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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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EDWARD SCISSORHANDS (Tim Burton/USA 1990)


"Blending is the secret."

Edward Scissorhands (Edward mit den Scherenhänden) ~ USA 1990
Directed By: Tim Burton


Der Kunstmensch Edward (Johnny Dep), der anstelle richtiger Hände Scheren besitzt, kommt aufgrund der Initiative der Avon-Vertreterin Peg Boggs (Dianne Wiest) eines Tages vom Schloss seines verstorbenen Erfinders (Vincent Price), auf dem er jahrelang gehaust hat, in das Haus der Familie Boggs und damit in eine biedere Vorstadtnachbarschaft. Die Hausfrauen der Gegend machen sich allesamt Edwards Talente zu präziser Schnittarbeit mit seinen Scherenhänden zu eigen - zunächst als Gärtner, dann als Hunde- und schließlich als Damencoiffeur. Als eine seiner Anhängerinnen (Kathy Baker) Edward ein eindeutiges Angebot, weiß der Naivling nicht standesgemäß darauf zu reagieren - der Anfang einer Kette unglücklicher Ereignisse.

Tim Burton dürfte einer der wenigen Filmemacher in Hollywood sein, die sich allein durch ihre ihnen grundeigene Signatur, zu der sich bei Burton freilich liebenswerte Infantilie, Märchenhaftigkeit, überzogen-grelle Horrormomente, gotisches Ambiente, LSD-Phantasien und Psychedelia vermischen, eine seltene künstlerische Autarkie erarbeitet haben. Mit einem kaum wechselnden Mitarbeiterstab bereichert er die Filmwelt nun schon seit über zwei Dekaden mit seinen verrückten kleinen Phantastik-Mären, die mal eindeutig, mal zaghafter das von Burton selbst gesetzte Anspruchsmarke erreichen; in jedem Fall aber immer sehenswert oder zumindest diskutabel sind.
Leider habe ich "Beetlejuice" gerade (noch) nicht verfügbar, "Pee-Wee's Big Adventure" erachte ich für halbwegs vernachlässigbar, meine Eindrücke zu "Batman" findet sich in meinen Aufzeichnungen bereits an anderer Stelle. Los also mit "Edward Scissorhands", Burtons ganz persönlicher "Frankenstein"-Variation, die vor allem die Bigotterie amerikanischer suburbs trefflich auskundschaftet und persifliert und damit vor allem in den ersten zwei Dritteln immens komisch gestimmt ist. Die Tragik des vordergründig beliebten, hinterrücks jedoch belächelten und wegen seiner Andersartigkeit gefürchteten Kunstmenschen wird erst im dunkel-traurigen letzten Akt gänzlich ausgespielt, in dem es dann auch kaum mehr zur vorherigen Gelöstheit gereicht. Dass die aufgebrachten Vorstädter ihm nicht sein Schloss unter der Nase anzünden, verdankt Edward allein der Beherztheit seiner großen Liebe Kim (Winona Ryder). Burtons diverse Charakteristika sind hier schon fast zur Gänze zugänglich: Das tiefe Grauen bonbonfarbener Idyllen und, analog dazu, die romantische Melancholie seiner mit dem Tode flirtenden Protagonisten. Dazu Danny Elfmans von hellen Chören getragene Bombastmusik und fertig ist das wunderhübsche Gruselsoufflé, das ja dem bereits in den ersten Karrierejahren, respektive nach "21 Jump Street", ein erstaunliches Händchen für seine Rollenauswahl (er konnte immerhin mit 27 Jahren bereits auf Zusammenarbeiten mit Wes Craven, Oliver Stone und John Waters zurückblicken) beweisenden Johnny Depp ein paar seiner frühesten Meriten eintragen konnte. Und bereits hier heißt es ganz eindeutig: Love it - or leave it.

8/10

Tim Burton Frankenstein Schnee


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THE BRAIN FROM PLANET AROUS (Nathan Juran/USA 1957)


"You'd rather consider my orders seriously..."

