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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SECRET BEYOND THE DOOR... (Fritz Lang/USA 1947)


"We need to talk about David."

Secret Beyond The Door... (Das Geheimnis hinter der Tür) ~ USA 1947
Directed By: Fritz Lang

Die reiche, bisher durch ein eher unstetes Liebesleben aufgefallene Erbin Celia Barrett (Joan Bennett) lernt in Mexiko den Architekten Mark Lamphere (Michael Redgrave) kennen und heiratet ihn vom Fleck weg. Zurück in den USA zieht Celia mit in Marks Haus und stellt fest, dass ihr Gatte ihr nicht nur Manches verschwiegen hat, sondern hinter seiner gutbürgerlichen Fassade außerdem noch einige bizarre Seiten kultiviert. Da wäre zum einen die Tatsache, dass Mark Witwer ist und aus der ersten Ehe einen Sohn (Mark Dennis) im Teenageralter hat. Zudem lebt im Haushalt Marks scheinbar durch Brandnarben entstellte Sekretärin (Barbara O'Neill), die ihr halbes Gesicht hinter einem Schal verbirgt. Am Mekrwürdigsten mutet jedoch Marks morbides Hobby an: In einem angebauten Flügel des Hauses hat er die Originalschauplätze historischer Frauenmorde nachgestellt. Eine Tür jedoch, die von Zimmer Nummer 7, bleibt verschlossen. Celia verschafft sich eine Kopie des Schlüssels und spürt dem Geheimnis nach.

In "Secret Beyond The Door..." versucht sich Lang an einem thematischen Motive (oder motivischen Thema, ganz nach Belieben), das in diesen Jahren vor allem seinen Berufsgenossen Alfred Hitchcock umtrieb: dem der Psychoanalyse. Hier allerdings bedarf es keines ausgebildeten Therapeuten für die schlussendliche Konfrontation mit Trauma und Neurose. Jene besorgt die treusorgende Ehefrau, die sich nach einigem Hin und Her für den Kampf um ihre Liebe entscheidet und damit damit selbst endgültig aus ihrer früheren Rolle als promiskes Betthupferl ausbrechen und sich Erlösung verschaffen kann. Ähnlich wie es in dem zwei Jahre älteren "Spellbound" um verschleierte Erinnerungen und Zwanghaftigkeiten geht, benötigt auch der männliche Held von "Secret Beyond The Door..." psychotherapeutische Hilfe, indem er mit seiner Vergangenheit zwangskonfrontiert wird und einen unbewusst durch seine eigene Schwester forcierten Mutterkomplex als Ursache für seine latente Misogynie erkennen kann. Um zu akzeptieren, wie geschmiert dies im Rahmen der Handlung funktioniert, muss man allerdings einiges an gutem Willen und Toleranz mitbringen. Deutlich erlesener die formale Ausgestaltung: Die expressionistische Kamera von Stanley Cortez verliebt sich in surreale Szenerien wie die der mexikanischen Hochzeit von Celia und Mark, die in ihrer Düsternis eher einer Totenmesse gleicht und bereits dräuendes Unheil andeutet. Celias spätere Irrwege durch das Lamphere-Haus werden flankiert von einer Armee von scharf geformten Schatten. Am Ende, als das Geheimnis hinter der Tür sich endlich lüftet, rotiert schließlich die Trockeneis-Maschine und der während der Nachkriegsjahre darbende Horrorfilm erhält einen kleinen Platzhalter.

7/10

Fritz Lang Mexiko Ehe Madness film noir


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THE UNINVITED (Lewis Allen/USA 1944)


"That's the dawn breeze..."

