Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

THE DARJEELING LIMITED (Wes Anderson/USA 2007)


"The characters are all fictional."

The Darjeeling Limited ~ USA 2007
Directed By: Wes Anderson


Der sich soeben von einem schweren, mit Absicht selbstverschuldetem Unfall erholende Francis (Owen Wilson) holt seine beiden Brüder Peter (Adrien Brody) und Jack (Jason Schwartzman) nach Indien, um mit ihnen eine "spirituelle Reise" durch das Land zu unternehmen, die schließlich bei ihrer als Missionarin tätigen Mutter (Anjelica Huston) sowie einer überfälligen Aussprache mit dieser enden soll. Die drei jeweils auf ihre höchstpersönliche Art schwer neurotischen Männer, zudem allesamt starrsinnige Individualisten, müssen sich mühevoll zusammenraufen um den spirituellen Zweck ihres Trips sich tatsächlich erfüllen zu lassen.

"Family isn't a word... It's a sentence." ziert als Tagline das Plakat meines Lieblingsfilms, "The Royal Tenenbaums". Und wie vortrefflich passt diese auch gleich zu einigen anderen Werken ihres eigenbrötlerischen Regisseurs Wes Anderson, so eben auch zu "The Darjeeling Limited", in dem drei Brüder eine neuerliche Blutallianz schmieden, bzw. die alte wiederauffrischen - das erfährt man nicht genauer. Nachdem meine erste Betrachtung dieses wunderbaren Films an Gründen, die darzulegen müßig wäre, gescheitert ist, nun endlich die verspätete Heimkehr.
Der Terminus 'Lakonie' als Attribut scheint mir nach wie vor eigens für Anderson gemacht. Obschon seine Szenarien und wie er sie filmt von teils brüllender Komik sind, käme man nie auf die Idee, lauthals zu lachen; schon allein, weil man das Gefühl hätte, die oft tieftraurigen, innerlich nachhaltig stark verletzten Figuren vor sich einem unverdienten Spott auszusetzen und damit zu denunzieren. Wes Anderson ist ja auch ein Regisseur der Farben, einen Schwarzweißfilm von ihm kann und mag ich mir erst gar nicht vorstellen. Da Indien auch ein Land der Farben (und sonstiger Sinneseindrücke) ist, haben sich Mensch und Topographie hier sozusagen gesucht und gefunden.
Dass "The Darjeeling Limited" so kurz ausfällt, macht übrigens nichts; man ist mehr als gut beraten, sich gleich im Anschluss den prologisch angelegten Kurzfilm "Hotel Chevalier" (der Jacks unmittelbaren vorherigen Werdegang nebst einer atemberaubend erotischen Natalie Portman zeigt und damals als Appetizer für "Darjeeling" im Netz veröffentlicht wurde) anzuschauen. Kein Problem für Besitzer der DVD, auf welcher "Hotel Chevalier" darauf wartet, im Verbund mit dem "Hauptfilm" genossen zu werden.

9/10

Brueder Road Movie Familie Reise Wes Anderson Indien


Foto

WILL SUCCESS SPOIL ROCK HUNTER? (Frank Tashlin/USA 1957)


"What? Lover Doll is here?"

Will Success Spoil Rock Hunter? (Sirene in blond) ~ USA 1957
Directed By: Frank Tashlin


Um einen Vertrag mit einem Kosmetik-Hersteller für seine Agentur unter Dach und Fach zu bringen, hat der New Yorker Reklamefachmann Rockwell Hunter (Tony Randall) die zündende Idee: Er will den soeben in der Stadt weilenden Hollywood-Star Rita Marlowe (Jayne Mansfield) zum Werbeträger machen. Die kieksige Blondine jedoch verkuckt sich in Rock und will nur unter der Bedingung zusagen, dass dieser für ein paar Wochen ihren persönlichen Gigolo spielt. Das zähneknirschend zugesagte Engagement beschert Rock einen rasanten Karriereaufstieg - aber auch schwerwiegende private Probleme.

