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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THALE (Aleksander Nordaas/NO 2012)


Zitat entfällt.

Thale ~ NO 2012
Directed By: Aleksander Nordaas

Die beiden Tatortreiniger Elvis (Erlend Nervold) und Leo (Jon Sigve Skard) müssen in die Provinz ausrücken, um dort die blutigen Hinterlassenschaften eines toten, älteren Mannes zu entsorgen. Dabei entdecken sie unterhalb des Geräteschuppen einen subterranen Verschlag, in dem sich eine verstörte, junge, des Sprechens offenbar nicht mächtige Frau (Silje Reinåmo) befindet. Cassettenaufnahmen des Mordopfers geben ihnen nach und nach Aufschluss über die Dame: Offenbar handelt es sich bei ihr um eine Vertreterin der sagenhaften "Huldra", weibliche, in den norwegischen Wäldern heimische Fabelwesen, die von einer geheimen Regierungsorganisation eingefangen und später von dem getöteten Herrn befreit und versteckt gehalten wurde. Als Vertreter ebenjener Organisation auftauchen, gerät nicht nur Thale, wie die Huldra genannt wird, in Bedrängnis - auch Elvis und Leo sind als Mitwisser in höchster Gefahr.

Kurz, prägnant und nett nimmt sich dieser Fantasy-Horror-Hybrid aus norwegischer Fertigung aus, der gemäß der vollmundigen Werbung an "Trolljegeren" anknüpfen soll, dieses Versprechen jedoch nur bedingt einlöst. Ich glaube bestimmt, dass hier eine Gruppe engagierter junger Filmemacher am Werk war, die etwas Außergewöhnliches im Sinn hatten - wie schwer es allerdings ist, dies einem hoffnungslos übersättigten Publikum, das ja irgendwie sowieso schon alles gesehen hat, schmackhaft zu machen, diese Bürde wollte ich nicht teilen. Was gefällt, ist wie bereits bei "Trolljegeren" die Idee, nordische Folklore "wahr" werden zu lassen und, damit nicht genug, diese als längst auf Regierungsebene bekannt zu verkaufen. Daraus entstehen dann ja gar lustige Möglichkeiten der Verschwörungsverwicklungen, die im vorliegenden Falle ausgerechnet zwei eher niedere Vertreter der Arbeiterklasse tangieren sollen. Das ist schon recht hübsch und komisch, aber noch immer zu "kurzgeschichtenverwurzelt", um daraus etwas Abendfüllendes zu kreieren. Außerdem wirken die Effekte gemessen an aktuellen Standards ziemlich amateurhaft. Aber gut, da gibt's nun wahrlich Schlimmeres.

6/10

Aleksander Nordaas Norwegen Monster Krebs Freundschaft Verschwörung


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MADHOUSE (Jim Clark/UK 1974)


"Now I must play the final scene: the death of Dr Death!"

Madhouse (Das Schreckenshaus des Dr. Death) ~ UK 1974
Directed By: Jim Clark

Zwölf Jahre nachdem der einst gefeierte Horrorfilmstar Paul Toombes (Vincent Price) mutmaßlich den Mord an seiner Verlobten (Julie Crosthwaite) begangen hat und in der Folge in einem Sanatorium untergebracht werden musste, bietet sich ihm die Chance der Rückkehr zu früherem Ruhm: Der Produzent Quayle (Robert Quarry) holt ihn via Toombes' alten Freund und Agenten Herbert Flay (Peter Cushing) nach England, um dort Toombes frühere Erfolgsrolle des 'Dr. Death' mittels eines TV-Serials zu reanimieren. Toombes ist kaum auf der Insel angekommen, da geschehen bereits die ersten, grausamen Morde: Macht sich die Figur des Dr. Death erneut selbstständig?

Ganz offensichtlich arrangiert und (um-)geschrieben als Hommage an den wunderbaren Vincent Price gibt es im Film diverse Szenen und Ausschnitte von dessen in den Jahren zuvor für die AIP gefertigten Filme, primär natürlich Diverses aus Cormans Poe-Verfilmungen. Wie diese dabei mitunter formatbeschnitten und entfärbt dargeboten werden, ist mitunter schrecklicher als das Mordgeschehen im Film und lässt einen dankbar dafür sein, wie heute, rund vierzig Jahre später, Filme daheim betrachtet werden können. Doch das nur nebenbei. Die strikt un-übernatürliche Geschichte von "Madhouse", die als Auflösung eine recht schlicht gehaltene (und lange zuvor erahnbare) Serienmord-Kette aus Gier sowie Rach- und Eifersucht bereithält, wird im Gegensatz zu denen der kaum verhohlenen Vorbilder "Theatre Of Blood" und den "Dr. Phibes"-Filmen recht unspektakulär und wenig aufregend dargeboten. Erst die schön eklige Finalszene lässt die längst zuvor herbeigesehnte Horrorstimmung aufkommen; Prices "Dr. Death"-Maske zählt darüberhinaus zu den großen späten Highlights seiner Karriere. Etwas albern indes, wie sportiv man ihre Stuntmen die Aktionsszenen der alternden Gentlemen Price und Cushing darstellen ließ. Aber gut, damit lässt sich auch noch leben.

