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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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UNION PACIFIC (Cecil B. DeMille/USA 1939)


"There's nothing like hearing an engine whistle in the still night..."

Union Pacific (Die Frau gehört mir) ~ USA 1939
Directed By: Cecil B. DeMille


1861: Die Union-Pacific-Bahnlinie soll, von Präsident Lincoln persönlich abgesegnet, von Omaha bis an die Pazifikküste weitergebaut werden, um die wilden Weiten des Westens an die gepflegte Zivilisation des Ostens anzubinden. Zeitgleich baut die Konkurrenz von der Central Pacific ihre Geleise in dieselbe Richtung. Der millionenschwere Aktionär Asa Barrows (Henry Kolker) plant, den Bau der Union Pacific zu torpedieren, um später in den Genuss der Aktienmehrheit zu kommen. Dazu setzt er den windigen Spaßunternehmer Campeau (Brian Donlevy) ein, auf dass dieser die Moral der Eisenbahnarbeiter mit Whisky, Weib und Glücksspiel unterminiere. Dies jedoch passt dem neu eingesetzten Bahn-Schutzmann Jeff Butler (Joel McCrea) überhaupt nicht und er geht mit Vehemenz gegen Campeau vor, ebenso wie gegen die Sioux, gegen unliebsame Streikposten, gegen die feindselige Natur und gegen seinen alten Kumpel Dick Allen (Robert Preston), der für Campeau arbeitet.

Drei historische Grundfesten der Zivilisation erwiesen sich als entscheidend für die Fernkommunikation und die Mobilität Frontiersmen und West-Pioniere: Der Pony-Express, der Telegraph und schließlich die Eisenbahn, die nicht nur Nachrichten, sondern auch Personen und vor allem Wirtschaftsgüter von Küste zu Küste transportieren konnte. DeMille verleiht der Wegbereitung des "Eisernen Pferdes" sein übliches, pathosgeschwängertes Patriotismusbeiwerk und erklärt für 130 Minuten den Bau der Bahn nebst ihren heldenhaften Protagonisten zu der wichtigsten Grundfeste der modernen Landnahme. Vermag man über DeMilles überschwängliche Naivität im Umgang mit historischen Fakten, respektive seine vorsätzliche Negation historischer Fakten hinwegzusehen, darf man mit großem, pompösem Genrekino rechnen, das sehr viel über die Mentalität des goldenen Hollywood und seinen fragwürdigen Methoden der Geschichtsklitterung preisgibt: Dass Joel McCrea mit jeder noch so widrigen Situation fertig wird, mag man ja noch gut und gern glauben und selbst, dass sich im Westen beliebig und allerorten binnen fünf Minuten ein Goldrausch auslösen ließ, mag noch der Gutgläubigkeit zu Lasten gehen. Dass aber nicht ein Chinese beim Bau der 'Union' zu erspähen ist, dass ist, wenn nichts Schlimmeres, so zumindest doch eine faustdicke Schwindelei!

8/10

Historie Eisenbahn Pioniere Cecil B. DeMille period piece


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SWASHBUCKLER (James Goldstone/USA 1976)


"I'm not a fool. I'm an Irishman."

Swashbuckler (Der scharlachrote Pirat) ~ USA 1976
Directed By: James Goldstone


Im frühen 18. Jahrhundert machen die beiden Piratenfreunde Ned Lynch (Robert Shaw) und Nick Debrett (James Earl Jones) die Karibik unsicher. Besonders mit Lord Durant (Peter Boyle), dem Gouverneur von Jamaica, geraten sie ständig aneinander. Als Lynch die junge Edelmanns-Tochter Jane Barnet (Geneviève Bujold) kennenlernt, kann er ihr schwerlich den Wunsch abschlagen, ihren Vater aus Durants Fängen zu befreien und dem grausamen Statthalter den Garaus zu machen.