Der "Girl Can't Help It"-Nachfolger geriet noch um einiges anarchischer, turbulenter und treffsicherer als sein Vorgänger. Hier wurde, wiederum im Verbund mit einem komödiantisch versierten, braven Durchschnittsamerikaner (nun der auf der Leinwand bislang noch selten gesehene Tony Randall anstelle von Tom Ewell), selbst die Mansfield böse aufs Korn genommen, ihr reales Image aufs Schärfste durch den Kakao gezogen und ihr damaliger Spezi und zukünftiger Ehemann, der Bodybuilder Mickey Hargitay, gleich mit. Nicht weniger offensiv sprang Tashlin mit Hollywood, dem Fernsehen, der Werbung und der Presse um, kurz gesagt: Sämtliche der damals in den USA relevanten Massenmedien wurden, goldenen Kälbern gleich, Tashlins Slapstick-Humor rauschhaft geopfert. Die daraus resultierende Komik geriert sich atemlos. Praktisch im Sekundentakt gibt es immer neue Reizimpulse und Gags, die so perfekt arrangiert und orchestriert sind, dass Tashlins Film mit dem wirklich wundervollen Titel zu den schönsten Komödienklassikern überhaupt gezählt werden muss. Sollte man mindestens dreimal sehen, um behaupten zu können, auch nur ansatzweise alles mitbekommen zu haben!

9/10

Werbung New York Frank Tashlin Satire


Foto

THE GIRL CAN'T HELP IT (Frank Tashlin/USA 1956)


"Ask my agent."

The Girl Can't Help it (Schlagerpiraten) ~ USA 1956
Directed By: Frank Tashlin


In dem abgehalfterten und versoffenen Schlagerstar-Agenten Tom Miller (Tom Ewell) wittert der höchstselbst abgehalfterte Gangsterkönig Fats Murdock (Edmond O'Brien) eine Chance zur Reüssierung: Tom soll die Sexbombe Jerri Jordan (Jayne Mansfield) managen und in der Musikszene ganz groß herausbringen, bevor Fats sie dann zu ehelichen gedenkt. Jerri jedoch interessiert sich mitnichten für eine Karriere als Rock 'n' Roll-Sternchen; sie träumt von einem gesetzten Familienleben als Mutter und Herdheimchen. Tom würde ihr diesen Wunsch mit sich selbst als Zukünftigem nur allzu gern erfüllen, doch Fats hat eine Menge dagegen.

Der große Komödienregisseur und Jerry-Lewis-Mentor Frank Tashlin stellte in den Jahren 56/57 zwei köstliche Mansfield-Vehikel in Scope und DeLuxe für die Fox her, die auf wundersame Weise zugleich Prestigeobjekte fürs Studios und bissige Showbiz-Satiren wurden und beide zu Tashlins schönsten Filmen zählen. Tom Ewell, von Billy Wilder bereits für "The Seven Year Itch" als Inbegriff des kopfschlawinernden, dabei harmlos-ängstlichen all american man entdeckt und entsprechend veredelt, muss sein Spiel aus diesem Klassiker nur in Nuancen variieren. Angesichts seiner ersten Begegnung mit der Mansfield hängt ihm (wie allen anderen Männern im Film auch) die Zunge bis zum Boden und es dauert ziemlich lange, bis der vormalige Verlierer endlich seinen Heldenkern entdeckt und seine innigsten Wünsche durchzusetzen in der Lage ist. In erster Linie bietet "The Girl Can't Help It" jedoch eine Plattform für diverse der damals unter den Jugendlichen angesagten Rock 'n' Roll- und Schlager-Acts, darunter Fats Dominoe, Gene Vincent, Julie London, Eddie Cochran, die Platters und natürlich den Titelsongstifter Little Richard, die allesamt mit Live-Auftritten glänzten und so ihr Öffentlichkeits-Image vertiefen konnten. Dabei springt Tashlin keinesfalls freundlich mit ihnen um; im Gegenteil lässt er ziemlich verächtlich durchblicken, dass er die ganze neue Hit-Baggage für einen ziemlich untalentierten Haufen und dessen picklige Fangemeinde für geistesentrückte teenage zombies hält. Aber weil das Ganze eben von einem Spaßvogel und sehr lustig inszeniert híst, hat's ihm niemand übel genommen. Im Gegenteil amüsieren sich offensichtlich alle Beteiligten und sind sichtlich zufrieden mit dem bunten Happening, an dem sie mitwirken dürfen.

8/10

Rock 'n' Roll New York Musik Frank Tashlin Satire


Foto

TANGO & CASH (Andrej Konchalovskij/USA 1989)


"I believe in Perestroika!" - "Welcome to America."

