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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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MAN-THING (Brett Leonard/USA, AU 2005)


"Good luck out there. It's the cover of Life Magazine, man."- "Life Magazine went out of business, you fucking idiot!"

Man-Thing ~ USA/AU 2005
Directed By: Brett Leonard


Seinen neuen Job im Süden hat sich der frischgebackene "Yankee-Sheriff" Williams (Matthew Le Nevez) deutlich anders und vor allem ruhiger vorgestellt: Gleich bei Dienstantritt wird er mit diversen Verschwundenen und merkwürdig verstümmelten Leichen konfrontiert, deren Mörder offenbar irgendwo in den Sümpfen haust. Die seltsamen Ereignisse scheinen etwas mit dem feisten Ölmagnaten Schist (Jack Thompson) zu tun zu haben, der mitten im Bayou eine riesige Raffinerie baut und sämtliche Anwohner, vor allem die Indianer, gegen sich aufbringt. Ein paar nächtliche Ausflüge ins Moor bringen Klarheit für Williams: Ein gewaltiger indianischer Rachegeist, der sich mit dem von Schist ermordeten Ted Sallis verbunden hat, knöpft sich jeden vor, der widerrechtlich in sein Gebiet eindringt.

Die Vorwürfe gegen den für eine aktuelle Marvel-Comic-Adaption ungewöhnlich niedrig budgetierten "Man-Thing" reichen von 'anachronistisch' über 'dämlich' bis hin zu 'inadäquat'. Auch wenn insbesondere letzteres wohl nicht von der Hand zu weisen ist - immerhin wurden diverse Elemente der origin stark verändert und vor allem Richtung hard horror eingenordet - so stellt sich mir doch rasch die vordringliche Frage, welche Vorstellungen respektive Erwartungen die Kritiker angesichts dieses kleinen, gar nicht mal verkehrten Films hegen. Ich finde es tatsächlich geradezu erfrischend, dass eine Genreproduktion ausnahmsweise mal nicht die jüngst so beliebte Selbstironie befleißigt, um die eigenen Schwächen zu kaschieren und sich damit beim Mainstream-Publikum anzubiedern. Vielmehr steht Leonards preisgünstige Sumpfmär freimütig zu ihren Trashwurzeln und versucht weder, sich unter übersättigten Horrorkids einen Namen zu machen, noch sonstwie zu trumpfen, wo es ohnehin von vornherein unsinnig wäre. Der übliche Stan-Lee-Cameo etwa bleibt aus, was wenig verwundert. Geradezu begeisternd dafür die überdeutlich artifiziellen, an ihrer Atelierherkunft erkennbaren 5x5-Meter-Sumpkulissen; weniger schick zugegebenermaßen das titelgebende CGI-Ungetüm, das von seiner eher sympathisch gelagerten Comic-Herkunft leider nicht mehr viel durchblicken lässt und dessen drei charakteristische Nasententakel nunmehr zu gewaltigen Krakenarmen mutiert sind. Um weiterhin ehrlich zu sein: Ausgesprochen toll ist "Man-Thing" in seiner Gesatmheit wohl nun nicht eben geraten, er scheint mir aber, im Kontrast zu deutlich Aufgeblasenerem wie dem zuletzt gesehen "District 9", auch gar nicht erst dazu gemacht, um irgendwen vom Hocker zu reißen. Mir hat's gefallen, was will ich mehr.

6/10

Comic Suedstaaten Marvel Splatter Brett Leonard Monster Sumpf


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DEAD OF NIGHT (Basil Dearden, Alberto Cavalcanti, Robert Hamer, Charles Crichton/UK 1945)


"Just room for one inside, sir."

