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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE BEING (Jackie Kong/USA 1983)


"Welcome to Pottsville, potato capital of the Universe!"

The Being ~ USA 1983
Directed by: Jackie Kong


In Pottsville, Idaho, verschwinden diverse Menschen spurlos. Nur ein paar bunte Pfützen zeugen davon, dass etwas nicht ganz Alltägliches das Städtchen heimsucht. Schon bald findet sich der Urheber der mysteriösen Vorkommnisse: Ein aus radioaktiven Abfällen und menschlicher DNS entstandenes Monster, hochintelligent, brutal und verfressen, aber auch stark lichtempfindlich.

Eine Rarität, wenn Damen wie Jackie Kong im Genrefilm tätig werden; heute, da die gute Kathryn Bigelow endlich ihren verdienten Regie-Award erhalten hat, aber hoffentlich ein Ansporn. Und eine willkommene Gelegenheit für den ollen Monsterheuler "The Being", eine ziemlich irrsinnige Quatschmär mit einer Menge freiwilligem und auch etwas unfreiwilligem Humor. Viel passiert nicht außer dem üblichen Schmu in dieser Art Trashbeschau. Ein paar nette Ekeleffekte hier, ein paar sozialkritische Seitenhiebe dort. Nichts Aufregendes. Deutlich spendabler erscheint da schon das Trio abgehalfterter Ex-Hollywood-Größen: Martin Landau, José Ferrer und Dorothy Malone werden alle an oberster Stelle genannt, obgleich ein bärtiger Mime namens Rexx Coltrane die Hauptgeige spielt. Aber so war das damals, man war alt, brauchte das Geld und wusste eben nicht, dass man sich besser gar keinen Gefallen tut als einen solchen. Immerhin stieg Landau bald darauf mit brillanten Rollen wie der Bela Lugosis wie Phönix aus der Asche.

5/10

Jackie Kong Independent Trash Monster Splatter


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ULISSE (Mario Camerini, Mario Bava/I 1954)


Zitat entfällt.

Ulisse (Die Fahrten des Odysseus) ~ I 1954
Directed By: Mario Camerini/Mario Bava


Nachdem Odysseus (Kirk Douglas) den Sieg über die Trojaner etwas zu überschwänglich mittels der Entweihung einer Poseidon-Statue gefeiert hat, trifft ihn der Fluch der Götter: Er und seine Schiffsbesatzung müssen ewig über die Meere kreuzen. Erst nach vielen Abenteuern und zwanzigjähriger Irrfahrt schafft es Odysseus, nach Ithaka zurückzukehren und seine ihm stets treu gebliebene Penelope (Silvana Mangano) von ihren tolldreisten Freiern zu befreien.

Homers Sagenwelt in italienischer Papp-Aufbereitung: Ein naiver, knallbunter Spaß mit einem vergnügt aufspielenden Kirk Douglas. Alles an Aktionsradius aus der Vorlage ist drin: Der listenreiche Kampf gegen den Zyklopen Polyphem (gespielt von Umberto Silvestri, schönste Szene des Films nebenbei), die Überwindung der Sirenen, die reizende Zauberin Circe (Silvana Mangano) nebst ihrer schweinschen Künste, Odysseus' Amnesie und schließlich die brutale Niederstreckung seiner diversen Fledderer und Nebenbuhler, allen voran des mistigen Antinoos (Anthony Quinn). Das ist antike Mythologie light, quasi ganz so, wie man sie sich ohne Umschweife schmecken lassen kann! Interessant noch Mario Bavas trotz ausgebliebener Kreditierung unübersehbare Einflüsse: Man betrachte nur die abenteuerlich beleuchteten Szenen in Circes Reich. Da bleiben keine Fragen offen.

7/10

Monster Mario Camerini Trojanischer Krieg Mario Bava Griechische Mythologie


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THE FISHER KING (Terry Gilliam/USA 1991)


"Forgive me."

The Fisher King (König der Fischer) ~ USA 1991
Directed By: Terry Gilliam


Der ultrazynische New Yorker Radiotalker Jack Lucas (Jeff Bridges) fällt in ein tiefes Loch, als einer seiner Anrufer (Christian Clemenson) einen von Jacks "Ratschlägen" allzu wörtlich nimmt und ein Massaker in einem Café anrichtet. Jack zieht sichaus der Öffentlichkeit zurück und trifft eines Tages auf den Penner Parry (Robin Williams), der ihm das Leben rettet. Parry stellt sich als Witwer eines der Café-Opfer (Lisa Blades) heraus, der durch den gewaltsamen Tod seiner Frau eine tiefe Psychose erleiden musste. Jack, vom schlechten Gewissen befallen, fühlt sich für Parrys Schicksal verantwortlich und verhilft ihm, sozusagen aus Entschädigungsgründen, zu einer Romanze mit der schüchternen Lydia (Amanda Plummer). Doch damit beginnen Parrys Probleme von Neuem...