The Uninvited (Der unheimliche Gast) ~ USA 1944
Directed By: Lewis Allen

Der Londoner Komponist Roderick Fitzgerald (Ray Milland) und seine Schwester Pamela (Ruth Hussey) kaufen zu einem Spottpreis ein malerisch gelegenes Haus über der Steilküste Cornwalls. Wie sie bald erfahren, soll es in 'Windward House' umgehen und tatsächlich: Nächtliche Klagelaute dringen stets kurz vor der Morgendämmerung durchs Haus; das Atelier im Obergeschoss ist allenthalben eiskalt, Kerzen werden mirnichts dirnichts ausgelöscht und zu allem Überfluss lässt sich hier und da eine schemenhafte, nebulöse Frauengestalt blicken. Auf die junge Stella (Gail Russell), Enkelin des vormaligen Besitzers (Donald Crisp) und Tochter der einst von den Klippen gestürzten Mary Meredith, übt Windward House eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Eine nächtliche Séance beweist: Der Spuk ist nicht eingebildet! Doch was will der Geist eigentlich? Und welche Rolle spielt die seltsame Amateur-Psychologin Miss Holloway (Cornelia Otis Skinner) bei alldem?

Ein innerhalb des klassischen Horrorfilms immens wichtiges Werk, sozusagen der Urahn aller Haunted-House- und Ghost-Movies, von dem das gesamte spätere Subgenre bis heute zehren wird und dem insbesondere wesentliche Marksteine von "The Haunting" bis "The Exorcist" sehr viel zu verdanken haben. Trotz seines stolzen Alters und seiner durchaus gemächlichen, braven Narration gibt es noch immer manch schönen, Gänsehaut evozierenden Moment in "The Uninvited", wofür besonders die tadellose audiovisuelle Gestaltung der Spuksequenzen sorgt. Als nachträglich etwas unwegsam erweist sich die von Ray Milland etwas überkernig ausgestaltete Figur des Roderick Fitzgerald, der seine coole Contenance nie verliert und stets Herr der Lage bleibt, wo selbst gestandene Parapsycholgen sich in die Hosen schissen. Ein wenig gute, ehrliche Angst gehört zum wahren Menschsein einfach dazu. Auch sonst hätte Allen wohl daran getan, auf die eine oder andere Dehnung seines Film zu verzichten, dem eine Viertelstunde Straffung sicherlich gut bekommen wäre. Da es sich jedoch um sein Erstlingswerk handelt, das sich bei aller Kritik bestimmt immer noch mustergültig für ein Debüt ausnimmt, mag man jedoch ein Nachsehen mit ihm haben.

8/10

Lewis Allen England Cornwall Haus Geister Spuk Sanatorium Dorothy Macardle


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ALTERED STATES (Ken Russell/USA 1980)


"I'm on fucking fire."

Altered States (Der Höllentrip) ~ USA 1980
Directed By: Ken Russell

Ende der sechziger Jahre experimentiert der Wissenschaftler Eddie Jessup (William Hurt) mit den Halluzinationen, die sich nach längerem Aufenthalt in einem Isolationstank einstellen: Jessup ist der festen Ansicht, dass die auf den evolutionären Ausgangspunkt reduzierte Persönlichkeit des Menschen physikalisch messbar ist. Als er seine zukünftige Frau Emily (Blair Brown) kennenlernt und eine Familie mit ihr gründet, stellt er seine Forschungen für etwa zehn Jahre hintenan. Dann hört Jessup von einer psychoaktiven Droge, die mexikanische Indianer auf Pilzbasis herstellen. Vor Ort probiert er das Gebräu. Mit erstaunlichen Auswirkungen - Jessup hat extreme Halluzinationen und erlegt im Vollrausch eine Ziege. Begeistert nimmt er eine Probe von dem Rauschmittel mit. In Kombination mit weiteren Isolationstank-Aufenthalten beginnt Jessup dann, eine kkatastrophale Veränderung durchzumachen. Zeitweilig verwandelt er sich in ein behaartes Urzeitwesen und ist nicht mehr Herr seiner Sinne.

