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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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LE DEUXIÈME SOUFFLE (Jean-Pierre Melville/F 1966)



Zitat entfällt.

Le Deuxième Souffle (Der zweite Atem) ~ F 1966
Directed By: Jean-Pierre Melville

Nachdem der berüchtigte Gangster Gu Minda (Lino Ventura) aus dem Gefängnis entflohen ist, sucht er nach einer Möglichkeit, sich ins Ausland abzusetzen, um sich dort vorerst zur Ruhe setzen zu können. Der emsige Commissaire Blot (Paul Meurisse) heftet sich wie ein Bluthund an seine Fersen. Bevor Gu via Marseille verschwindet, bietet sich ihm eine letzte Chance für einen einträglichen Coup, der um einen wertvollen Platin-Transport kreist. Er steigt auf das Angebot ein, der Überfall gelingt planmäßig. Kurz darauf tappt Gu in eine von Blot gestellte Falle, die ihn dazu bringen soll, seinen Partner Paul Ricci (Raymond Pellegrin) zu denunzieren und die ihn mittels manipulierter Presse öffentlich zum Verräter stempelt. Gu gelingt jedoch ein weiteres Mal die Flucht. Diesmal gilt es, Namen und Ehre reinzuwaschen und sich an Blots Kollaborateur - Pauls Bruder Jo (Marcel Bozzuffi) - zu rächen. Um jeden Preis...

In Melvilles Gangsterfilmen geht es stets um ein kriminelles, nach ordinären gesellschaftlichen Maßstäben moralisch verachtenswertes Individuum, um dessen determiniert verlorenen Hals eine sich immer enger ziehende Schlinge liegt. Jeder seiner Protagonisten wäre eigentlich profiliert, geschickt und vor allem intelligent genug, um sich noch rechtzeitig aus der Affäre ziehen und die Flucht durch die Hintertür antreten zu können, doch unterliegt ebenso jeder von ihnen einem ebenso strengen wie komplexen Ehrenkodex, der den Zuschauer zunächst bangend auf seine Seite zieht, ihm dann aber schlussendlich doch zum Verhängnis wird. Denn sie alle sind ebenso Todgeweihte, deren prädestiniertes Ende wenig zeitliche Flexibilität duldet. So ergeht es auch Gu Minda, von Lino Ventura mit dem ihm eigenen, berühmten Stoizismus verkörpert. Minda ist wahrlich kein Unschuldslämmchen, die vielen Jahre im Milieu und im Gefängnis haben ihn unerbittlich gemacht. Menschenleben bedeuten ihm nicht viel, schon gar nicht, wenn es sich um die von amateurhaften Erpressern, oder noch ärger, um die von Polizisten handelt. Ohne mit der Wimper zu zucken drückt er in diesen Fällen den Abzug. Dass beinahe übermenschlich gezeichneten Antihelden wie ihm dennoch das Handwerk gelegt werden kann, liegt an ihren nicht minder verbissenen Antagonisten. Der Pariser Beamte Blot findet sich dabei von Anbeginn deutlich unsympathischer gezeichnet als der Gangster Gu - ein langweiliger, zynischer, uninteressanter Spießer ohne erwähnenswerte existenzielle Höhen und Tiefen, nur leider höchst begütert in der Wahl seiner Mittel und vor allem am längeren ethischen Hebel befindlich. So rückt sich die Welt am Ende von "Le Deuxième Souffle" mit einem von Kugeln durchsiebten Gu Minda wieder in die graue Stromlinienform zurück - um einen unangepassten, schillernden, aber leider weltfalschen Charakter ärmer.

10/10

Jean-Pierre Melville Heist Flucht Paris Duell Freundschaft



Blot, der von Paul Maurisse exzellent verkörperte Komissar
heißt Blot. Und so unsympathisch gezeichnet finde ich ihn gar nicht.Schließlich sorgt er am Ende dafür, dass Gu Mindas Aufzeichnungen in die Hände der Journalisten gelangt, und so posthum Mindas Gaunerehre gerettet wird. Außerdem ist er unglaublich eloquent, wie der in einer Plansequenz gefilmte Monolog nach der Schießerei beweist. Das kann man zwar von Venturas Minda nicht behaupten, aber dafür hat er eine unglaubliche Präsenz.

Die Anfangssequenz ist grandios, vermittelt doch bereits sie, dass Minda mit den Heute nicht mehr mithalten kann, dass er eben keinen zweiten Atem, keine zweite Chance, hat.
Besonders meisterhaft ist auch die Überfallsequenz. Und mit Menouche gibt es sogar eine interessante Frauenfigur, was beim sexistischen Melville eher die Ausnahme als die Regel ist.

Auf alle Fälle ist Le deuxieme Souffle ein ganz großer existentialistischer Gangsterfilm a la Melville der zu unrecht im Schatten von Le Samourai und Le cercle rouge steht.
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Antoine Doinel sagte am 16. Dezember 2014, 14:12:

Blot, der von Paul Maurisse exzellent verkörperte Komissarheißt Blot.
Naturellement ;)

Antoine Doinel sagte am 16. Dezember 2014, 14:12:

Und so unsympathisch gezeichnet finde ich ihn gar nicht.Schließlich sorgt er am Ende dafür, dass Gu Mindas Aufzeichnungen in die Hände der Journalisten gelangt, und so posthum Mindas Gaunerehre gerettet wird.
Ein singuläres Zugeständnis vom Jäger an seine Beute. Aber ein Mann, der Recht und Ordnung mit Füßen tritt, indem er intrigiert, Zwietracht stiftet, Lügen verbreitet, Brüder gegeneinanderhetzt, sogar Folter gut heißt? Nö.

Antoine Doinel sagte am 16. Dezember 2014, 14:12:

Und mit Menouche gibt es sogar eine interessante Frauenfigur [...]
Heißt die nicht Manouche? :D

Antoine Doinel sagte am 16. Dezember 2014, 14:12:

[...] was beim sexistischen Melville eher die Ausnahme als die Regel ist. [...]
Das stimmt ja mal überhaupt nicht! In "L'Armée Des Ombres" etwa personifiziert die von Simone Signoret gespielte Mathilde sogar die mit Abstand integerste Heldenfigur!
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Funxton sagte am 16. Dezember 2014, 15:09:

:DDas stimmt ja mal überhaupt nicht! In "L'Armée Des Ombres" etwa personifiziert die von Simone Signoret gespielte Mathilde sogar die mit Abstand integerste Heldenfigur!

Ich bin ja über meinen Gebrauch des Wortes "sexistisch" etwas unglücklich, was aber nichts daran ändert, dass Melville das absolute Gegenteil eines "Frauenverstehers" war, und dies sich auch in seinen von mir so hoch geachteten und Gangsterfilmen niederschlug. Die Welten die er da entwirft, sind reine Männerwelten, in denen für Frauen kaum Platz ist, Die recht coole MAnouche ist da meines Erachtens ein wenig die Ausnahme. Du hast schon recht, dass Mathilde eine äußerst positiv gezeichnete Figur ist, aber sie fällt halt in die Kategorie Mutter, und ihre Tochter wird ihr auch zum Verhängnis.

Darüber hinaus freut es mich, dass du die Melville-Filme abarbeitest, denn wie schon erwähnt, finde ich sie ganz großartig.

P.S.
Le Doulos kennst du nicht?
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Antoine Doinel sagte am 17. Dezember 2014, 20:20:

Ich bin ja über meinen Gebrauch des Wortes "sexistisch" etwas unglücklich, was aber nichts daran ändert, dass Melville das absolute Gegenteil eines "Frauenverstehers" war, und dies sich auch in seinen von mir so hoch geachteten und Gangsterfilmen niederschlug. Die Welten die er da entwirft, sind reine Männerwelten, in denen für Frauen kaum Platz ist, Die recht coole MAnouche ist da meines Erachtens ein wenig die Ausnahme. Du hast schon recht, dass Mathilde eine äußerst positiv gezeichnete Figur ist, aber sie fällt halt in die Kategorie Mutter, und ihre Tochter wird ihr auch zum Verhängnis.Darüber hinaus freut es mich, dass du die Melville-Filme abarbeitest, denn wie schon erwähnt, finde ich sie ganz großartig.

Nein, betreffs Melvilles Frauenbild und ihrer Darstellung kommen wir gegenwärtig nicht zueinander. Dass vor allem seine Unterweltfilme sich an männlichen Protagonisten "entlanghangeln", liegt wohl nicht zuletzt in jener Natur der Sache begründet, dass es sich beim Dargestellten eben um "klassische" maskuline Domänen handelt. Doch sind all die vorgestellten Charaktere ja oftmals lebensschwach und letztlich bemitleidenswert gerade aufgrund ihres genuin männlichen Wesens, das stets von undurchdringlichen Ehrkomplexen, Verhaltenskodexen, schlechten Erfahrungen und tief verwurzeltem Misstrauen geprägt ist. Die können nie aus ihrer Haut; die Frauenfiguren hingegen durchaus. Darum überleben sie am Ende auch häufig, oder bleiben zumindest menschlich, wo Melvilles Männer jene basale Humanität längst eingebüßt haben.

Antoine Doinel sagte am 17. Dezember 2014, 20:20:

P.S.
Le Doulos kennst du nicht?

Aber ja doch!
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