Nach den "Münchhausen"-Querelen nahm Gilliam zum ersten Mal in seiner Laufbahn als Filmregisseur den Auftrag eines Majors entgegen und machte "The Fisher King" für TriStar. Obwohl das Script nicht von ihm selbst stammt, könnte dieser Film, einer seiner schönsten übrigens, kaum gilliamesker sein. Bestes Futter für den Auteur-Theoretiker. Bizarre Figuren zwischen Wahn und Warmherzigkeit, das bereits in "Monty Python And The Holy Grail" abgearbeitet schienene Gralsmotiv und der übliche, verquere Humor paaren sich mit einer ansonsten recht erdverbundenen, existenzialistischen Geschichte, die im Gegensatz zu den bisherigen (und späteren) monströsen, umwälzenden Visionen Gilliams beinahe kammerspielartig erscheint. Letztlich geht es ja um nichts anderes als um einen zynischen Misanthropen, der nach seiner größten Fehlleistung erst Buße tun muss, um sich aus seinem selbstmitleidigen Egozentrismus-Sumpf wieder befreien zu können. Dass nebenbei noch ein berittener, roter Feuerdämon mitten in Manhattan, verballhornte Pornofilm-Titel ("Ordinary Peepholes", "Creamer vs. Creamer"), ein Massenwalzer mitten in der Grand Central Station und Tom Waits als philosophierender Penner vorkommen, ist ganz gewiss nichts Besonderes, sondern liegt bloß in der Natur der Sache. Wir befinden uns schließlich in einem Gilliam. Einem echten, aber bitteschön.

10/10

Heiliger Gral New York Terry Gilliam Freundschaft Obdachlosigkeit Madness Psychiatrie Erwachsenenmaerchen


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CALIFORNIA SPLIT (Robert Altman/USA 1974)


"Everybody's named Barbara."

California Split ~ USA 1974
Directed By: Robert Altman


Die zwanghaften Zocker Bill (George Segal) und Charlie (Elliot Gould) lernen sich am Pokertisch kennen und entdecken unvermittels ihre Seelenverwandtschaft. Beide schätzen die existenziellen Unverbindlichkeiten, verabscheuen Kontrolle und Planung und bevorzugen eher das leichte Sichtreibenlassen. Eine gemeinsame und ausgesprochen gewinnträchtige Fahrt ins Spielerparadies Reno lässt Bill über sich und sein Leben reflektieren.

Ein weiterer wunderbarer Altman aus dem bereits der seichten Abendämmerung anheim fallenden New Hollywood. So lässig und lakonisch wie eh und je lässt er seine beiden Patrone aufschlagen, beobachtet sie, wie sie zeitweilig gemeinsam und ohne den anderen ein paar Tage durch- und überleben, ohne irgendwelche moralischen Zwangsbehauptungen aufzustellen oder sich sonstwie in das Geschehen einzumischen. Zwar lernt man die beiden, insbesondere Bill, im Zuge der 105 Erzählminuten recht gut kennen, tendenziöse Urteile und Analysen bleiben einem jedoch erspart. Das Ganze wirkt eher wie ein lebenserfahrenes Bukowski-Poem, nur dass es hier eben weniger um Alkohol geht. Trocken, undramatisch, straight. Besonders der wie immer sehenswerte und bei Altman sowieso stets zur Höchstform aufgelaufene Elliot Gould macht aus "California Split" eine unbedingt sehenswerte, kanonische Spielerstudie. Meisterlich.

9/10

Robert Altman New Hollywood Spieler Poker Freundschaft Bonvivant Gluecksspiel


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NEAR DARK (Kathryn Bigelow/USA 1987)


"It's impolite to stare."