Tango & Cash ~ USA 1989
Directed By: Andrej Konchalovskij


Um die beiden emsigen, wenn auch sehr gegensätzlichen Polizisten Ray Tango (Sylvester Stallone) und Gabe Cash (Kurt Russell), der eine ein geschniegelter Yuppie mit Börsenambitionen, der andere ein waschechter Prolet vor dem Herrn, loszuwerden (ohne sie gleich "zu Märtyrern zu machen") sorgt Gangsterboss Perret (Jack Palance) dafür, dass sie zunächst unschuldig im Gefängnis landen, um sie dann später von den Insassen abservieren zu lassen. Doch die zwei Haudegen sind schneller wieder draußen als Perret lieb ist und stürmen im Duett Perrets Wüstenfestung.

Es gibt nur einen Weg, wie man "Tango & Cash" halbwegs verdaulich genießen kann - man muss ihn als reine Satire begreifen. Der Film spitzt die Genreentwicklung des vorangegangenen Jahrzehnts so zu, dass er im Gegenzug nicht mehr als ein bloßer Scherenschnitt bleibt: Sämtliche der auftretenden Figuren sind nichts anderes als ihre eigenen, stilisierten Ikonografien; vom Heldengespann über seine Alliierten bis hin zum Bösewicht und dessen Handlangern ist jeder einzelne ein Abziehbild Dutzender bereits bekannter Prototypen. "Tango & Cash" legt dabei im Gegensatz zu den meisten seiner zeitgleich entstandenen Konkurrenzproduktionen auch nicht den geringsten Wert auf einen bloßen Hauch von Realitätsanbindung; alles ist rein comicesk und behauptet; - die Stadt bei Tag, das Gefängnis bei Nacht, die Räume und Appartments, Büros und Clubs, schließlich die Festung von Jack Palance und schließlich Michael J. Pollards waffenstarrender Straßenpanzer, der bei der Erstürmung derselben hilft, derweil der Oberboss vor seinen Beobachtungsmonitoren herumhampelt und -zetert wie weiland Herbert Lom als Inspector Dreyfus oder Christopher Lee als Fu-Manchu. Den Gipfel des Nonsens erreicht der Film schließlich in der Wiedergabe des Dialogscripts - falls von einem solchen überhaupt gesprochen werden kann. Es gibt tatsächlich nicht eine Person im gesamten Film, die mehr als einen normalen Satz zustande bringt; die verbale Kommunikation spielt sich ausschließlich über an Markanz wie an Lächerlichkeit kaum zu überbietende Sprüche ab, die das dem Genre zugrunde liegende machismo bis zur letzten Instanz karikieren und im Prinzip der Lächerlichkeit preisgeben. Dazu dudelt permanent - wie passend - ein von Harold Faltermeyer nur unwesentlich variierter "Axel F." -Score.
Die Produktionsgeschichte des Films beweist, dass seine spür- und sichtbare Untentschiedenheit und Inhomogenität nicht von ungefähr kommt; das kostensprengende Budget hängen nicht zuletzt damit zusammen, dass diverse Mitarbeiter gefeuert und ersetzt wurden, darunter der aus einem beflisseneren Kino stammende Konchalovskij selbst und auch der dp Barry Sonnenfeld. Im besten Falle mag man "Tango & Cash" als einen subtilen Vorläufer von "The Last Action Hero" begreifen, im schlechtesten als hoffnungslos dämliches Manifest der Infantilie und Verrat an seiner eigenen Historie. Wie würden Sie entscheiden?

5/10

Andrej Konchalovskij Gefaengnis Buddy Movie Los Angeles


Foto

AN AFFAIR TO REMEMBER (Leo McCarey/USA 1957)


"Winter must be cold for those with no warm memories... we've already missed the spring."