6/10

Jim Clark Film im Film Amicus England Hommage Freundschaft Serienmord Slasher


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NEEDFUL THINGS (Fraser C. Heston/USA 1993)


"Everybody is insane, everywhere!"

Needful Things (In einer kleinen Stadt) ~ USA 1993
Directed By: Fraser C. Heston

Der Teufel (Max von Sydow) kommt unter dem Namen 'Leland Gaunt' in das neuenglische Kleinstädtchen Castle Rock, um dort auf Seelenfang zu gehen und Zwietracht und Katastrophen zu säen. Zu diesem Zwecke eröffnet er ein kleines Antiquariat namens "Needful Things", in dem jeder Kunde das Objekt seines Herzens findet. Bezahlen lässt sich Leland Gaunt allerdings in blanker Aktion: Jeder soll einem anderen Bürger der Stadt insgeheim einen Streich spielen. Bald entwickelt sich das schelmische Spiel zu handfester Aggressionsentladung und es gibt die ersten Toten. Allein Sheriff Pangborn (Ed Harris) ahnt allmählich, wer Gaunt wirklich ist und was er vorhat.

Seit ich "Needful Things" damals im Kino gesehen habe - den Roman kenne ich, wie die allermeisten von Stephen King, bis heute nicht - mag ich den Film sehr. Daran hat sich nichts geändert, wie ich nach langer Betrachtungspause erneut feststellen konnte. Die überspitzte Satire um kleinstädtische Bigotterie, Nachbarfeindlichkeit und Ignoranz läuft noch immer vortrefflich rein. "Needful Things" ist aber auch und insbesondere ein ganz toller Schauspielerfilm: Ed Harris, J.T. Walsh und Amanda Plummer sind jeweils im Zuge großer Karriere-Höhepunkte zu bewundern und die Wahl von Max von Sydow als ebenso scheingütiger wie diabolischer Leland Gaunt ist eine wahre Erfüllung von Satansdarstellungen auf der Leinwand, so offensichtlich sie im Nachhinein auch erscheint. Dass es bereits ausreicht, dem Jahrhundertakteur ein paar gelblich-brüchige Fingernägel und ein ebensolches Gebiss anzuschminken, um ihn zur Inkarnation des Gefallenen zu machen, spricht für sich. Charlton-Filius Fraser C. Heston inszeniert zwar bestenfalls gediegen und auch weithin überraschungslos, immerhin spricht es jedoch für ihn, dass er sich der anderen ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, etwa des formidablen Ensembles, durchaus bewusst gewesen zu sein scheint und diesem daher weithin freie Bahn ließ.

8/10

Fraser C. Heston Stephen King Satan Castle Rock Schwarze Komödie


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THE COMPANY OF WOLVES (Neil Jordan/UK 1984)


"...and that's all I'll tell you, cause that's all I know."

The Company Of Wolves (Die Zeit der Wölfe) ~ UK 1984
Directed By: Neil Jordan

Die pubertierende Rosaleen (Sarah Patterson) rettet sich in eine fieberhafte, barocke Traumwelt, die bevölkert wird von Dörflern, Rokoko-Adel und Werwölfen, die sich mit Vorliebe an jungen Mädchen delektieren. Die warnenden Worte ihrer etwas kräuterhexenhaften Großmutter (Angela Lansbury) ignorierend, findet Rosaleen am Ende jedoch zu sich selbst und ihrem eigenen Weg.

Auf "Rotkäppchen" basierendes Traumlogik-Märchen von Neil Jordan, in das man sich am Besten rückwärts hineinfallen lässt, ohne auf eine große formalästhetische Sinnsuche zu gehen. Dass Riesenschlangen durch den englischen Wald kriechen, wäre jedenfalls eine ganz neue Behauptung! Aber sie passen durchaus in den Film, als die großen Ur-Verführer sozusagen.
Jordan und seine Mitautorin Angela Carter legen das berühmte Märchen der Gebrüder Grimm ganz vernünftig aus. Wie alle ihrer Überlieferungen ist auch die Mär vom "Rotkäppchen" in erster Linie nämlich eine rigoros didaktische: Der Wolf, vor dem es sich so sehr in Acht zu nehmen gilt, das ist die männliche Sexualität, die Zähne, das ist das Gemächt. Doch es gibt noch eine dritte, feministische Möglichkeit zwischen gefressen werden und aufschlitzen: Sich auf halbem Wege zu begegnen nämlich. Das Tier zu domestizieren und sich der eigenen Körperlichkeit hinzugeben, kurz: die Selbstbestimmung. Die Alten haben nämlich auch nicht immer recht mit ihren alten Weisheiten und Lebensformeln. Manchmal lohnt es sich auch, das Leben selbst zu entdecken.
Eine hübsch grauslige Lektion in Sachen Erwachsenwerden von einem hübsch unangepassten Neil Jordan.

8/10

Neil Jordan Parabel Erwachsenenmärchen Gebrüder Grimm Rotkäppchen Wölfe Coming of Age Pubertät Werwolf


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PROMETHEUS (Ridley Scott/USA, UK 2012)


"We must leave."

Prometheus ~ USA/UK 2012
Directed By: Ridley Scott

Im Jahr 2089 entdecken die beiden Forscher Holloway (Logan Marshall-Green) und Shaw (Noomi Rapace) in Nordschottland etwas, was sie rund um die Erde bereits etliche Male gefunden haben: Diverse Jahrtausende alte Höhlenmalereien, die Hinweise darauf geben, dass der Mensch einst von einer außerirdischen Rasse, von Holloway und Shaw "Konstrukteure" genannt, erschaffen wurde. Die Weylan Corporation, ein global und auch extraterrestrisch operierendes Großindustrie-Unternehmen, finanziert bald darauf einen Flug in ein fremdes Sonnensystem, wo man Spuren der humanoiden Aliens entdeckt hat. Zusammen mit ihrem Team stoßen Holloway und Shaw auf dem Ziel-Planeten auf eine Pyramide, in deren Innerem sie sowohl diverse Leichen der Fremden entdecken als auch eine offenbar von ihnen gezüchtete biologische Waffe in Form aggressiver wurmähnlicher Parasiten mit Säureblut, die möglicherweise zur Ausrottung der Menschheit dienen sollten. David (Michael Fassbender), ein mitreisender Androide, infiziert Holloway mit einem der Embryonen jener Wesen, woraufhin sich der Wissenschaftler unseligst verwandelt. Doch die katastrophalen Entdeckungen ziehen noch größere Kreise...

Als Ridley Scott ertönen ließ, dass er sich in das einst von ihm mitkreierte Universum der Facehugger und Xenomorphe zurückbegeben und ein Prequel zum ersten "Alien" inszenieren wolle, waren einige Leute auf unserem Planeten nicht ganz zu Unrecht Feuer und Flamme auf das Endresultat. Hätten sie gewusst, dass dieses sich ziemlich exakt auf dem Niveau der vielen anderen in den letzten zwanzig Jahren geschaffenen Filme zum Topos "Erdenmenschen treffen auf außerirdische Entität" bewegen würde, wäre ihr Enthusiasmus möglicherweise ein wenig verhaltener ausgefallen. Genau in diesen Geraden jedoch bewegt sich "Prometheus". "Event Horizon", "Supernova", "Mission To Mars" und "Red Planet" schießen einem durch den Kopf, wobei sie nicht nur als thematische, sondern sogar als formale Vorbilder für Scotts neue Arbeit gewertet werden können. Der einzige Grund, warum man "Prometheus" als sich von den Genannten abhebend betrachten mag, ist die besagte Plotanbindung an "Alien" - wobei sich der Film ganz eindeutig als Startschuss einer Zweitsaga innerhalb jener Storybahnen versteht. Nicht nur, dass mit den Konstrukteuren eine neue, übermächtige Rasse Aliens ins Boot geholt wird, es umgibt sie darüberhinaus auch ein für die Menschheit existenzielles Geheimnis, das sich Elizabeth Shaw und der derangierte David am Schluss aufmachen zu entschlüsseln. Ansonsten macht "Prometheus" einmal mehr deutlich, dass Analyse, Erläuterung und Versachlichung oft auch mit Demystifizierung und Begradigung einhergehen - jetzt, da ich weiß, wer der geheimnisumwobene 'Space Jockey' ist und wo die Aliens herkommen, bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich das wirklich jemals wissen wollte. Na ja, irgendwie schon, doch.

7/10

Ridley Scott Aliens Zukunft Prequel 3-D


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NECRONOMICON - GETRÄUMTE SÜNDEN (Jess Franco/BRD 1968)


Zitat entfällt.

Necronomicon - Geträumte Sünden ~ BRD 1968
Directed By: Jess Franco

Die Künstlerin Lorna Green (Janine Reynaud) tritt in einem Lissaboner Club in einer Avantgarde-Show des Impressario Mulligan (Jack Taylor), zugleich ihr Liebhaber. Immer wieder verfällt Lorna in luftigeTagträumereien, die nach romantischen Einleitungen und erotischen Höhepunkten in Gewaltakten enden. Realität und Fantasie vermengen sich zusehends. Am Ende gibt es tatsächlich jeweils einen Toten, doch hat wirklich Lorna sie auf dem Gewissen?

Ein jazziges Vexierspiel, getränkt in Whiskey und Acid, das es unheimlich schick findet, Kunst zu zitieren um daraus selbst im besten Falle welche zu machen. Unaufhörliches Namedropping gehört ebenso dazu wie lax geführte Diskurse zu Psychoanalyse, unmoderne und zeitlose Kultur. Die vordergründige, abgehobene Arroganz von "Necronomicon" verleiht ihm jedoch zugleich einen höchst campiges Flair, denn bei aller mehr oder weniger angestrengt demonstrierten Unzugänglichkeit befindet man hier natürlich immer noch bei Franco und nicht bei Godard oder Resnais. Dennoch ist "Necronomicon", der trotz seines Titels freilich nichts mit Lovecrafts unheilvollem Zauberbuch zu tun hat, ein merkwürdig wunderbarer, vor allem fest mit seiner Entstehungszeit verketteter Film. Die Reynaud wirkt etwas wie eine verruchte, verdrogte Zwillingsschwester von Jane Fonda und der notorische Howard Vernon ist mal wieder ziemlich lustig. Am Ende raucht einem etwas die Birne, aber der Trip war trotzdem ziemlich 'square'.

8/10

Jess Franco LSD Bohème Berlin Lissabon Camp


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LE CORBEAU (Henri-Georges Clouzot/F1943)


Zitat entfällt.

Le Corbeau (Der Rabe) ~ F 1943
Directed By: Henri-Georges Clouzot

Eine kleine Provinzstadt unweit von Paris wird das Opfer einer Welle denunziatorischer Hassbriefe, die allesamt mit "Der Rabe" unterzeichnet sind. Besonders der erst seit kurzem hier ansässige Arzt Rémy Germain (Pierre Fresnay) wird zum Opfer des böswilligen Ränkeschmieds - angeblich soll er bereits diverse Abtreibungen initiiert und zugleich etliche Frauen im Ort verführt haben. Doch nicht nur gegen ihn richten sich die Intrigen und Anschuldigungen: Als ein Krebspatient nach einem Brief des Raben Suizid begeht und auch ein kleines Mädchen sich ins Unglück gestürzt findet, beginnt die Situation hochzukochen. Mit allen Mitteln sol die Identität des Raben festgestellt oder Germain wahlweise aus der Stadt vertrieben werden.

Petains Kollaborationsregierung von Vichy befand sich kaum in Amt und scheinheiligen Würden, da präsentierte Clouzot ihr bereits seine misstrauische Quittung: Basierend auf einem authentischen Fall, der sich 25 Jahre zuvor in Tulle ereignet hatte, zeigt "Le Corbeau" die Folgen faschistischer Einflussnahme: Wenn niemand mehr dem anderen trauen kann, weil jeder ein potenzieller Spitzel oder gar Feind ist, dann ist es mit der Idylle vorbei; das System gewinnt die Oberhand und jedwede Privatsphäre ist passé.
Dass diese teils geradezu fürchterlich schwarzhumorige Satire immerhin im eigenen Lande die Schranken der Zensur passieren konnte, bewerkstelligte man mit dem Hinweis, "Le Corbeau" sei von einer deutschstämmigen Firma namens Continental mitproduziert worden. Dennoch bewahrte dies weder Werk noch Urheber vor Repressalien, denn selbst linksgerichtete Strömungen bescheinigten "Le Corbeau" eine unterminierende Subtilität, die das französische Volk verunglimpfe. Glücklicherweise folgte die allgemeine Rehabilitation in nicht allzu weiter Ferne nach dem Kriegsende. Erst jetzt war man bereit, die freche Breitseite Clouzots gegen die Okkupation im rechten Licht wahrzunehmen.

8/10

Kleinstadt Henri-Georges Clouzot Madness Drogen film noir


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CARNIVAL OF SOULS (Herk Harvey/USA 1962)


"I don't belong in the world."

Carnival Of Souls (Tanz der toten Seelen) ~ USA 1962
Directed By: Herk Harvey

Nach einem Autounfall infolge eines kindischen Wettrennens kann sich Mary (Candace Hilligoss) als einzige Überlebende aus dem im Kansas River versunkenen Wagen ihrer Freundin retten. Kurz darauf tritt die junge Frau eine neue Stelle als Kirchenorganistin in Utah an. Bereits auf dem weg dorthin erscheinen ihr unentwegt merkwürdige Menschen und Gesichter, die sich als Phantome erweisen. Doch die seltsamen Zeichen häufen sich: Besonders ein geisterhafter Mann (Sidney Berger) scheint Mary überall hin zu folgen, sie selbst erlebt eine Episode, da sie sich mitten in einem Warenhaus in Luft aufzulösen scheint und in der Kirche spielt sie eigenartige Litaneien. Und dann ist da ein stillgelegter Vergnügungspark vor der Stadt, der einen unwiderstehlichen Reiz auf Mary ausübt...

Herk Harveys einziger Spielfilm ist eine poetische Geschichte vom widerwilligen Übergang ins Totenreich. Später wurden Storys um Tote, die ihre Zustandsveränderung zunächst nicht akzeptieren wollen oder können zu einem Genre-Standard, Harveys "Carnival Of Souls" darf jedoch als Pionierleistung dieser motivischen Ausrichtung bezeichnet werden. Ohne große Effektkirmes aber mit einer dafür umso wirksameren Bildsprache kreieren Harvey und der Autor John Clifford eine eher der Charakterisierungsfach verpflichtete Frauenstudie, von der Polanski drei Jahre später noch zu zehren wusste. Die fragile Mary ist ein in sich gekehrter Mensch, bisweilen neurotisch und ablehnend gegenüber männlichen Annäherungsversuchen, sprich denen ihres Zimmernachbarn John (Sidney Berger, wohl nicht ganz zufällig derselbe Darsteller des "Haupt-Phantoms"). Schließlich scheint das auditive Element in Marys auf Musik ausgerichtetem Dasein eine elementare Rolle einzunehmen: Als sie für ihre Umwelt unsichtbar wird, verliert Mary andererseits die Fähigkeit, ihre Umgebung akustisch wahrzunehmen, derweil ihr Orgelspiel ganz abrupt mehr nach Free Jazz klingt als nach Psalmen, was den Ministranten (Art Ellison) zu heftigen Schimpfkanonaden hinreißt. Ein singender Vogel in einem Baum, Symbol des Lebens, erschließt ihr dann - zweimal - die Rückkehr in die materielle Welt. Es dauert einige Zeit, bis Mary sich ihres Schicksals gewahr wird und sich ihm - noch immer nicht ganz willfährig - ergeben kann, erst dann lösen Harvey und Clifford das Geheimnis um ihren Schwebezustand.

8/10

Herk Harvey Geister Utah Kansas Independent Carnival


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THE OTHERS (Alejandro Amenábar/E, USA, F, I 2001)


"This house is ours."

The Others ~ E/USA/F/I 2001
Directed By: Alejandro Amenábar

England, 1945: Die Soldatenfrau Grace Stewart (Nicole Kidman) bewohnt mit ihren beiden unter einer lebensbedrohlichen Lichtallergie leidenden Kindern Anne (Alakina Mann) und Nicholas (James Bentley) ein Herrenhaus auf der Kanalinsel Jersey. Ihr Mann Charles (Christopher Eccleston) ist bisher nicht aus dem Krieg heimgekehrt. Ein neues Verwaltertrio, bestehend aus der liebenswerten Mrs. Mills (Fionnula Flannagan), dem freundlichen Gärtner Mr. Tuttle (Eric Sykes) und dem stummen Hausmädchen Lydia (Elaine Cassidy) wird bei Grace vorstellig und von ihr eingestellt. Parallel dazu häufen sich seltsame Begebenheiten: Anne glaubt, allenthalben einen Jungen namens Victor zu sehen, eine alte Frau treibt ihr Unwesen und unsichtbare Hände spielen auf dem alten Flügel. Befinden sich Geister im Haus?

Die Idee, eine Geistergeschichte ausnahmsweise einmal aus der "anderen" Perspektive zu erzählen, ist so einfach wie lohnenswert. Shyamalan hatte diese Sichtweise zumindest in Ansätzen bereits in seinem "The Sixth Sense" auszubauen versucht, der Spanier Amenábar schließlich brachte sie in seinem erstaulicherweise auf keiner literarischen Vorlage beruhendem, schauerromantischen Plot vollendet auf den Punkt. An Wilde, Bierce und andere große Literaten erinnernd entspinnt sich eine ebenso formvollendete wie komplexe Charakterstudie, die insbesondere ein mehrfaches Anschauen lohnenswert macht - ist die Auflösung des Ganzen einmal bekannt, lohnt es sich nämlich, sich mit dem Schuld-Sühne-Aspekt auseinanderzusetzen sowie das von der zunehmend enervierten Grace immer wieder aufgegriffene, christliche Konzept des Jenseits mit dem fraglos säkularisierten, paranormalen des Films zu vergleichen. Demzufolge ist der "Himmel" nämlich bloß eine Art ortsgebundene Ewigkeit in multiplen Dimensionen, die sich hier und da zu überschneiden ruhen. Es bleibt allerdings offen, wer wohin gerät und ob eine lokale Verbindung zwischen Seele und Ruhestätte auf die Art des Sterbens zurückzuführen ist. Massig Raum also für diskursive Ansätze - oder auch einfach bloß für 100 Minuten genießerisch-schwelgendes Geisterkino mit Erlösungsgarantie.

9/10

Alejandr Amenábar England Jersey Haus Geister Kinder WWII


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JANGHWA, HONGRYEON (Jee-woon Kim/KR 2003)


Zitat entfällt.

Janghwa, Hongryeon (A Tale Of Two Sisters) ~ KR 2003
Directed By: Jee-woon Kim

Die beiden jugendlichen Schwestern Su-Mi (Su-jeong Lim) und Su-Jeon (Geung-Young Moon) kommen nach längerer Zeit wieder nach Haus zu ihrem Vater (Kap-su Kim) und dessen neuer Frau Eun-ju (Jung-ah Yum). Su-Mi hasst ihren Vater und ihre Stiefmutter aus verschiedenen Gründen: Der Tod ihrer Mutter scheint von den Beiden einst als höchst willkommen aufgefasst worden zu sein, zudem quält Eun-ju die offenbar besonders labile, schweigsame Su-Jeon unentwegt, während der Vater nur daneben steht. Damit nicht genug, scheint im abgelegenen Haus der Familie ein geisterhaftes weibliches Wesen seine unheimliche Aufwartung machen zu wollen...

Meditativ-besinnlicher, dabei meisterhaft geschlossen inszenierter, anfangs schwer zu durchschauender Geistergrusel, der sich mit zunehmender Laufzeit von seinen paranormalen Wurzeln emanzipiert und zu einem psychologisch durchaus fundierten Drama über eine schwere Neurose wird. Über dem Film liegt trotz seiner pastellfarbenen, sanften und hellen Photographie eine latente, bleierne Traurigkeit, der sich nur schwer zu entziehen ist. Man fühlt unweigerlich mit den beiden, offenbar zutiefst verletzten Schwestern, spürt ihre bereits entschieden in Richtung Depression abdriftende, existenzielle Unzufriedenheit und ihre daraus erwachsende Angst, die das seltsame, verwachsene Geistermädchen kaum evozieren, sondern vielmehr kanalisieren dürfte. Dann die Hilflosigkeit des ergrauten Vaters, dem es obliegt, mit den Scherben der einst so glücklichen familiären Idylle fertigzuwerden. Kim derweil kadriert diese Geschichte einer ausgeprägten psychiatrischen Störung mittels größtmöglicher Behutsamkeit, zeigt einen kubrick'schen Hang zu Symmetrien und allgemein zum bildlichen Perfektionismus, vor dem die immer wieder hervortretenden Tendenzen Richtung Genrekino teilweise bös kritisiert oder als vulgär eingestuft wurden. Zu Unrecht: Nur in dieser, mit dem Schrecken liebäugelnden Form nämlich erreicht der Film seine schlussendliche Vollkommenheit.

9/10

Korea Haus Madness Psychiatrie Schuldkomplex Geister Jee-woon Kim





Filmtagebuch von...

Funxton

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