Weniger interessant aufgrund der recht abgestandenen Motivlage - "Altered States" intellektualisiert den klassischen 'Jekyll/Hyde'-Plot, indem er ihn im Milieu der drogenaffinen, mit Hofmann und Leary vertrauten 68er verankert, von dort aus theologisiert und im Grunde den alten moralinsauren Zeigefinger von der bitteschön stets zu wahrenden Ethikgrenze und der wahren Liebe, die alles besiegt, permanent erhoben lässt - denn seiner formalen Komposition wegen. Auch vor leichten B-Film-Avancen scheut Russell nicht zurück, wenn er William Hurt als keifenden Primaten durch den Universitätskeller und danach durch den Bostoner Zoo hampeln lässt. Mehr als alles andere prägt jedoch die Erfahrung mit Halluzinogenen die Grundierung des Werks; "Altered States" ist ein klassisches trip movie, das Hurts Erfahrungen mittels ausgedehnter Bildcollagen visualisiert, die häufig mit satanischen Motiven herumspielen. Auf der irdenen Seite überzeugt vor allem Hurt, der hier unglaublicherweise sein Filmdebüt gibt, als ebenso besessener wie verschrobener Versuchsanordner.

8/10

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AMER (Hélène Cattet, Bruno Forzani/F, BE 2009)


Zitat entfällt.

Amer ~ F/BE 2009
Directed By: Hélène Cattet/Bruno Forzani

Ana (Marie Bos), eine junge Frau, kehrt während eines brüllend heißen Sommers in das mittlerweile leerstehende Familienvilla an der malerischen Côte d'Azur zurück. Hier hatte sie bereits zwei einschneidende, prägende Erlebnisse: Als kleines Mädchen (Cassandra Forêt) wurde sie Zeugin, wie ihr toter Großvater in dem Haus aufgebahrt wurde, während eine mysteriöse Haushälterin (Delphine Brual) ihr nachzustellen schien und ihre Eltern (Bianca Maria D'Amato, Jean-Michel Vovk) hilflosen Sex im Nebenzimmer hatten; als Teenagerin (Charlotte Eugène Guibeaud) durchkreuzt ihre Mutter mit einer gezielten Ohrfeige Anas sexuelles Erachen nebst ersten, zögerlichen Avancen an das andere Geschlecht. Heute wird Ana von ebenso erotomanen wie blutrünstigen Phantomen verfolgt: Treibt ein schattenhafter Mörder sein Unwesen auf dem Anwesen? Oder ist gar Ana selbst die Quelle der sich überstürzenden Ereignisse?

Was Film sonst noch kann: Stringente Narration kennen wir alle, haben wir schon hundertausend Mal gesehen und können, ausgebufft wie wir sind, auch meist präzise voraussagen, wer der Mörder ist! "Amer" gibt sich mit derlei Ordinärem gar nicht mehr ab. Er nimmt sich die inhaltliche Essenz der italienischen Genrefilme der frühen siebziger Jahre, gemeinhin bekannt als 'Gialli', zum stilistischen Vorbild, um eine weithin dialogbefreite, von mysteriöser Assoziativität und Bewusstseinsströmen dominierte Innenwelt zu errichten, die von dem stets gepflegt schundigen Gebahren der Originale kaum mehr etwas zurückbehalten mag - Originalmusiken von Morricone, Nicolai und Cipriani inbegriffen. Stattdessen hält "Amer" drei entschlüsselnde Lebensstationen einer psychisch offenbar zunehmend schwer gestörten Dame bereit, in deren emotionalem Empfinden Eros und Thanatos einhergehen und die sexuelle Annäherung mit Tod bestraft. Die formale Pracht und immense Kunstfertigkeit des Films steht dabei in interessantem Zusammenhang zu seiner eher grobgemahlenen Inspirationsquelle: So "umständlich" gab sich das klassische mediterrane Thrillerkino jedenfalls nie. Aber da ging es ja auch weniger um die Erkundung einer gequälten Seele, sondern um ganz andere Dinge. Von denen wiederum berichtet "Amer" bloß am Rande.

8/10

Hélène Cattet Bruno Forzani Madness Frankreich Riviera Sommer


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THE PROPHECY (Gregory Widen/USA 1995)


"Never trust a fucking angel."