Near Dark ~ USA 1987
Directed by: Kathryn Bigelow


Caleb Colton (Adrian Pasdar), ein gelangweilter Ranchersohn aus Oklahoma, lernt eines Nachts die hübsche Vampirin Mae (Jenny Wright) kennen und lieben. Ein etwas verwinkelt angesetzter Kuss macht auch Caleb zu einem der Nachtwesen und bald sieht er sich mit Maes Clique, einer Art dysfunktionaler Blutsaugerfamilie um den steinalten Jesse Hooker (Lance Henriksen), durch den amerikanischen Südwesten ziehen. Caleb weigert sich jedoch im Geghensatz zu seinen neuen Gefährten beharrlich, Menschen zu töten und ist Jesse und den anderen bald ein Dorn im Auge.

Nicht zuletzt aufgrund Eric Reds Gespür für die Poesie des Dust Bowl, die man bereits in ausgereiftester Form in "The Hitcher" bewundern konnte, wurde "Near Dark" zu einem ganz besonderen Markstein des Vampirfilms. Bis 1987 assoziierte man die Blutsauger auf der Leinwand wohl kaum mit delinquenten Ledergestalten, die sich wie Outlaws aus dem vorvergangenen Jahrhundert durch die Gegend marodieren, danach standen die Türen offenfür ganz neue Experimente. Kathryn Bigelow in ihrem bis heute schönsten Film ließ die all die Jahrzehnte lang wohlgelittenen, spitzen Eckzähne sowie diverse weitere Typenklischees draußen vor der Tür und stattdessen andere, zeitgemäßere Aspekte walten: Ein Kind (Joshua Miller) in Vampirgestalt etwa, das aufgrund seiner untoten Natur körperlich und emotional nicht altern kann, eine Parallelisierung der Vampirwerdung mit dem Übergang in die Adoleszenz, die Notwendigkeit von Anpassung und Verweigerung, den Wert der sozialen Institution Familie und diverse weitere, teils sehr lyrische Denkansätze. Verpackt in eine dunkle, obskurerweise zugleich kalte und warme Bildsprache und begleitet von der flächigen Musik von Tangerine Dream ergibt das eine Pflichtübung für Liebhaber des Subgenres. Ganz nebenbei hat's dann noch ein kleines Marine-Jahrestreffen in direkter "Aliens"-Nachfolge: Vasquez (Jenette Goldstein), Hudson (Bill Paxton) und natürlich Bishop (Henriksen) finden sich ein zu trauter Wiedervereinigung.

9/10

Independent Eric Red Coming of Age Kathryn Bigelow Vampire Neowestern


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NIGHTHAWKS (Bruce Malmuth/USA 1981)


"There is no security."

Nighthawks (Nachtfalken) ~ USA 1981
Directed By: Bruce Malmuth


Neben anderen New Yorker Beamten werden auch die beiden hartgesottenen Streifenopolizisten DaSilva (Sylvester Stallone) und Fox (Billy Dee Williams) werden zwecks Terrorabwehr umgeschult. Grund der plötzlichen Panik: Der international gesuchte Bombenleger Wulfgar (Rutger Hauer) und seine Gespielin Shakka (Persis Khambatta) sollen sich mitten in Manhattan niedergelassen haben. Tatsächlich lassen die ersten staatsfeindlichen Aktionen nicht lange auf sich warten und in DaSilva und Wulfgar haben sich flugs zwei Intimfeinde par excellence gefunden.

"Nighthawks" dokumentiert noch im Stile der knochentrockenen Polizeifilme der Siebziger die schon damals latente Angst vor dem großen Schreckgespenst des internationalen Terrorismus - eine Gefahr, die sich für die Supermacht USA wegen ihrer perfiden Funktionsweise im Gegensatz zu Staatskonflikten als kaum greifbar darstellte. Ausgerechnet New York wird zum Ziel von Wulfgars brutalen Anschlägen, nachdem sein Gesicht durch eigenes Verschulden in der alten Welt publik wurde und er von dort fliehen musste. Die Motive Wulfgars und seiner offensichtlich orientalischer Herkunft entstammenden Kollegin (ob die beiden eine erotische oder eine rein professionelle Bindung eint, bleibt offen) werden dabei nie eindeutig geklärt. Wulfgar gibt zwar an, er sei ein "Systemfeind", scheint auf der anderen Seite aber gegen gutes Entgelt für jegliche Kundschaft zu arbeiten (sein erster im Film gezeigter Anschlag auf ein Londoner Warenhaus geschieht offenbar im Auftrag der IRA) und, sobald es auf eigene Rechnung geht, für lauthalse Profilierung seiner eigenen Person sorgen zu wollen. Die Geschichte belässt es bei dieser Schwammigkeit und interessiert sich wesentlich mehr für die Antagonistenbeziehung DaSilva - Wulfgar, wobei auch diese eher allgemeinplatziert und psychologisch betrachtet sowieso völlig unzureichend konstruiert erscheint. Womit sich "Nighthawks" hingegen in den Überdurchschnitt rettet, sind seine Darstellungen urbaner Polizeiarbeit. Stallone sieht in "Nighthawks" nicht nur ganz ähnlich aus wie das große italoamerikanische Vorbild "Serpico", die Sache will's, dass auch seine Methoden sich kaum von dessen Arbeitsweise unterscheidet. In mancherlei Beziehung antizipiert "Nighthawks" außerdem den fünf Jahre jüngeren "Cobra": Ein zunächst nicht greifbarer Gegner; Ermittlungen in den städtischen Subkulturen, die der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichen. Dazu noch die lustvoll vorgetragene Biographie DaSilvas, die verdächtig nach der eines gewissen John Rambo klingt - für Stallones sukzessive Autoikonisierung in den Achtzigern erweist sich "Nighthawks" im Nachhinein als unverzichtbares Mosaikstück.