Dead Of Night (Traum ohne Ende) ~ UK 1945
Directed By: Basil Dearden/Alberto Cavalcanti/Robert Hamer/Charles Crichton


Der Architekt Walter Craig (Mervyn Johns) folgt einer Einladung aufs ländliche Gut der Familie Foley. Bereits als er dort ankommt, beschleicht ihn das unweigerliche Gefühl eines Déjà-vu, das sich kurz darauf zur bedrohlichen Gewissheit manifestiert: Genau dies ist das Szenario, das Craig allnächtlich in einem wiederkehrenden Albtraum verfolgt und von dem Craig nurmehr weiß, das es schrecklich endet. Im Salon der Foleys befinden sich sechs Personen, die angespornt von Walters Traumschilderung, jeweils eine Geschichte um ihnen widerfahrene, übernatürliche Ereignisse berichten: Ein Rennfahrer (Anthony Baird) entrinnt wegen einer Vision knapp dem Tode, ein junges Mädchen (Sally Ann Howes) begegnet dem Geist eines ermordeten Kindes, eine Dame (Googie Withers) schenkt ihrem Verlobten (Ralph Michael) einen von ihm Besitz ergreiffenden, verfluchten Spiegel, zwei Golfspieler (Basil Radford, Naunton Wayne) entscheiden ihre Rivalität um eine weibliches Begierdeobjekt (Peggy Bryan) per Rasenmatch übervorteiltem Rasenmatch, das in Selbstmord und Geisterspuk gipfelt, die Puppe eines Bauchredners (Michael Redgrave) entwickelt ein unheimliches Eigenleben.

"Dead Of Night" wird in den meisten Aufzählungen der großen klassischen Horrorfilme als der chronologisch letzte vor einer langen Pause genannt, die dann erst gegen Mitte der fünfziger Jahre ihr Ende fand. Der Grund dafür dürfte im Zweiten Weltkrieg zu finden sein, der bekanntermaßen auch eine kulturelle Schneise schlug und für das Publikum fordernde oder makabre Werke, darunter freilich das Horrorgenre, aufgrund der in der Realität gemachten Erfahrungen keinen Platz mehr ließ. Dieses Gemeinschaftsprojekt von vier englischen Regisseuren, deren Segmente auf Kurzgeschichten-Vorlagen beruhen, stellt insofern einen echten Genremarkstein dar, der sich aufgrund seiner zahlreichen Qualitäten umso prägnanter gestaltet. Nicht nur, dass "Dead Of Night" den wahrscheinlich den letzten denkwürdigen Episoden-Horrorfilm darstellte bis die Amicus den Faden wiederaufnehmen sollte, sein besonders in der Rahmenhandlung um George Craig illustriertes Spiel mit Realitätsbrüchen hinterlässt eine nach wie vor beunruhigende Wirkung. Hinzu kommen diverse gestalterische Aspekte, die sich wiederum besonders in den surrealen Momenten gegen Ende des Films als vorzüglich arrangiert erweisen.
Stets aufs Neue ein berückend schönes und geschlossenes Erlebnis.

9/10

Episodenfilm England Surrealismus Basil Dearden Alberto Cavalcanti Robert Hamer Charles Crichton Schwarze Komödie


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THE BEACH (Danny Boyle/UK, USA 2000)


"No offence at all - but you're fucked in the head, right?"

The Beach ~ UK/USA 2000
Directed By: Danny Boyle


Der amerikanische Rucksacktourist Richard (Leonardo DiCaprio) sucht die 'wahre Exotik', abseits von den großflächig frequentierten Tourizentren und dem, was all die anderen so im Urlaub tun. In Bangkok trifft er auf den seltsamen Daffy (Robert Carlyle), der Richard eine Karte anvertraut, die den Weg zum angeblich schönsten Strand der Welt auf einer kleinen Insel im Golf von Thailand weisen soll. Zusammen mit dem französischen Paar Françoise (Virginie Ledoyen) und Étienne (Guillaume Canet) reist Richard zu besagtem Strand und findet dort neben schwerbewaffneten einheimischen Marihuanabauern eine hermetische New-Age-Kommune vor, die sämtlichen problematischen Lebensfragen abgeschworen hat.