The Brain From Planet Arous (Die Augen des Satans) ~ USA 1957
Directed By: Nathan Juran


Die beiden Atomphysiker Steve March (John Agar) und Dan Murphy (Robert Fuller) finden am benachbarten Mystery Mountain eine urplötzlich entstandene Höhle. Darin lauert ein außerirdischer Krimineller namens Gor vom Planeten Arous, der das Aussehen eines riesigen Gehirns hat und sich bei Gelegenheit dematerialisieren kann. Gor ergreift von Steve Besitz und tötet Robert. Steves merkwürdiges Verhalten fällt bald seiner Verlobten Sally (Joyce Meadows) und deren Vater (Thomas B. Henry) auf - glücklicherweise werden sie mit der Situation nicht allein gelassen, denn der ebenfalls von Arous stammende Vol, der Gor dingfest machen soll, eilt ihnen zur Hilfe. Vol benutzt den Familienschäferhund als Wirt, um Steve respektive Gor unbemerkt auskundschaften zu können. Dessen sinistre Pläne sehen nichts weniger vor als die Weltherrschaft...

Ein Jahr bevor in Crabtrees "Fiend Without A Face" extraterrestrische Gehirne auf Beutezug gingen, schlug bereits der böse Gor in unseren Galaxisgraden zu; in einer Art frühem Vorgänger von "Critters", "The Hidden" und "Dark Angel", in denen ja ebenfalls die außerirdischen Terrorstifter von intergalaktischen Polizisten verfolgt und hierzuplaneten gestellt werden sollten. Der immerhin von John Ford und Jack Arnold kommende John Agar, der später abonniert war auf phantastische Filme und Western der Kategorie B und dessen Augen hier bei besonderer Erregung jeweils eine kontaktlinsenunterstütze, gruslig-silbrige Färbung annehmen (daher der deutsche Titel) gibt eine rührende Vorstellung ab als hilfloser Atomphysiker in der Bessenheitsbredouille. Leider erfahren wir Ende nicht, wie er sich den zuvor erpressten Staatsvertretern klarzumachen gedenkt, dass er kurz zuvor noch die Marionette eines bösen Weltraumgehirns war und jetzt ganz bestimmt keine Radioaktivanschläge mehr zu verüben gedenkt. Schade aber auch!
Für den Projektleiter Nathan Juran, der zuweilen - so bei "The Brain From Planet Arous" - auch als Nathan Hertz unterwegs war, kein unwesentlicher Entwicklungsschritt hin zu "The 7th Voyage Of Sinbad", der spätestens alle Unken Lügen strafen sollte, die den Regisseur für einen unseriösen Billigheimer hielten.

6/10

Aliens Independent Trash Nathan Juran


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DER JUNGE TÖRLESS (Volker Schlöndorff/BRD, F 1966)


"Es interessiert mich nicht mehr."

Der junge Törleß ~ BRD/F 1966
Directed By: Volker Schlöndorff


Kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende kommt der Bourgeoisie-Filius Thomas Törleß (Mathieu Carrière) auf ein Jungeninternat im Osten Österreich-Ungarns. Die Machtstrukturen und -hierarchien unter den Jugendlichen, die gleichermaßen aus dem Hang der einen, sich andere untertan zu machen und dem Hang der anderen, sich untertan machen zu lassen, erwächst, werden für Törleß schnell sichtbar, wenn sie ihm auch unverständlich bleiben; eine rationale Erklärung der Verhaltensmotivation sowohl der sadistischen als auch der Opferrollen erscheinen ihm mehr als nebulös.

Schlöndorffs Filmdebüt, eine Musil-Verfilmung, nachdem der künftige Mitbegründer des "Jungen Deutschen Films" bereits einige Jahre in Paris an der Cinémathèque sowie als Regieassistent an der Seite von Größen wie Resnais, Melville und Malle zugebracht hatte, geriert sich als der Vorlage angemessenes, universell angelegtes Drama über die Entstehung von Klassengesellschaften und gesellschaftlichen Ungleichgewichten. Jene fänden, so der Tenor des Werks, ihre Grundzüge bereits im Jugendalter; dabei bedeute die Aufteilung der Gewissenslast auf mehrere Mittäter und -wisser eine eindeutige Gewissenserleichterung für die Drahtzieher. Und selbst wenn das, was Musil respektive Schlöndorff hier illustrieren, im Vergleich zu dem, was heute mitunter Ungeheuerliches aus bundesdeutschen Kasernen und Ferienlagern herüberschwappt, sogar vergleichsweise harmlos erscheinen mag - als symbolhafte Paraphrase für die Möglichkeit des Entstehens autokratischer Regimes wie etwa das des Faschismus muss "Der junge Törless" durchaus als früher Ahnherr von Hanekes "Das weiße Band" erachtet werden. Interessanterweise liegt das Schwergewicht der Kritik dabei weniger auf Seiten der Machthabern als bei jenen, die deren Auswüchse tolerieren, bis es irgendwann zu spät ist, um sie noch aufhalten zu können.
Ganz phantastisch der unerwartete Auftritt von Barbara Steele als sozial geächtete Dorfhure, welchen Schlöndorff in einem ausführlichen Interview auf der DVD (das allein bereits deren Anschaffung lohnt) als im Nachhinein zwar unpassend erachtet, der seinem Film jedoch einen ganz besonderen, sinistren Glanz verleiht.