An Affair To Remember (Die große Liebe meines Lebens) ~ USA 1957
Directed By: Leo McCarey


Auf der 'Constitution', einem Luxusliner von Europa nach New York lernen sich der berüchtigte Jet-Set-Playboy Nickie Ferrante (Cary Grant), soeben im Begriff zu heiraten, und Terry McKay (Deborah Kerr), Geliebte eines Finanztycoons (Richard Denning), kennen und lieben. In Manhattan angekommen schwören sie sich, ihre Leben innerhalb von sechs Monaten in Ordnung zu bringen und sich dann auf dem Dach des Empire State Building zu treffen. Ein Autounfall ausgerechnet am Stichtag durchkreuzt jedoch Terrys Pläne und Nickie wartet umsonst auf sie. Terry landet fürs Erste im Rollstuhl und weigert sich beharrlich, Nickie eine Nachricht über ihren Zustand zukommen zu lassen. Erst ein halbes Jahr später erfährt der sich enttäuscht Wähnende, zusätzlich geläutert durch weitere persönliche Schicksalsschläge, die Wahrheit.

Zugleich Remake eines von McCareys eigenen Filmen ("Love Affair") und eines von Hollywoods klassischsten Herzschmerz-Dramen, so wunderbar und formvollendet inszeniert, dass, wäre die witzige erste Hälfte nicht, sie auch einem Douglas Sirk alle Ehre gemacht hätte. Charmeur Cary Grant jedoch in einem bloßen Melodrama zu "verheizen" war für die Fox undenkbar und so lässt die vordere Halbzeit von "An Affair To Remember" dem stets penibelst Geschniegelten allerlei Freiraum für witzige Auftritte, Improvisationen und Comedy. Erst im zwoten Kapitel, als die brutale Realität Nickie Ferrante gleich auf mehrerlei Weise auf den Boden der Tatsachen zurückbefördert, muss Grant endlich auch mal ein langes Gesicht ziehen, was ihm, nebenbei, zwar nicht sonderlich gut steht, er aber gebührend professionell zu meistern bewerkstelligt. Scope und Technicolor scheinen wie gemacht für diesen wunderbar schmalzigen Romantikkitsch (oder umgekehrt), der nebst einer weisen, französischen Großmaman (Cathleen Nesbitt) beispiellos selbstbewusst auch vor der Präsentation eines Sangeschors benachteiligter Kinder nicht zurückschreckt. Prächtig.

8/10

Schiff Remake Leo McCarey New York


Foto

KICK-ASS (Matthew Vaughn/USA, UK 2010)


"Good call, baby doll!"

Kick-Ass ~ USA/UK 2010
Directed By: Matthew Vaughn

Der Teenager, Außenseiter und Comicfan Dave Lizewski (Aaron Johnson) fragt sich, warum es im wahren Leben keine Superhelden gibt. Nach ein paar altersgemäßen Initialerlebnissen mit Bullys und Abzockern bestellt er sich einen Dress im Netz, um fortan als Vigilant 'Kick-Ass' auf Verbrecherjagd zu gehen. Seine erste Mission geht jedoch schwer in die Hose und endet mit diversen Knochenbrüchen sowie einer Stahlplatte im Schädel in Krankenhaus und Reha. Doch Dave gibt nicht auf, landet nach einem weiteren, erfolgreicheren Einsatz auf youtube und ist bald der Held der Generation Internet. Als er das wesentlich ernsthafter zur Tat schreitende Vater-Tochter-Gespann Big Daddy (Nicolas Cage) und Hit-Girl (Chloe Moretz) kennenlernt, wird Kick-Ass automatisch zu einem Dorn im Auge des Gangsterbosses Frank D'Amico (Mark Strong) und muss um sein Leben fürchten.