Ein von seiner verführerischen Oberfläche abgesehen eigenartig leerer Film, der sich pausenlos mit Fragen und Diskursen abgibt, die mich einfach nicht interessieren und mich deshalb mutmaßlich auch nicht erreichen konnten. Reduziert formuliert geht es wie bereits in Alex Garlands Romanvorlage wohl um die Unvereinbarkeit von abendländischer Zivilisation und unberührten Naturarealen. Das selbstgeschaffene, vermeintliche Paradies wird nach und nach zum lebensfeindlichen Abgrund, den im Falle "The Beach" ausgerechnet der "Held" initiiert wie den Ausbruch eines hochinfektiösen Virus. Unbedacht reicht er vor seiner eigenen Ankunft eine Kopie der geheimen Karte weiter und beschwört damit vier Morde sowie mittelfristig das Zerbrechen der Inselkommune herauf, fordert durch die Tötung eines Babyhais den Zorn der Natur heraus und sorgt für beziehungsfeindlichen Lug und Trug. Boyle erweist sich als formvollendeter Ästhet, der in diesem Falle aber ebensogut einen Urlaubskatalog hätte illustrieren können - seine mikrokosmische Apokalypse jedenfalls juckt letzten Endes keinen, weil die von ihr Betroffenen irgendwie sowieso allesamt Arschlöcher sind.
Man fühlt sich an mitunter wesentlich Besseres im Kino erinnert; an "Hell In The Pacific" etwa, an "Apocalypse Now", "Long Weekend" oder den erst kurz zuvor entstandenen "The Thin Red Line", die allesamt ebenfalls den Pazifikraum zur infernalen Zone deklarierten, nur, dass sie den Schneid hatten, ihre topografische Metaphysik mit echten Figuren zu exerzieren und nicht bloß mit deren schönen Abziehbildern.

5/10

Tourismus Parabel Danny Boyle Thailand Marihuana Drogen Haiangriff Bangkok Alex Garland Subkultur


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THE KEEP (Michael Mann/USA 1983)


"What's all the shooting in the village, huh?"

The Keep (Die unheimliche Macht) ~ USA 1983
Directed By: Michael Mann


Rumänien, 1941: Wehrmachtsoffizier Woermann (Jürgen Prochnow) will eine seltsame Bergfeste in den Karpathen in Beschlag nehmen, da in der Gegend dem Vernehmen nach Partisanen am Werk sind. Obwohl die Soldaten eindringlich gewarnt werden, vergreifen sie sich an den silbernen Artefakten in der Burg und entfesseln eine tödliche Macht unbekannten Ursprungs. Bald darauf trifft auch eine SS-Kompanie unter der Führung des gestörten Major Kaempffer (Gabriel Byrne) in dem Dorf ein, die das in Verbindung mit den ünbernatürlichen Ereignissen stehende Ableben diverser Soldaten untersuchen soll. Just imselben Moment wird in Griechenland ein seltsamer Mensch names Trismegestus (Scott Glenn) auf die freigewordenen Energien aufmerksam...