The Prophecy (God's Army) ~ USA 1995
Directed By: Gregory Widen

Einst wurde im Himmel unter dem Erzengel Gabriel (Christopher Walken) ein gigantischer Krieg losgetreten, der mittlerweile bereits seit vielen Tausenden Jahren wütet. Anlass dafür war die Eifersucht der Engel auf etwas, das Gott seiner jüngsten Kreation, dem Menschen, im Gegensatz zu ihnen verehrte: Seelen. Nun scheint sich eine entscheidende Wende im Himmelskrieg einzustellen, herbeigeführt durch den Tod des unendlich bösen Korea-Veteranen Hawthorne, dessen Seele sich Gabriel unbedingt unter den Nagel reißen will. Der vom Glauben abgefallene Polizist Daggett (Elias Koteas) bekommt durch Gabriels Konkurrent Simon (Eric Stoltz) jedoch Wind von den himmlischen Geschicken und versucht, Hawthornes Seele, die sich mittlerweile im Körper eines kleinen Mädchens (Moriah Shining Dove Snyder) befindet, vor Gabriel in Sicherheit zu bringen.

Ein Film, reich an hübschen Ideen und überbordernder Phantasie, dem es auch ohne große Effektarbeit zu beträchtlicher Atmosphäre gereicht. Dafür verantwortlich ist neben Gregory Widens nonchalanter Schreiberei, die bereits "Highlander" auf dem Kerbholz hatte, natürlich die generöse Besetzung, die auch einen Tarantino glücklich gemacht hätte und besonders für Christopher Walken einen dankbaren Part bereithält. Ansonsten sind Adam Goldberg als Gabriels suizidaler Sklave und Viggo Mortensen als blumenfressender Luzifer die Attraktionen dieses Films, der sich nicht nur in punkto Besetzung sehr dem Zeitgeist verpflichtet fühlt. Knackige Oneliner und Dialoge halten selbst den an Fantasyhorror sonst eher uninteressierten Betrachter bei Laune und auch die Engel, die sich mit langen Mänteln, modischen Frisuren und Bärtchen eher wie Mafiabosse und Grungemusiker ausnehmen, passen hervorragend nach 1995. Doch vergesse man bei aller Ironie in Wort und Bild nicht, dass der Film sein Sujet insgesamt erfreulich ernst nimmt, mit Elias Koteas zumindest eine völlig unsarkastische Hauptfigur in sein Zentrum stellt und seine ungewöhnliche Geschichte plausibel und mit unablässiger Spannung darbringt.

8/10

Gregory Widen Engel Satan Arizona Indianer


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FIGHT CLUB (David Fincher/USA, D 1999)


"Go ahead, Cornelius, you can cry."

Fight Club ~ USA/D 1999
Directed By: David Fincher

Ein bei einer Autofirma angestellter, junger Mann (Edward Norton), der feststellen muss, ob Unfälle mit den hauseigenen Produkten regresspflichtig gemacht werden können, ist über seine Einsamkeit hinaus schlaflos geworden. Um wieder fühlen zu können, geht er als "Elendstourist" zu diversen Selbsthilfegruppen. Als er sich jedoch in die "unkonventionelle", ihm jedoch durchaus ähnliche Marla Singer (Helena Bonham Carter) verliebt, die so gar nicht seinem klassischen Beuteschema entspricht, entwickelt der junge Mann eine ausgeprägte Schizophrenie, die in einer Persönlichkeitsspaltung mündet: Sein anderes, neues Ich, Tyler Durden (Brad Pitt) kann alles, was er selbst nicht kann, er ist ein Anarchist, der den Ist-Zustand der Welt verabscheut und mit der Hilfe seines braven alter ego die Revolution anbahnt. Zunächst wird ein im Untergrund operierender Faustkampfclub gegründet, aus dem sich dann später eine Revolutionsarmee speist, die etwas ganz besonders Schönes plant.