9/10

Schule k.u.k. Volker Schloendorff Internat


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RAISING ARIZONA (Joel Coen/USA 1987)


"Sometimes it's a hard world for small things."

Raising Arizona (Arizona Junior) ~ USA 1987
Directed By: Joel Coen


Auf seinen ständigen Wegen in den Staatsknast begegnet der Kleinganove H.I. (Nicolas Cage) immer wieder der Polizistin Ed (Holly Hunter), der er alsbald einen Antrag macht. Doch das glückliche Paar bleibt kinderlos. Um die Welt wieder etwas ins Gleichgewicht zu rücken, entschließt man sich, einen der Fünflinge des reichen Unternehmers Nathan Arizona (Trey Wilson) "zwangszuadoptieren". Doch bleibt die kleine Entführung erwartungsgemäß nicht unkompliziert: Der höllische Kopfgeldjäger Leonard Smalls (Randall 'Tex' Cobb) nimmt bald ihre Fährte auf, H.I.s Knastkumpel, die Brüder Snoats (John Goodman, William Forythe) nisten sich zu Eds Unwillen bei ihm ein und Schwager (Sam McMurray) und Schwägerin (Frances McDormand) rentpuppen sich als die letzten Menschen...

Angefixt von "A Serious Man" mal wieder diese kleine Wundertüte aus dem Regal gefischt, die es zwar noch nicht ganz mit den Hauptwerken der Coens aufnehmen kann, in ihrer Beschwörung einer kinetischen Slapstick-Atmosphäre gepaart mit einem großen Zeh im Inferno aber dennoch unverwechselbar ist, findet sich hier doch eine Art der Bildkommunikation, die zur Entstehungszeit des Films und ganz besonders im Mainstreamkino ziemlich unikal war; brennende Blumen, explodierende Finstermänner und hier und da eine rasante Kamerafahrt, wie man sie sonst - selbstverständlich kein Zufall - nur aus Raimis "Evil Dead"-Filmen kennt. Barry Sonnenfeld, als dp ungleich beredter denn als Regisseur, hat dieses verrückte Märchen für Große photographiert und ihm damit einen Stempel verpasst, der für den Film zugleich wie ein Markenzeichen der Unverkennbarkeit wirkt. Die Brillanz der Coens, die sich hier wunderbar dabei beobachten lassen, wie sie gerade ihr eigenes Filmgenre erschaffen, macht "Raising Arizona" zum frühen Meilenstein eines mit Meilensteinen gepflasterten Weges.

8/10

Erwachsenenmaerchen Groteske Familie Coen Bros.


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A SERIOUS MAN (Joel Coen, Ethan Coen/USA, UK, F 2009)


"Very troubling..."

A Serious Man ~ USA/UK/F 2009
Directed By: Joel Coen/Ethan Coen


Minnesota, 1967: Professor Larry Gropnik (Michael Stuhlbarg), jüdischer Physikprofessor in der Probezeit, hat Probleme. Seine Frau (Sari Lennick) will die Scheidung, um einen furchtbar gönnerhaften Nebenbuhler (Fred Melamed) zu heiraten, sein Sohn raucht Pot, ist fernsehsüchtig, hält eher wenig vom Tanach und fabriziert auch sonst nur Mist, sein auf Larrys Sofa hausender Bruder Arthur (Richard Kind) ist schizophren und taucht seinen Zeh in kriminelle Aktivitäten, einer von Larrys Studenten (David Kang) versucht ihn zu bestechen, um ihn hernach der Verleumdung zu bezichtigen, sein Nachbar (Peter Breitmayer) ist ein Nazi. Und das Schlimmste: Der einzige Rabbi (Fyvush Finkel), der ihm möglicherweise helfen kann, hat keine Zeit für ihn.

