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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE STRANGE LOVE OF MARTHA IVERS (Lewis Milestone/USA 1946)


"Welcome to Iverstown."

The Strange Love Of Martha Ivers (Die seltsame Liebe der Martha Ivers) ~ USA 1946
Directed By: Lewis Milestone

Fast wirkt es wie ein willkürlich herbeigeführter Unfall: Nach rund 20 Jahren kommt der ehemalige Herumtreiber Sam Masterson (Van Heflin) gezwungenermaßen - sein Auto muss repariert werden - auf der Durchreise in seine frühere Heimat Iverstown. Seine reiche Jugendfreundin Martha (Barbara Stanwyck) ist mit Abstand die mächtigste Frau der Gegend und selbst ihr Ehemann, der versoffene Staatsanwalt Walter O'Neil (Kirk Douglas) scheint nur eine Marionette für Marthas Einflussbereich zu sein. Als Sam die verloren wirkende Toni (Lizabeth Scott) kennenlernt und diese mit dem Gesetz ins Konflikt gerät, entschließt er sich, Walter damit zu drohen, ein längst begraben geglaubtes Geheimnis zwischen ihm, Martha und Walter wieder ans Tageslicht zu hieven, wenn er nicht Tonis Freilassung erwirkt. Doch damit setzt Sam eine Tragödie großen Ausmaßes in Gang.

Kirk Douglas' Kinodebüt - auf Lauren Bacalls Engagement hin mit 30 vom Broadway nach Hollywood wegengagiert, gibt er sogleich eine impressive Vorstellung als permanent alkoholisierter Ehemann einer allmächtigen Matriarchin - Barbara Stanwycks typische Rolle während dieser Jahre. Sein späteres Strahlemann-Image tritt hier bereits in der nach außen hin transportierten Illusion einer selbstbestimmten Karriere hervor - ansonsten ist er die tragischste Gestalt in Milestones herrlich finsterem Drama, das sich nur bei Nacht abzuspielen scheint, in Clubs, Kaschemmen und Hotels. Iverstown ist das Bild einer archetypischen Noir-Kleinstadt, deren Geschicke durch eine - zudem weibliche - Person gelenkt zu werden scheinen; sie trägt sogar die Familienbezeichnung jener hier seit Ewigkeiten ansäßigen Gründerdynastie. Doch wie viele Namen mit vorgeblich gutem Klang ist auch dieser blutbefleckt und mit dem ansonsten ehrbaren Sam Masterson kehrt ausgerechnet der einzige Mensch in die Stadt zurück, der an Marthas Thron zu sägen vermag. Eine grandiose Ausgangslage für einen Film wie diesen, der sich in wunderbar campigen Dialogen und in einer geradezu obszönen Langsamkeit und Laszivität ergeht, wie sie nur der film noir zu bieten hatte.

8/10

Lewis Milestone Kleinstadt film noir Nacht Robert Rossen


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THE FIRM (Alan Clarke/UK 1989)


"I need the buzz!"

The Firm ~ UK 1989
Directed By: Alan Clarke

Eigentlich hat Bex Bissell (Gary Oldman) alles, was ein junger, mittelständischer Familiengründer sich wünschen kann: Einen geregelten Job als Immobilienmakler, eine junge Frau (Lesley Manville), ein gesundes Baby, ein nettes Reihenhäuschen in einem Londoner Vorort, gute Freunde. Doch Bex und seine Clique gehen einem bizarren Hobby nach: Sie sind Hooligans, die die Spiele ihrer Amateurclubs dazu nutzen, sich mit der Konkurrenz Prügeleien bis aufs Blut zu liefern. Bex' größter Plan besteht darin, die drei lokalen Vereine zu vereinen und als eine Art Inselmacht zur kommenden EM in Deutschland zu reisen, um dort richtig Krawall zu machen. Doch dazu kommt es nicht, zumindest nicht mit Bex an der Spitze: Die Rivalität mit seinem Erzfeind Yeti (Philip Davis) eskaliert...