7/10

Sylvester Stallone Terrorismus New York Bruce Malmuth


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FIREPOWER (Michael Winner/UK 1979)


"You change your opinion a little too often to be trusted."

Firepower ~ UK 1979
Directed By: Michael Winner


Als ihr Ehemann, der Chemiker Tasca (Richard Roberts), einem Briefbomben-Attentat zum Opfer fällt, engagiert Jungwitwe Adele Tasca (Sophia Loren) via Geheimdienst und Mafiaboss (Ei Wallach) den offiziell ausgestiegenen Spezialisten Jerry Fanon (James Coburn) zur Ergreifung des mutmaßlichen Täters, eines milliardenschweren Unternehmers namens Karl Stegner, dessen Gesicht der Öffentlichkeit unbekannt ist. Auch Fanon hatte einst ein Techtelmechtel mit Adele. Zusammen mit seinem bewährten Partner Catlett (O.J. Simpson) knöpft sich Fanon Stegner vor und muss trotz seiner Eigenschaft als hervorragender Taktiker einige Unvorhersehbarkeiten umschiffen.

Wenig überzeugender, schleppender Actionfilm des in den Jahren zuvor deutlich versierter arbeitenden britischen Regisseurs. "Firepower" markiert vor allem eines: Ein unzweideutiges Beispiel für schlampiges, ungeschicktes scriptwriting. Dass der Plot sich so undurchsichtig entwickelt, wie er es letzten Endes tut, liegt nicht etwa an der hehren Autorenintention, den Film möglichst geheimnisvoll oder mysteriös erscheinen lassen, sondern am schlichten Versäumnis, bestimmte Sachverhalte, die es nötig gehabt hätten, hinreichend transparent werden zu lassen. Wie viele andere Filme dieser Zeit hat "Firepower" wenig mehr vorzuweisen als eine Art Alibifunktion für seine Mitwirkenden, mal ein paar Tage für lau in sonnigen Gefilden verbringen zu können. Karibikinseln wie Antigua und Curaçao, die man sich für tragende Storyteile ausgesucht hat, sind dafür allerdings auch bestimmt nicht die schlechteste Wahl.
Für Winner-Verhältnisse fallen darüberhinaus weite Teile des Films erstaunlich unblutig aus; Coburn und Simpson nutzen zumeist eine Betäubungspistole, während sie selbst von den Buhmännern permanent an Leib und Leben attackiert werden. Erst gegen Ende macht der Film seinem Titel dann adäquat den Hof.
Erstaunlich mutet es im Nachhinein an, welch große Namen sich für die unabhängige Produktion zur Verfügung gestellt haben; wahrscheinlich hat, neben der Aussicht auf ein paar Tage unter der Sonne, den einen die Mitwirkung des oder der anderen überzeugt. Resümierend bietet "Firepower" wenig mehr Qualität als eine Doppelfolge von irgendeiner um diese Zeit produzierten Fernsehserie und hinterlässt einen auch ähnlich bescheiden unterhalten. Für sämtliche Beteiligten ist das definitiv zu wenig.

4/10

Independent Michael Winner Karibik


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THE ADVENTURES OF BARON MUNCHHAUSEN (Terry Gilliam/UK/BRD 1988)


"It's all logic and reason now. Science, progress, laws of hydraulics, laws of social dynamics, laws of this, that, and the other. No place for three-legged cyclops in the South Seas. No place for cucumber trees and oceans of wine. No place for me."