Another masterpiece. Die Coens sind ja wahre Sadisten vor dem Herrn. Ausgerechnet wenn sie mal wieder einen ihrer Helden mit Karacho vor die Wand laufen, seine gesamte Existenzgrundlage durchs Eis brechen lassen, sind sie am Besten. Das sind dann meist ihre stilleren Filme, die ohne exponentiellen Kriminal- oder Noirgehalt, die, bei denen man sich nicht ganz sicher sein kann, ob man mit dem Protagonisten weinen oder über ihn lachen soll: "Barton Fink", "The Man Wo Wasn't There" und jetzt "A Serious Man", letzterer das mit Abstand jiddischste Werk, das die Brüder je zusammengestoppelt haben, und ganz gewiss eines ihrer komischsten. Larry Gropnik, schon jetzt einer der ganz großen Antihelden im coen'schen Universum, durchlebt sein ganz privates, kleines Armageddon. Alles bricht über ihm zusammen, und er ist viel zu sittsam, um sich mittels eines bitternötigen, befreienden Amoklaufs zumindest ein klein wenig inneren Frieden zu verschaffen. Bloßes Gottvertrauen mag da zumindest befristet helfen, doch am Ende, gerade, als ein Silberstreif am Himmel sichtbar wird, kommt mit Pauken und Trompeten die nächste Apokalypse - und diesmal im großen Stil. Schwärzer geht's nimmer.

9/10

Familie Religion Coen Bros.


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GUYANA, EL CRIMEN DEL SIGLO (René Cardona Jr./MX, PA, E 1979)


"This is it. The White Night!"

Guyana, El Crimen Del Siglo (Guayana - Kult der Verdammten) ~ MX/PA/E 1979
Directed By: René Cardona Jr.


Der Religionsstifter und Sektenprediger James Johnson (Stuart Whitman), Kopf des "Peoples Temple", bewegt eine große Anzahl seiner Anhänger, ihm mitsamt ihren materiellen Gütern in den sozialistischen Staat Guyana zu folgen. Dort gründet Johnson das Gebiet "Jonestown", dessen Bewohner in politischer und wirtschaftlicher Autarkie leben. Da Johnson schon seit längerem im Verdacht steht, in Guyana eher ein Konzentrationslager denn einen Hort für freiheitsliebende Menschen errichtet zu haben, rückt ihm bald der Kongressabgeordnete O'Brien (Gene Barry) auf die Pelle. Dessen entschiedene Untersuchung quittiert der zunehmend panische Johnson, indem er seine gehirngewaschenen Jünger zu dem berüchtigten Massenselbstmord von 1978 anstiftet.

Warum James Johnson im Film nicht wie sein reales Vorbild Jim Jones heißt, weiß ich nicht. Kurze Zeit später entstand jedenfalls noch eine amerikanische TV-Produktion über den Peoples-Temple-Massensuizid, in der Powers Boothe den Sektenkopf spielte und der kein Heckmeck um irgendwelche Namensänderungen nötig hatte. Keine Ahnung, ob diese Variation etwas potenter daherkommt. Cardona Jr. jedenfalls war offenbar sehr überzeugt von seinem Skandal-Sujet, das im Endeffekt und vermutlich aus fadenscheinigen Sensibilitätsgründen aber wesentlich mehr von sich behauptet als es sich zu zeigen getraut. Für einen realitätsorientierten Exploitation-Film wie etwa Jacopettis "Mondo"-Reihe, nach dem "Guyana" eigentlich permanent riecht, traut er sich jedenfalls viel zu wenig. Der in mehrerlei Hinsicht beschränkte Film reduziert sich im Wesentlichen auf die - zudem recht moderate - Darstellung Johnsons als verrückter Autokrat zwischen Faschismus und Liberalismus, größenwahnsinniger Idiot und Feigling, der am Ende natürlich eins vor den Latz geknallt bekommt anstatt sich gemäß seiner Philosophie selbst zu richten (die tatsächlichen Umstände um Jones' Tod sind bis heute ungeklärt). Trotz einer gar nicht mal unflotten Besetzung mit Whitman, dem mutmaßlich unter Dauerstrom stehenden Joseph Cotten, John Ireland, Bradford Dillman, Robert DoQui, Hugo Stiglitz und sogar Yvonne De Carlo ist "Guyana" ein ziemlicher Stinker und Langeweiler, von dem ich mir weitaus mehr erhofft habe. Dazu kommt eine billige Videosynchro aus den Achtzigern, die den Film zusätzlich an Restcharme beraubt. Dann doch lieber eine vernünftige Doku über Jones und seine armseligen Schäfchen.