Nachdem der Vorlagenautor Mark Millar bereits in "Wanted" seinen Nerd-Phantasien freien Lauf gelassen hatte und einen erklärten Verlierer in supercoole Metawesenssphären aufsteigen ließ, transferierte er sein Konzept auf die Highschool-Ebene und ließ in "Kick-Ass" in etwa dasselbe Schicksal einem belächelten Schüler widerfahren, der weniger zum kostümierten Helden wird, weil er in diese Rolle gedrängt wird, oder gar um einem wie auch immer gearteten moralischen Kodex stattzugeben, sondern um eigene Probleme zu kompensieren. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Adaption geht, obschon durchaus gelungen, in etlichen Punkten wesentlich zimperlicher zu Werke als Millars Comic. Wo jenes seinen "Helden" nach sukzessiver Mythenkonstruktion wieder brutal demontiert und schließlich dorthin zurücksetzt, wo er angefangen hat, nämlich in den grauen(haften) Alltag, romantisiert Vaughn die Geschichte bis zur letzten Konsequenz, beschert Dave unter anderem eine Romanze mit seinem Traummädchen (Lyndsy Fonseca), lässt ihn am Ende als strahlenden Gewinner einer glorreichen Superheldenzukunft entgegensehen und ist damit im klassischen Sinne wesentlich 'comicesker' als das Comic selbst. Zudem steht Vaughn damit in direkter Tradition der Schwemme von Losergeschichten, die ja in jüngerer Zeit das Kino fluten und peu à peu auch - mal mehr, mal weniger erfolgreich - in den Genre-Bereich vordringen.
Bezeichnend weiterhin, wie sich speziell hierzuland zum einen die Ästhetikgrenzen und zum anderen die zensurbedingte Toleranzschwelle bezüglich Gewaltdarstellungen auf der Leinwand verschieben. Im Grunde ist "Kick-Ass" rein graphisch betrachtet nicht viel weniger gewalttätig als ein "Punisher: War Zone"; nur scheint ersteren die Einbettung in eine "teenage dream fantasy" nicht bloß a priori vor dem Index zu bewahren, sondern eine ungeschnittene 16er-Freigabe sogar absolut tolerabel zu machen. Und das, wo die meisten toten Gangster auf das blutgetränkte Konto einer Elfjährigen gehen. Da können Léon und seine Mathilda wahrlich einpacken.

7/10

Comic Vigilantismus Superhelden Matthew Vaughn New York Coming of Age Teenager


Foto

DIE MORAL DER RUTH HALBFASS (Volker Schlöndorff/BRD 1972)


"Wenn Frauen nicht mehr weiterwissen, gehen sie zum Friseur."

Die Moral der Ruth Halbfass ~ BRD 1972
Directed By: Volker Schlöndorff


Die Affäre mit dem bildungsbeflissenen Lehrer Vogelsang (Helmut Griem) bedeutet für die Managerehefrau Ruth Halbfass (Senta Berger) eine Möglichkeit zur Flucht aus ihrem Alltag, in dem sie lediglich eine unbedeutende Rolle als Gattin und Mutter spielt und in dem für Selbstverwirklichungsambitionen kein Platz herrscht. Andererseits fehlt es Ruth selbst an der nötigen Chuzpe, einen radikalen Strich unter ihr bequemes Bourgeoisieleben zu ziehen und ganz von vorn anzufangen. Zunächst sieht es so aus, als würde der Zufall ihr und ihrem Liebhaber ins Kontor spielen, doch das Schicksal bleibt unnachgiebig.

An Chabrol habe er sich orientieren wollen und sei damit auf halbem Wege gescheitert, gibt Schlöndorff bezüglich des ersten seiner beiden Filme über scheiternde Emanzipationsversuche zu Protokoll. Dabei geht er mit sich selbst allerdings sehr hart ins Gericht, denn bei "Ruth Halbfass" handelt es sich durchaus um einen cleveren, bisweilen sehr komischen und vor allem höchst brauchbaren Film, der seinen sozialkritischen Ansprüchen gerecht wird, ohne sich sichtlich abzumühen. Vielleicht ist es gerade diese spürbar-zwingende Leichtigkeit, die Schlöndorff im Nachhinein zur Unzufriedenheit veranlasst; in der Tat gliedert sich dieser Film ja nicht ganz reibungslos in sein übriges, sich häufig unittelbar an der Weltliteratur orientierendes Œuvre ein. Dafür steht ihm hier eine ätherisch schöne Senta Berger zur Verfügung, die wie gemacht scheint für die Rolle der im Grunde belanglosen Industriellenfrau, der außer ihrer mit der Zeit zum Welken verurteilten Anmut nichts mehr bleibt. Außerdem weiß wiederum der eigenartige, bereits aus dem "jungen Törless" bekannte Anti-Schauspieler Marian Seidowsky - hier in seiner letzten Rolle - zu faszinieren, der zwischendrin auch bei Fassbinder mitgespielt und bereits mit 29 Jahren infolge einer unheilbaren Krebserkrankung Selbstmord begangen hat. Auch sonst hat Schlöndorff manche lohnenswerte Anekdote über den seltsamen Seidowsky parat.

8/10

Emanzipation Ehe Familie Volker Schloendorff Satire


Foto

BEETLE JUICE (Tim Burton/USA 1988)


"I'm a ghost with the most, babe."