Drei Filme habe ich von Regisseur James Goldstone gesehen, und deren Kenntnis vermittelt mir ein recht verqueres Bild dieses Filmemachers bzw. seiner Auftraggeber. "Swashbuckler" darf wohl als repräentativ für die Arbeitweise dieses Auftragsfilmers angesehen werden: Aufwändig arrangiert, hochkarätig besetzt, technisch routiniert, aber seltsam unbeteiligt, ja, sogar desinteressiert muten seine Werke an. Goldstones Arbeiten scheinen stets müde und unerquicklich, als müssten sie tonnenschwere Lasten auf ihren Schultern tragen; als könnten sie die Bürde, ein Millionenpublikum unterhalten zu wollen oder zu müssen, kaum verkraften. Es ist schon bizarr, wie sehr "Swashbuckler" seine Lebensfreude als reformiertes Mantel- und Degen-Abenteuer förmlich aus allen Poren zu schwitzen sucht, dabei aber doch nur zaghafte Behauptung bleibt. Der Film rauscht mit all seiner schönen Ausstattung, der exotischen Kulisse, der hübschen Bujold und dem verrückten, hässlichen Boyle an einem vorbei und ist schon wieder vorüber, bevor man sich überhaupt recht zu orientieren weiß...

5/10

Piraten period piece Historie Karibik James Goldstone Jamaica


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THE LAST EXORCISM (Daniel Stamm/USA, F 2010)


"Is your dad a fraud?"

The Last Exorcism (Der letzte Exorzismus) ~ USA/F 2010
Directed By: Daniel Stamm


Reverend Cotton Marcus (Patrick Fabian) gibt im Zuge einer Dokumentation über seine Tätigkeit als Exorzist zu, dass seine bisherigen Aktionen reiner Mummenschanz waren und zwar dazu dienten, die Auftraggeber in Sicherheit zu wiegen, jedoch keinen Dämon oder ähnliches bezwungen hätten. Seine neueste Anfrage aus Baton Rouge, wo die Farmerstochter Nell (Ashley Bell) angeblich vom Teufel besessen ist, soll den Dokumentaristen als Beispiel für Marcus' etwas anrüchige Arbeit herhalten. Nach scheinbar getanem Exorzismus fangen die seltsamen Geschehnisse um Nell und ihre mitnichten vorgespielte Besessenheit allerdings erst an...

Typisches Beispiel für den aktuellen amerikanischen Horrorfilm, der versucht, abseits der Remake-Welle noch Innovatives zu produzieren, dabei jedoch zumeist kläglich scheitert. "The Last Exorcism" schwingt sich auf den stetig anwachsenden Tross der "embedded filmed movies", die mit der vorgeblichen Darstellung von pseudodokumentarischem Material den Rezipienten auf ihre Seite zu ziehen und das sich zwangsläufig einstellende Gefühl der Mittelbarkeit zu reduzieren sucht. Das funktioniert mal adäquat, wie in "[Rec]" oder "Paranormal Activity", und mal weniger gut wie in "Welcome To The Jungle" oder wie im vorliegenden Fall. Zunächst mal wirkt das Arrangement ziemlich weit hergeholt - die Montage mitsamt Schnitt, Beleuchtung und "Dramaturgie" wirkt selbst für eine Dokumentation etwas sehr fein abgestimmt. Ferner fragt man sich, wo die Hintergrundmusik herkommt. Vertraut der Film am Ende nicht auf seine "natürlichen" Mechanismen? Schließlich erweist sich der inhaltliche Mummenschanz um Sektierer und Dämonenbeschwörer als ein uralter Hut, der bei weitem nicht so ansprechend zieht wie zuletzt noch in "House Of The Devil", dann ist das Finale nach einem halbwegs ordentlich geschürten Spannungsaufbau leider ein kläglicher Witz. Schließlich bleibt noch die offenkundige Vorhersehbarkeit des Ganzen. Ich wusste zuvor nichts über "The Last Exorcism", ahnte aber mit zunehmender Gewissheit, in welche Richtung er sich entwickeln respektive wie er ausgehen würde. Für einen fest auf sein Überraschungsmoment spekulierenden Genrefilm, und noch mehr für sein Publikum, ist dies natürlich verhängnisvoll.

4/10

Daniel Stamm Exorzismus Sekte Louisiana Farm Daemon embedded filming


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DUE DATE (Todd Phillips/USA 2010)


"My father loved coffee, and now we loved him as coffee."

Due Date (Stichtag) ~ USA 2010
Directed By: Todd Phillips


Der Businessman Peter Highman (Robert Downey jr.) will unter allen Umständen rechtzeitig zur Geburt seines Söhnchens in Los Angeles sein, doch die Begegnung mit dem Laienschauspieler Ethan Tremblay (Zach Galifianakis) am Atlanta Airport macht ihm einen dicken Strich durch die Rechnung. Der chaotische Spinner Tremblay sorgt dafür, dass Peter den Weg heimwärts mit dem Mietwagen antreten muss und, damit nicht genug, diverse, von Tremnblay mit traumwandlerischer Sicherheit aufgespürte Stolpersteine ebenjenen Weg erschweren.