Palahniuks Buch habe ich noch immer nicht gelesen und werde dies wahrscheinlich auch nie nachholen, weil ich Finchers absolut meisterhaftes Filmmonster durch nichts mehr angekratzt wissen möchte.
"Fight Club" subsumiert die Krise einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe: Der des männlichen, angestellten, gutverdienenden, weißen, abendländischen Frühdreißigers. Überarbeiteter Anzugträger, sich mit Statussymbolen jedweder Konsumsparte ausstaffierend, dabei todunglücklich, einsam und gefangen, das für eine Person viel zu große Wohnblock-Apartment gesäumt mit Ikea-Waren, stets mit Zivilisationskrankheiten von Insomnie über Hypertonie bis hin zu Depressionen und Burn-Out kämpfend. Ein klein wenig Fight-Club-Edward-Norton steckt wohl in "uns" allen und dagegen können wir uns vermutlich auch gar nicht wehren. Die Geschichte entwickelt diesen Ist-Zustand mit einem unvergleichlichen, genießerischen Selbsthass und Selbstekel, fernab jedweden Mitleids und mit einem solch überbordernden Zynismus, wie es kein anderes Werk zustande bringt und zehrt daher auch vierzehn Jahre und mehrere internationale Kriege später noch immer von ungebrochener Aktualität. Brad Pitt als anarchistisches Wunsch-Ich zu besetzen, derweil er im Prinzip bloß seinen "12 Monkeys"-Part repetiert, ist ein weiterer großer Schachzug dieser in jeder Hinsicht perfekt ausgearbeiteten Milieumeditation, die sich selbst nicht davor scheut, das hochfinanzielle Chaos zu predigen und deren wunderbar romantisches Schlussbild bitteschön nicht als Armageddon missverstanden werden will, sondern als durchaus probate Rettungsoption. Ich hatte danach, wie immer kurz nach dem Film, verdammt viel Lust, mich in eine Kneipe zu setzen und mir mit Karacho selbst in die Fresse zu hauen, war dann aber doch mal wieder zu feige. Ich brauche wohl erst noch meinen Tyler Durden.

10*/10

David Fincher Chuck Palahniuk Satire Groteske Terrorismus Faustkampf Verschwörung Insomnie Madness Apokalypse Krebs Persönlichkeitsstörung


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APOCALYPSE NOW (Francis Ford Coppola/USA 1979)


"They train young men to drop fire on people. But their commanders won't allow them to write 'fuck' on their airplanes because it is obscene."

Apocalypse Now ~ USA 1979
Directed By: Francis Ford Coppola

Der ausgebrannte Captain Willard (Martin Sheen) erfüllt während des Vietnamkrieges strenggeheime Aufträge für die CIA. Dazwischen sitzt er, desillusioniert und nutzlos, in seinem Hotelzimmer in Saigon und wartet. Seine aktuelle Mission führt ihn über die Grenze in das Dschungelbiet von Kambodscha. Hierher hat sich ein hochdekorierter Offizier namens Kurtz (Marlon Brando) abgesetzt und unter den Eingeborenen ein despotisches Regime errichtet, dem sich bereits andere G.I.s angeschlossen haben. Da die Kommandantur Kurtz für wahnsinnig hält, soll Willard ihn aufspüren und ermorden. Zuvor muss er mit einem kleinen, mit einer Gruppe durchgedrehter Jungsoldaten (Albert Hall, Frederic Forrest, Laurence Fishburne, Sam Bottoms) besetzten Patrouillenboot den Nung-Fluss hinauffahren. Die Erlebnisse auf Willards Reise, während der er ausgiebig Kurtz' Dossier studiert, werden zunehmend bizarrer: Eine Luftlandevision surft mitten im Kampfesgebiet auf den sich durch Bombenexplosionen türmenden Flusswellen, eine Gruppe Playmates soll einen Haufen sexuell ausgehungerter G.I.s bespaßen, im nächtlichen Urwald lauert ein Tiger, die Soldaten am letzten Grenzposten vor Kambodscha schießen orientierungslos ins Dschungeldickicht. Dazwischen immer wieder Drogenkonsum, Joints und LSD. Am Ende wartet Kurtz, der Willard mit seiner Sicht der Dinge konfrontiert, bevor er um seinen Tod bittet.