Was Michael Mann mit seinem zweiten abendfüllenden Werk wirklich im Sinn hatte, lässt sich angesichts dieses nurmehr existenten Fragments von einem Film kaum mehr nachvollziehen - in jedem Fall liest man ja viel an später Ehrenrettung über "The Keep"; dass er ursprünglich eine Länge von über drei Stunden gehabt haben und wesentlich aufschlussreicher gewesen sein soll, dass die Paramount wild darin herumgeschnippelt und von Manns ursprünglicher Vision nichts mehr übriggelassen habe etc. pp. Tatsache ist aber doch, dass man zumindest in den meisten Fällen von selbst von Studioseite verstümmmelten Werken noch zumindest rudimentär etwas von dem basalen Potenzial erahnen kann, das ihnen einst innewohnte. Im Falle "The Keep" aber geht das nicht. Die seltsamen, manchmal schönen, zumeist jedoch zwischen den zwei Polen 'kryptisch' und 'albern' dargereichten Bilder werden mehr durch die sphärische Musik von Tangerine Dream zusammengehalten als durch die (nunmehr?) brüchige, inkonsistente Narration. Zunächst ist man angesichts der auf der Besetzungsliste stehenden Namen noch angetan von dem, was Mann an darstellerischer Größe für seinen Film aufgetan hat, dann jedoch erlebt man vornehmlich wildes Chargieren und großflächige Ratlosigkeit, selbst auf Seiten gestandener Mimen vom Schlage eines Ian McKellen. Das Ganze lässt sich zwar durchaus noch anschauen (am besten vermutlich unter Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen), zumal unter dem Label eines der gegenwärtig wohl weltbesten Filmemacher; auf der anderen Seite jedoch lässt sich mutmaßen, dass, wäre dies kein Film von Michael Mann, er heute wohl bestenfalls unter Kuriositätensammlern einen Namen genösse.

5/10

WWII Nationalsozialismus Michael Mann Monster


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CORALINE (Henry Selick/USA 2009)


"How dare you disobey your mother!"

Coraline ~ USA 2009
Directed By: Henry Selick


Hinter einer übertapezierten Tür ihres neuen Hauses entdeckt die kleine Coraline den Eingang in eine Art Parallelwelt. Dort waren ihre "anderen Eltern" auf sie, welche im Gegensatz zu ihrer realen Mum und ihrem realen Dad, die für das Mädchen von Berufswegen nur wenig Zeit haben, überaus fürsorglich sind - nur dass sie Knöpfe anstelle von Augen haben. Coraline bekommt hier köstliches Essen serviert, hat ein traumhaftes Kinderzimmer und wird in der Nachbarschaft zu prächtigen Shows und Revueen eingeladen. Irgendwann jedoch muss sie feststellen, dass all das nur Fassade ist und ihre "andere Mutter" eine bösartige Hexe, die es nur darauf abgesehen hat, Coraline, wie schon andere Kinder zuvor, für immer an ihre Welt zu binden.

Nicht ganz so atmosphärisch dicht daherkommend wie Neil Gaimans an Lewis Carroll orientierte, zauberhafte Vorlage, bewahrt Selicks per prachtvoller Stop-Motion animierte Adaption dennoch den Geist des Romans. Es geht um erste pubertäre Widerborstigkeitsphasen,jenes seltsam unentschlossene Gefühl zwischen dem Eindruck eines sich peu à peu einschleichenden Aufmerksamkeitsmangels von "oben" und dem Drang zur persönlichen Mündigkeit sowie der schließlich unweigerlichen Gewissheit, eines gewissen Unzufriedenheitspotenzials zum Trotze am Ende doch stets das sichere eigene statt eines alternativen Zuhauses zu wählen. Wie Myriaden anderer Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden muss auch Coraline (nicht etwa Caroline) Jones diese notwendige Erfahrung machen - auf beschwerliche, wenn auch umso phantastischere Art und Weise. Möglicherweise ist auch alles bloß ein Produkt ihrer überbordernden Phantasie - aber wen interessiert das letzten Endes?

8/10

3-D Henry Selick Kinder Neil Gaiman Hexen


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DE VIERDE MAN (Paul Verhoeven/NL 1983)


Zitat entfällt.

De Vierde Man (Der vierte Mann) ~ NL 1983
Directed By: Paul Verhoeven


Der stark dem Alkohol zugeneigte, bisexuelle Autor Gerard Reve (Jeroen Krabbé) erhält eine Einladung zu einem Vortrag vor einer Gruppe Literaturfreunde. Schon auf dem Weg dorthin wird er von seltsamen Visionen geplagt. Im Publikum fällt ihm dann eine Frau mit Filmkamera auf, die schöne Christine (Renée Soutendijik). Die beiden beginnen eine stürmische Liaison. Christine verwöhnt Gerard nach allen Regeln der Kunst, doch er beginnt sich nichtsdestotrotz bald mehr für seinen Nebenbuhler Herman (Thom Hoffman) zu interessieren. Durch Zufall findet Gerard heraus, dass Christine bereits dreifache Witwe ist und verfällt immer mehr dem Wahn, sie sei eine Art 'schwarze Witwe', die den Tod ihrer Liebhaber herbeiführt. Doch wer ist der vierte Mann - Herman oder Gerard?

Mit "De Vierde Man", seinem letzten für Rob Houwer gedrehten und in Holland entstandenen Film konnte Verhoeven den dringend benötigten Werks-Quantensprung verzeichnen. Ein vexierspielhafter Thriller war das Resultat, der sich in zahlreichen Momenten an das übermächtige Vorbild Hitchcock anlehnte und bis zum Schluss die dräuende Frage danach unbeantwortet lässt, ob Christine tatsächlich jene Hexe ist, die Gerard in ihr wähnt, oder ob alles bloß eine Zwangsvorstellung seiner ubiquitären Imagination zwischen sakraler Symbolik und Teufelsspuk ist. Verhoeven ließ diese albtraumhafte Geschichte von seinem dp Jan De Bont in bedeutungsvolle, starke Bilder kleiden und trieb seinen Protagonisten zu Höchstleistungen. Man registriert unweigerlich: Holland ist nunmehr zu klein für diesen Mann. Dass der rote Teppich der Studiohofierung bald darauf ausgerollt werden sollte, musste ergo lediglich eine Zeitfrage sein.

8/10

Madness femme fatale Paul Verhoeven Dreiecksbeziehung Literatur Amour fou


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DARK CITY (Alex Proyas/USA, AU 1998)


"Do you know the way to Shell Beach?"

Dark City ~ USA 1998
Directed By: Alex Proyas

Eines Nachts erwacht John Murdoch (Rufus Sewell) in einer Badewanne - ohne jegliche Erinnerung an seine bisherige Existenz. Es scheint, dass er ein flüchtiger Serienmörder ist und von der Polizei gesucht wird. Nach und nach macht sich John mit den näheren Umständen seiner Amnesie vertraut. Die namenlose Stadt, in der er lebt, scheint sich auf einem hermetisch abgeschlossenen Areal zu befinden; niemals wird es dort Tag und jeweils zur zwölften Stunde verändern sich ihre gesamte Physis und Infrastruktur. Damit nicht genug werden die Geschicke der Stadt offenbar von ein paar kahlköpfigen, dunkel gewandeten Herren gelenkt.

Mit "Dark City" gelang dem ohnehin stets einen deutlichen Hang zu düsterem Bombast aufweisenden Alex Proyas sein bislang größter visueller Triumph. Besonders die traditionsverpflichtete Prämisse, eine SciFi-Story mit der typischen Optik des film noir zu kreuzen, trägt dem Rechnung. Proyas ließ eine manische Sorgfalt walten bei der Ausstattung und Beleuchtung seiner Innenräume, die der Kreierung einer möglichst authentischen Atmosphäre dienlich sein sollten. Das unterschwellig-latente Gefühl, im Rahmen seines Films unter einer Art gigantischer Kuppel zu existieren, stellt sich auch ohne die entsprechende Gewissheit rasch ein und genau darin liegt Proyas' Verdienst. Die inhaltlichen Versatzstücke, die sich in weiten Teilen klassischer Genremotive bedienen, müssen als reine Transporteure von Proyas' Vision erachtet werden. Er mag vielleicht sogar ein wenig Ende gelesen haben, denn seine Fremden sind unschwer identifizierbare, nahe Verwandte der Grauen Herren, die als uniformiert erscheinende Eminenzen aus dem Hintergrund ebenfalls wenig Gutes mit den Menschen im Sinn hatten.
Ob (und wenn ja, warum) der nun von mir gesehene Director's Cut der ursprünglichen Kinofassung prinzipiell vorzuziehen ist, kann ich leider nicht zur Gänze feststellen, da die letzte Betrachtung der Normalversion nunmehr allzu lange zurückliegt. Angesichts der notierten Änderungen und Proyas' leidenschaftlichen Plädoyers für seinen nachträglich erstellten Wunschschnitt dürfte aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sein.

