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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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BEVERLY HILLS COP (Martin Brest/USA 1984)


"Police! Move and I'll kill you!"

Beverly Hills Cop ~ USA 1984
Directed By: Martin Brest


Axel Foley (Eddie Murphy) ist Police Detective in Detroit - wo seine unkonventionelle, aber erfolgreiche Arbeitsweise mit zwei zugedrückten Augen toleriert wird. Als eines Abends sein Kinfheitsfreund Mikey Tandino (James Russo) bei ihm auftaucht und nach einer durchzechten Nacht von zwei Killern (Jonathan Banks, Michael Champion) vor Axels Apartment hingerichtet wird, nimmt dieser kurzerhand Urlaub und reist nach Beverly Hills, von woher die Mörder mutmaßlich stammen. Es dauert nicht lange, und Axel wird fündig: Der homosexuelle Kunstmäzen und Kokainschmuggler Victor Maitland (Steven Berkoff), Mikeys frühere Arbeitgeber, steckt hinter dem Schlamassel. Für den Tausendsassa Axel gilt es nun bloß noch, die hiesigen Kollegen für sich zu gewinnen, doch die sind linientreuer als deutsches Bier.

Überlebensgroßes Entertainment, das noch wirklich witzig und gescheit war, freilich im Gegensatz zu dem ganzen unsäglichen, strunzdummen "Bad Boys"-Scheiß, der rund zehn Jahre später jeden Charme vermissen ließ, rein zufällig jedoch aus demselben Produzentenstall stammt. Große Errungenschaften lassen sich eben nur schwerlich imitieren.
"Beverly Hills Cop" war in vielerlei Hinsicht ein Initiationsfilm: Er überführte den mit wenigen Ausnahmen bislang als "strictly for adults" behandelten Copfilm in familientaugliche Sphären, ohne gewisse Grundmotive zu verraten, verschaffte dem SNL-Star Eddie Murphy seine größte Erfolgsplattform im Kino, kreierte damit den ersten schwarzen Megastar im Film und firmierte langen Jahre unter den Top Ten der kommerziell erfolgreichsten Filme. Bis heute charakterisiert er seine Entstehungszeit nicht nur, er prägt sie entscheidend mit. Die noch stark von Disco infizierten Popbeats von Harold Faltermeyer und den ganzen analog musizierenden Bands auf dem Soundtrack (der den puren Song als wesentlichen, stilistischen Gesamtbestandteil als eines der ersten Nicht-Musicals seit "Easy Rider" mitdefiniert), der abgewetzte Kleidungs- und Lebensstil als kontrapunktiver, proletarischer Gegenentwurf zu dem langsam aufkeimenden Yuppie-Ideal hipper Großstädter. Damit einhergehend natürlich auch eine latente Homophobie, die sich allerdings weitaus weniger angsterfüllt gestaltet als es der Begriff impliziert. Jeder "Paradiesvogel" in Beverly Hills ist zugleich nötigenfalls auch eine Triene: Das Galeriefaktotum Serge (Bronson Pinchot), der berühmte Bananenkellner (Damon Wayans) und schließlich der Oberbösewicht und sein Oberkiller, wobei sich der homosexuelle Gestus je nach gesellschaftlicher Stellung wahlweise moderat äußert. Das ist zwar entlarvend für den Film und seine Zeitmentalität, aber ebenso grundehrlich.
Formidabel schließlich die zwei monumental inszenierten Actionszenen, wie es sich gehört eine zu Beginn und eine zum Showdown. Wohltemperiert, geerdet und damit ohne so blasiert zu wirken, wie es heute Usus ist, sind sie entscheidend für das gesamte Tempomaß des Films. Eine prachtvolle Verfolgungsjagd und ein angemessen harter Shoot-out - Herz, was willst du mehr. Maßgeblicher, gediegener, besser kann Mainstreamkino kaum sein.

10/10

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THE LAST DETAIL (Hal Ashby/USA 1973)


"We got all night, kid."

The Last Detail (Das letzte Kommando) ~ USA 1973
Directed By: Hal Ashby


Die zwei Navy-Soldaten Buddusky (Jack Nicholson) und Mulhall (Otis Young) bekommen den Auftrag, ihren jüngeren, wegen einer Nichtigkeit zu acht Jahren Miltärgefängnis verurteilten Kameraden Meadows (Randy Quaid) zum Knast zu eskortieren. Die fünftägige Reise nach Norden führt durch mehrere Großstädte und lässt die Männer nachhaltig an der ethischen Richtigkeit ihrer Aufgabe zweifeln.

"The Last Detail" legt den märchenhaften Impetus von "Harold And Maude" ziemlich harsch ad acta. Seine Soldaten sind zwar Menschen, und Zweifler noch darüberhinaus; doch sie führen am Ende pflichtbewusst ihren Auftrag durch, wie es die Admiralität von ihnen erwartet und unterscheiden sich damit, obwohl wir, das Publikum vielleicht kurzzeitig anderes erhofft hätten, nicht vom Gros ihrer Zunft. Ganz unabhängig davon, dass sie auf der Reise für ihren sympathischen Häftling, der nie die Gelegenheit hatte, erwachsen zu werden, den sie durch und durch verstehen begreifen, zu Lehrern und Ersatzvätern gar avancieren, obsiegt am Schluss doch die Autorität. Diese Weltsicht ist eine wesentlich schwärzere als sie Ashbys Vorgängerfilm transportierte, wahrscheinlich aber auch - leider -, eine wesentlich realistischere.

9/10

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HAROLD AND MAUDE (Hal Ashby/USA 1971)


"Go and love some more!"

Harold And Maude ~ USA 1971
Directed By: Hal Ashby


Den reichen, jungen Harold Chasen (Bud Cort) als "todessehnsüchtig" zu bezeichnen ginge zu weit; seine Faszination vom Endgültigen beschränkt sich auf lustige Suizidinszenierungen, Beerdigungstourismus und heimliche Observierungen von Arbeiten mit der Abrissbirne. Harolds übermächtige Mutter (Vivian Pickles) übernimmt vermeintlich das Denken für ihn, doch kann auch sie nicht verhindern, dass ihr Filius sämtliche Heiratskandidatinnen in Rekordzeit aus dem Hause ekelt und aus seinem schicken Jaguar Coupé einen Leichenwagen bastelt. Als Harold auf einer Beerdigung die knapp achtzigjährige KZ-Überlebende Maude (Ruth Gordon) kennenlernt, erhält er ein paar Lebenslektionen, die diesen Namen ausnahmsweise einmal wirklich verdienen.

Geplättet vom "Easy Rider" - Erfolg ging auch die Studiokonkurrenz Wagnisse ein, die vorher und auch heute undenkbar wären. "Harold And Maude" reckt seinen großen, symbolischen Mittelfinger allem entgegen, was in der abendländischen Gesellschaft unter 'konventionell' firmiert. Diese Geschichte um Gerontophilie (die ja tatsächlich gar keine ist; Harold verliebt sich doch bloß in diese viermal so alte Frau, weil sie die erste weibliche Person in seinem Leben darstellt, die sich als wirklich liebenswert erweist) und den Widerstand gegen jedwede Form von repressiver Autorität ist mehr punk als jeder folgende Film der Dekade; hat er es doch gar nicht nötig, seine Anarchie als körperliche Tätlichkeit zu vermitteln. O.-Ton Maude: "Ich habe es nicht mehr nötig, die Menschen anzugreifen. Heute umarme ich sie." Diese charmante, intelligente Frau, die den Tod in seiner schlimmsten Variante kennengelernt hat, ist das diametrale Gegenteil von verbittert und plädiert für alles, was zählt: Uneingeschränkte Selbstbestimmung, Rebellion gegen die Obrigkeit, das unbedingte Hinwegsetzen über verfilzte Moralvorstellungen; schließlich die unerlässliche, pure Freude am Sein, am Moment. Und Ashbys Film? Der formuliert seinen kategorischen Imperativ so unmissverständlich, unüberhörbar, aufrichtig und wahrhaftig wie kein zweiter: LEBE!

10/10

Hal Ashby New Hollywood Paraphilie


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DIE BLECHTROMMEL (Volker Schlöndorff/BRD, F, PL, YU 1979)


"Es war einmal ein Land, in dem glaubten die Menschen an den Weihnachtsmann. Doch dieser Weihnachtsmann war in Wirklichkeit... der Gasmann!"

Die Blechtrommel ~ BRD/F/PL/YU 1979
Directed By: Volker Schlöndorff


Wie der kleine Halbkaschube Oskar Matzerath (David Bennent) 1924 das Licht der Danziger Welt in Gestalt einer 60-Watt-Glühbirne erblickt, mit drei Jahren die erste von einer Legion roteiß lackierter Blechtrommeln erhält, sich aufgrund der verlogenen Welt der Großen weigert, weiterzuwachsen, seine spezifische Gabe des Glaszersingens entdeckt, wie er später die Tode seiner Mutter (Agnes Winkler), seines Onkels (Daniel Olbrychski) und später seines nominellen Vaters (Mario Adorf) provoziert, dem Aufmarsch der Nazis entgegentrommelt, mit einer aus Zwergen und Liliputanern bestehenden Fronttheatertruppe der Euthanasie entgeht und später, nach dem Sieg der Alliierten, ins Rheinland vertrieben wird.

"Die Blechtrommel" ist vermutlich eines der hervorstechendsten Beispiele dafür, wie Weltliteratur in Film zu transferieren ist, ohne den Geist der Vorlage zu verkaufen. Für mich, der ich das Glück hatte, Schlöndorffs opus magnum nie als Schulprogramm aufoktroyiert bekommen zu haben, sondern ihn im mittleren Jugendalter selbst entdecken zu können, außerdem einer der mit großem Abschlag besten deutschen Filme. Es ist ja Grass zu verdanken, dass er - übrigens in angemessen knappem zeitlichen Abstand - die Schrecken der Nazidiktatur in eine grimmige Humoreske eingeschlagen und sie durch die Augen eines seltsamen, in gewisser Weise fast unirdischen Kindes sehen und kommentieren zu lassen. Oskar Matzerath, Größenwahnsinniger und zynischer Observierer von diabolischer Vitalität. Da geht es nicht nur um blindes Mitläufertum, auch um Vaterschaftslügen - und in fortgesetzter Generation. Seine drei Eltern werden allesamt bestraft: Zwei für ihren Betrug am Ehevertrag, der letzte dafür, dass er ein Führerporträt dort platzierte, wo zuvor ein Stieler-Gemäldedruck von Beethoven hing.
Auch wenn er sonst nach eigener Aussage mit "Director's Cuts" nichts am Hut hat, fügte Schlöndorff in diesem einen Fall nach sorgfältigem Abwägen verloren scheinende Szenen wieder ein. Dem Film tut es gut; endlich sieht man die Himmelfahrt der abgeschossenen Nonnen von Lisieux am Normandiestrand oder die fehlenden Momente mit dem jüdischen Aufkäufer Fajngold (Wojciech Pszoniak). Auch Matzeraths späte Kleinstrebellion gegen die Partei, die "dat Oskarchen" in eines ihrer speziellen Krankenhäuser verfachten will, kann nunmehr bewundert werden.

10/10

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GUESS WHO'S COMING TO DINNER (Stanley Kramer/USA 1967)


"When the hell are we gonna get some dinner?"

Guess Who's Coming to Dinner (Rat' mal, wer zum Essen kommt) ~ USA 1967
Directed By: Stanley Kramer


Die von Hawaii nach San Francisco heimkehrende Joey Drayton (Katharine Houghton) eröffnet ihren Eltern Christina (Katharine Hepburn) und Matt (Spencer Tracy), dass sie sich Hals über Kopf verlobt hat - mit einem überaus respektablen Mann (Sidney Poitier), nur dass dieser ein Farbiger ist. Obwohl sich Matt Drayton als Zeitungsverleger für DEN liberalen Meinungsmacher der Stadt hält, ist er von der Nachricht seiner Tochter mehr vor den Kopf gestoßen als er zugeben will.

"You've got to give a little..."
Kramers gezwungenermaßen letzter Film mit dem todkranken Spencer Tracy und ergo auch der letzte Film des schönsten Traumpaars der Filmgeschichte - Tracy und Hepburn - ist was fürs Herz, allerdings nicht ohne die dem Regisseur gemäßen sozialkritischen Implikationen. "Guess Who's Coming To Dinner" ist über die Jahre ein durchweg schöner Ensemblefilm geblieben, dennoch stört daran nach über vierzig Jahren noch immer Manches, wenn auch zum Glück bloß geflissentlich und beiläufig. Und damit meine ich weniger den unentwegten Gebrauch des Terminus "negro".
Es ist ja so, dass jede Gesellschaft in der Regel immer die Filme bekommt, nach denen sie verlangt, bzw. die sie verdient - das Gesetz des unterhaltungskulturellen Echos. Nur kann "Guess Who's Coming To Dinner" bei aller Ehrbarkeit und Brillanz in der Dialogführung selbst nicht verhehlen, eine durchweg weiße Perspektive einzunehmen, und eine stark seniorenverhaftete noch dazu. Etwas mehr Selbstsicherheit und Selbstverständnis wären beim Aufgreifen des Themas "Alltagsrassismus" mithin wünschenswert gewesen. Dass die Resolution des Films gewissermaßen lange Zeit in den Regionen der Utopie verblieb, zeigte etwa Spike Lee in seinem 24 Jahre jüngeren "Jungle Fever", in dem die Romanze eines gemischtfhäutigen Paars wegen der Ressentiments ihres sozialen Umfeldes frontal vor die Wand gefahren wird.
Man sollte daher die eigentliche Brisanz von Kramers Film nicht darin begreifen, dass hier die prinzipielle Selbstverständlichkeit eines Liebespaars unterschiedlicher Hautfarbe in den Fokus gerät (der große Altersunterschied wäre dem Impetus des Films gemäß eigentlich mindestens genauso diskutabel), sondern darin, dass ein alter, sich stets auf der Seite der Gerechten glaubender Mann trotz seiner selbstveräußerten Liberalität und Lebensweisheit erst über einen gewaltigen Wall der hinter seiner Fassade noch immer akut vorhandenen Vorurteile springen muss. Wie Tracy diesen Zweifler an seinem eigenen Lebensabend spielt, und, obwohl er um den nahenden Tod weiß, in seiner Rolle als Matt Drayton ständig davon spricht, noch ein hohes Alter zu erreichen, und dabei von einer ihn ganz offensichtlich tatsächlich umsorgenden Katharine Hepburn, die permanent Tränen in den Augen hat und ihr typisches Kopfzittern nicht verhehlt, das ist der echte tear jerker dieses seinem Wesen nach ehrlichen, tatsächlich großen und wichtigen Films.

9/10

Stanley Kramer Rassismus Ehe


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IT'S A MAD MAD MAD MAD WORLD (Stanley Kramer/USA 1963)


"Oh Russell, I feel sick."

It's A Mad Mad Mad Mad World (Eine total, total verrückte Welt) ~ USA 1963
Directed By: Stanley Kramer


Nachdem eine buntgemischte Gruppe Reisender in den kalifornischen Bergen einen halsbrecherischen Autounfall miterlebt hat, erfahren sie von dem sterbenden Fahrer (Jimmy Durante), dass dieser 350.000 Dollar in einem Küstenpark versteckt hat. Gierig machen sich alle Hals über Kopf auf die Socken, um jeweils als Erster an die Moneten zu kommen - der Beginn einer turbulenten Schatzsuche.

Stanley Kramer ist vordergründig moderater, im Subtilen betrachtet jedoch ziemlich bösartiger Nestbeschmutzer des damaligen 'American Way'. In "It's A Mad Mad Mad Mad World" karikiert er die grenzenlose Geldgier der Bourgeoisie und zeigt satirisch die Irrwege auf, die vormals ehrbare amerikanische Bürger einzuschlagen bereit sind, solange nur genug dabei für sie herausspringt. Dass sich ausgerechnet Spencer Tracy, Kramers großer, weiser Held aus seinen letzten beiden Filmen, am Ende als das zum Äußersten getriezte, unmoralische Kopfende des sabbernden Pöbels erweist, ist noch ein zusätzlicher Seitenhieb gegen 'the Beautiful'. In diesem Film gibt es keine Helden mehr, er braucht auch gar keine. Denn im Angesicht materieller Vorteile, so Kramers bitteres Fazit, ist sich jeder selbst der Nächste.
Dass ausgerechnet diese temporeiche, eine beinahe unüberschaubare Anzahl von Gastauftritten diverser Gattungsexperten verzeichnende Komödie eine so monumentale Spielzeit veranschlagt, und, ganz gemäß dem hollywoodschen Credo bei Überlängenfilmen, sogar eine Intermission beinhaltet grenzt fast an einen weiteren Faustschlag Kramers und veräußert "Mad World" als Experimentalfilm. Großes, überspanntes Unterhaltungskino.

8/10

Stanley Kramer Farce Groteske Satire Geld


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WHERE THE BUFFALO ROAM (Art Linson/USA 1980)


"As your ex-attorney, I advise you to leave this plane."

Where The Buffalo Roam (Blast - Wo die Büffel röhren) ~ USA 1980
Directed By: Art Linson


Der unkonventionell zu Werke gehende Journalist Hunter S. Thompson (Bill Murray) arbeitet für das Underground-Magazin 'Blast', das er in schöner Unregelmäßigkeit mit Kolumnen über den amerikanischen Albtraum beliefert. Als sein Freund, der Anwalt Lazlo, für einige Zeit wegen Gerichtsbeleidigung ins Gefängnis muss, befasst sich Thompson in erster Linie mit Traktaten über dessen "Verschwinden". Just während Thompson über den 72er Super-Bowl zu berichten hat, taucht Lazlo wieder auf und unterbreitet ihm seine Pläne für die baldige Schaffung einer Hippie-Enklave zwischen den USA und Mexiko, für die allerdings Waffengewalt vonnöten sei. Als das FBI anrückt, verschwindet Lazlo wieder. Das nächste Mal treffen sich die beiden während Nixons 73er-Wahlkampagne.

Der schillernde Gonzo-Journalist Hunter S. Thompson bereicherte die US-Kulturgeschichte des letzten Jahrhunderts um eine ihrer wichtigsten Gestalten. Ein großer Misanthrop, der freimütig behauptete, dass ein Land, dass Menschen wie ihn benötigte, um es zu kritisieren, am besten von der Landkarte getilgt gehörte. Im Gegensatz zu Terry Gilliams großartiger Romanadaption "Fear And Loathing In Las Vegas" ist der wesentlich früher entstandene "Where The Buffalo Roam" nicht allzu bekannt, wohl auch, weil ihm die grelle Antihelden-Verehrung Gilliams abgeht und er stattdessen offenkundig und ausschließlich ein Publikum beliefert, das mit Thompson und seinen Marotten vertraut ist. Im Prinzip müssten die beiden Filme daher folgerichtig in umgekehrter Reihenfolge angeschaut werden. Gemessen an den an der Irrsinnsgrenze entlang taumelnden Depp und besonders Del Toro aus "Fear And Loathing" präsentieren Murray und Boyle eine vergleichsweise gediegene Vorstellung. Der Exzess greift hier noch nicht - bzw. hat er nicht den Mut dazu. Dennoch ist "Where The Buffalo Roam" unbedingtes Pflichtprogramm für jeden Thompson-Apologeten. Die neu erschienene DVD enthält nebenbei einen etwa fünfzigminütigen Bericht des englischen Thompson-Illustrators Ralph Steadman, der Thompson 1980 auf einer Reise von Arizona nach L.A. begleitet und der alleine schon die Anschaffung des Silberlings lohnt.

8/10

Farce Hunter S. Thompson Groteske Drogen Freundschaft Alkohol Journalismus Americana Satire Beat Generation


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FUNNY PEOPLE (Judd Apatow/USA 2009)


"Do the MerMan!"

Funny People (Wie das Leben so spielt) ~ USA 2009
Directed By: Judd Apatow


Der supererfolgreiche Komiker George Simmons (Adam Sandler) erfährt, dass er an fortgeschrittener Leukämie leidet und beschließt, die ihm verbleibende Zeit mit Wichtigerem zu verbringen als dem Dreh flacher Komödien und der einsamen Abschottung in seiner Villa. Er beginnt wieder als Stand-Up-Comedian aufzutreten und lernt den finanzschwachen Nachwuchskomiker Ira Wright (Seth Rogen) kennen, der sich von George als Gaglieferant und Hauslakai engagieren lässt. Als George erfährt, dass ein ihm verschriebenes, neuartiges Medikament den Krebs besiegt hat, ist es mit seiner persönlichen New-Age-Philosophie auch schon wieder vorbei - ganz zum Missfallen von Ira, der sich unterdessen mit George angefreundet hat.

Ich mag die Arbeiten von Judd Apatow. Man möchte ihn fast als Großmeister der Monumentalkomödie bezeichnen, da es keine seiner bislang drei Regiearbeiten unter zwei Stunden Laufzeit macht - für dieses Genre eine ungewöhnliche Messlatte. Dennoch schafft es Apatow spielend, sein Publikum weder zu ermüden noch zu überreizen. Seine Gags stammen eher aus dem Schmunzelsektor und sind deshalb auch in einer solch quantitativ geballten Form noch immer deliziös. Hinzu kommt, dass die Themen seiner Filme eher klassischen Dramastoff stellen als zu merkbefreitem Spott hinzureißen; er nimmt seine Figuren ernst, katapultiert sie in ausweglos scheinende Situationen und lässt sie mit hintergründigem, didaktischem Ernst und lebensgestählt wieder daraus hervorsteigen.
Ich wusste vorher nicht viel über "Funny People", nur, dass Sandler (dessen Zusammenarbeit mit Apatow unabhängig von allen Befürchtungen für mich Pflichtprogramm war) einen Todkranken spielen sollte - eine Vorstellung, die mir alles andere als behagte und glücklicherweise schon nach der Hälfte des Films wieder ausgeräumt wird. Dessen letztendlicher Gesamteindruck verschaffte mir jedenfalls erneute Gewissheit darüber, dass Apatow so kluge wie entspannte Werke sowie, zumindest bislang, solche ohne Durchhänger kreiert und dass ich mich auf das nächste wieder reinen Gewissens freuen darf.

8/10

Krebs Judd Apatow Stand-up-Comedy


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BATMAN (Leslie H. Martinson/USA 1966)


"Some days, you just can't git rid of a bomb."

Batman (Batman hält die Welt in Atem) ~ USA 1966
Directed By: Leslie H. Martinson

Die vier Supergangster Pinguin (Burgess Meredith), Joker (Cesar Romero), Riddler (Frank Gorshin) und Catwoman (Lee Meriwether) kidnappen den Nautikforscher Commodore Schmidlapp (Reginald Denny) und reißen sich dessen Erfindung unter den Nagel: Den Dehydrator, eine Maschine, mit der man jedem Lebewesen sämtliche Flüssigkeit entziehen und es in ein Häuflein bunten Staubes verwandeln kann - natürlich nur, solange Bedarf herrscht, danach kann das Opfer auch wieder rehydriert werden. Batman (Adam West) und Robin (Burt Ward) haben alle Hände voll zu tun, dem Kleeblatt des Bösen einen Strich durch die Rechnung zu machen.

"Batman" war damals Teil eines Fox-Werbefeldzugs, der die Serie auch in Übersee populär machen und dort Abnehmer auftun sollte. Der Kinofilm entstand zwischen der ersten und der zweiten Staffel der Reihe und unterschied sich nur insofern von ihr, als dass es eine andere (sehr schicke) Titelsequenz gab und etwas mehr Patte zur Verfügung stand, mit der man unter anderem den "Bat-Copter" und ein "Bat-Boot" kreierte. Ansonsten blühte der Blödsinn weiter vor sich hin.
"Batman" '66 ist ein zweischneidiges Schwert: Für den heutigen Liebhaber der Comics und ihres atmosphärischen Kerns ist diese Variation indiskutabel und erscheint zuweilen wie eine Tortur; andererseits ist sie ein unbedingter Wegbereiter für die Slapstick-Grotesken von Mel Brooks und der ZAZ-Truppe sowie ein maßgeblicher Repräsentant der bonbonfarbenen Sixties-Popkultur, die den Dunklen Ritter eben damals nach allen Regeln der Kunst vergewaltigt hat. Ergo geht es mir, in dessen meiner Brust, ach, genau diese zwei widerstreitenden Seelen wohnen, dabei trotz wiederholter Betrachtung regelmäßig so, dass ich zunächst nie weiß, ob ich lachen oder weinen soll. Erfreulicherweise gewinnt zumeist der Nonsensfreund und tobt sich hundert Minuten lang aus, derweil der Batfan sich in den dunklen Schattenbereichen meines Geistes zur Verfügung hält.
Heilige Diversifikation!

6/10

Leslie H. Martinson Batman Comic Superhelden Slapstick Groteske DC


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THE LADYKILLERS (Alexander Mackendrick/UK 1955)


"I said nobody was to do Mrs. Lopsided!"

The Ladykillers ~ UK 1955
Directed By: Alexander Mackendrick


Der gewiefte Gauner Professor Marcus (Alec Guinness) mietet sich bei der alten Dame Mrs. Wilberforce (Katie Johnson) ein, um von dort aus mit seinen vier Kumpanen (Herbert Lom, Peter Sellers, Danny Green, Cecil Parker), die er der Hausherrin als Amateurkapelle vorstellt, einen Raubüberfall auf einen Geldtransporter durchführen zu können. Mrs. Wilberforce macht den fünf Schwerenötern jedoch eher unfreiwillig mehrere Striche durch die Rechnung und geht als etwas verwirrte Gewinnerin aus der Affäre hervor.

Die Ealing-Produktion "The Ladykillers" assoziiert man, auch in Anbetracht ihrer über die Jahre gewachsenen Popularität, fast unwillkürlich mit dem vielstrapazierten, in der abendländischen Populärkultur landläufig als "schwarzer britischer Humor" bekannten Terminus. Hier haben wir dessen mit dankbarste Repräsentanten - ein Halunkenquintett, bestehend aus verräterischen, soziopathischen, selbst vor Mord nicht zurückschreckenden Individualisten, die sich am Ende dann doch als unfähige Teamspieler erweisen und primär wegen ihres berechtigten, akuten Misstrauens zueinander ins Gras beißen müssen.
Alte, Tee trinkende Damen mit Blumenhüten gehören dabei freilich ebenso zum klassischen britischen Personeninventar wie der hochberschirmte Bobby, und sie alle kommen hier zum Einsatz. Alec Guinness mit Kieferprothese, Herbert Lom und ein vergleichsweise zurückhaltender Peter Sellers bespielen ihre jeweiligen Parts erwartungsgemäß traumhaft; der grobschlächtige Danny Green, als seines Äußeren gemäß leicht unterbelichteter East-End-Ganove, schlägt sich derweil ebenfalls wacker. Wunderbar die leicht ausgeblichenen Technicolor-Farben. So edel gealtert findet man sie ausschließlich im englischen Kino.

9/10

Alexander Mackendrick London Heist





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