Wenn die Aggression die Überhand gewinnt: Dass Drogen-, Alkohol- und Spielsucht Familien und Existenzen zerstören, weiß man auch als Nichtbetroffener zur Genüge; dass jedoch das noch unbegreiflichere Dasein als Hooligan sich in einem Ausmaß verselbstzuständigen vermag, dass es eine Kleinfamilie sprengt, ist für szenefremde Pazifisten wie meinereiner nur schwerlich vorstellbar. Umso intensiver die Erfahrung von Clarkes letztem Film: Der zur Darstellung von Soziopathen geborene Gary Oldman gibt den anfamgs noch gelassen erscheinenden Familienvater, der es scheinbar akzeptiert, dass man seinen Kleinwagen mit Sprühfarbe verschandelt. Tatsächlich aber ist damit der Keim für seinen eigenen Untergang gesät: Fortan nimmt nichts mehr von Bex' Aufmerksamkeit in Anspruch als seine umfassende Rache. Es wird organisiert wie bei einem Kleinkrieg: Schlachtfelder und Termine werden ausgemacht, Waffen mit durchaus tödlicher Wirkung besorgt, neue Rekruten scharfgemacht. Dass seine kleine Tochter sich durch seine Schuld schwer verletzt, nimmt Bex gar nicht mehr richtig wahr. Am Ende erwartet ihn das einzig mögliche Resultat einer immer weiter eskalierenden Gewaltspirale, denn auch die Konkurrenz ist nicht untätig...
Die größte Stärke von "The Firm" liegt, wie bei Clarke üblich, in seinem unbestechlichen Realismus; alles mag sich jederzeit so abspielen wie hier dargestellt. Mit fast dokumentarischer Genauigkeit verfolgt der Film Bex' Weg in den selbstgeschaufelten Abgrund, der gerade deshalb so schwer fassbar scheint, weil nicht sein Körper oder Geist, sondern die Seele vergiftet ist.

8/10

Alan Clarke Subkultur Familie TV-Film England Hooligan


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MADE IN BRITAIN (Alan Clarke/UK 1982)


"Bollocks!"

Made In Britain ~ UK 1982
Directed By: Alan Clarke

Trevor (Tim Roth) ist ein Nazi-Skin der denkbar schlimmsten Sorte: Er ist überaus intelligent und nutzt die Subkultur nicht aus verqueren politischen Ansichten heraus, sondern als Möglichkeit, seinem unendlichen Frust Gestalt zu verleihen. Trevor ist unendlich renitent, respektiert keinerlei Autorität und akzeptiert seinen vorgezeichneten Weg in Arbeitslosigkeit und Kriminalität mit lauthalsem Protest.

Clarkes kurzer TV-Film ist, ähnlich wie der von der BBC abgesetzte Borstal-Panorama "Scum", ein hoffnungsloses, dafür jedoch umso aufrüttelnderes Porträt fehlgeleiteter Aggression bei Jugendlichen in der Ära Thatcher. Das Nazi-Skin-Gewese beginnt in den frühen Achtzigern im Angesicht von Arbeitslosigkeit und Einwanderern aus den ehemaligen Kolonien, die sich auf der Insel rasch neue Existenzen in Form kleiner Läden aufbauen, zu florieren. Trevor ist dabei einer der hoffnungslosesten Sorte: Seine Wut sitzt so tief, dass niemand sie bei der Wurzel packen kann, sein Hass und seine Ablehnung sind nicht voirgeschoben, sondern Charakterzüge. Wenn die Konfrontation ihn nicht findet, dann sucht er sie sich. Mit Sympathiebekundungen, ob authentisch oder geheuchelt, kommt man nicht weiter. Bei Trevor hätte selbst Robin Williams keine Chance gehabt. Wenn solche tickenden Zeitbomben die zukünftigen Geschicke Englands bestimmen, dies suggeriert "Made In Britain" unmissverständlich, dann muss man konkret Angst um sie haben.

8/10

Alan Clarke Subkultur Skinhead England Teenager TV-Film


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TWILIGHT'S LAST GLEAMING (Robert Aldrich/USA, BRD 1977)


"You try one more goddamn stunt and I'll light up the fucking sky!"

Twilight's Last Gleaming (Das Ultimatum) ~ USA/BRD 1977
Directed By: Robert Aldrich

Der einst geschasste, weil als Querulant berüchtigte Air-Force-General Dell (Burt Lancaster) bricht aus dem Gefängnis aus und bemächtigt sich zusammen mit drei kriminellen Mitstreitern (Paul Winfield, Burt Young, William Smith) eines Atomraketensilos in Montana. Von hier aus droht er, die neun auf die Sowjetunion gerichteten Titan-Flugkörper zu starten, wenn der amtierende US-Präsident (Charles Durning) nicht die wahren Gründe für das US-Engagement in Vietnam bekannt gibt.

Ein exzellenter Thriller von Robert Aldrich, der einmal mehr unter Beweis stellt, welchen Biss insbesondere seine in den Siebzigern gefertigten, etwas handzahm als 'Alterswerk' firmierenden Filme besitzen. Ebenso wütend und zielstrebig wie sein Protagonist walzt sich Aldrich durch die Story um Terror und Geheimnis und lässt nach anfänglicher Unsicherheit die vermeintlich Bösen rasch zu Sympathisanten werden. Der wahre Feind ist nicht der raketenkapernde Veteran, sondern er befindet sich im Inneren, im sogenannten 'Beratungsstab' des Weißen Hauses, wo alte Männer die Geschicke der westlichen Welt lenken und der Präsident selbst sich als entbehrliche Marionette einer heimlichen politischen Machtkaste entpuppt. General Dell traut man anfangs noch zu, dass er seinen Plan, den Dritten Weltkrieg vom Stapel zu lassen, in die Tat umsetzt; irgendwann jedoch schaltet sich, die anderen beiden sind bereits tot, sein Partner Powell (Winfield) als Quasi-Volksstimme dazwischen und vergegenwärtigt ihm seine eigene und die äußeren Realität: Kein politisches Geheimnis der Welt sei es wert, dass man selbige ins Grab schickt, und das wisse Dell insgeheim auch. Angesichts dieser Erdung droht Dell zu verzweifeln; für Lancaster eine Gelegenheit, seine große Schauspielkunst zu demonstrieren. Nach zwei Stunden sich auftürmender Spannung, nach deren Ablauf mit allem zu rechnen ist, kommt dann das einzig denkbare Ende: Endlich hatte Aldrich selbst sein Publikum so weit, dass es den gesamten Erdball mit all seinem intriganten, verlogenen Politgesocks ins postnukleare Nirwana wünscht, da machen - so einfach ist das - ein paar Scharfschützen dem apokalyptischen Traum ein Ende. Der status quo bleibt erhalten, der Globus weiterhin brav am Abgrund und General Dell, potenzieller neuer Messias und Märtyrer des liberalen Menschheitsfügels, nurmehr eine unbequeme Behauptung erfolgreicher Rebellion.

10/10

Robert Aldrich Atombombe Zukunft Vietnamkrieg Terrorismus


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INVADERS FROM MARS (William Cameron Menzies/USA 1953)


"That's the coldest couple I ever saw..."

Invaders From Mars (Invasion vom Mars) ~ USA 1953
Directed By: William Cameron Menzies

Der kleine, an Astronomie interessierte David MacLean (Jimmy Hunt) beobachtet von seinem Fenster aus, wie nächtens ein Ufo auf einem benachbarten Sandhügel landet und sich in die Erde eingräbt. Als sein Vater (Leif Erickson) am nächsten Morgen dort nachschauen geht, kehrt er völlig verändert zurück und hat eine kleine Wunde im Nacken. Bald verändern sich in derselben Weise noch andere Personen in Davids direktem Umfeld, auch seine Mutter (Hillary Brooke) und sogar der Polizeichef (Bert Freed). Erst die Ärztin Dr. Blake (Helena Carter) und der Astrophysiker Kelston (Arthur Franz) schenken David Glauben und entdecken Ungeheuerliches: Offenbar ist ein Marsbewohner mit seiner Untertasse hier gelandet, um zu verhindern, dass ein Raketenprojekt durchgeführt werden kann. Die Marsianer haben Angst um ihre Vorherrschaft im Sonnensystem. Ein wackerer Colonel (Morris Ankrum) sorgt schließlich dafür, dass das Raumschiff gesprengt werden kann, bevor von ihm weiteres Unheil ausgeht.