8/10

neo noir Alex Proyas Weltraum Director's Cut Zukunft Aliens David S. Goyer


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THE NIGHT OF THE HUNTER (Charles Laughton/USA 1955)


"It's a hard world for little things."

The Night Of The Hunter (Die Nacht des Jägers) ~ USA 1955
Directed By: Charles Laughton


Zur Zeit der Großen Depression begegnet der irrsinnige Wanderprediger und Frauenmörder Harry Powell (Robert Mitchum), als er wegen einer Lappalie ins Gefängnis muss, dem Räuber Ben Harper (Peter Graves). Dieser hat seine letzte Geldbeute bei seiner Frau Frau Willa (Shelley Winters) und den zwei Kindern John (Billy Chapin) und Pearl (Sally Jane Bruce) zurücklassen müssen. Powell erfährt davon und ermordet Ben im Schlaf. Nach seiner Entlassung bricht Powell über die verwitweten Harpers herein wie ein böser Sturm: Zunächst macht er sich Willa gefügig, um dann auch sie zu töten und quält und erpresst hernach die beiden Kinder, um von ihnen das Versteck des Geldes zu erfahren. Doch den beiden gelingt die Flucht und nach einer Zeit des Darbens gelangen sie in die Obhut der warmherzigen Rachel Cooper (Lilian Gish).

Nach dem Genuss von "The Night Of The Hunter", Charles Laughtons einziger Regiearbeit, bedaure ich jedesmal aufs Neue, dass der wohlbeleibte Brite nicht mehr Filme inszeniert hat. Doch sein Film dürfte insbesondere in Anbetracht des zeitgenösischen Kontextes, schlicht zu sperrig, zu gewagt und zu kunstambitioniert, - kurzum: zu anspruchsvoll für das damalige Publikum gewesen sein. Wie ein böser, schwarzromantischer Traum umfängt einen die finstere Atmosphäre dieser zutiefst säkularen Fabel, die Bigotterie und religiöse Naivität als uramerikanische Gesellschaftsprinzipien denunziert und einen gewissen arroganten, altweltlichen Blick auf die provinzielle Einfalt der US-Bürger wirft. Auch dies mit Sicherheit ein Grund für die damalige mangelnde Wertschätzung des Films. Doch schätzt und bewundert Laughton zugleich die geheimnisumwobene Naturwelt der Appalachen und des Ohio und lässt die Kamera symbolträchtige, nächtliche Bilder von exotischer Flaura und Fauna einfangen, die keinesfalls unbeabsichtigt auch die Seiten eines Märchenbuchs illustrieren könnten. Überhaupt wandelt sich die zunächst noch konventionell gehaltene Erzählung mehr und mehr zu einer sich bewusst selbst infantilisierenden, freudianischen Mär, die tief verwurzelte Kindheittraumata beschwört und Harry Powell mehr und mehr zu einem fast überirdischen Racheengel stilisiert. Da steckt trotz Mitchum mehr von einem "Wizard Of Oz" drin als etwa von einem "Cape Fear".
Ein Film wie kein zweiter.

10/10

Charles Laughton Fanatismus Erwachsenenmaerchen Great Depression Parabel


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THE HOUSE OF THE DEVIL (Ti West/USA 2009)


"Kill me - I'm just a messenger."