"Due Date" ist natürlich ein nicht ganz offizielles Remake von "Plains, Trains & Automobiles", das exakt dieselbe Thematik - arroganter Manager wird durch unfreiwillige Reise mit einsamem Exzentriker ent-zynisiert - nach philips'scher Manier modernisiert und modifiziert. Seine Familienkompatibilität entreißt Philips der wohlbekannten Road-Trip-Story und ergänzt sie dafür um ein paar unappetitliche bzw. politisch unkorrekte Gags um Onanie, Totenasche, Gewalt gegen Kinder und Marihuana-Konsum, die allesamt höchst witzig daherkommen und aus "Due Date" somit eine zwar vorhersehbare, nichtsdestotrotz aber prächtig unterhaltende Komödie machen, die, take a look, Judd Apatow!, sogar unter 100 Minuten bleibt.

7/10

Marihuana Todd Phillips Hund Grand Canyon Road Movie Mexiko


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WHITE HEAT (Raoul Walsh/USA 1949)


"Made it, Ma! Top of the world!"

White Heat (Sprung in den Tod) ~ USA 1949
Directed By: Raoul Walsh


Nach einem brutalen Postzug-Überfall mit vier Mordopfern sieht sich der Gangsterboss Cody Jarrett (James Cagney) schwer bedrängt. Um der Todesstrafe zu entgehen, lässt er sich in einem anderen Bundesstaat für ein parallel von einem "Kollegen" verübtes, kleines Verbrechen verurteilen und für eine Zweijahresstrafe ins Gefängnis sperren. Dort rückt ihm der V-Mann Fallon (Edmond O'Brien) auf die Pelle, der sich Codys Vertrauen nur sehr mühsam erschleichen kann. Draußen wird derweil Codys Mutter (Margaret Wycherly) ermordet, mit der den Verbrecher eine pathologische Liebe verbindet. Cody dreht durch, bricht, Fallon im Schlepptau, aus und rächt seine alte Dame. Der nächste Bruch, ein eigentlich sorgfältig geplanter Überfall auf eine Chemiefabrik, bedeutet schließlich Codys Ende.

Klimax, Ende und zugleich finaler Wegbereiter des klassischen Gangsterkinos, das und nichts weniger ist Walshs "White Heat"; größte Arbeit seines Regisseurs, größte Leistung seines Hauptdarstellers. Eine unglaublich gewalttätige Stimmung begleitet Walshs Genre-Fanal, die vor allem Cagneys bahnrechendem, teils improvisiertem Spiel als psychotisches, jederzeit vor der Explosion stehendes Muttersöhnchen zuzuschreiben ist. Solch eine darstellerische Intensität bedeutete selbst im Kino der ausgehenden Vierziger noch eine Form von Waghalsigkeit, denn wo bislang sämtliche der klassischen Filmgangster bestenfalls abgrundtief böse, aber auf ihre Weise stets berechenbar blieben, brachte Cagney als Cody Jarrett das gefährliche Moment der Undurchschaubarkeit mit sich, das sich selbst bis heute noch seinen Weg bis vor die Leinwand bahnt. Ich hatte das Glück, "White Heat" innerhalb meiner eigenen Biographie schon sehr früh im Fernsehen zu sehen, in einer mir damals geflissentlich anrüchig erscheinenden Spätausstrahlung irgendwann nach Mitternacht, an die ich mich selbst jetzt noch minutiös erinnere. Cagney hat für mich sein mit diesem Film installiertes, dämonisches Image, nie mehr abwerfen können und jene Szene in der Gefängniskantine, in der er nach der Nachricht vom Tode seiner Ma völlig ausrastet, ist mir bis heute einer der hervorstechendsten Gänsehautmomente geblieben. Von Walshs absolut geradliniger, exzellenter Regie, die nicht nur so dicht wie selten an den Figuren entlangbalabcierte, sondern zudem eindrucksvoll belegte, dass Männerkino nicht per se im Kriegsfilm oder Western zu finden sein müsse, zehrt freilich auch Cagneys Leistung.

10/10

Madness Rache Gefaengnis Raoul Walsh film noir


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THEY LIVE BY NIGHT (Nicholas Ray/USA 1948)


"I won't sell you hope when there ain't any."