3/10

Exploitation René Cardona Jr. Religion Sekte


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FRONTIÈRE(S) (Xavier Gens/F, CH 2007)


Zitat entfällt.

Frontière(s) ~ F/CH 2007
Directed By: Xavier Gens


Im Zuge der Unruhen in den Pariser Banlieues begehen die fünf teils arabischstämmigen Jugendlichen Yasmine (Karina Testa), Alex (Aurélien Wiik), Tom (David Saracino), Farid (Chems Dahmani) und Sami (Adel Bencherif), Yasmines Bruder, einen Überfall. Sami wird durch einen Bauchschuss schwer verwundet und überlebt die Aktion nicht. Mit der Beute fliehen die übrigen Vier Richtung Grenze. Kurz vor deren Überquerung wollen sie die Nacht in einem kleinen, abgelegenen Hotel verbringen. Dies wird, wie sich herausstellt, betrieben von einer Gruppe geistig und psychisch schwer derangierter Faschisten, die hier, unter Vorsitz des geflohenen Altnazis Von Geisler (Jean-Pierre Jorris), allerlei böses und ekelhaftes Zeug anstellen. Nach kurzer Zeit ist nur noch Yasmine am Leben, die der Sippe "trotz ihrer unreinen Herkunft" als neue Stammesmutter dienen soll.

Einer der für ihre durch die Bank ziemlich radikale Anschaulichkeit berüchtigten Vertreter der neuen französischen Horrorwelle und, wie ich meine, beileibe nicht der Schlechteste. Gut, die mit der hausbackenen Geschichte einhergehenden politischen Aphorismen (die verrückten Menschenfresser stehen für die im Aufschwung begriffene nationale Rechte) ist zwar ziemlich platt und plump, aber, meine Güte, besser so ein immerhin hehres soziales Ansinnen verbreiten als gar nicht, oder? Vielleicht haben zwei, drei der gorehounds, die "Frontière(s)" geschaut haben sogar was gelernt dabei. Wäre doch gar nicht mal verkehrt. Außerdem hält sich diese kryptisch-billige Kiste mit der Politik doch halbwegs in Grenzen; im Prinzip ist Gens Film (und möchte selbiges glaube ich im Herzen auch sein) doch bloß hochglänzende, mit bösem Humor angereicherte Neo-Exploitation, samt dem mit ältesten noch bedienten Feindbild der Kulturgeschichte, und am Ende, als es mit Gens ein wenig durchgeht, sogar inklusive 'chicks with guns'.
Zum Rest: Xavier Gens nennt als Vorbilder Hoopers "TCM" und Pasolinis "Salò", wobei zumindest ersterer (und ansatzweise auch dessen Fortsetzung) sich hier mehr als offensichtlich wiederfindet. Nun ja, immerhin kann der Vatter hier noch stehen, laufen, Reden schwingen und seinen SS-Totenkopf polieren. Ansonsten wird geshuttert was das Zeug hält, aber das gehört jawohl mittlerweile zum guten Ton eines Genrefilms und hat mich nach einer Weile auch nicht weiter gestört. Dafür sind die F/X-Shots von einer seltenen Derbheit und teils doch bös intensiv - die Sache mit den Achillesfersen jedenfalls: ayayay! - und haben mich mitunter ziemlich kalt erwischt, was sich rückblickend ja häufig allzu positivierend, vielleicht gar verfälschend, auf das Gesamtbild eines Werks niederschlagen kann. Ich fand mich jedenfalls wohlgenährt und -gesättigt von diesem gemeinen, kleinen Blutshake.

7/10

torture porn Splatter Parabel Banlieue Backwood Exploitation Xavier Gens


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NOWHERE TO RUN (Robert Harmon/USA 1993)


"He's got a big penis."

Nowhere To Run (Ohne Ausweg) ~ USA 1993
Directed By: Robert Harmon


Während eines Gefangenentransports kann der Ex-Bankräuber Sam Gillen (Jean-Claude Van Damme) entkommen und versteckt sich auf dem Landgut der knackigen Witwe und Mutter Clydie Anderson (Rosanna Arquette). Schon bald merkt der sich zunächst im Verborgenen haltende Sam, dass hier längst nicht alles eitel Sonnenschein ist. Clydie wird von dem skrupellosen Bauspekulant Franklin Hale (Joss Ackland) und seinen Leuten bedroht, die ihr mit allen Mitteln die Farm abspenstig machen wollen. Doch der tapfere, in Kampfdingen erfahrene Sam erweist sich bald als Retter in der Not.

Die "Muscles from Brussels" machen auf Familienentertainment in einer der vier, fünf A-Produktionen, in denen Van Damme in der ersten Hälfte der Neunziger auftrat. Wie jeder zweite halbwegs patente Action-Star benötigte auch der Belgier unweigerlich den Filmographie-Eintrag eines "Shane"-Remakes und hier bot sich ihm bereits früh die Gelegenheit (Kollege Lundgrens Variation "Missionary Man" etwa ist erst drei Jahre jung) zu einem solchen. Die üblichen Ingredienzen sind vorhanden: Eine Familie im idyllischen Nirgendwo - hier ausnahmsweise ohne den tapferen, aber schwachen Gründer, denn der ist schon verstorben, so dass es eine heiße Bettszene mit Van Damme und der Arquette gibt und die Kinder einen Ersatzpapa bekommen - ein böser Immobilienhai, der das Land aus der Familie quetschen will und seine nicht minder bösen Handlanger (z.B. Ted Levine). Zwar ist Sam Gillen naturellement kein Fremder ohne Namen und bringt zudem eine trübe Verhangenheit mit, für strahlendes Heldentum am Ende langt es aber auch so allemal. Allerdings erscheint mir "Nowhere To Run" bei all seiner inszenatorischen Potenz für ein Produkt seines Hauptdarstellers doch etwas sehr zahm und brav geraten, besonders im Direktvergleich zu dem umgehend nachfolgenden "Hard Target". Wenn ich mich nicht verzählt habe, legt Van Damme genau einen Bösewicht um, überhaupt die einzige Person, die im Film das Zeitliche segnet. Ich will ja nicht blutrünstiger erscheinen als unbedingt nötig, aber warum zur Hölle schaut man sich derlei denn an???

5/10

Shane-Variation Joe Eszterhas Robert Harmon


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YANG CHI (Chih-Hung Kuei, Ernst Hofbauer/USA 1974)


Zitat entfällt.

Yang Chi (Karate, Küsse, blonde Katzen) ~ HK/BRD 1974
Directed By: Chih-Hung Kuei/Ernst Hofbauer

Eine Gruppe britischer Damen (u.a. Sonja Jeannine, Tamara Elliot) gerät im gelben Meer in die Fänge chiensischer Piraten und wird an den Gangsterboss und Lüstling Chao (Hsieh Wang) verscherbelt. Dieser bugsiert die wie Kesselflicker Sprüche kloppenden Mädels erstmal in seine im Keller befindliche Liebesschule, wo sie zu ordentlichen Konkubienen ausgebildet werden und danach Stück für Stück im Zuge einer Versteigerung an den Meistbietenden veräußert sollen. Doch die schlagkräftige Frauentruppe lässt sich nicht unterkriegen und lernt von der findigen Hausdame Ko Mei Mei (Hui-Ling Liu) diverse Kampftechniken, u.a. das tödliche Olivenkernspucken, auf dass sie ihre Unschuld behalten und das geile chinesische Geschäftemacherpack perforieren mögen (was sie dann auch tun).