Beetle Juice ~ USA 1988
Directed By: Tim Burton


Nach seinem urplötzlichen Unfalltod sieht sich das zu Hausgeistern gewordene Provinzehepaar Barbara (Geena Davis) und Adam Maitland (Alec Baldwin) der grauenhaften Yuppiefamilie Deetz (Jeffrey Jones, Catherine O'Hara) als neuen Heimeigentümern gegenüber. Die Deetzens haben die Stadtflucht als neuen Hipstergral für sich entdeckt und aus ist es mit der ländlichen Harmonie. Einzig Tochter Lydia (Winona Ryder) ist eine sympathische junge Dame. Da die Maitlands viel zu brav sind um ihre neuen Mitbewohner spukend aus dem Haus zu ekeln, sehen sie sich irgendwann gezwungen, sich der Dienste des schmierigen "Bio-Exorzisten" Betelguise (Michael Keaton) zu bedienen. Jener stiftet allerdings mehr Chaos als selbst Gespenstern lieb sein kann.

Mit etwas Abstand nun auch Burtons zweite Langregiearbeit nachgeholt, die mir mittlerweile wesentlich besser gefällt als damals meinem Steppke-Ich im Kino. Da wusste ich allerdings auch mit dem quirligen Anarcho-Humor der ganzen verrückten Angelegenheit, so etwa mit der zersägten Frau und dem schrumpfköpfigen Großwildjäger im Problemfallwartesaal zum lustigen Jenseits und natürlich mit Keatons brachialen Irrsinns-Auftritten (besondere Sympathiebekundungen in diesem Zusammenhang auch für seinen Synchronsprecher Ulrich Gressieker, der leider kurz danach wegen Suizids selbstins Jenseits übertrat) noch nicht allzuviel anzufangen. Heute kann ich mich da an den teils wunderbaren visuellen Einfällen mitsamt augenschmeichelnder Stop-Motion-Effekte schon deutlich gekonnter verlustieren. Ähnliches gilt für die für mich damals natürlich noch übersehene, imperative Botschaft des Films: "Exzentriker aller Sphären, vereinigt euch!", die ganz besonders das urbane Gernegroßtum des Achtziger-Jahre-Snobisten an und für sich auf die Pike nimmt. Robert Goulet und Glenn Shadix als Antlitze des gepflegten, hochnäsigen Brokers mit ihrem ausgeprägten Kunstverstand für den After sind nur toll.

8/10

Tim Burton Geister


Foto

BACK TO THE FUTURE PART III (Robert Zemeckis/USA 1990)


"Traveling through time has become much too painful."

Back To The Future Part III (Zurück in die Zukunft III) ~ USA 1990
Directed By: Robert Zemeckis


Marty (Michael J. Fox) folgt seinem Freund Doc Brown (Christopher Lloyd) nach dessen luftigem Unfall ins Jahr 1885, um ihn vor seinem drohenden Ende infolge eines Revolverkampfes zu bewahren. Dummerweise bekommt der DeLorean auf der Flucht vor Indianern ein Leck in der Benzinleitung, was bedeutet, dass man die Zeitmaschine nur auf eine höchst altmodische Weise wieder flott bekommt.

Das Finale der Trilogie ist wieder etwas besser und homogener geraten als der etwas grelle und eben in erster Linie als Bindeglied fungierende zweite Teil. Liebevoll wird Hill Valley als Pionierstädtchen dargestellt mitsam mannigfaltigen inneren und äußeren Reminszenzen an das Genre, die sich wahlweise in den diversen Zitaten oder in Gastauftritten von Altstars wie Harry Carey jr. und Dub Taylor zu äußern belieben. Nicht umsonst wir einer Schabernack mit Martys "Decknamen" 'Clint Eastwood' getrieben. Was dem Film sehr gut bekommt, ist das Eingehen auf den Charakter des Doc Brown, der hier die endgültige Wandlung vom verschrobenen Wirrkopf hin zum Ersatzvater vollzieht und am Ende sogar als emsiger Dynastiebegründer gezeigt wird. Offenbar übte die Periode des historischen Westens eine größere Faszination auf Zemeckis und Bob Gale aus als die Kreierung von Halbutopien und apokalyptischen Gegenwartsszenarien.
Die entspannten Momente inmitten dieses ansonsten ja fast archetypischen Monuments der Hektik tun dem Gesamteindruck auf alle Fälle sehr wohl und schlagen eine durchaus vitalisierende Brücke zu einem seinerzeit immerhin totgeglaubten Genre.