Noch so ein ungeheurer Auswuchs des sich seinem Ende zuneigenden New Hollywood. Während Spielberg und Lucas sich mit thematisch naiven Genrefilmen an die kommerzielle Spitze katapultierten, ging Coppola, als Regisseur der beiden ersten "The Godfather"-Filme großer Preis- und Hoffnungsträger seiner Künstlerdynastie, auf die Philippinen, um dort basierend auf Joseph Conrads kolonialismuskritischer Novelle "Heart Of Darkness" John Milius' und sein persönliches Vietnam nachzustellen. Die Produktionsgeschichte ist gemeinhin bekannt und ebenso legendär wie der Film selbst; Coppola und sein Team erlebten ein förmliches Weltuntergangsszenario, das alle Beteiligten bis an ihre Grenzen und darüberhinaus führte und dessen Strapazen man in jeder Minute des unglaublichen "Apocalypse Now" ablesen kann. Fest integriert in den Fundus popkultureller Zitate sind seine Szenen und Dialoge, und das ist kein Wunder, weil sie sich infolge ihrer nachdrücklichen Intensität gleich beim ersten Sehen unauslöschlich einbrennen. Die kräftigen Farben des Films scheinen selbst drogeninfiziert, gelbe und violettene Rauchwolken umschwirren ihn, Mörser- und Granatenbeschuss, der wie Feuerwerk aussieht und schließlich diese sich immer irrsinniger gestaltenden Begegnungen Willards mit der verzerrten Fratze des Krieges, der für die US-Intervenierer in Vietnam nochmal eine gesonderte Form der Sinnlosigkeit bereithalten musste. Die Idee, die urwüchsige Imperialismuskritik von Conrads Vorlage auf das damals noch hochbrisante Thema 'Vietnam' zu projizieren und Beides miteinander zu verweben erscheint im Nachhinein so zwingend wie genialisch; was einmal Irrsinn war, bleibt es auf ewig, insbesondere unter derart verschärften äußeren Umständen.
In "Apocalypse Now" gibt es keine einzige gesunde, freie Figur, jeder einzelne hat sich bereits mit der ihn umgebenden Hölle arrangiert und sich ihr angepasst oder ist auf dem Weg dorthin. Vom hohen Offizier, vom Regierungsagenten, bis hin zum kleinen Private bleibt keiner ungeschoren, und die zu Hause haben keine Ahnung von dem, was ihre Söhne und Ehemänner hier durchmachen. So hat Coppola auch nur wenig Zeit, sich mit den Folgen der US-Intervention für die südostasiatische Zivilbevölkerung direkt auseinanderzusetzen, das lässt der bereits in dieser Form großzügige, erzählerische Umfang schlichtweg nicht zu. Dass hier allerdings kein einziges weißes Gesicht schlussendlich am rechten Platze war, daran lässt dieses siebenköpfige und -schwänzige Monster von einem Film am Ende keinerlei Zweifel.
Bin mal wieder völlig plattgewalzt und fertig.

10*/10

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BLACK NARCISSUS (Michael Powell, Emeric Pressburger/UK 1947)


"How do I know what nuns eat?"

Black Narcissus (Die schwarze Narzisse) ~ UK 1947
Directed By: Michael Powell/Emeric Presburger

Die junge Ordensschwester Clodagh (Deborah Kerr) soll in Mopu im indischen Teil des Himalaya eine Klosterschule für die einheimischen Mädchen leiten, sie das Wort Gottes, die englische Sprache und ein Mindestmaß gepflegter, abendländischer Zivilisiertheit lehren. Zusammen mit vier weiteren Nonnen nimmt sie die schwierige Arbei in Angriff. Doch das Kloster, ehemals ein lokaler Herrscherpalast, übt auf die fünf Neuankömmlinge teils höchst unterschiedliche, in jedem Fall allerdings eine prägende Wirkung aus: Sie alle besinnen sich ihrer lange verdrängten, weltlichen Wurzeln, trauern ihrem früheren Leben und lange verflossenen Liebschaften hinterher oder verlieben sich, wie im Falle der zunehmend psychotischen Schwester Ruth (Kathlee Bryon), sogar neu - in den britischen Verwalter Dean (James Farrar). Jener indes ahnt, dass der Berggipfel mit missionarischer Geisteshaltung nicht zu bezwingen ist und prognostiziert bereits früh die heraufziehende Katastrophe...

Ein Hochgenuss in jeder Hinsicht, demonstriert dieses große Kunstwerk von Powell und Pressburger, was Kino einst zu leisten im Stande war: Die Erschafung von Mythen, Geheimnissen und Exotik, nicht minder den zielgerichteten, klugen Einsatz von Technicolor, der dem Gesamwerk dienlich war und den mittlerweile völlig verbrauchten Begriff "Farbdramaturgie" greifbar erläutert. Dazu die fein pronocierte antiimperialistische Gesinnung des Ganzen, die am Ende nichts anderes herausprustet als ein beleibtes "Wir haben euch nicht gerufen, wir wollen und brauchen euch und euresgleichen nicht! Verschwindet hier oder bleibt und verderbt!". Eine bittere Erfahrung für die darbenden, dem erotischen Vertrocknen nahen Bräute Jesu, die denn auch nicht durchweg dem von Mystik und primitiver Wollust geschwängerten Klima und den in der Luft zu liegen scheinenden Verlockungen jenes gleichermaßen so kontemplativen und beflügelnden Ortes widerstehen können. Cardiffs Bilder sind voll von symbolischer Schönheit, seine Gesichter, jedes aus anderer Perspektive und Beleuchtung aufgenommen, von ebenmäßiger Kraft. Der Moment, als die zuvor nur im weißen Gewand zu sehende Ruth plötzlich als "normale" Frau dasteht, rothaarig, schön, und doch den fiebrigen Irrsinn im Blick, wirkt auf verstörende Art berühend und kann es in seiner Wirkung mit jedem Horrorfilm-Schockmoment aufnehmen.

10/10

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THE LOST MOMENT (Martin Gabel/USA 1947)


"I never sleep. I hear every sound in this house."

The Lost Moment (Briefe aus dem Jenseits) ~ USA 1947
Directed By: Martin Gabel

Der New Yorker Verleger Lewis Venable (Robert Cummings) bemüht sich um das literarische Erbe des romantischen Dichters Jeffrey Ashton, der Mitte des 19. Jahrhunderts unter ungeklärten Umständen verschwunden ist. Jener Poet hatte offenbar einen regen Briefwechsel mit seiner damaligen Geliebten, der venezianischen Edeldame Juliana Bodereau (Agnes Moorehead). Mittlerweile steinalt lebt diese mitsamt ihrer jungen Nichte Tina (Susan Hayward) noch immer in dem einst prächtigen, zusehends verfallendem Herrenhaus in der Lagunenstadt. Um an die Briefe Ashtons zu gelangen, gibt sich Venable als Autor aus, der die Atmosphäre des Hauses benötige, um sein neuestes Werk zu vollenden. Dabei macht er sowohl die Bekanntschaft der uralten Juliana als auch die Tinas, die, eigentlich eine reservierte und kühle Frau, nächtens bizarre Regressionen durchlebt, während derer sie sich als ihre eigene, Jeffrey Ashton hinterherschmachtende Tante in jungen Jahren wähnt. Zunehmend von Tina fasziniert, sieht sich Venable bald mit der Entscheidung konfrontiert, seiner Liebe zu der hilfebedürftigen Schönheit stattzugeben, oder mit Ashtons Briefen das Weite zu suchen...

Ein vergessenes, kleines Kunstwerk der Schauerromantik, einst vom Produzenten Walter Wanger als Vehikel für seine von ihm heißbegehrte Muse Susan Hayward vom Stapel gelassen, die mit dem Ergebnis jedoch wohl nicht ganz zufrieden war. Der Publikumsandrang hielt sich denn auch in überschaubaren Grenzen, "The Lost Moment", eine der ersten Henry James-Adaptionen, stieß auf weitflächige Ablehnung und Unverständnis. Für Martin Gabel, der hier und da immer wieder als Film- und TV-Schauspieler in Erscheinung getreten ist, blieb es die einzige Regiearbeit. Ein Jammer, denn seine Fähigkeit zu gezielter Evokation von Atmosphäre ist nicht von der Hand zu weisen. Venedig als Schauplatz der Handlung ist angesichts der zumeist im und um das Haus Bodereau angesiedelten Atelier-Aufnahmen reine Makulatur und lediglich der Konstruktion der Vorlage geschuldet; die Ahnung allerdings, dass Venedig hinter und vor allem unter seinen alten Mauern längst vergessene Mysterien und Geheimnisse birgt, ist und bleibt omnipräsent. An der Beleuchtung hätte man hier und da feilen können, ein nächtlicher Erkundungsgang Venables durch das unüberschaubare Haus, der dazu dient, den Ursprung ferner Pianoklänge ausfindig zu machen, verschenkt Wanger indem er ihn von der Dunkelheit verschlucken lässt. Dennoch bleibt ein beachtliches Werk, an dem James-Anhänger trotz mancher Änderungen ihre Freude haben werden.

8/10

Martin Gabel Venedig Literatur Henry James


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LE FOTO PROIBITE DI UNA SIGNORA PER BENE (Luciano Ercoli/E, I 1970)


Zitat entfällt.

Le Foto Proibite Di Una Signora Per Bene (Frauen bis zum Wahnsinn gequält) ~ E/I 1970
Directed By: Luciano Ercoli

Eines Abends nimmt ein mysteriöser Fremder (Simón Andreu) Kontakt zu Minou (Dagmar Lassander), Gattin des hoch verschuldeten Unternehmers Peter (Pier Palo Capponi), auf. Der Fremde behauptet, Peter habe einen Mord begangen und Minou müsse ihm nun zu Willen sein, wenn ihr Ehemann nicht an die Polizei verpfiffen werden solle. Der Erpresser nutzt Minous Angst schamlos aus und treibt sie zu auch psychisch grenzwertigen S/M-Spielchen. Zunächst offenbart Minou sich nur ihrer lockerlebigen Freundin Dominique (Susan Scott). Als sie später auch Peter von dem Erpresser berichtet, tut der ihre Geschichte, ebenso wie die ermittelnden Polizisten, als überspannte Fantasien ab. Doch der Dunkelmann lässt nicht locker...

Der in solcherlei Filmen geschulte Chronist (diverse Castle- und Hammer-Produktionen der vorvergangenen Dekade leisteten dazu ihr Übriges) weiß direkt von Beginn an, in welche Richtung der Hase läuft. Und tatsächlich behält man am Ende Recht, wenngleich ich die laszive, sich am Ende als Retterin entpuppende Susan Scott auch auf der dunklen Seite der Macht vermutet hätte, mehreren falsch gelegten Fährten Ercolis sei Dank. So kann man sich aber wenigstens auf das Spätsechziger-Ambiente des Films einlassen, das von Ennio Morricones groovender Musik getragen wird. Die Leute qualmen und saufen bei jeder Gelegenheit, als gäbe es kein Morgen. Man muss angesichts all des Whiskeyflusses (statt des obligatorischen Kulissendrinks JB gibt es hier ausnahmsweise mal Chivas) rückblickend vermuten, dass jedermann zu dieser Zeit permanent einen gepflegten Dauerpegel vor sich her schob. Die Damen tragen zu gesellschaftlichen Anlässen lustige Hochperrücken und in der Disco wurden auf Kommando die lustigsten Verrenkungen vollführt ohne sich zu schämen. Warum auch, machten ja schließlich alle. Der zwingende Ära-Chic des Films passt nun vielleicht nicht unbedingt zu seiner - zudem schwer unlogisch konstruierten - Kriminalgeschichte, aber was soll's. Die genannten Oberflächenfaktoren bieten leicht gehobenes, angenehm frivoles Entertainment, dessen Conclusio nichts weniger als ein erfrischendes Plädoyer für die freie Liebe bereithält. Na also doch.

7/10

Luciano Ercoli Ehe Madness Freundschaft Sleaze





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Funxton

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