Hinreißender Blödsinn, der so notorisch lustig wie zeitgebunden ist. Die damals typische Klamaukkomik der Münchener LISA-Filme, etwa der legendären "Tanten-Trilogie" mit Carrell und Richter (wobei das hier die Rapid verantwortete), vermischt sich in diesem bizarren internationalen Kooperationsmärchen mit der erzkeuschen Fummelerotik des Ernst Hofbauer und den Martial-Arts-Künsten der Hongkonger Shaws. Das Resultat ist mindestens so wahnwitzig wie die Beschreibung es vermuten lässt und verpflichtet ohne jeglichen Zweifel zur Ansicht der deutschen Synchronfassung, in dem die alte Münchener Synchronsprechergarde um Fred Maire, Wolfgang Hess und Christian Marschall (auf der weiblichen Seite hat's u.a. die rotzige Marianne Groß, Eva Kinsky und Constanze Engelbrecht) vom Leder zieht, dass sich die Balken biegen, und nicht nur diese. Die kurze, aber deftige Zensurgeschichte des Films, die ihm bis heute einen Platz auf dem Index beschert, angesichts des sittlichen und intellektuellen Kindergartenniveaus des Films allerdings - und das ist weder Witz noch Untertreibung - eine Gegenwartsfreigabe ab 12 Jahren verdiente, verhinderte wohl, dass einige derbere Einstellungen im Film verbleiben konnten. Macht aber nichts, denn die Schnitte gehen sauber und weithin unmerklich von Statten und so bleibt "KKbK" tatsächlich das, was er zweifelsohne zu sein wünscht: Kasperltheater für den gesenkten Anspruch.

5/10

Chih-Hung Kuei Trash Martial Arts Crossover Ernst Hofbauer Shaw Bros. Europloitation


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FIVE CARD STUD (Henry Hathaway/USA 1968)


"They all look alike to the worms."

Five Card Stud (Todfeinde) ~ USA 1968
Directed by: Henry Hathaway


Die Pokerspieler im Goldgräberstädtchen Rincon verstehen wenig Spaß - als sie einen Fremden (Jerry Gatlin) beim Falschzocken erwischen, knüpfen sie ihn, unter der Ägide des hasserfüllten Nick Evers (Roddy MacDowall) am nächsten Baum auf. Nur der Barkeeper George (Yaphet Kotto) sowie der Kartengeber Van Morgan (Dean Martin), der die Tat verhindern will und niedergeschlagen wird, bleiben unschuldig an dem Lynchmord. Einige Zeit später kommt Reverend Jonathan Rudd (Robert Mitchum) nach Rincon, der dessen verirrten Sündern ein gerüttelt Maß Gottesfürchtigkeit einpredigen will. Zeitgleich beginnt eine unheimliche Mordserie an den Lynchjustizlern des fremden Falschspielers...

"Five Card Stud" ist ein im positiven Sinne seltsamer Western, der parallel als eine Art missing link zwischen den verschiedensten Genrezweigen zu fungieren weiß. Zunächst vereinen sich mit Dino und Bob Mitchum ausgerechnet jene zwei berühmten Säufer, die Duke jeweils in den Zwillingsfilmen "Rio Bravo" und "El Dorado" freundschaftlich trockenzulegen hatte. Bob Mitchum als teuflischer Wanderprediger ist natürlich zusätzlich noch in bester Erinnerung aus Laughtons "The Night Of The Hunter", ein Part, den er hier mit beinahe ebensolch lustvoller Dämonie ausfüllt. Doch nicht nur in die Vergangenheit des Genres; auch in seine Zukunft weist "Five Card Stud": Den geheimnisvollen Bruderrächer, der eine der Sünde verschriebene Stadt in Angst und Schrecken treibt, findet man fünf Jahre später in Eastwoods grandiosem Horror-Western "High Plains Drifter" wieder, allerdings mit mystischem Überbau und diesmal auf der Heldenseite. Dafür kommen hier mehr oder weniger eindeutige Whodunit-Elemente hinzu, die sich allerdings ein wenig albern gestalten, da jedem Panz schon mit der bedeutungsvollen Einführung der Predigerfigur klar ist, wo der Hase im Pfeffer sitzt. Zudem dürfte dies, neben "Rio Bravo" (zweite Hälfte, versteht sich) der einzige Film sein, in dem Dino einen Drink stehen lässt. Dazu dudeln Maurice Jarres alles andere als westernhafte Kompositionen als gelte es, einen Melville-Thriller zu vertonen. Besonderheiten auf ganzer Linie also.

8/10

Lynchjustiz Poker Henry Hathaway Rache





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