The Adventures Of Baron Munchhausen (Die Abenteuer des Baron Münchhausen) ~ UK/BRD 1988
Directed By: Terry Gilliam


Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, zur Zeit der Aufklärung: Eine nicht näher bezeichnete, mitteleuropäische Küstenstadt wird von einem aufgebrachten türkischen Sultan (Peter Jeffrey) und dessen Armee belagert. Zur gleichen Zeit gastiert innerhalb der Stadtmauern der Theaterimpresario Henry Salt (Bill Paterson) und lenkt die Bewohner mittels leichter Unterhaltung von den Gedanken an ihr unvermeidliches Ende ab. Eine seiner Komödien dreht sich um den Lügenbaron Münchhausen und dessen Abenteuer. Eines Abends platzt der Baron (John Neville) persönlich in eine von Salts Vorstellungen, empört sich über deren vermeintlichen Realitätsverdrehungen und erzählt eine angeblich wahre Geschichte, die zufällig davon handelt, wie eine von einem türkischen Sultan belagerte Stadt von ihm und seinen Freunden (Eric Idle, Charles McKeown, Jack Purvis, Winston Dennis) befreit wurde...

Gilliams "Brazil"-Nachfolger verbuchte seinen nachhaltigen Bekanntheitsgrad vor allem als legendärer Budgetsprenger. Wie schon nach der Fertigstellung der letzten Arbeit musste das Ex-Python-Mitglied zermürbende Grabenkämpfe betreffs seiner künstlerischen Vision mit Verleihern und Produzenten austragen; diesmal legte ihm neben den studio executives, dem frühzeitig abgesprungenen Arnon Milchan sowie einer sich verprellt fühlenden britischen Filmversicherungsgesellschaft der Karlsruher Finanzmeister Thomas Schühly diverse Steine in den Weg. Schühly trieb es soweit, dass er am Ende zu Erpressungszwecken die Filmdosen stahl, um von Columbia seine Gage zu erhalten. Die wiederum bösen Rivalitäten führten dazu, dass "Münchhausen" nur sehr unzureichend promotet wurde und bei einem für damalige Verhältnisse riesigen Budget an den Kassen unterging wie das Seeungeheuer, aus dessen Bauch Münchausen und seine Mitstreiter sich mittels einer Prise Schnupftabak befreien. Das alles einem unzureichend gestalteten viralen Marketing zuzuschreiben wäre jedoch verlogen; Gilliam macht schlicht keine Filme für die breite Masse und im Grunde war (und ist) es aus rein kommerzieller Warte Wahnsinn, den Mann zur Verwirklichung seiner überbordernden Visionen knappe 40 Millionen Dollar verpulvern zu lassen. Für Gilliam-Freunde ist "Münchhausen", wie auch "Time Bandits" und "Brazil" eine große Fabel über den Wert geistiger Freiheit in Zeiten strenger Logik, ein Hochgenuss, ein manchmal infernalisches, schwarzes Märchen, das trotz seiner vordergründig kindlichen Aufmachung auch bizarre und finstere Motive wie einen schwarzen Todesengel (der auf der Jagd ist nach Münchhausens 'spirit' und damit nach der Essenz aller Märchen und Geschichten), ein verrücktes Mondehepaar oder rollende Sarazenenköpfe nicht ausspart. Physikalische Gesetzmäßigkeiten interessieren Gilliam indes genausowenig wie seine Titelfigur - wenn unser Erdtrabant von hier aus wie eine Sichel ausschaut, dann muss er wohl auch eine sein.
Eigentlich ist es doch so: Gilliam und Münchhausen sind ein- und desselben Geistes Kinder, große Geschichtenerzähler und Unterhalter, Könige ihrer eigenen Welten.

9/10

Kinder Groteske Parabel Maerchen Terry Gilliam Historie Megaflop


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URBAN LEGEND (Jamie Blanks/USA 1998)


"Weren't you ever eighteen?" - "Not that kind of eighteen."