They Live By Night (Sie leben bei Nacht) ~ USA 1949
Directed By: Nicholas Ray


Der junge Bankräuber Bowie (Farley Granger) arbeitet im Verbund mit den beiden alten Hasen Chickamaw (Howard Da Silva) und T-Dub (Jay C. Flippen). Als Bowie die nette Farmerstochter Keechie (Cathy O'Donnell) kennenlernt, brennt er, nachdem er bei einem erneuten Bruch schwer verwundet und von Keechie gesundgepflegt wird, mit ihr durch. Unterwegs heiraten die beiden und verstecken sich dann in einem Wochenendchalet in den Bergen. Doch Chickamaw macht sie ausfindig und nötigt Bowie zu einem weiteren "Ding", das für die beiden alternden Gangster den Tod bedeutet. Die mittlerweile schwangere Cathy versteckt Bowie im Motel einer alten Bekannten (Helen Craig), die das junge Paar an die Polizei verrät, um Straferlass für ihren eigenen Mann zu bekommen.

Poetisch-pessimistischer Film noir von Nicholas Ray und erste Adaption des eigentlich in der Depressionszeit angesiedelten Krimis "Thieves Like Us" von Edward Anderson. Gleich mit diesem Frühwerk gelang Ray eine meisterhafte Arbeit: Ray scheint jeglichen Naturalismus, jeglichen grellen Effekt und überhaupt jede Form der Vordergründigkeit ganz bewusst abzulehnen und konzentriert sich ganz auf die von vornherein zum Scheitern prädestinierte Liebesgeschichte seines Protahonistenpaars. Farley Granger besitzt dabei aber auch rein gar nichts von dem mysteriösen, aggressiven Zauber, der all die klassischen Gangster-Darsteller von Robinson bis Bogart einrahmte. Er ist eher - wie eigentlich stets in seinen damaligen Rollen - das verschüchterte, sich unterordnende Jüngelchen, ein Stücklein Holz in der Brandung, unfähig zur Gegenwehr und daher stets an der Schwelle zum Abgrund.
Ray scheint speziell mit diesem Werk die perfekte Vorlage für die Autoren-Theorie zu liefern; er gibt sich ganz als Metteuer en scène, hebt die Inszenierung deutlich von den Reizen seines Films ab und schafft damit eine höchst spezifische, so lyrische wie melancholische Stimmung, wie sie mir in sonst keinem anderen Noir-Stück begegnet ist.

10/10

Nicholas Ray amour fou Flucht film noir Couple on the Loose


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DARK PASSAGE (Demer Daves/USA 1947)


"You'd be insane to follow me. "

Dark Passage (Die schwarze Natter) ~ USA 1947
Directed By: Delmer Daves


Vincent Parry (Humphrey Bogart), angeblicher Mörder an seiner Ehefrau, der tatsächlich zu Unrecht verurteilt wurde, flieht aus San Quentin, um seine Unschuld zu beweisen. Vor San Francisco stößt er auf die junge Künstlerin Irene (Lauren Bacall), die ihm über die Runden hilft. Um Zeit zu gewinnen, lässt Parry sich von einem im Untergrund tätigen Chirurgen (Houseley Stevenson) das Gesicht verändern. Dies feit ihn jedoch nicht vor allzu neugierigen Polizisten und einem gierigen, kleinen Erpresser (Clifton Young). Schließlich muss Parry, nachdem er die wahre Schuldige (Agnes Moorehead) ausfindig gemacht hat, nach Peru fliehen, wohin ihm Irene, eine glückliche Zukunft zu zweit im Blick, alsbald folgt.

"Dark Passage" brachte manches Novum mit sich ins Kino: Nicht nur, dass Daves mit einer neuartigen, kleinformatigen Handicam arbeitete, um während des ersten Filmdrittels Parrys subjektive Perspektive zu visualisieren (ein mittlerweile etwas possierlich wirkendes, nichtsdestotrotz interessantes Experiment), er wurde zudem on location in San Francisco gefilmt, was für die damals noch vornehmlich im Atelier arbeitenden Studios eine durchaus ungewöhnliche Maßnahme bedeutete. Immerhin sind diese beiden Faktoren in der Hauptsache dafür verantwortlich, dass "Dark Passage" ein recht frisches, ungewöhnliches Aussehen verbuchen kann - allerdings hatte die Konstruktion der Story gleichsam zur Folge, dass man Bogarts Antlitz erst nach etwa einer Stunde zu sehen bekommt.
Die Kriminalgeschichte um Parrys unschuldige Verurteilung sowie um eine pathologisch eifersüchtige Irre, die tatsächlich für die Parry zur Last gelegten Verbrechen verantwortlich ist, wirkt derweil wie bloßes Beiwerk, zuweilen wie Ballast gar, der die deutlich spannendere Story um den verfolgten Mann mit neuem Gesicht eher ausbremst denn sie zuzuspitzen.

8/10

San Francisco Nacht Delmer Daves film noir


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GILDA (Charles Vidor/USA 1946)


"Statistics show that there are more women in the world than anything else. Except insects."

Gilda ~ USA 1946
Directed By: Charles Vidor


Der abgehalfterte Zocker Johnny Farrell (Glenn Ford) kommt nach Buenos Aires, wo ihm der Casino-Besitzer Ballin Mundson (George Macready) prompt das Leben rettet. Johnny wird Macreadys rechte Hand und leitet für ihn seinen Club, bis Macready ihm seine neue Frau Gilda (Rita Hayworth) vorstellt. Gilda und Johnny kennen sich noch von früher und haben sich keinesfalls vergessen. Eine Affäre um deutsche Wolfram-Konzessionen wird Macready schließlich zum Verhängnis und er täuscht seinen Selbstmord vor. Johnny und Gilda treiben nach Macreadys vermeintlichem Tod ein obskures Katz-und-Maus-Spiel. Erst Macreadys unerwartetes Wiedererscheinen bringt sie endgültig zusammen.

Vidors eigenartiger, nicht minder bezaubernder Romantikkrimi trieb die filmische Erotik in den Vierzigern um ein gutes Pfund nach vorn. Wenngleich die Zuschauer nahezu eineinhalb Stunden warten mussten bis zu jener, umgehend zur Legende avancierten Szene, in der die Hayworth "Put The Blame on Mame, Boys" haucht, dabei ihre langen Samthandschuhe abstreift und sich danach, um Glenn Ford zu brüskieren, von der johlenden Menge komplett ausziehen lassen will: Das war und ist sogar noch heute brandheißer Stoff. Die Kriminalgeschichte von "Gilda" indes degradiert zur puren Nebensache; ein eigenartiges "Konsortium" fast hanebüchen scheinender Wirtschafts- und Agenten-Spekulativa. So, wie Macreadys Figur zur Gänze eigentlich bloß einen personifizierten MacGuffin darstellt, der Hayworth und Ford als unbequemer Felsbrocken im Wege liegt und den es fachgerecht zu entsorgen gilt, um zum gemeinsamen Glück zu gelangen. Wobei, ob selbst nach dem Finale tatsächlich von "Glück" im klassischen Wortsinne die Rede sein kann, muss offenbleiben. Diese seltsame, von wechselseitig sadomasochistischen Tendenzen gefütterte Hassliebe könnte ihre Teilhaber auch ebenso gut in den Wahnsinn treiben. Auf ihre ganz spezielle Weise werden sie im Hollywood-Orkus aber sicherlich Befriedigung erlangt haben.

9/10

film noir femme fatale Buenos Aires Charles Vidor Casino amour fou


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HIGH SIERRA (Raoul Walsh/USA 1941)


"Sometimes I feel like I don't know what it's all about anymore."

High Sierra (Entscheidung in der Sierra) ~ USA 1941
Directed by: Raoul Walsh

Kaum dass der Gangster Roy Earle (Humphrey Bogart) amnestiert und aus dem Knast entlassen wird, plant er bereits sein nächstes großes Ding: Mit ein paar Kompagnons (Arthur Kennedy, Alan Curtis, Cornel Wilde) soll der Safe eines Luxushotels in der Sierra Nevada überfallen werden. Der Plan gelingt, aber bis auf Marie (Ida Lupino), die bei Roy im Wagen sitzt, kommen die anderen bei einem Unfall ums Leben. Von seinem Anteil finanziert Roy der unter einem Klumpfuß leidenden Velma (Joan Leslie) eine Operation, in der Hoffnung, sie möge seinen späteren Heiratsantrag annehmen. Doch Velma lehnt ab und Roy bleibt bei Marie, mit der er sich eine blühende Zukunft erhofft. Das Schicksal aber meint es anders mit ihm.

Bogart Hauptrolleneinstand, den er zwar immer noch nur unter Zweitnennung in der Besetzungsliste begehen durfte, der aber ganz klar bewies: Bogey ist der 'born leading man'. Seine Charakterisierung des traurigen, suchenden Gangsters Roy Earle zählt zu den wahrhaft unsterblichen Leistungen im Schaffen dieses kantigen Akteurs und "High Sierra" wiederum zu Walshs Meisterleistungen. Das unter anderem von John Huston fürs Script adaptierte Thema bewegte den Regisseur immerhin so sehr, dass er sechs Jahre später mit "Colorado Territory" ein eigenes Western-Remake schuf, diesmal mit Joel McCrea. Nachdem es zuvor bereits mehrfach an Cagney war, für seine Gangsterfiguren Zuschauersympathien zu evozieren, hatte nun Bogey die Aufgabe, den Verbrecher zum Menschen zu machen. Dass der sich zynisch gebende, beinharte Kriminelle, den die Presse "Mad Dog" tauft, tatsächlich auch ein einsamer, seines nervenaufreibenden "Berufs" müder Mildtäter ist, muss seinerzeit wie eine kline Film-Sensation angemutet haben; jedenfalls leidet man mit der Lupino und dem kleinen, unwissentlich verräterischem Hund Pard, als Roy Earle am Ende vom Berg heruntergeballert wird und tot unten ankommt. Verbrechen lohnte sich eben langfristig noch nie - wenigstens im Kino nicht.

9/10

Kalifornien Heist film noir John Huston Hund Raoul Walsh Motel car chase


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THEY DRIVE BY NIGHT (Raoul Walsh/USA 1940)


"Early to rise and early to bed, makes a man healthy, but socially dead!"

They Drive By Night (Nachts unterwegs) ~ USA 1940
Directed By: Raoul Walsh


Die beiden Brüder Joe (George Raft) und Paul Fabrini (Humphrey Bogart) verdingen sich in Kalifornien als Wild-Trucker, nehmen also Aufträge an, ohne bei einer bestimmten Spedition angestellt zu sein. Der Job ist hart und die Grenze zum Existenz-Minimum permanent in nächster Nähe. Nach einem Unfall, bei dem Paul seinen rechten Arm verliert, entschließt sich Joe, eine Festanstellung bei seinem alten Kumpel Ed Carlsen (Alan Hale) anzunehmen. Dessen Frau Lana (Ida Lupino) hat schon früher ein Auge auf Joe geworfen und versucht auch jetzt, da Joe soeben eine feste Beziehung mit der hübschen Cassie (Ann Sheridan) eingegangen ist, ihn mit allen Mitteln zu bekommen.

Mit dem von mir eingeschlagenen Weg ins Herz des goldenen Gangsterkinos hat "They Drive By Night" eigentlich nichts zu tun; vielmehr bildet er einen recht unikalen Brückenschlag zwischen gewissenslastigem, engagierten Sozialkino wie "Grapes Of Wrath" und dem sich in Kürze zur vollen Blüte entfaltenden film noir. Die Grundzüge beider Gattungen sind jeweils signifikant vorhanden und dabei fein säuberlich voneinander abgegrent: In der ersten Hälfte von "They Drive By Night" zeigt Walsh die unerbittlichen Arbeitsbedingungen der "Landschaftskapitäne", die teils unversichert und auf eigene Gefahr für ein Butterbrot zu werken hatten. Nachdem dieses Kapitel bereits zu Lasten eines der Protagonisten enden muss (Bogart gibt sich hier im Vergleich zu den folgenden Rollen noch sehr verletzlich und angepasst), bekommt es der andere in der zweiten Hälfte mit einer zunehmend dem Wahnsinn verfallenden femme fatale und einer Mordanklage zu tun, die er als gänzlich Unschuldiger jedoch aussitzen kann.
Dass die Ära des Gangsterfilms, parallel zum Beginn des Zweiten Weltkrieges übrigens, eine Zwangspause benötigte, demonstriert besonders der Einsatz der beiden Ex-Erzbösewichte Raft und Bogart in für sie ungewöhnlichen Heldenparts. Umso sympathischer, sie auch einmal darin genießen zu können.

7/10

Raoul Walsh Kalifornien Road Movie femme fatale film noir





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Funxton

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