Onkel Charlie endgültig zum reinen Verbrecher. Dann haben wir noch eine märchenhafte Coming-Of-Age-Geschichte: Für die junge Charlie bricht mit der Ankunft ihres vormaligen Familienidols die Kindheit zusammen, was sich bereits zuvor durch eine von ihrer Familie hilflos beäugte Durchgeistigung ihres Seelenlebens bemerkbar gemacht hat. Wie sie selbst für ihren Onkel, so ist auch ihr Onkel für sie eine letzte Konnexion zum Besseren, die bitterböse enttäuscht wird. Für Charlie bedeutet diese Entdeckung jedoch eine zwar schmerzliche, letztlich jedoch notwendige Episode auf dem Weg zur Persönlichkeitsbildung und zum Erwachsenwerden. Schließlich porträtiert Hitch mit feiner Satire aufs Schönste die amerikanische Vorstadtfamilie. Besonders Patricia Collinge als Matriarchin und gute Seele des Hauses, deren Lebensinhalt von Vorgartenpflege, Kuchenbacken und Fensterputzen bestimmt ist und Hume Cronyn als Muttersöhnchennachbar mit ebenfalls psychotischer Determination sorgen für einige erheiternde Augenblicke.
Übergroßes Meisterwerk, ohne Wenn und Aber.

10/10

Alfred Hitchcock Serienmord Familie Satire Kalifornien Coming of Age


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SUSPICION (Alfred Hitchcock/USA 1941)


"Hello, monkeyface."

Suspicion (Verdacht) ~ USA 1941
Directed By: Alfred Hitchcock


Die von der Altjungernschaft bedrohte Lina McLaidlaw (Joan Fontaine) lernt den Taugenichts und Salonlöwen Johnnie Aysgarth (Cary Grant) kennen und lieben. Entgegen aller Vernunft heiratet sie den Filou, der die Verschwendung liebt und lebt, ohne einen Penny dafür locker zu machen oder auch nur zu besitzen. Diverse Wettaffären, uneingelöste Wechsel und Veruntreuung begleiten sein Leben, was Lina erst nach und nach bemerkt. Als Johnnie sie anlügt und ihr Dinge verschweigt, beginnt sie, auch schlimmere Verdacchtsmomente gegen ihn zu hegen. Würde er vielleicht soweit gehen, für seinen exzessiven Lebensstil auch schlimmere Verbrechen zu begehen, gar zu morden?

Bekanntermaßen lösen sich Linas Verdächtigungen - und mit ihnen auch die des Publikums - am Ende in Wohlgefallen auf. Nur eines von mehreren von Hitchcock erwogenen Enden. Ihm selbst wäre es angeblich lieber gewesen, Cary Grant als Mörder hinzustellen und den Titel des Films sich erfüllen zu lassen; Reaktionen des Testpublikums hätten dies jedoch unmöglich gemacht. Dann stand ein Abschluss im Raum, der zwischen Lina und dem reumütigen Johnnie eine romantische Trennung auf Zeit eingeleitet hätte, doch letzten Endes gönnte Hitchcock seinem Paar, uns und mit Sicherheit vor allem sich selbst, das hoffnungsvolle Finale, mit dem man erleichtert aus der Geschichte entlassen wird. Grant - hier in seinem ersten von vier Auftritten beim Meister - einen bösen Killer spielen zu lassen, wäre letztlich in der Tat unmöglich gewesen, einem Imagemord des glatten Komödianten gleichgekommen und hätte dem Film viel von seiner Attraktivität geraubt. In der vorliegenden Form erscheint das Ende stimmig und gerecht und die Rehabilitierung des von Grant so wunderbar misogyn und dekadent dargestellten Fatzkes nur konsequent. Die berühmte Einstellung mit Grant und dem Milchglas auf der Treppe gehört zum Besten, was Hitchcock jemals auf Zelluloid bannte.

8/10

Alfred Hitchcock England Ehe


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FOREIGN CORRESPONDENT (Alfred Hitchcock/USA 1940)


"Hello, America, hang on to your lights: they're the only lights left in the world!"

Foreign Correspondent (Mord) ~ USA 1940
Directed By: Alfred Hitchcock


Der eher unbedarfte New Yorker Journalist John Jones (Joel McCrea) wird unter dem Alias 'Huntley Haverstock' als Auslandskorrespondent in das kriegsbedrohte Europa entsandt. Dort soll er den holländischen Diplomaten Van Meer (Albert Bassermann) interviewen. Im London angekommen lernt Jones die reizende Politikertochter Carol (Laraine Day) kennen und muss bald darauf feststellen, dass mit Van Meer etwas nicht stimmt. Zunächst verschwindet der ältere Herr quasi vor Jones' Augen, dann wird er in Amsterdam augenscheinlich ermordet. Doch der Tote ist nicht Van Meer, sondern ein Doppelgänger. Der echte Van Meer befindet sich in der Gewalt einer Gruppe Verschwörer, die ihm wichtige Informationen entlocken wollen. Jones versucht auf eigene Faust, den Verbrechern beizukommen.

"I do my part!" Nach einem Besuch im vom Kriege aufgescheuchten London ließ Hitchcock seinem Film noch einen - rein dramaturgisch betrachtet - furchtbar penetranten Epilog anhängen, in dem McCrea und die Day vor der BBC eine flammende Rede für die amerikanische Eigenständigkeit halten, und dass man sich doch bitte nicht in das Kriegsgeschehen hineinziehen lassen möge. Danach der Abspann; die Skulptur eines Adlers wird eingeblendet und dazu läuft die Hymne. Immerhin konnte man zuvor runde 115 Minuten Agentenfilm begutachten mit allen möglichen hitchcock'schen Kabinettstücken. Joel McCrea ist ein etwas untypischer Held, da die Aufklärung des Falls einer rein intrinsischen Motivation entspringt. Das kennt man von Hitchcock sonst eher nicht, da seine Protagonisten in prekärer Situation zumeist genötigt sind, ihre Unschuld darzulegen und somit das handlungstragende Verbrechen aufzuklären. Aber in "Foreign Correspondent" geht es nunmal um Aktivismus, insofern passt das Ganze auch. Zwei ganz wundervolle Sequenzen gibt es im Film: Die Erste zeigt McCrea als buchstäblichen Don Quichotte, wie er in der holländischen Provinz auf einem gespenstischen Windmühlenfeld den Verbleib Van Meers zu klären versucht, um dann vor der örtlichen Polizei als Spinner dazustehen; die zweite präsentiert einen umständlich eingefädelten Mordanschlag, den Edmund Gewnn in der Turmspitze der Westminster-Kathedrale als Attentäter Rowley auf McCrea verübt - nur um dann selbst den Abflug zu machen. In solchen - zeitlosen - Momenten ist Hitchcock ungeheuer konzentriert, ganz bei sich und keinerlei modischen Gesten unterworfen. Ansonsten muss sich "Foreign Correspondent" auch eine ganz praktikable Kritik gefallen lassen: Er verfällt nämlich zuweilen in eine gefährliche Trägheit (der Begriff 'Stasis' erscheint mir etwas zu stark) und scheint mir infolge dessen gute zwanzig Minuten zu lang geraten.

7/10

Spionage London Amsterdam Holland Alfred Hitchcock WWII


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REBECCA (Alfred Hitchcock/USA 1940)


"Last night I dreamt I went to Manderley again..."

Rebecca ~ USA 1940
Directed By: Alfred Hitchcock


Eine junge Gesellschafterin (Joan Fontaine) weilt mit ihrer ältlichen Chefin ferienbedingt (Florence Bates) in Monte Carlo. Da lernt sie den verwitweten englischen Baron Maxim De Winter (Laurence Olivier), der sie sozusagen vom Fleck weg heiratet und mit auf sein Anwesen in Cornwall, den Herrensitz 'Manderley' nimmt. Der posthume Schatten von De Winters verstorbener Frau Rebecca ist jedoch allgegenwärtig. All ihre Gegenstände tragen ihre Initialen und jeder in Manderley wird zwangsläufig permanent an sie erinnert. Besonders die Haushälterin Mrs. Danvers (Judith Anderson) ist wie besessen von Rebeccas Geist. Zunächst leidet die neue Mrs. De Winter unter den übermächtigen Spuren ihrer 'Vorgängerin', dann jedoch erfährt sie die ganze Wahrheit...

Ich bin sicher nicht der größte Fan von Hitchcocks so hochgelobtem, erstem amerikanischen Film, den er für David O. Selznick gemacht hat. Mich hat der schwülstige "Gaslicht"-Impetus der Geschichte, die heuer auch als Rosamunde-Pilcher-Klamotte der Woche im Fernsehen laufen könnte, schlichterdings nie hinfort- und schon gar nicht umgerissen. Allerdings, soviel sei von vornherein dagegenzuhalten, ist Hitchcocks Inszenierung gegenständlich tadellos und es lässt sich wohl mutmaßen, dass er viel von Selznicks eigentlichen, wildromantischen Plänen mit dem Stoff zum Besseren gewendet hat. "Rebecca" enthält als Dreiakter zwei harte narrative bzw. dramaturgische Zäsuren; die erste nach dem "Umzug" des Films von Monte Carlo nach Cornwall (im Film muss als stellvertretender Drehort die kalifornische Pazifikküste herhalten), die zweite, als die namenlose Protagonistin um das tatsächliche Verhältnis zwischen De Winter und Rebecca erfährt. Erst die letzte jener drei "Episoden" ist dann wieder klassischer Hitchcock; Romantik, Erpressung und Unschuldsbeweis und hier erhält man dann auch den unbestimmten Eindruck, der Meister wache aus einem ihm zuvor zwangsauferlegten Dornröschenschlaf auf, fände seine Lebensgeister wieder und könne zu seinem wahren Leisten zurückkehren. Damit käme ich zum zweiten persönlichen Störfaktor: Die buchstäblich alles überstrahlende Joan Fontaine rettet den Film aufgrund genau der Attribute, die ihr Reginald Denny im Film einmal auf den Kopf zusagt: Lebendigkeit, Natürlichkeit und Anmut. Ansonsten trifft man auf eine förmliche Liga von Unsympathen - allen voran der eiskalte Olivier, den ich im Grunde sowieso nur als Bösewicht sehen mag, die grauenhafte Mrs. Danvers, von Judith Anderson zwar ihrem Charakter gemäß ansprechend verkörpert, aber dennoch ein Rundum-Fies-Paket. Schließlich George Sanders, der als erpresserisches Oberekel für den männlichen Widerlingsbonus sorgt. Ein Personal, das ich gern schnell wieder sich selbst überlasse, trotz der armen, namenlosen Joan Fontaine, die ihr Leben mit dem drögen Schnauzbartträger De Winter wird zu Ende leben müssen.
Also, natürlich wertschätze ich auch "Rebecca" und erkenne darin noch hinreichend Qualität, um ihn mir immer mal wieder anzuschauen. "Mögen" - und schon erst recht "gern" - ist aber doch irgendwie was anderes.

7/10

Daphne Du Maurier Ehe Alfred Hitchcock Cornwall


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JAMAICA INN (Alfred Hitchcock/UK 1939)


"CHADWICK!!!"

Jamaica Inn (Riff-Piraten) ~ UK 1939
Directed By: Alfred Hitchcock


England, 1819: Die verwaiste Irin Mary (Maureen O'Hara) kommt nach Cornwall, um bei ihrer Tante Patience (Marie Ney) und deren Mann Joss Merlyn (Leslie Banks) zu leben. Joss entpuppt sich jedoch als Chef einer gefährlichen Bande von Strandräubern, die mit falschem Leuchtfeuer Schiffe auf die Klippen locken, ausrauben und deren Besatzung ermorden. Mary kann gerade noch einem von Merlyns Leuten, der wegen Ungehorsams gehängt wird, das Leben retten. Doch Trehearne (Robert Newton), wie der Bursche heißt, entpuppt sich als Agent ihrer Majestät, dessen Auftrag besagt, die Riffpiraten zu enttarnen und dingfest zu machen. Dabei ist sich Trehearne sicher, dass es über Merlyn noch einen Kopf geben muss. Und tatsächlich: Hinter den Aktionen der Verbrecher steckt niemand anders als der beliebte Edelmann Sir Humphrey Pengallan (Charles Laughton), den mit zunehmendem Alter der Wahnsinn packte...

Eine Glanzvorstellung des hierin völlig overactenden Charles Laughton. Man glaubt förmlich zu spüren, wie er als Quasi-Ebenbild des Egogiganten hinter der Kamera das Duell als sichtbarer Part souverän für sich entscheidet. Zwar hat Hitchcock ein paar Jahre später noch einmal mit Laughton zusammen gearbeitet, im Interview mit Truffaut veräußert er sich im Nachhinein jedoch als schlechter Verlierer (Laughton war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben): "Der Mann verstand nichts vom Film." Tatsächlich lebt "Jamaica Inn" primär von Laughtons exaltiertem Spiel. Mit Nasenprothese ausgestattet und den Unterkiefer zurückgezogen, fistelt er sich als feister Landvogt durch den gesamten Film, lässt Hitchcocks Inszenierung beinahe zur uninteressanten Nebensache werden und reißt jede Szene, in der er auftritt, gnadenlos an sich. Der farblose Robert Newton und selbst der ansprechend fiese Leslie Banks können ihm da rein gar nichts entgegnen. Allerhöchstens die wunderschöne Maureen O'Hara, der Laughton in diesem Jahr nochmal vergebens seine Aufwartung machen musste als Glöckner Quasimodo und mit der zusammen der gewichtige Akteur hier wie dort Funken sprühen lässt, kann ihm Paroli bieten. So bekommt man mit "Jamaica Inn", dem vorerst letzten, auf britischem Boden entstandenen Film seines Regisseurs, einen bestenfalls leicht überdurchschnittlichen Hitchcock, aber dafür einen umso famoseren Laughton!

7/10

Cornwall Daphne Du Maurier Alfred Hitchcock period piece Piraten


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THE LADY VANISHES (Alfred Hitchcock/UK 1938)


"I'm about as popular as a dose of strychnine."

The Lady Vanishes (Eine Dame verschwindet) ~ UK 1938
Directed By: Alfred Hitchcock


In einem kleinen Städtchen des Ostblockstaates Bandrika mit Eisenbahnanbindung wartet eine größere Reisegesellschaft auf den Anschluss Richtung Westen, der wegen einer Lawine aufgeschoben werden muss. Zu den illustren Gästen gehören die verwöhnte englische Junggesellin Iris Henderson (Margaret Lockwood), die in London ihren Verlobten ehelichen will, der Musikforscher Mr. Gilbert (Michael Redgrave) und die ältere Dame Miss Froy (Dame May Whitty), mit der Iris sich sehr gut versteht. Im Zug muss Iris nach einem Nickerchen feststellen, dass Miss Froy aus ihrem gemeinsamen Zugabteil verschwunden ist, und noch schlimmer: Dass außer ihr sie überhaupt niemand gesehen zu haben scheint. Gilbert, der ein Auge auf Iris geworfen hat, hilft der zunehmend verstörten Iris bei der Suche nach der spurlos Entfleuchten.

Jung, unbedarft, lebenslustig und so mir nichts, dir nichts in eine Spionageaffäre von internationaler Größenordnung hereingezogen - Hitchcock, wie man ihn kennt, schätzt, liebt. Dazu das Zugsetting, das von hier ab im Agentenfilm fest inventarisiert sein wird. "The Lady Vanishes" beginnt wie eine frivole Screwball Comedy. Zunächst stellen sich die Protagonisten vor: die hübsche Iris nebst zwei kaum minder attraktiven Freundinnen (Googie Withers, Sally Stewart), die leider in Bandrika zurückbleiben müssen (nicht zuletzt, da die Geschichte mit ihrer weiteren Beteiligung unsinnig würde), zwei Cricket-Fanatiker (Naunton Wayne, Basil Radford), die den ganzen Film hindurch als reichhaltige Spottzielscheibe für die Verballhornung britischer Eigenart(igkeit)en fungieren und der luftige Mr. Gilbert, der als Frechdachs vor dem Herrn wie geschaffen ist für eine romantische Liaison mit der nicht minder schlagfertigen Iris. Nicht zu vergessen die titelgebende Dame, die nette Miss Froy, eine rundum liebenswerte Teetrinkerin um die 60. Nach diesem umfassenden, ganz entspannt berichteten Prolog wird es endlich Zeit für die Kriminalgeschichte. Im Zug treffen die Helden auf diverse finstere, korrupte und sich hinter Geheimnissen versteckende Gestalten, feindliche Agenten und so weiter. Was jetzt genau eigentlich das Problem um den fiktiven Balkanstaat Bandrika ist, bleibt unbeschärft. Man erfährt lediglich, dass die staatliche Ordnung hier sehr hinkt, besonders an Commonwealth-Maßstäben. Das ganze Land wird zum MacGuffin, handlich gemacht und reduziert auf eine codierte Melodie, die es in den Westen zu übermitteln gilt.

8/10

Spionage Alfred Hitchcock Zug


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YOUNG AND INNOCENT (Alfred Hitchcock/UK 1937)


"These shoes are way too small."

Young And Innocent (Jung und unschuldig) ~ UK 1937
Directed By: Alfred Hitchcock


Als eine strangulierte Filmdiva am Strand angespült wird, ist der Hauptverdächtige schnell gefunden: Robert Tisdall (Derrick De Marney), der die Tote nicht nur kannte, sondern sich auch noch in deren unmittelbarer Nähe befand, muss es sein. Weitere Indizien sprechen für sich. Der mittellose Tisdall erbt eine stattliche Summe von dem Mordopfer und der Mantelgurt, mit dem es erdrosselt wurde, stammt offenbar von seinem entsprechenden Kleidungsstück. Durch die Plumpheit der Polizei kann Tisdall fliehen. Sein Ziel: Seinen Mantel, den er in einem Lokal vergessen hat, wiederzubekommen, um damit seine Unschuld zu beweisen. Zusammen mit Erica (Nova Pilbeam), der Tochter des örtlichen Polizeiobersten, die unübersehbare Sympathien für den jungen Mann hegt, jagt Tisdall dem wahren Täter hinterher.

Wiederum viel Typisches. Der unschuldig in eine Mordaffäre gestolperte Proband, eine kesse junge Gehilfin (Nova Pilbeam, erstaunlich flott vom kindlichen Entführungsopfer in "The Man Who Knew Too Much" zur selbstbewussten Dame gereift), eine Überland-Reise mit allerlei komischen und spannenden Wendungen. Schließlich die Erlösung von Filmheld und Zuschauer, das große Aufatmen: Der wahre Täter, untrüglich identifizierbar durch ein körperliches Leiden (er hat einen Augen-Tic) kann gefasst werden. Besonders akut wird hier wieder die Inkompetenz der (Provinz-)Polizei herausgekehrt. Die Beamten sind ohne Ausnahme verblödete Tölpel, die es nicht besser verdient habe, als inmitten einer Wagenladung von Schweinchen durch die Gegend kutschiert zu werden. Ohne ihr lethargisches Desinteresse hätte Tisdall von Anfang an weder angeklagt werden müssen, noch später die Möglichkeit zu fliehen gehabt. Das clevere junge Paar muss schließlich alles selbst machen. Dazwischen immer wieder markante und auffällige settings: Ein hektischer Kindergeburtstag von Ericas Cousinchen, eine Nacht im Obdachlosenasyl zwecks Mantelsuche, ein Besuch im Grand Hotel, wo der wahre Mörder scheinbar regelmäßig verkehrt. Außerdem: Nach dem vergleichsweise schweren "Sabotage" gewissermaßen eine Rückkehr zu früherer Leichtigkeit.

7/10

Alfred Hitchcock England Road Movie


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SABOTAGE (Alfred Hitchcock/UK 1936)


"What you need now is a good cry."

Sabotage ~ UK 1936
Directed By: Alfred Hitchcock


Eine Terrorvereinigung mit dem Ziel allgemeiner Desorientierung macht London unsicher. Nach einem ersten Anschlag, der lediglich eine Unterbrechung der Stromversorgung verursacht hat, soll der Kinobetreiber Verloc (Oscar Homolka), der sich als Handlanger für die Terroristen ein paar Pfund nebenbei verdient, eine Zeitbombe am Picadilly Circus platzieren - zur Hauptgeschäftszeit! In der Nachbarschaft von Verlocs Kino lauert jedoch schon der als Gemüseverkäufer getarnte Polizist Spencer (John Loder) auf den Unhold - und nicht auf ihn. Spencer hat zugleich ein Auge auf Verlocs hübsche junge Frau Sylvia (Sylvia Sidney) geworfen, die erst vor kurzem aus den USA gekommen und mit Verloc eine Zweckehe eingegangen ist, von der auch Sylvias kleiner Bruder Stevie (Desmond Tester) profitieren sollte. Als Verloc Stevie für den Bombenanschlag missbraucht und der Junge dabei stirbt, verliert Sylvia ihr letztes Fünkchen ehelichen Anstands.

Ein sehr ernsthaft konnotierter Versuch, sich mit den Gefahren öffentlichkeitsorientierten Terrors, im zeitnahen Volksmund noch etwas kriminologischer als "Sabotage" bezeichnet, zu befassen. Das Thema wird Hitchcock noch öfter beschäftigen, hier ist es eingebunden in einen umfangreichen Fragenkomplex über Schuld und Sühne. Zudem gibt "Sabotage" ein wenig Aufschluss darüber, wo die persönlichen Sympathien des Meisters lagen: Karl Verloc, dessen Entscheidung, zum Verbrecher zu werden, eher aus der Not geboren wird, wird als mitleiderregender Feigling bezeichnet, der seine letzten Boni verspielt, als er den durch seine Schuld verursachten Tod des Jungen mit einer Handbewegung herunterzuspielen versucht. Dass Hitch ein eher sadistisches Verhältnis zu Kindern pflegte, zeigt das Ende des kleinen Stevie. Ein Lausbub, wie er im Buche steht, dessen Trödeleien schließlich durch die überraschende Explosion der Bombe bestrat werden. Dieses dramaturgische Moment hat man Hitchcock noch vielfach angekreidet und er selbst räumte später ein, dass er den Bogen mit dem Tode des Jungen womöglich überspannt hat. Ein eher ambivalentes Verhältnis pflegt Hitch zu dem verdeckt ermittelnden Polizisten. Dessen Figur bleibt eindimensional und eine bloße emotionale Stütze der Heldin. Die putzige Sylvia Verloc wird indes als Protagonistin angelegt. Als Exilamerikanerin gebührt ihr schonmal ein besonderer Status, dann ist sie liebenswert aufgrund ihrer zunächst unerschütterlichen Loyalität zu ihrem Mann, den, obschon sie ihn nicht liebt, sie anfänglich nie ans Messer liefern würde. Ergo besorgt sie die überfällige Strafe am Ende selbst. "Sabotage" zeichnet eine recht finstere, bedrückende Atmosphäre, bringt jedoch die Suspense-Idee Hitchcocks speziell in der Szene, in der Stevie die Bombe transportiert, bereits formidabel auf den Punkt. Heading for more of that!

8/10

Ehe Terrorismus London Alfred Hitchcock Joseph Conrad Kino


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SECRET AGENT (Alfred Hitchcock/UK 1936)


"You get beautiful wife, I get nothing. Caramba!"

Secret Agent (Geheimagent) ~ UK 1936
Directed By: Alfred Hitchcock


London, 1916: Der auch als Autor berühmte Soldat Edgar Brodie (John Gielgud) segnet nur zum Schein das Zeitliche - tatsächlich soll er in neuer Identität als Spion Richard Ashenden in der Schweiz einen feindlichen Agenten ausfindig machen und eliminieren, der für den Vorstoß der britischen Nahost-Armee bei Damaskus eine besondere Gefahr darstellt. Zusammen mit einem mexikanischen Profikiller namens "General" und einer ihm kurzerhand zugeteilten "Tarn-Ehefrau" (Madeleine Carroll) wird Ashenden bald fündig. Doch erweist sich der sympathische Mr. Caypor (Percy Marmont) im Nachhinein als das falsche Zielobjekt. Der wahre Agent läuft immer noch frei herum und bereitet sich schon für seine Reise nach Konstantinopel vor...

Ein erster kleiner Lieblingsfilm. "Secret Agent" ist zwar seltsam unperfekt und merkwürdig widersprüchlich in der Kreierung seiner Atmosphäre und betreffs seiner Figurenzeichnungen, dafür bietet er jedoch auch eine unablässige Abfolge wundervoller Szenen und Augenblicke. Die Seele des Films ist tatsächlich nicht so sehr der steife Shakespeare-Akteur Gielgud, den ja bekanntlich nie ein Wässerchen trüben konnte, sondern der große Peter Lorre, der als "General Pompellio Montezuma De La Vilia De Conde De La Rue" eine wahre Zirkusvorstellung gibt: Gleichrangig eiskalter und sadistischer Profikiller auf der einen und lustiger kleiner, notorischer Filou und Buddy auf der anderen Seite; eine der schizophrensten Figuren der gesamten Filmgeschichte. Formidabel! Praktisch jede Sequenz, in der Lorre auftritt, gehört von Anfang an ihm, mit seiner Lockenperücke und einem ungewohnten Ohrring spielt er sich wie ein Derwisch durch seinen so ambivalenten Part. Dann gibt es zum Beispiel eine herzzereißende Szene mit einem laut aufheulenden Dackel, der spürt, das sein Herrchen ermordet wurde, eine aufwändige, phantastisch gefilmte und geschnittene Actionszene in einer Schokoladenfabrik und schließlich das spannende Zugfinale. Anders als der Vorgänger "The 39 Steps" nicht unbedingt ein urtypischer Hitchcock, dafür einer, der rundum glücklich macht.

9/10

Alfred Hitchcock Spionage period piece Schweiz based on play Zug WWI





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