Ein großartiges und immens lehrreiches Beispiel darüber, wie sich die durch den Kalten Krieg hervorgerufene Paranoia im Science-Fiction-Film niederschlug. Die Angst vor der Unterlegenheit im atomaren Wettrüsten tritt hier ebenso zutage wie ein selten in dieser Deutlichkeit formulierter Militarismus. In jauchzenden, beinahe orgiastisch gezeichneten Bildern wird als Reaktion auf die interstellare Gefahr ein Panzeraufmarsch gezeigt. Als die Tanks dann schwerbewaffnet und in Kolonne in der Nähe des Ufo-Landeplatzes anrollen, kommentiert der altehrwürdige, sympathische Colonel Fielding, ein echter Haudegen alter Schule, wie zu sich selbst: "Ah, Panzer! Immer wieder ein imponierender Anblick!" Nicht minder interessant ist jedoch der Beginn des Films. Der kleine David, ein richtiger All American Kleinstadt-Boy, ein Lauser, intelligent, frech, aber angemessen subordinant, wird zum ersten Opfer des extraterrestrischen Angriffs, indem er das zu verlieren droht, was ihm am Liebsten ist auf der Welt: Mom und Dad! Diese kommen aus dem Sandloch heraus wie nach einer kommunistischen Gehirnwäsche; als richtige 'manchurian candidates', seelenlos, böse, gedankeninfiltriert: tickende menschliche Zeitbomben ohne Gewissen. Schließlich der Marsianer selbst: Ein widerlicher, kleiner Polyp unter Glas, bewährt mit Tentakeln und audruckslosem Wasserkopf, der als Leibwächter riesige, grüne, tumbe Synthesewesen besitzt, die mit ihren Glubschaugen besonders hässlich und böse wirken - von dem halbgaren Geschwafel über Astrowissenschaft und Nuklearwaffen, das der Held in einem mehrminütigen Vortrag absondert, einmal gar nicht zu reden. Wo "The Thing From Another World" oder "Invasion Of The Body Snatchers" ihr Thema zugunsten einigermaßen plausibel formulierter Spannungsskunst noch halbwegs subtil verpackten, ist "Invaders From Mars" geradezu unverhohlen propagandistisch. Man darf von Glück reden, dass Menzies' Film heute als ein kleines Stück Realsatire gelten darf, das zudem noch ausgezeichnet unterhält.

6/10

William Cameron Menzies Aliens Mars Kind Familie Militär Atombombe Invasion


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LAWLESS (John Hillcoat/USA 2012)


"I'm a Bondurant. We don't lay down for nobody."

Lawless ~ USA 2012
Directed By: John Hillcoat

Zu Beginn der dreißiger Jahre verdienen sich die drei Bondurant-Brüder Forrest (Tom Hardy), Jack (Shia LeBoeuf) und Howard (Jason Clarke) eine gute Stange Geld mit illegaler Schnapsbrennerei. Mit der Verankerung der Prohibitionsgesetze ist es jedoch vorbei mit der Gemütlichkeit im ländlichen Virginia: Plötzlich strömen aus den Städten Gangsterbosse wie Floyd Banner (Gary Oldman) und korrupte Cops wie Deputy Rakes (Guy Pearce) in die Provinz, die auf Kosten der hart arbeitenden Moonshiner ihren Reibach machen wollen. Die Bondurants jedoch wappnen sich für den Krieg mit harten Bandagen, komme, was da wolle.

Wer den spröden Erzählstil des Australiers John Hillcoat und seine latente, stets unterschwellig präsente Verankerung im klassischen US-Western mag, der sollte auch bei "Lawless" auf seine Kosten kommen. Hier behauen Hillcoat und sein Spezi und Autor, der Musiker Nick Cave, ein authentisches Kapitel jüngerer amerikanischer Geschichte, nämlich das der Prohibitionsära, die unter anderem in Franklin County, Virginia abseits von Chicago auch provinzielle Auswüchse trieb. Das 'Bootlegging' oder 'Moonshining' bot dort eine traditionelle, wenn auch anrüchige Art, der Depression entgegenzustrampeln und sich illegal einen fixen Dollar zu verdienen. Da die drei Bondurant-Brüder irgendwann zu groß und damit sowohl Gesetzestreuen als auch Gesetzlosen ein Dorn im Auge werden, kommt es für sie bald zu zunehmend gewalttätigen Scherereien. Ähnlich wie Michael Mann in "Public Enemies" erzählt "Lawless" von einem sich zuspitzenden, historisch verankerten Konflikt in etwas dröger, geflissentlich unpassender DV-Optik. Da Hillcoat sich allerdings auf das vergleichsweise intime Interieur einer Kleinstadt beschränkt und weniger auf ausstatterischen Pomp, denn auf sorgfältige Lokalkolorit- und Figurenzeichnungen setzt, bekleidet sein Film trotz monetärer Beschränkungen einen ähnlich hohen Qualitätsstandard.

8/10

John Hillcoat period piece Historie Prohibition Great Depression Virginia Südstaaten Bootlegging Nick Cave Brüder Familie Alkohol


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ARGO (Ben Affleck/USA 2012)


"Argo fuck yourself."

Argo ~ USA 2012
Directed By: Ben Affleck

Teheran, 1979: Nachdem der todkranke Shah ins amerikanische Exil geflüchtet ist, überziehen Khomeinis fanatische Glaubensbrüder den Iran mit einer neuerlichen Welle des Terrors. Zu den Aktionen gehört auch die Erstürmung und anschließende Geiselnahme der US-Botschaft in der Hauptstadt. Sechs Mitarbeiter können jedoch rechtzeitig fliehen und sich nach Umwegen in der kanadischen Botschaft verstecken, die ständige Angst vor Entdeckung im Genick. Eine tollkühne Befreiungsaktion muss her; diese ersinnt der Spezialist Tony Mendez (Ben Affleck), indem er die Ankündigung einer angeblichen Hollywood-SciFi-Produktion namens "Argo" schaltet, in den Iran reist, sich als Produzent des Streifens ausgibt, die sechs Flüchtlinge mit falschen Pässen als weitere Stabsmitglieder ausstattet und sie so außer Landes schmuggelt.

Die "Argo"-Story ist dermaßen filmreif, dass man sich im Prinzip sehr wundern muss, warum sie erst jetzt in Angriff genommen wurde. Wie dem auch sei: Übersieht man geflissentlich das Hohelied, das Affleck auf die USA und die CIA anstimmt und mit dem die auch durch die Genannten begangen bzw. übersehenen Ungeheuerlichkeiten im Iran schlicht paraphrasiert werden, bleibt ein hervorragender Thriller, der besonders gegen Ende von nahezu unerträglicher Spannung gekrönt wird. Mit einem brillanten Auge für Zeitkolorit nutzt Affleck "Argo" nicht nur zur Wiedergabe der Ereignisse von Teheran, sondern auch als sanfte Hollywood-Satire. Die Filmmetropole, durcheinandergebracht von auteurism und einer irrwizigen Suche nach neuen, erfolgsversprechenden Stoffen durch die lahmgelegten Studiobosse, liegt ebenso brach wie ihr Wahrzeichen in den Hills. Dies war der einzige Zeitpunkt, zu dem eine solche Aktion wie sie Mendez durchführte, überhaupt nur ansatzweise möglich war. So ist "Argo" auch als temporäre Zustandsbeschreibung sehenswert - solange er sich auf amerikanischen Boden beschränkt. Mit Mendez' Einreise in den Iran geht allerdings dann auch die alttypische tendenziös-populistische Berichterstattungsweise des US-Films einher. Damit lässt sich, unter Bewahrung eines Bruchteils kritischer Blickwinkel, leben - wenn der Rest so stimmungsvoll daherkommt wie in diesem Fall. Außerdem gibt es eine kleine, aber feine Einspieler-Auswahl großartiger kontemporärer Songs.

8/10

Ben Affleck period piece Historie Iran Film im Film Hollywood CIA Best Picture


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RAID ON ENTEBBE (Irvin Kershner/USA 1976)


"Shalom! Shalom!"

Raid On Entebbe (...die keine Gnade kennen) ~ USA 1976
Directed By: Irvin Kershner

Am 27. Juni 1976 entführt eine Handvoll Terroristen unter der Führung des Deutschen Wilfried Böse (Horst Buchholz) eine Air-France-Maschine, die von Athen über Tel Aviv nach Paris fliegen soll und leiten sie um bis nach Uganda, wo Staatschef und Diktator Idi Amin (Yaphet Kotto) Hijackern und Geiseln am Flughafen Entebbe Unterschlupf gewährt. Die Terroristen verlangen die Freilassung von über 50 inhaftierten Gesinnungsgenossen, ansonsten drohen sie mit der Ermordung der zahlreichen jüdischen Geiseln. Idi Amin inszeniert sich derweil medienwirksam als Verhandlungspartner, der die Freilassung der nichtjüdischen Gefangenen erwirkt, sich zugleich jedoch auf die Seite der palästinensischen Entführer schlägt. Derweil fällt Premierminister Ytzhak Rabin (Peter Finch) die verzweifelte Entscheidung zur Genehmigung der 'Operation Thunderbolt': ein Geheimkommando unter Führung des Offiziers Shomron (Charles Bronson) soll die noch verbliebenen Geiseln in einer Nacht- und Nebel-Aktion befreien und nach Israel bringen.

Ende 1976 entstanden nahezu parallel zwei TV-Filme über die 'Operation Entebbe', in direkter Folge der aus jüdischer Sicht geglückten Geiselbefreiung von Uganda, beide umfangreich starbesetzt und medienwirksam produziert. Als Zeit- und Kulturdokument von hohem Interesse ist in jedem Falle dieser Beitrag, den Irvin Kershner für Fox-TV inszenierte. Der andere, "Victory At Entebbe" von Marvin J. Chomsky, startete etwa einen Monat früher und ist mir leider bis dato unbekannt. 1977 wurden beide Filme im hiesigen Kino lanciert.
Als US-Produktion rückt "Raid On Entebbe" erwartungsgemäß die israelische Perspektive in sein Zentrum; Ytzhak Rabin, verzweifelt angesichts der Situation, muss Gewissensentscheidungen treffen, deren internationale politische Ausmaße sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch in nebulöser Ferne befinden. Kershners Film interessieren diese faktisch ebensowenig. Es geht ihm um die minutiös gestaltete Aufarbeitung der Umstände vor Ort und in der Machtzentrale, wobei einige zentrale Charaktere, die natürlich von bekannten Gesichtern repräsentiert werden, Anhaltspunkte im Wirrwarr bieten. Martin Balsam als tapferer jüdischer Familienvater wiederholte jene Rolle nochmal in Menahem Golans "Delta Force", wie überhaupt zwischen den Filmen auffällige Parallelen auf der Handlungsebene nachweisbar sind.
Die mittelbaren Folgen für primär Unbeteiligte an Rabins Aktion erwiesen sich in der Realität derweil als verheerend: Die in einem ugandischen Hospital befindliche Seniorin Dora Bloch wurde nach der Befreiung auf Befehl Idi Amins ermordet, ebenso wie mehrere hundert Kenianer im Zuge einer Vergeltungsaktion des Diktators, der damit die Hilfestellung Kenias für Israel rächte. Die Kontroversen um die Aktion Rabins dauern bis heute an und schwanken zwischen einhelliger Begeisterung über den resoluten Aktionismus der Israelis und einer Verurteilung des in seiner Effektivität blind durchgeführten Befreiungsschlages.

6/10

Irvin Kershner TV-Film Historie Terrorismus Nahost-Konflikt Entebbe Uganda Kidnapping ethnics


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RIVER OF DEATH (Steve Carver/USA 1989)


"Goodbye, old friend!"

River Of Death ~ USA 1989
Directed By: Steve Carver

Im Brasilien des Jahres 1965 ist der Abenteurer Hamilton (Michael Dudikoff) zusammen mit dem Wissenschaftler Blakesley (Victor Melleney) und dessen Tochter Anna (Sarah Maur Thorp) auf der Suche nach einer "Verlorenen Stadt" tief im Amazonasgebiet. Als sie sie endlich finden, bleibt 'Hamilton nur die Möglichkeit zur Flucht vor den kriegerischen Indios, Anna muss er zurücklassen. Zurück in der Zivilisation bemüht sich Hamilton sogleich um die Finanzierung einer weiteren Expedition und tatsächlich scheinen mehrere Interessensgruppen an einer Reise zur Verlorenen Stadt interessiert: Der zwielichtige Polizeichef Diaz (Herbert Lom) etwa, der nicht minder mysteriöe Industrielle Berger (Donald Pleasence) und ein Nazijäger-Pärchen (Rufus Swart, Foziah Davdson). Wie Hamilton bald herausfindet, bildet die Verlorene Stadt nämlich nicht nur die Heimat aggressiver Indianer, sondern auch den Verbreitungspunkt eines Lepravirus und außerdem das Exil des flüchtigen Naziarztes Dr. Manteuffel (Robert Vaughn), mit dem diverse Zeitgenossen noch eine persönliche Rechnung offen haben...

Ziemlich bizarrer Streifen, den Corman-Lehrling Steve Carver da für die dämmrige Cannon inszeniert hat. "The Boys From Brazil", gepaart mit den ersten Minuten von "Raiders Of The Lost Ark" hat es hier, garniert mit einigen Altstars, die während dieser Zeit in allerlei ihrer früheren Karrieren unwürdigen Filmen auftraten, um ihre Pensionskasse aufzubessern und sich dabei zudem auffallend häufig untereinander kombiniert fanden. Ernest Borgnine und George Kennedy fehlten eigentlich noch. Nun, geteiltes Leid ist halbes Leid. Auch Peckinpah-Standard L.Q. Jones, der für Carver bereits in "Lone Wolf McQuade" spielte, gibt sich die zweifelhafte Ehre. Immerhin führen diese Auftritte regelmäßig dazu, dass man sich bisweilen in einem deutlich wertigeren Film wähnt, als man seiner letzten Endes ansichtig ist, so auch im Falle "River Of Death". Zwar müht sich Dudikoff nach Kräften, den ihn umgebenden darstellerischen Schwergewichten Paroli zu bieten, aber im Angesichte des Elefanten bleibt selbst die stärkste Ameise bloß eine Ameise (alte Funxton-Weisheit). Das völlig verworrene, sich auf den Trivialromancier Alistair MacLean berufende Storykonstrukt präsentiert sich als, gelinde formuliert, anstrengend, weil ziehfreudig anzuschauen. Was sich von "River Of Death" hält, sind seine interessanten Produktionsumstände und das Resultat als exemplarisches, anschauliches Ergebnis eines vorprogrammierten Scheiterns, einem jener Sorte, von der der Schrotthaufen der Filmgeschichte voll ist.

4/10

Cannon period piece Nationalsozialismus WWII Amazonas Brasilien Rache Alistair MacLean


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THE OFFSPRING (Jeff Burr/USA 1987)


"Welcome to Oldfield..."

The Offspring (Die Nacht der Schreie) ~ USA 1987
Directed By: Jeff Burr

Nach der Hinrichtung seiner zur Mörderin gewordenen Nichte Katherine (Martine Beswick) erhält der Bibliothekar Julian White (Vincent Price) Besuch von der Journalistin Beth Chandler (Susan Tyrrell), die sich mit ihm über die Umstände von Katherines Wesensveränderung unterhalten möchte. White eröffnet der skeptischen Dame, dass die Stadt selbst - Oldfield, Tennessee, ein Hort der Hölle sei und dass über kurz oder lang jeder, der sich hier niederließe, dem Bösen verfiele. Dies untermauert er mittels der Erzählung von vier Geschichten über Oldfields Vergangenheit: 1.) Der biedere Packarbeiter Stanley Burnside (Clu Gulager) wird von grauenhaften Träumen geplagt, verfällt irgendwann endgültig dem Wahnsinn, tötet zunächst seine rheumakranke Schwester (Miriam Byrd-Nethery) und dann die von ihm angehimmelte Kollegin Grace (Megan McFarland), um sich hernach an deren Leichnam zu vergehen. Eine unheilige Schwangerschaft ist die unerwartete Folge... 2.) Der Gauner Jesse Hardwick (Terry Kiser) rettet sich angeschossen in die Sümpfe, wo er von dem farbigen Eremiten Felder Evans (Harry Caesar) gefunden und gesund gepflegt wird. Doch Jesse dankt es ihm schlecht: Nächtens bekommt er mit, dass Felder schwarze Magie praktiziert und dadurch bereits ein stolzes Alter von über 200 Jahren erreicht hat. Um ihm das Geheimnis des Ewigen Lebens abzuluchsen, geht Jesse aufs Ganze - Felders Rache ist furchtbar... 3.) Der in einem Wanderzirkus arbeitende Glasesser Steven (Ron Brooks) verliebt sich in die schöne Amaryllis (Didi Lanier) und will mit ihr durchbrennen - was Stevens Chefin, eine Voodoohexe (Rosalind Cash), jedoch nicht ohne Weiteres hinzunehmen bereit ist... 4.) Redleg Sgt. Gallen (Cameron Mitchell) und zwei seiner Leute geraten nach Ende des Bürgerkriegs in die Fänge einiger verwaister und versehrter Kinder, deren Anführer Andrew (Tommy Nowell) keine Gnade kennt...

Feiner Eighties-Episodenhorror in guter alter, liebevoll gepflegter Amicus-Tradition, der mit etwas pikanteren Themen wie Nekrophilie und infantilem Kannibalismus jedoch auch Anhänger der härteren, respektive abseitigeren Spielarten im Genrefilm erfreuen sollte. Eingefasst wird das Ganze von einem altehrwürdigen Vincent Price, der im Nachhinein seine Teilnahme an Burrs Projekt bedauerte, da es ihm dann doch allzu fürchterlich und weit abseits von der klassischen Horrorschule angesiedelt sei. Schade, denn gerade die Mitwirkung des Grandseigneur adelt den Film des Fortsetzungsspezialisten Burr nochmal in besonderer Weise. Jede der vier Episoden besitzt ihren ganz speziellen Charme, wobei - das Schöne an den Omnibus-Beiträgen zum Genre - man sich seine persönliche Lieblingsgeschichte heraussuchen kann. Eigentlich finde ich alle schön, wobei die Romanze um den Glasesser trotz ihrer schön blutigen Conclusio vielleicht ein klein wenig durchhängt. Am (im positiven apostrophierten Sinne) scheusslichsten ist die Finalepisode, die Ambrose Bierce mit Kinderhorror und Kannibalismus-Splatter kreuzt und durch ihren schockierenden Verzicht auf Konventionen beeindruckt. Die Sumpfgeschichte um den eigentlich philanthropischen, sich für die Undankbarkeit seines Gegenübers jedoch fürchterlich rächenden Moorhexer kommt beseelt vom Charme alter E.C.-Comics daher, die Startepisode um den widerlichen Perversling Stanley Burnside beeindruckt derweil durch ihre offensiv herausgekehrte Geschmacklosigkeit. Genau jene war es wohl, die Mr. Price im Nachhinein so sauer aufgestoßen sein dürfte. Macht aber nichts, wir freuen uns trotzdem, dass du dabei warst, Vince.

8/10

Jeff Burr Episodenfilm Kleinstadt Carnival Südstaaten Hinrichtung Sezessionskrieg Kinder Kannibalismus Tennessee Voodoo Nekrophilie period piece Todesstrafe





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