The House Of The Devil ~ USA 2009
Directed By: Ti West


Die Studentin Samantha (Jocelin Donahue) ist das Leben im Wohnheim leid und möchte endlich eine eigene Wohnung beziehen. Um diese zu finanzieren, bedarf es jedoch noch an etwas mehr Startkapital und so kommt ihr ein Jobangebot als Babysitterin gerade recht. Nach einem bereits sehr eigenartigen Einstellungsprocedere bei ihren Brötchengebern (Tom Noonan, Mary Woronov) angekommen, findet sie jedoch heraus, dass sie keineswegs ein Kleinkind, sondern eine mysteriöse alte Dame, die sich mutmaßlich in der oberen Etage aufhält, betreuen soll. Zaghaft und gegen erhöhtes Gehalt willigt sie ein und steckt schon bald ganz tief drin im Höllenpfuhl.

Guter Horror für meinereiner, der ich mir als eine meiner gruseligsten Visionen schon seit jeher fröstelnd vorstelle, wie unangenehm ich es fände, mich nächtens allein in einem knarrenden alten Haus zu wähnen, um dann verdächtige Geräusche aus einem anderen Stockwerk wahrzunehmen, die mir verraten: "Du bist hier drin gar nicht allein..."
Als kleiner fieser Hybrid aus "Rosemary's Baby", "TCM" und "When A Stranger Calls" geriert sich Ti Wests liebevoll arrangierte Hommage an das Genrekino der ausgehenden Siebziger und frühen Achtziger. Bereits die Credits sind mit entsprechender Synthie-Musik und eingefrorenen Titelframes scheinbar längst obsoleten Stilismen geschuldet, die allerdings im Jetzt gleich wieder taufrisch wirken. Retro ist eben immer chic. Das gilt weitgehend auch für "The House Of The Devil", der, wenn auch beseelt von bereits vielfach durchdeklinierten Versatzstücken, einige nicht zu unterschätzende Schockmomente bereithält und am besten im abendlichen Hause bei Kerzenschein genossen sein will.

8/10

Independent Hommage Ti West Retro


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SCHOCK (Mario Bava/I 1977)


Zitat entfällt.

Schock ~ I 1977
Directed By: Mario Bava


Einige Zeit nach dem Selbstmord ihres drogenabhängigen Mannes Carlo (Nicola Salerno) zieht seine Witwe Dora (Daria Nicolodi) zusammen mit dem gemeinsamen Sohn Marco (David Colin jr.) und ihrem zweiten Ehemann Bruno (John Steiner) wieder in das ehemalige Haus der Familie. Bereits wenige Tage nach ihrem Einzug beginnt Marco sich zunehmend seltsam zu verhalten und Dora wird von ihr unerklärlichen Schuldgefühlen gekoppelt mit geisterhaften Erscheinungen geplagt. Alles sieht danach aus, als sei Carlos rachsüchtiger Geist zurückgekehrt und fordere nun seinen späten Tribut.

Bavas letzter Film lässt sich nochmal als schöne Geisterbahnfahrt an und zieht diverse Register aus der Mottenkiste des Gruselkintopp. Daria Nicolodi, die zusammen mit John Steiner das Annorexie-Paar des italienischen Horrorfilms abgibt, ausnahmsweise in einer fragile Opferrolle zu sehen, ist recht wohltuend. Sonst gedachte ihr Exmann Dario Argento ihr ja stets ziemlich unappetitliche Todesszenen zu. Wobei, am Ende,... Doch ich möchte keinem den Spaß verderben. Abgesehen von der unablässigen Fähigkeit, pure Atmosphäre zu kreieren, ist von dem Bava der Sechziger nicht mehr viel zu spüren. Im Gegensatz zu den früheren, bald psychedelischen Farbenexplosionen sieht "Schock" beinahe blass aus. Einige Sequenzen wurden denn auch bereits von Sprössling Lamberto inszeniert, die Genrefackel sollte offenbar per weichem Übergang weitergereicht werden.
Ein ganz schönes Abschiedsgeschenk des Maestro, wenn auch kaum so unikal wie frühere Arbeiten.

6/10

Eurohorror Lamberto Bava Mario Bava Splatter





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