Urban Legend (Düstere Legenden) ~ USA 1998
Directed By: Jamie Blanks


Prfessor Wexler (Robert Englund) forscht am Pendleton-College in Neuengland zum Thema "Urbane Mythen" und hält entsprechende Vorlesungen. Einer seiner Studenten - oder eine andere Person aus dem Universitätsumfeld - scheint den Lehrgegenstand etwas zu enthusiastisch aufzufassen und beginnt, nach den Schemata der neumodischen Horrormärchen diverse KommilitonInnen umzubringen. Hat die aktuelle Mordserie gar etwas mit dem 25 Jahre zurückliegenden "Stanley-Hall-Massaker" zu tun, von dem Natalie (Alicia Witt) und Paul (Jared Leto) erfahren und bei dem schon damals auf dem Campus eine ganze Latte Jungakademiker das Zeitliche segnen mussten?

Slasher im Gefolge der damals anberaumten "Scream"-Welle, der unter all seinen Mitläufern keinen herausragenden Eindruck hinterlassen kann. Was fast allen Ausdünstungen dieser Neo-Teenhorror-Schwemme gemein ist, ist das zumeist nett erdachte Sujet, das dann in das immer wieder abgespulte Einerlei des ohnehin längst altmodischen Subgenres doch nicht für tiefere Nachhaltigkeit sorgen konnte. Der Maskierte mit dem großen Messer - er ist all jenen Filmen gemein. Die "Urban Legend" - Variation mit ihrem überaus dämlichen deutschen Titel (dem beim Synchronisationsscript auch noch konsequent entsprochen wird) nahm sich nun also der besonders gern an lauschigen Lagerfeuerabenden ausgegrabenen Gruselgeschichten von Großstadtkindern an, um dem Film-Killer seine Innovation möglich zu machen. Dass dessen Motiv letzten Endes in keinem Verhältnis zu seinen Aktionen steht, ist nur eine von diversen Ungereimtheiten, die die Geschichte bereithält.
Andererseits wäre es arrogant und albern, sich einen solchen Film anzuschauen, um sich anschließend über seine Mängel auszulassen. Slash as slash can und gut.

5/10

College Jamie Blanks Slasher Madness


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TRAINSPOTTING (Danny Boyle/UK 1996)


"Would Sir care for a starter of some garlic bread perhaps?" - "No, thank you. I will proceed directly to the intravenous injection of hard drugs, please."

Trainspotting ~ UK 1996
Directed By: Danny Boyle


Die Geschichte des jungen Edinburgher Arbeitersprösslings Renton (Ewan McGregor) und seiner Kumpels Spud (Ewen Bremner), Sick Boy (Johnny Lee Miller), Begbie (Robert Carlyle) und Tommy (Kevin McKidd). Renton, Spud und Sick Boy sind heroinabhängig. Die Droge bildet wie bei jedem Junkie ihren zentralen Lebensinhalt und fordert von jedem von ihnen hohe Tribute. Als man schließlich in London selbst eine große Menge Stoff verdealt, entscheidet sich Renton für den Absprung.

Angefixt durch "Shallow Grave" fühlte ich mich sozusagen genötigt, mir nach langer Pause endlich auch einmal wieder Boyles Zweit- und Hauptwerk anzuschauen. "Trainspotting" ist ja in Rekordgeschwindigkeit zu einem emblematischen Film der neunziger Jahre geworden und darf wohl als einer der maßgeblichen popkulturellen Einflüsse seiner Zeit gelten. Tatsächlich ist dieser sein Status alles andere als unberechtigt; Boyle demonstriert ein absolutes Höchstmaß an inszenatorischer Konzentration, präsentiert zur Visualisierung des Rauschs und seiner Folgen traumhafte Regieeinfälle und bewältigt den naturgemäß kaum zu bewältigenden Spagat zwischen dem glaubwürdig dargestellten Porträt einer Subkultur und der für das Sujet unumgänglichen pädagogischen Warnung, indem er die Hölle der Sucht - so paradox das klingen mag - so nüchtern zeigt wie irgend möglich. Dass H nicht unmittelbar in die physische bzw. soziale Verwahrlosung führt, über kurz oder lang aber doch brutale Folgen für Leib und Leben mit sich bringt, weiß ein jeder, dass es aber sage und schreibe Spaß machen kann, dabei zuzusehen, ist allein Boyles Verdienst.
Was nach vierzehn Jahren noch bleibt von "Trainspotting", ist eigentlich all das, was ihn auch damals schon ausmachte: Das Bild eines überwältigend präzis und sorgfältig gemachten Films, bis hin zu seiner einmaligen Songauswahl von einer alles durchdringenden Stimmigkeit, von der 99% aller Filmemacher bloß träumen können.

10/10

Danny Boyle Heroin Drogen Subkultur Schottland Popkultur Teenager





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Funxton

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