8/10

Zeitreise Mad Scientist Sequel Robert Zemeckis Freundschaft


Foto

BACK TO THE FUTURE PART II (Robert Zemeckis/USA 1989)


"Keep 'em flying!"

Back To The Future Part II (Zurück in die Zukunft II) ~ USA 1989
Directed By: Robert Zemeckis


Kaum dass Marty McFly (Michael J. Fox) wieder in der Gegenwart von 1985 angekommen ist, muss er auch schon wieder dreißig Jahre in die Zukunft jetten, um seine künftige Familie vor nachhaltigen Schicksalswendungen zu bewahren. Dummerweise "leiht" sein alter Erzfeind und Superbully Biff Tannen (Thomas F. Wilson), mittlerweile ein knötternder Rentner, sich mal kurz den zeitreisenden DeLorean, um seinem jugendlichen Ich von vor sechzig Jahren einen Sportergebnisalmanach zu bringen. Dies hat zur Folge, dass Martys Gegenwart von 1985 verhängnisvoll verändert erscheint; Biff ist infolge prädestinierter Toto-Meisterschaft zu einem mächtigen Gangsterboss geworden, der Hill Valley in einen wahren Höllenschlund verwandelt hat. Es gilt abermals ins Jahr 1955 zu reisen, um alles wieder so herzustellen wie es für Marty wünschenswert ist.

Es war damals eine kleine Sensation, dass die beiden Fortsetzungsfilme von "Back To The Future" back-to-back gedreht wurden und mit dem relativ kurzen Zeitabstand von einem halben Jahr ins Kino kamen. Ich weiß noch, wie schwer es mir fiel, auf den dritten Teil zu warten, nachdem einem ja mit einem kleinen Teaser am Ende des zweiten dafür der Mund wässrig gemacht wurde. Ferner erinnere ich mich, dass der Soundtrack und die "Doubleback"-7" von ZZ Top bereits zum Kinostart von Teil II erhältlich waren, alles Bestandteile einer durchaus cleveren Marketingstrategie der Universal, von der ich mich damals selbstredend brav und willfährig mitschleifen ließ.
Nun, der zweite, deutlich höher budgetierte Teil fällt gegenüber dem Vorgänger in einigen Punkten ab. Zum Einen verfolgt mich nunmehr seit einundzwanzig Jahren ein seltsam undefinierbares Gefühl, demzufolge der Plot der Doppelfortsetzung, der im Prinzip einzig darauf fußt, dass - wovon wir zuvor nichts wussten - Marty McFly es bodenlos verabscheut, sich "chicken" (in der dt. Fassung: "Feige Sau") schimpfen zu lassen, eine ziemlich unpassende Erweiterung der schönen Nostalgiegeschichte des Erstlings ist; zum Anderen steht die mutmaßende, kurzsichtige und "harte" Gestaltung der Zukunft in keiner Relation zu jener liebevollen der Vergangenheit im Vorgänger. Was den stark erweiterten Diskurs um die Möglichkeiten von Zeitreisen und ihren Effekten auf die Zukunft sowie den unermüdlichen Einsatz von in-jokes und running gags anbelangt, sind die beiden Fortsetzungen indes noch immer mustergültig.
Ansonsten bleibt zu vermelden, dass die Welt nur noch knappe fünf Jahre hat, die Prognosen von Zemneckis und Gale zu bewahrheiten. Von fliegende Autos und Skyways, Hoverboards, selbsttrocknenden Collegejacken und Pizzahydratoren ist ja leider noch nicht viel zu sehen. Worin die beiden Phantasten indes aber doch Hellsichtigkeit bewiesen, war das Segment Medienentwicklung. Im Jahre 2015, so erfahren wir, läuft ein "Jaws" im Kino, der mit 3D-ähnlicher, holographischer Technik beworben wird, derweil daheim die Fernseher sukzessive Leinwandgröße erreichen. Seht, seht.

7/10

Robert Zemeckis Zeitreise Sequel Familie Mad Scientist





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare