Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

JOSHUA TREE (Vic Armstrong/USA 1993)


"He's just a driver, not a killer."

Joshua Tree (Barett - Das Gesetz der Rache) ~ USA 1993
Directed By: Vic Armstrong

Der Auto- und Rennfahr-Spezialist Santee (Dolph Lundgren) wird während eines illegalen Jobs gelinkt und sein bester Freund Eddie (Ken Foree) erschossen. Santee selbst wird angeklagt, einen Polizisten getötet zu haben und landet unschuldig im Gefängnis. Im Zuge einer Verlegungsaktion nutzt er die Gunst der Stunde und flieht, die Polizistin Rita (Kristian Alfonso) als Geisel. Santees damaliger Auftraggeber Severence (George Segal), selbst Police Officer, nimmt die Verfolgung von Santee auf, der sich quer durch den Joshua-Tree-Nationalpark ballert.

Einer der großen Actionfilme der neunziger Jahre, der es dank seiner miesen Vermarktung hierzulande, die rund um cropping, Zensur und missglückte Synchronisation so ziemlich alles beinhaltet, was bei einer hiesigen Videoveröffentlichung unrund laufen konnte (und wohl immer noch kann), bei uns nie den ihm zustehenden Leumund zu erwerben vermochte. Beeinflusst von den extrem stilisierten Shoot-Outs des Hong-Kong-Genrekinos und mit jenem gewissen, naiv-prolligen Naturell versehen, das dem einen oder anderen Film solchen Zuschnitts seinerzeit noch ganz unschuldig zu eigen war (so mochte man weder auf eine spektakuläre Verfolgungsjagd mit Ferraris noch auf eine Liebesszene mit Agaven-Öl verzichten), bekommt man mit "Joshua Tree" ein windschnittiges, kompetent gefertigtes Feuerwerk aufs Tablett gezaubert, das Dolph Lundgren in einem seiner karrieristischen Höhepunkte zeigt und seine Outlaw-Vorbilder (Raoul Walshs "High Sierra" findet sich in gleich mehrfacher Hinsicht intertextualisiert) gallionsfigurengleich vor sich her trägt. Der selbstgezogene Vergleich könnte dabei entlarvender kaum sein - dass Lundgren nicht Bogey ist, Wellman(!) Santee nicht Roy Earle und Vic Armstrong nicht Raoul Walsh, mag eine obsolet anmutende Erkenntnis sein; zur Veranschaulichung jedoch, wie sich das Antlitz des (US-)Kinos mit all seinen gestalterischen Behelfsmäßigkeiten binnen 52 Jahren bewegter Geschichte verändert hat, dafür taugt ein Direktvergleich zwischen diesen beiden Schätzen wie Arsch auf Eimer.

8/10

Vic Armstrong Wüste Kalifornien Flucht Rache


Foto

EDUCAZIONE SIBERIANA (Gabriele Salvatores/I 2013)


"All creatures belong to heaven."

Educazione Siberiana (Sibirische Erziehung) ~ I 2013
Directed By: Gabriele Salvatores

Noch zu Zeiten der Sowjetunion werden alle großen Gangsterclans in die Kleinrepublik Transnistria verfrachtet, wo sie vom Rest der Sowjet-Staaten weitgehend abgeschirmt sind und ihre jeweils strengen Sitten und Gebräuche weiterverfolgen können. Als härtester der Clans gelten die Sibirier. Schon als Kinder lernen die besten Freunde Kolyma (Arnas Sliesoraitis) und Gagarin (Pijus Grude) den Umgang mit dem Messer und wie man Transportfahrzeuge ausraubt. Bis Gagarin erwischt wird und für sieben Jahre ins Gefängnis muss. Mit seiner Rückkehr kommt auch die reizende, geistig behinderte Xenja (Eleanor Tomlinson) in die von Kolyma und seinem ehrwürdigen Großvater Kuzya (John Malkovich) beherrschte Unterstadt. Die Zeit im Knast hat Gagarin verändert und als er ein unaussprechliches Verbrechen verübt, bleibt Kolyma nur, ihn unerbittlich zu verfolgen.

Ein sehr literarisch besetzter Entwicklungsroman in Filmform, eine italienische Produktion mit italienischem Stab in englischer Sprache und mit internationaler Besetzung, die auf ex-sowjetischem Boden spielt (vornehmlich jedoch in Italien und nur teilweise in Litauen gedreht wurde). Die Geschichte, die auf autobiographischen Erlebnissen beruhen soll, erinnert zuweilen stark an Sergio Leones "Once Upon A Time In America": Vier Freunde lernen bereits in der Kindheit, sich durch ein hartes, von Regeln und Kodexen geprägtes Leben zu schlagen; die beiden im Zentrum stehenden Jungen verfeinden sich durch den Verrat des Einen am Anderen, bis eine späte, forcierte Wiederbegegnung Schuld und Sühne ausgleicht. Dazu gibt es eine merkwürdige, verschrobene Dame, die beide reizt, an der Ungestümheit des Einen jedoch zerbrechen wird. Ansonsten kleidet Salvatores sein Freundschaftsporträt in sehr lyrische, formvollendete Bilder mit vielen blendend schönen Szenen (wie einer am Kettenkarussell, die von Bowies wunderbarem "Absolute Beginners" vortrefflich untermalt wird), die "Educazione Siberiana" bei aller Parallelität zu Vorangegangenem noch immer die notwendige Eigenständigkeit verleihen, um als ausgereiftes Kunstwerk für sich stehend überzeugen zu können. Kein ganz großer Wurf, aber bestimmt ein sehenswerter Film.

7/10

Gabriele Salvatores Familie Russland UdSSR Biopic Freundschaft Rache ethnics Russenmafia


Foto

MAY (Lucky McKee/USA 2002)


"I like weird. I like weird a lot."

May ~ USA 2002
Directed By: Lucky McKee

May Canady (Angela Bettis) ist infolge ihrer seltsamen Mutter (Merle Kennedy) sowie durch einen Augenunfall als Kind (Chandler Riley Hecht) zeitlebens eine verschrobene Außenseiterin geblieben, deren in einem Glaskasten befindliche Puppe Lucy ihre einzige Freundin ist. Aufgrund ihrer Nähkünste arbeitet May als Tierarztgehilfin. Sie träumt davon, den Nachwuchsfilmer Adam (Jeremy Sisto), in den sie sich aus der Entfernung verliebt hat, kennenzulernen, was ihr eines Tages tatsächlich gelingt. Adam, ein beinharter Argento-Fan, liebt zwar das Ungewöhnliche, aber Mays Abseitigkeiten gehen ihm bald zu weit. Keinen echten Trost findet May fürderhin auch weder bei ihrer nymphomanen, lesbischen Arbeitskollegin Polly (Anna Faris) noch bei ihrer neuen, ehrenamtlichen Stellung als Erzieherin blinder Kinder. Bald rutscht Mays Sehnsucht nach dem perfekten Freund fürs Leben endgültig in eine pathologische Obsession ab: Sie beschließt kurzerhand, sich selbst einen zu machen...

Lucky McKee dürfte einer der interessantesten und gescheitesten Genregisseure des neuen Jahrtausends sein. Im Regelfalle sind seine leider nur spärlich vom Stapel gelassenen Filme von einem bösen, schwarzen Humor angehaucht und offerieren tiefe Einblicke in zutiefst gestörte und vor allem verstörende psychische Abgründe. Sein Langfilmdebüt "May" verleiht diesem signifikanten Ansatz gleich brachiale Fahrt und haucht ihm Leben ein: die eigentlich sehr hübsche, fragil erscheinende May leidet unter der konsequenten Bevormundung ihrer Mutter, deren diverse, falsche pädagogische Entscheidungen ihr Leben unbewusst zu einer Hölle der Einsamkeit werden lassen. So muss May als kleines Mädchen mit einer Augenklappe herumlaufen, was sie für die anderen Kinder als eine merkwürdige Piratin erscheinen lässt, der man besser aus dem Weg gehen sollte. Ihre einzige Erfüllung findet sie in der nun folgenden, von Abkapselung und Solipsismus geprägten Biographie, wahlweise in ihrer Profession als Näherin sowie im "Dialog" mit ihrer Puppenfreundin Lucy, einer eigentlich grausligen Porzellangestalt, die stets hinter einer Glasscheibe verborgen bleiben muss (so hat es May ihre Mutter einst eingeschärft). Als jener Glaskasten zerbricht, zerbricht damit gleichermaßen auch jene Schutzscheibe, die die Welt bislang vor May bewahrt hat. Diese lässt ihrem wahnhaften Bild von Perfektion damit endgültig freien Lauf und schafft sich, blutig mordend, ihr eigenes, lebensgroßes Frankenstein-Püppchen.

8/10

Lucky McKee Madness Puppe


Foto

DISCOPATHE (Renaud Gauthier/CA 2013)


"I'm gonna get this guy..."

Discopathe (Discopath) ~ CA 2013
Directed By: Renaud Gauthier

New York, 1976: Seit er als Kind (Nicolas Laliberté) den Unfalltod seines Vaters (Pierre Lenoir), eines Plattentüftlers und Hobby-DJs, mitansehen musste, ist bei Duane Lewis (Jérémie Earp-Lavergne) eine gewaltige Schraube locker. Jedesmal, wenn er Disco-Musik hört, brennt eine Sicherung bei ihm durch und er muss töten. Nachdem er in der Manhattaner Disco "Seventh Heaven" eine junge Tänzerin (Katherine Cleland) grausam ermordet hat, setzt sich Duane heimlich und unter falscher Identität nach Montreal ab, wo er vier Jahre unerkannt als vorgeblich taubstummer Hausmeister in einem Mädchen-Internat arbeitet. Als dann eines Abends im ansonsten leerstehenden Haus zwei Schülerinnen ihre neuesten Singles anhören, kommt der alte Wahnsinn zurück. Und diesmal manifestiert er sich dauerhaft...

Grundsätzlich liebenswerte, in der finalen Ausführung hier und da jedoch eher gut gemeinte denn umgesetzte Hommage an das Grindhouse-/Splatter-Kino um die Spätsiebziger/Frühachtziger. Sich deutlich an "Don't Go In The House", "Maniac" und ähnlich Kuleuriertem orientierend, verbindet der ebenfalls als Musiker umtriebige Gauthier den traditionellen Psychopathen-Topos mit zeitgenössischem Elektonik- und Disco-Sound, wobei die Titelliste sich aus einigen authentischen Hits und neuen Eigenkompositionen zusammensetzt. Hinzu kommt der Score, der sich deutlich an den damaligen Klängen von Tangerine Dream und Vangelis entlanghangelt. Ein weiterer "Hommage"-Film also, diesmal allerdings einer ohne künstlich eingefügte Staubpartikel und Klebestellen, sondern gewissermaßen schon einer für den "fortgeschrittenen" Rezipienten, der seine intertextuellen Bezüge weniger in Aufgewärmten zu suchen wünscht denn in Variation. Das ist soweit okay und sicherlich auch ehrenhaft in seiner Ursprungsintention, für jenen wirklich guten, frischen Film, der "Discopath" gern wäre, jedoch von zu vielen Unwägbarkeiten durchzogen, die Gauthiers Werk in der Summe seiner Teile lediglich durchschnittlich medioker lassen. Zudem sollte man die Ersteller der katastrophalen deutschen Synchron-Vertonung, welche es ergo unbedingt zu meiden gilt, zu mindestens vier Wochen Wasser und Brot verdonnern.

5/10

Renaud Gauthier Montreal New York Disco Musik Slasher Splatter Hommage Sleaze Madness period piece


Foto

UN FLIC (Jean-Pierre Melville/F, I 1972)


Zitat entfällt.

Un Flic (Der Chef) ~ F/I 1972
Directed By: Jean-Pierre Melville

Commissaire Coleman (Alain Delon) von der Pariser Polizei ist ein harter, emotionsloser Knochen, dem jedes ihm zur Verfügung stehende Mittel recht ist, um an seine Ziele zu gelangen. Aktuell stehen die Dingfestmachung eines berüchtigten Heroindealers (Léon Minisini) sowie die Verfolgung eines Gaunerquartetts an, das eine Bank überfallen und einen der Kassierer erschossen hat. Dass beide Fälle auf seltsame Weise zusammenlaufen werden, kann Coleman nicht ahnen, ebensowenig die Tatsache, dass sein Freund, der Nachtclubbesitzer Simon (Richard Crenna) und die schöne Cathy (Catherine Deneuve) dabei Schlüsselrollen spielen.

Melvilles letzter Film ist zugleich sein desillusioniertester. Das weihnachtliche Paris gleicht nunmehr einer schmutzigen Metropole in monochromen Farben ohne jedwede Wärme oder Empathie. Auch die Sympathien für seine antagonisten verschwimmen zusehends, wobei den Ganoven; den Unangepassten, den Outlaws, immer noch Melvilles hauptsächliche Zuneigung gilt. Ein Spiel Gut gegen Böse hat es in traditioneller Herkömmlichkeit ohnehin noch nicht gegeben bei Melville; diesmal scheinen die Grenzen allerdings noch fließender, was die in "Un Flic" vorgestellte Welt gleichermaßen zu einem höchst trost- und hoffnungslosen Ort werden lässt. Der Flic gleicht einem verbissenen, opportunistischen Hund, der erniedrigt und unfair spielt, um an Informationen zu gelangen und dem Zwischenmenschlichkeit nichts bedeutet. Sein Gegenspieler Simon führt derweil ein trauriges, überaltertes Krimiellenquartett an - einer seiner Freunde (André Pousse), der beim ersten Coup angeschossen wird, muss getötet werden, bevor er die anderen verraten kann, ein anderer (Riccardo Cucciolla) versucht, seinen früheren Lebensstil aufrecht zu erhalten und neigt zur Depression. Simon selbst ist sich dauerhaft bewusst, mit dem Feuer zu spielen und akzeptiert am Ende, doch noch verraten und verkauft, sein moraläquivalentes Schicksal, wobei er den Freitod dem Gefängnis vorzieht. Einzig Cathy, die sich immerhin auch eines Mordes schuldig gemacht hat, lässt Coleman entkommen. Eine angesichts seiner üblichen Berufspraxis wenig nachvollziehbare Entscheidung, vielleicht eine letzte, menschliche Regung eines ansonsten entmenschlichten Rechtsverfechters.

8/10

Jean-Pierre Melville Paris Heist Freundschaft amour fou


Foto

GONE GIRL (David Fincher/USA 2014)


"We caused each other pain." - "That's marriage."

Gone Girl ~ USA 2014
Directed By: David Fincher

Als Amy (Rosamund Pike), die als Buchautorin immens populäre Gattin des Kleinstadtkneipiers Nick Dunne (Ben Affleck) verschwindet, gerät der Ahnungslose ins Kreuzfeuer von Justiz, Medien und Gesellschaft. Weil er eine Affäre mit der Studentin Andie (Emily Ratajkowski) verschweigt, hält ihn plötzlich alle Welt für einen Lügner und bald auch für den Mörder seiner offenbar schwangeren Frau. Ein bald auftauchendes Tagebuch Amys räumt alle verbliebenen Zweifel aus. Doch Amy ist mitnichten tot; sie hat ihr eigenes Verschwinden inszeniert, um sich an Nick für seinen von ihr längst entdeckten Betrug zu rächen und ihm einen gehörigen Denkzettel zu verpassen. Eine Ansprache via TV stimmt sie jedoch wieder um: Jetzt heißt es, gute Miene zum bösen Spiel zu machen...

"In guten wie in schlechten Zeiten" heißt es im christlichen Ehe-Sakrament und für die Dunnes sind nun letztere angebrochen. Aber volle Lotte. Dem mittelständischen Musterehepaar geht es genau so lange gut in seiner trauten Zweisamkeit, bis er sich in ein Abwechslung versprechendes Abenteuer mit einer drallen, jüngeren Schönheit verrennt. Damit nimmt die - vorübergehende - Zäsur innerhalb ihrer gemeinsamen Existenz ihren verhängnisvollen Ausgang. Denn anders als andere gehörnte Gattinnen besitzt Amy Dunne nicht nur eine vorbildliche, literarisch scharfe Phantasie, sondern verfügt zudem über Ausdauer, Bosheit und, das Wichtigste, eine gehöroge Portion Irrsinn. Die sich als nicht wenig psychopathische Zeitgenossin exponierende Lady weiß, zu instrumentalisieren, besonders fatzkenhafte, reiche Männer, die ihr über ihren Stolz hinaus verfallen. Dass sie am Ende doch bloß eine ordinäre Frau mittlerer Jahre ist, die geliebt werden will, bevor sie nichts mehr vom Leben zu erwarten hat, darf allerdings nicht über ihre Gefährlichkeit hinwegtäuschen.
Abgesehen von dessen eindeutiger formaler Identifizierbarkeit erinnerte mich an "Gone Girl" motivisch betrachtet erstmal wenig an David Finchers Werk. Andererseits ist sein Œuvre mittlerweile wohl heterogen genug, um vordergründige rote Fäden ausmachen zu können. "Gone Girl" jedenfalls nimmt die Institution Ehe aufs Korn und beobachtet, was diese mit ihren Protagonisten bisweilen anzustellen pflegt. Besonders die Dame kommt dabei wenig schmeichelhaft davon, wenngleich die Bemühung des Begriffs 'misogyn' wohl etwas weit aus dem Fenster gelehnt wäre. Dennoch; man entwickelt einen recht leidenschaftlichen Hass auf diese Amy Dunne und ihr zunehmend ausuferndes Ränkespiel, tatsächlich erwartete ich nach dem gezeigten Rosenkrieg noch ein blutiges Finalduell mit umherfliegenden Vasen und Küchenmessern. Doch Fincher belewhrt uns buchstäblich eines Besseren. Zum Ende hin wird "Gone Girl" dann doch nochmal ungeheuer smart, weil so erschreckend wahrhaftig.

8/10

David Fincher Südstaaten Missouri Madness Satire


Foto

THE EQUALIZER (Antoine Fuqua/USA 2014)


"Don't doubt yourself, son. Doubt kills."

The Equalizer ~ USA 2014
Directed By: Antoine Fuqua

Der alternde Lagerarbeiter Robert McCall (Denzel Washington) gilt seinen Kollegen als angenehmer Zeitgenosse. Er ist hilfsbereit, lebenserfahren und redet nicht viel über sich selbst. Seine Nächte verbringt er in einem kleinen Diner, wo er emsig Weltliteratur-Werke studiert. Hier ist auch die minderjährige Nutte Alina (Chloë Grace Moretz) Stammgast. Man ist sich in seiner wechselseitigen Einsamkeit sympathisch. Doch Alinas Zuhälter Slavi (David Meunier) ist ein überaus gemeiner Hund von Russen-Mafioso. Er lässt Alina krankenhausreif prügeln und weigert sich daraufhin, das Mädchen für eine von McCall angebotene Summe freizugeben. Der nette Herr entpuppt sich daraufhin als Superkiller und tritt einen Kleinkrieg gegen den Oberboss Pushkin (Vladimir Kulich) los. Mit welchem Granitkopf sich der milliardenschwere Gangster da einlässt, kann er nicht ahnen...

Basierend auf der gleichnamigem TV-Serie mit Edward Woodward, an die ich bestenfalls sehr bruchstückhafte Erinnerungen habe, ist Denzel Washington neuerlich in einer für ihn maßgeschneiderten Rolle zu sehen, die ihm weder allzu viel abverlangt, noch an zumindest geringfügigen Neo-Nuancen spart. Ich bin in Washingtons Filmographie nicht allzu gut bewandert, aber ich glaube, einen solch versierten Meisterkiller hat er bis dato nicht gegeben, selbst im "Man On Fire"-Remake nicht. Robert McCall ähnelt mehr einem Ninja: in seinen Fingern wird jedes Haushaltsgerät zur Tötungsmaschine, verlängert damit aber doch bloß McCalls ohnehin lange Arme. Günstig, dass er in einem Baumarkt arbeitet, günstig, dass der Showdown vor Ort stattfindet. Mit herkömmlichen Schusswaffen hat es McCall nicht, dafür sollte man Heckenschneider und Ähnliches gut vor ihm verschließen.
Aber halblang - die basale konstruktion des Films ist so einfältig wie obsolet: der Grandaddy mit topgeheimer CIA-Vergangenheit entdeckt - ein vorausgehendes Twain-Zitat weist obergescheit drauf hin - im Alter ein neues Steckenpferd: Er spielt den Schutzengel für bedürftige Seelen in Not. In der für ihre jungen Jahre bereits ordentlich abgeranzten Alina findet er eine genau solche. Und damit ein Ventil, seine todbringenden, tief verwurzelten, thanatischen Obsessionen in die richtige Richtung hin zu sublimieren. Die rotzfreche Russenmafia wartet förmlich gerade nur auf einen wie McCall, der mit höchster strategischer Intelligenz und völlig skrupellos ein Lagerfeuer unter ihrem feisten Arsch anzündet.
Da es schon länger keinen "Punisher"-Film mehr gab, kommt "The Equalizer" all jenen zupass, die zumindest mit einer der drei Adaptionen (optimalerweise mit allen dreien) von Goldblatt, Hensleigh und Alexander etwas anzufangen wissen. Denn Robert McCall und Frank Castle sind gewissermaßen Zwillingsbrüder, wenn vielleicht auch nur in Geist und Methodik. Und solange Frank Castle sich onscreen nicht blicken lässt, hat er in seinem Substitut McCall einen nicht minder obsessiv zu Werke schreitenden Vize. Der Autor dieser Zeilen jedenfalls hatte seinen zünftigen Heidenspaß dabei, ihm beim Hauen und Stechen zuzuschauen; allen übrigen, tropfnassen, redundanten Klischeebemühungen des Scripts zum Trotze.

8/10

Antoine Fuqua Boston Mafia Selbstjustiz Insomnie Rache Remake Russland Russenmafia


Foto

LE SAMOURAI (Jean-Pierre Melville/F, I 1967)


Zitat entfällt.

Le Samouraï (Der eiskalte Engel) ~ F/I 1967
Directed By: Jean-Pierre Melville

Jef Costello (Alain Delon), Pariser Auftragskiller, erhält den Auftrag, einen Clubbesitzer zu töten. Die Aktion gelingt, doch die aparte Jazzpianistin Valérie (Cathy Rosier) blickt direkt in Jefs Antlitz. Bei einer späteren Gegenüberstellung, eingefädelt durch den ermittelnden, von Jefs Schuld überzeugten Polizeikommissar (François Périer), leugnet sie jedoch, Jef zu kennen. Sein zuvor sorgfältig zurechtgeschustertes Alibi verhindert schließlich Jefs Verhaftung. Seine Auftraggeber jedoch werden von der Unsicherheit der Situation erfasst: Jef soll sterben, bevor er sie womöglich identifiziert. Doch dreht dieser wiederum den Spieß um und erhält nun, da die Hintermänner scheinbar von seinen Qualitäten überzeugt sind, einen weiteren Auftrag: Er soll Valérie erschießen.

Die (etwas mysteriös anmutende) unkreditierte Romanvorlage zu "Le Samouraï" stammt von einer gewissen Joan McLeod und heißt etwas treffender "The Ronin". Die ja mittlerweile längst weitflächig in die Popkultur eingegangene Bezeichnung "Ronin" beschreibt einen ehrlosen Samurai ohne Feudalherrn, der aus unterschiedlichen Gründen, zumeist jedoch unfreiwllig, seines Dienstes enthoben und zum losen Umherwandern gezwungen ist. Wer als Ronin nicht die rituelle Selbsttötung ("Seppuku") vollzieht, ist zu einer Existenz in Schimpf und Schande verdammt. Mit diesen oberflächlichen Informationen im Hinterkopf erklärt sich, warum die Titulierung "Ronin" sehr viel besser zu Jef Costello passt. Der zunächst noch scheinbar trefflich im Geschäft befindlichen Profikiller wird zur persona non grata - das verlorene Engagement infolge der Weigerung, eine gefährliche Zeugin gleich vor Ort aus dem Weg zu räumen bedeutet einen nicht wieder gut zu machenden Fehler innerhalb des engmaschigen Berufskodex'. Und wer in diesem Metier einmal versagt hat, dessen Ruf ist irreparabel geschädigt, der ist nichts mehr wert. Dabei ist offenbar gerade der schweigsame, traurige Jef Costello ein Gattungsexemplar, das nurmehr für seinen Stand lebt. Wenngleich nach seinem Äußeren zu urteilen stets tadellos gekleidet und gepflegt, gleicht seine "Wohnung" einer leblosen, anonymen Bleibe, bestenfalls funktional und von schmutzigen Wänden umkränzt, frei von jedweden Hinweisen auf eine Persönlichkeit. Sein Mitbewohner ist ein in einem schmucklosen, kleinen Käfig gehaltener Dompfaff, der ihm als unscheinbarer "Wachhund" dient. Seine einzige, desolate Form der Zwischenmenschlichkeit erlebt er bei der Prostituierten Jane (Nathalie Delon), die ihm zwar verfallen ist, die er seinerseits jedoch hauptsächlich für eventuelle Alibistellungen benutzt. Melvilles "Samouraï" (oder Ronin) ist bei aller beinahe monströsen Ikonographie (Jef Costello ist von allen Berufskillern der Filmgeschichte wahrscheinlich derjenige, dessen kultureller Impact am nachhaltigsten währt und der einen ganzen cineastischen Genpool begründete) ein trauriger, armseliger Paranoiiker, der, so berührend sein "Seppuku" am Ende auch ausfällt, tot wahrscheinlich besser dran ist als er es in seinen letzten Lebensjahren war. Das fleisch- und bildgewordene Apokryph des ultimativen Antihelden.

10*/10

Jean-Pierre Melville Paris Profikiller Duell


Foto

LE DEUXIÈME SOUFFLE (Jean-Pierre Melville/F 1966)


Zitat entfällt.

Le Deuxième Souffle (Der zweite Atem) ~ F 1966
Directed By: Jean-Pierre Melville

Nachdem der berüchtigte Gangster Gu Minda (Lino Ventura) aus dem Gefängnis entflohen ist, sucht er nach einer Möglichkeit, sich ins Ausland abzusetzen, um sich dort vorerst zur Ruhe setzen zu können. Der emsige Commissaire Blot (Paul Meurisse) heftet sich wie ein Bluthund an seine Fersen. Bevor Gu via Marseille verschwindet, bietet sich ihm eine letzte Chance für einen einträglichen Coup, der um einen wertvollen Platin-Transport kreist. Er steigt auf das Angebot ein, der Überfall gelingt planmäßig. Kurz darauf tappt Gu in eine von Blot gestellte Falle, die ihn dazu bringen soll, seinen Partner Paul Ricci (Raymond Pellegrin) zu denunzieren und die ihn mittels manipulierter Presse öffentlich zum Verräter stempelt. Gu gelingt jedoch ein weiteres Mal die Flucht. Diesmal gilt es, Namen und Ehre reinzuwaschen und sich an Blots Kollaborateur - Pauls Bruder Jo (Marcel Bozzuffi) - zu rächen. Um jeden Preis...

In Melvilles Gangsterfilmen geht es stets um ein kriminelles, nach ordinären gesellschaftlichen Maßstäben moralisch verachtenswertes Individuum, um dessen determiniert verlorenen Hals eine sich immer enger ziehende Schlinge liegt. Jeder seiner Protagonisten wäre eigentlich profiliert, geschickt und vor allem intelligent genug, um sich noch rechtzeitig aus der Affäre ziehen und die Flucht durch die Hintertür antreten zu können, doch unterliegt ebenso jeder von ihnen einem ebenso strengen wie komplexen Ehrenkodex, der den Zuschauer zunächst bangend auf seine Seite zieht, ihm dann aber schlussendlich doch zum Verhängnis wird. Denn sie alle sind ebenso Todgeweihte, deren prädestiniertes Ende wenig zeitliche Flexibilität duldet. So ergeht es auch Gu Minda, von Lino Ventura mit dem ihm eigenen, berühmten Stoizismus verkörpert. Minda ist wahrlich kein Unschuldslämmchen, die vielen Jahre im Milieu und im Gefängnis haben ihn unerbittlich gemacht. Menschenleben bedeuten ihm nicht viel, schon gar nicht, wenn es sich um die von amateurhaften Erpressern, oder noch ärger, um die von Polizisten handelt. Ohne mit der Wimper zu zucken drückt er in diesen Fällen den Abzug. Dass beinahe übermenschlich gezeichneten Antihelden wie ihm dennoch das Handwerk gelegt werden kann, liegt an ihren nicht minder verbissenen Antagonisten. Der Pariser Beamte Blot findet sich dabei von Anbeginn deutlich unsympathischer gezeichnet als der Gangster Gu - ein langweiliger, zynischer, uninteressanter Spießer ohne erwähnenswerte existenzielle Höhen und Tiefen, nur leider höchst begütert in der Wahl seiner Mittel und vor allem am längeren ethischen Hebel befindlich. So rückt sich die Welt am Ende von "Le Deuxième Souffle" mit einem von Kugeln durchsiebten Gu Minda wieder in die graue Stromlinienform zurück - um einen unangepassten, schillernden, aber leider weltfalschen Charakter ärmer.

10/10

Jean-Pierre Melville Heist Flucht Paris Duell Freundschaft


Foto

ADIEU, POULET (Pierre Granier-Deferre/F 1975)


Zitat entfällt.

Adieu, Poulet (Adieu, Bulle) ~ F 1975
Directed by: Pierre Granier-Deferre

Der aufstrebende, aus der Industrie stammende Politiker Lardatte (Victor Lanoux) steht im Zusammenhang mit den Morden an einem jungen, oppositionellen Plakatierer (Eric Legrand) sowie dem ihm zur Hilfe eilenden Polizisten Moitrié (Gérard Hérold), für die einer von Lardattes gedungenen Schlägern, der Kriminelle Portor (Claude Brosset) verantwortlich ist. Der Beginn eines aufreibenden Duells zwischen dem sich unbefleckt gebenden Lardatte und Moitriés Kollegen und Freund Verjeat (Lino Ventura), einem Flic mit höchst eigenwilligen Methoden.

Während Bébel in Henri Verneils "Peur Sur La Ville" anno 75 über den Dächern von Paris herumturnte, um einen verrückten Killer dingfest zu machen, ließ es sein älterer Kollege Lino Ventura in der etwas nordwestlicher gelegenen Hafenstadt Rouen etwas ruhiger angehen: Ihm warfen keine Klischeeverbrecher Knüppel zwischen die Beine, sondern ein korrupter, machtgieriger Populist, dessen größtes Bestreben dahin deutete, sich sämtliche Exektuiv- und Judikativkräfte in die eigene Tasche zu stecken und aus dieser heraus für sich arbeiten zu lassen. Als Verjeat eine öffentlichkeitswirksame Diffamierung Lardattes durch den Vater (Jacques Rispal) des erschlagenen Plakatierers tatkräftig unterstützt, soll er prompt versetzt werden. Doch es bleibt noch immer der Fall Moitrié abzuschließen. Mithilfe seines etwas eigenwilligen, aber höchst loyalen Kollegen Lefèvre (Patrick Dewaere) inszeniert Verjeat eine Korruptionsaffäre um seine Person, die eine unmittelbare Versetzung zunächst unmöglich macht und ihm somit mehr Zeit einräumt. Doch sein Vorgesetzter Ledoux (Julien Guiomar) torpediert beständig weiter Verjeats Ermittlungen, bis sich die Finsterlinge schließlich gegenseitig bekriegen. Als man nun doch auf Verjeats Vermittlungskünste zurückgreifen will, wendet der sich mit einem verächtlichen 'Adieu' ab und zieht seiner Wege.
Der französische Polizeifilm der siebziger Jahre schaute sich hier und da manches von seinen amerikanischen Vorbildern ab, wobei er vielleicht etwas weniger Wert auf Spektakel und Aktion legte wie die italienischen Nachbarn. "Adieu, Poulet" ist dabei ein Schwellenfilm, er vermengt Kühle, Abgeklärtheit und Zynismus, die sich durch Venturas Trenchcoat-Figur personifiziert finden, mit einer eher zukunftsweisenden, jugendlichen Rotzigkeit - inkarniert durch den weitaus impulsiver und beweglicher agierenden (und demnach für die wenigen Actionsequenzen verantwortlichen) Patrick Dewaere. Die Hauptqualität von "Adieu, Poulet" liegt darin, beide Pole hinreichend zu bedienen.

8/10

Pierre Granier-Deferre Francis Veber Duell Rouen Buddy Movie





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare