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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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RULES OF ENGAGEMENT (William Friedkin/USA 2000)


"Waste those motherfuckers."

Rules Of Engagement (Rules - Sekunden der Entscheidung) ~ USA 2000
Directed By: William Friedkin


Der Golf von Aden 1996: Colonel Childers (Samuel L. Jackson) soll den Diplomaten Mourain (Ben Kingsley) und seine Familie (Anne Archer, Hayden Tank) aus der jemenitischen US-Botschaft evakuieren, die von einheimischen Demonstranten und von Heckenschützen unter Beschuss genommen wird. Nachdem Mourain in Sicherheit gebracht wurde, liegen Childers und seine Männer unter Dauerbeschuss. Für sie bleibt nur eine Überlebenschance: Die Demonstranten unter Beschuss zu nehmen. Diese Aktion artet jedoch in ein Massaker aus, bei dem zahlreiche unbewaffnete Frauen und Kinder niedergemtzelt werden. Zurück in den USA wird Childers vor dem Militärgericht dses Mordes angeklagt. Als Verteidiger wählt er seinen alten Freund Colonel Hodges (Tommy Lee Jones), dem er einst in Vietnam das Leben gerettet hat.

Für einen als liberal bekannten, künstlerisch integren Freigeist wie Friedkin stellt "Rules Of Engagement" einen recht ungewöhnlichen Œuvre-Eintrag dar. Rein thematisch liegt der Film in dichter Nähe zu "A Few Good Men", was auch der Grund dafür ist, warum ich mir die beiden just hintereinander angeschaut habe. Hier wie dort geht es um militärische Codes, individuelle Entscheidungen und die anschließenden Konsequenzen, hier wie dort steht ein übermäßig selbstkritischer Verteidiger mit übermächtiger Vaterfigur im Mittelpunkt, hier wie dort wird das US-Militär sowohl in einen sowohl kritischen als auch heroischen Kontext gesetzt. Dennoch ist "Rules" der erwachsenere, reifere, hellsichtigere, kurz: der bessere Film. Die Gründe dafür liegen zunächst schlicht in der Person des Regisseurs begründet. Friedkin wahrt und nährt im Gegensatz zu Reiner stets eine gewisse, spürbare Distanz zum Geschehen und scheut sich nicht, seinem Publikum eine gewisse Mündigkeit zu unterstellen, was das Treffen individueller Entscheidungen anbelangt. Ungeachtet der Tatsache, dass man mit solchen Männern lieber nichts zu tun haben möchte, ja, ihre bloße Funktion schon aufgrund des gesunden Menschenverstandes vielleicht gar besser bedauert, ist dieser Colonel Childers nicht nur im kombattanten Einsatz ein unerbittlicher Kommisskopf, ein Hund des Krieges, der stets zu Gunsten seiner Männer entscheidet; eine für einen Offizier womöglich unabdingbare "Qualität". Insofern ist Hodges' flamboyant vorgetragenes Schlussplädoyer vor Gericht nicht ganz unwahr: Ein Staat, der Männer von Childers' Schlag rekrutiert, kultiviert und großflächig zum Einsatz bringt, darf die späteren Resultate auch nicht allzu vehement kritisieren. Somit sind es hier auch einmal mehr die Schreibtischhengste, die Politiker, die sich als die wahren Schweinehunde zu outen haben - der um äußeres Renommee bemühte Sicherheitsbeauftragte Sokal (Bruce Greenwood) und der feige Botschafter Mourain (Ben Kingsley), die, das versichert man uns per Schrifteinblendung zur allgemeinen (und leider überflüssigen) Erleichterung am Ende noch, ihrer Strafe zugeführt werden. Alles andere als ein bequemer Film, den Meister Friedkin da vorgelegt hat, aber ein diskussionswürdiger und - bedauerlicherweise - letzten Endes wohl auch grundehrlicher.

8/10

William Friedkin Courtroom Golfkriege Vietnamkrieg Militaer


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A FEW GOOD MEN (Rob Reiner/USA 1992)


"You can't handle the truth!"

A Few Good Men (Eine Frage der Ehre) ~ USA 1992
Directed By: Rob Reiner


Der aalglatte junge Navy-Anwalt Lt. Kaffee (Tom Cruise) wird dazu verdonnert, zwei des Mordes angeklagte Marines (Wolfgang Bodison, James Marshall) vor dem Militärgericht in Washington D.C. zu verteidigen. Die beiden in Guantanamo stationierten Männer sollen einen anderen Soldaten (Michael DeLorenzo) im Zuge einer Mobbing-Maßnahme bewusst getötet haben. Es gibt jedoch zwei Haken: Zum Einen behaupten die Marines, sie hätten einen von ihrem Vorgesetzten (Kiefer Sutherland) erteilten Befehl ausgeführt - was dieser allerdings stoisch leugnet -, zum anderen hatten sie angeblich nie vor, ihr Opfer wirklich zu töten, es sollte lediglich "eine Lektion erteilt" bekommen.

Bei "A Few Good Men" handelt es sich grundsätzlich sicherlich um eines der vorrangigen Courtroom-Dramen der Kinogeschichte, das in in einer Liga spielt mit den ganz großen, allseits bekannten Hausnummern. Ohne ein deftiges "Aber" sollte man Reiners brillant gespielten Film aber dennoch nicht einfach so wegtreten lassen. Sein omnipräsentes Militärpathos, dessen sich das Script und die ansonsten dramaturgisch überaus dichte Hochglanz-Inszenierung bedienen, ist nämlich ganz gewiss ein markiger Kritikpunkt. Zwar geben sich Aaron Sorkins Stück, auf dem der Film basiert, und auch sein Buch als vordergründig uniformkritisch, halten das globalpolizeiliche Ethos der US Army, von wegen "wir müssen für die kämpfen, die selbst nicht kämpfen können" jedoch latent im Publikumsbewusstsein. Ist man mit seiner Hinterfragung des Ganzen erst soweit gekommen, wird man dann auch unweigerlich weiterbohren und frösteln müssen über die offen herausgekehrte Unbeholfenheit der zwei Angeklagten, die ja offensichtlich als repräsentativ für die meisten Privates und Lance Corporals des U.S. Marine Corps gelten dürfen: Hohlköpfige, blinde Organe für bigotte Vorgesetzte, die ihre Befehle, und mögen diese noch so widersinnig sein, weder mehr als nötig hinterfragen, noch zu eigenständiger Reflexion in der Lage sind. Auch wenn zumindest der Film am Ende anderes suggeriert: Das Straßmaß für die beiden Angeklagten ist ein Witz. Solch gefährliche Patrone gehören für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in den Bau. Davor sollte schon mal gar keine Uniform und auch kein noch so diabolischer Jack Nicholson schützen.

7/10

Militaer based on play Washington D.C. Rob Reiner Courtroom Kuba


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FIELD OF DREAMS (Phil Alden Robinson/USA 1989)


"Is this heaven?" - "No, it's Iowa."

Field Of Dreams (Feld der Träume) ~ USA 1989
Directed By: Phil Alden Robinson


Der Ex-68er und jetztige Farmer Ray Kinsella (Kevin Costner) hört eine Stimme in seinem Mais, deren Geflüster er dergestalt interpretiert, dass er ein Baseballfeld anlegen soll. Kaum dass dieses fertiggestellt ist, läuft nicht nur der durch den berüchtigten 1919er Black-Sox-Skandal (der acht Spielern der Chicagoer White Sox wegen angeblicher Korruption das berufliche Genick brach) entehrte und 1951 verstorbene "Shoeless Joe" Jackson (Ray Liotta) dort auf, sondern gleich auch die sieben anderen Spieler. Doch damit nicht genug - Rays magische Aufträge gehen weiter...

Ein uramerikanischer Film um diverse uramerikanische Themen: Um die Rede- und Meinungsfreiheit geht es, um die Bastion Familie, darum, dass Iowa City ja irgendwie doch das Zentrum der westlichen Zivilisation sein muss. Und um Baseball natürlich. Der alte Schuld-und-Sühne-Topos um die versäumte Aussöhnung mit dem verstorbenen Vater steht zwar als Inspiration für das Finale parat, ist letztendlich jedoch bloße Ausflucht. Tatsächlich ist der ganze Film ein kaum verschleiertes, wenn auch recht schönes und weitgehend kitschbefreites Hohelied auf und um die Errungenschaften des land of the free. Mit James Earl Jones, der einen farbigen J.D. Salinger-Verschnitt spielt und Burt Lancaster hat Robinson zwei grandseigneurs des amerikanischen Kinos gebucht, die für die unverzichtbare Edelpatina des Stoffs zuständig sind. "Field Of Dreams" ist bei aller nicht unberechtigten Kritik wohl ein recht schöner Film, dessen implizite Naivität ausnahmsweise mal nicht als kalkuliertes Mittel zum Zweck erscheint, sondern sich aus der märchenhaften Geschichte um den Geist und die Geister des Baseball autogeriert.
Phil Alden Robinson hat bislang lediglich vier Kinostücke inszeniert (das letzte davon, die Clancy-Adaption "The Sum Of all Fears", 02), wovon allerdings nicht "Field Of Dreams", sondern "Sneakers" der beste ist. Momentan agiert er eher aus dem Hintergrund heraus. Schade eigentlich.

7/10

W.P. Kinsella Erwachsenenmaerchen Phil Alden Robinson Baseball Geister Iowa


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FROM DUSK TILL DAWN (Robert Rodriguez/USA 1996)


"I suck!"

From Dusk Till Dawn ~ USA 1996
Directed By: Robert Rodriguez


Die beiden Bankräuber Seth (George Clooney) und Richard Gecko (Quentin Tarantino) fliehen, eine immense Blutspur hinterlassend, in Richtung mexikanische Grenze. Um diese unerkannt überqueren zu können, kidnappen sie den verwitweten Ex-Prediger Jacob (Harvey Keitel) und seine beiden Kinder (Juliette Lewis, Ernest Liu). Auf der anderen Seite der Grenze wollen die Geckos in einer Bar namens 'Titty Twister' die Wartezeit auf ihre El-Rey-Connection Carlois (Cheech Marin) verkürzen. Jener Schuppen entpuppt sich als Vampirnest und die folgende Nacht als lang und blutig.

Damals im Kino war "From Dusk Till Dawn" ein ziemlich prägendes Erlebnis, da Werke mit einem vergleichbaren Gore-Impact, dazu ungekürzt, zu dieser recht sauberen Filmperiode eine relative Rarität darstellten. Insofern gab es massig Anlass zum Feiern und Lachen, auch deshalb, weil die Pfade, auf denen Rodriguez' und Tarantinos erklärtes Reminiszenezenkino noch bei weitem nicht auf so breitgetretenen Pfaden wandelte, wie es heute ein Film Marke "Machete" zu tun pflegt. Dennoch muss wohl jeder aufrichtige Freund von "From Dusk Till Dawn" zugeben, dass die Erkenntnis der "Masche" sich im Laufe der letzten fünfzehn Jahre doch zunehmend aufgedrängt hat. Mancher Spruch scheint ausgelutscht bis Feuerland, mancher Vampireffekt tradiert und albern. Dennoch bildete das hier eine gewisse Pionierleistung mit ihrer wahrhaft traumhaften Exploitation-All-Star-Cast bis in kleine Nebenrollen, einem buchstäblichen Schwanzduell zwischen den Blutskonkurrenten Tom Savini und Greg Nicotero und ganz gezielt direkt übernommenen Einstellungen aus bereits manifesten Kultfilmen wie "Up!" oder "The Thing". Trotzdem, die Zeiten, da ich mir "From Dusk Till Dawn" mindestens einmal die Woche anschauen konnte, sind mit meinem Älterwerden passé geworden. Eigentlich ganz gut so, wie ich just feststellen konnte.

7/10

Hommage Robert Rodriguez Mexiko Quentin Tarantino Alkohol Texas Vampire Splatter Kidnapping


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BRIGHTON ROCK (John Boulting/UK 1947)


"You wanted a recording of my voice, well here it is. What you want me to say is, 'I love you'. Well I don't. I hate you, you little slut."

Brighton Rock ~ UK 1947
Directed By: John Boulting


Im Brighton der Zwischenkriegsjahre versucht sich der strebsame junge Gauner Pinkie Brown (Richard Attenborough) im schmutzigen Geschäft der Schutzgelderpressung. Dabei ist er im Vergleich zu Brightons führendem Gangsterboss Colleoni (Charles Goldener) bloß ein kleines Licht. Seinen folgenschweren Fehler, in die Stadt zurückzukehren bezahlt einer von Pinkys früheren Berufsgenossen (Alan Wheatley) dennoch mit dem Leben. Es gibt allerdings zwei mittelbare Zeugen: Die Tingeltangel-Sängerin Ida (Hermione Baddeley) und die junge Kellnerin Rose (Carol Marsh). Letztere macht sich Pinky durch vorgetäuschtes Liebesgesäusel zu eigen, ist jedoch viel zu abgebrüht, um es ehrlich mit ihr zu meinen.

Bitterstes, realitätsgebundenes Traditionsgangsterkino aus dem Königreich mit einem formidablen Attenborough, seinerzeit junge 24 und ungewohnt diabolisch. Mit Ausnahme seines Serienmörders John Christie in Fleischers "10 Rillington Place" dürfte der Part des skrupellosen Nachwuchsgangsters Pinky Brown seine schwärzeste Rolle darstellen. Ein wahrer Misanthrop vor dem Herrn ist dieser egomanische kleine Psychopath, einer, vor dem selbst seine sogenannten Freunde Angst haben, weil er jeden Fehltritt mittels bösester Sanktionen quittiert. Umso herzzerbrechender Browns Antagonistin, die naive junge Rose, die ihm, jener symbolischen, hoffnungsvollen Fahrkarte heraus aus dem tristen Katechismus ihrer unbeleuchteten Existenz, vollkommen verfällt. Ihrer bedingungslosen Liebe zu ihm begegnet Brown mit einem kühlen Lächeln voller Bitterkeit. Für sie, dieses kleine Dummchen, empfindet er tatsächlich nichts als misogyne Abscheu, die er in einem besonderen Anfall von Ekel sogar auf Schellack verewigt. Immerhin darf sie ihren verlogenen kleinen Traum von der großen Liebe selbst noch weiterträumen, nachdem der Atlantik Pinky Brown, jenen leicht verhinderten Cockney-Erben von Enrico Bandello und Co., längst verschluckt hat.

8/10

Roy Boulting Graham Greene period piece John Boulting Brighton


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YOU WILL MEET A TALL DARK STRANGER (Woody Allen/USA, E 2010)


"Let us all calm down!"

You Will Meet A Tall Dark Stranger (Ich sehe den Mann deiner Träume) ~ USA/E 2010
Directed By: Woody Allen


Parallel erzählte Liebes- und Leidensgeschichten vierer Londoner, allesamt miteinander verwandt: Alfie Shebritch (Anthony Hopkins) erlebt seinen dritten Frühling, trennt sich von seiner Frau Helena (Gemma Jones) und ehelicht eine dralle, aber unterbelichtete Prostituierte (Lucy Punch), derweil Helena den Scharlatanerien einer Wahrsagerin (Pauline Collins) verfällt und mit einem okkultistisch interessierten Buchhändler (Roger Ashton-Griffiths) anbandelt. Für Alfies und Helenas Tochter Sally (Naomi Watts) steht derweil die eigene Trennung von ihrem erfolglosen Autorenmann Roy (Josh Brolin) ins Haus. Während Sally bei ihrem Chef, einem reichen Galeristen (Antonio Banderas) abblitzt, findet Roy neue Hoffnung bei seiner schönen Nachbarin Dia (Freida Pinto), leistet sich jedoch einen unmöglichen beruflichen Faux-pas.

Ähnlich wie eine alljährlich stattfindende, behagliche Geburtstagsparty bringen Woody Allen und seine regelmäßige Werkskonstante bekanntermaßen nicht viel Neues, erheitern meinereiner jedoch stets zuverlässig, weshalb ich dem jeweils aktuellen Werk auch immer wieder mit wohliger Vorfreude entgegensehe. "You Will Meet A Tall Dark Stranger", wiederum in Allens neuem Zweitlieblingsdomizil London beheimatet, rekapituliert einmal mehr all die bekannten Topoi der mittlerweile 76 Lebensjahre umfassenden New Yorker Neurosenpeitsche: Alter und Jugend Scheidung und Reue, Verblendung, Amours fous und, in den letzten Jahren verstärkt hinzugekommen, ein krimineller Akt. Komödiantisch ist der Film nur in den ersten zwei Dritteln zur Gänze, als jeder der Protagonisten sich durch unbedachte Handlungen von Leichtgläubigkeit bis hin zum Voyeurismus lächerlich machen muss - danach, im finalen Akt, kommen die Konsequenzen und mit ihnen all die Minikatastrophen, die das Schicksal so aufzubieten weiß. Allen hinterlässt bewusst ein Gewirr loser Fäden - ob und wie seine Figuren ihre recht bösartigen Probleme meistern werden, verrät er uns nicht. Angesichts seiner zunehmend finsteren Sicht auf die Welt darf man aber mit de Schlimmsten rechnen.

8/10

Amour fou Woody Allen Ehe London Scheidung


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M (Fritz Lang/D 1931)


"Muss! Will nicht! MUSS! WILL NICHT!"

M ~ D 1931
Directed By: Fritz Lang


In Berlin geht ein pathologischer Kindermörder um, der nach außen hin unscheinbare Hans Beckert (Peter Lorre). Dieser versetzt nicht nur die Bevölkerung und die Polizei, allen voran Kriminalinspector Lohmann (Otto Wernicke), in Aufruhr, sondern auch das unter permanenten Großrazzien leidende, organisierte Verbrechen. Schließlich kommen die Unterweltler auf die zündende Idee, den noch anonymen Mörder mithilfe der städtischen Bettler zu finden, dingfest zu machen und ihn vor ihr hauseigenes Femegericht zu stellen.

Langs Meisterwerk in der restaurierten Fassung zu sehen, befreit vom Schmutz und Staub der Jahrzehnte und mattglänzend wie nie, ist, man kann es sich denken, ein wahrer Hochgenuss. Auch wenn "M" für mich kulturhistorisch betrachtet primär ein mit Döblins "Berlin Alexanderplatz" ranggleiches Porträt über die Hauptstadt der entstehenden und langsam kippenden Weimarer Republik (beides liest sich ganz gut als symbolbehaftete Fallstudie) darstellt - das eigentliche große Thema, das Lang zeit seiner Karriere bewegte - der gesellschaftlich Ausgestoßene im Angesichte der Lynchjustiz - wird hier bereits bis zur Vollendung ausgespielt, da es sich noch bewusst untendenziös gibt und die volle Entscheidungsgewalt seinem Publikum überlässt: Wie kann man einem Mann wie Hans Beckert in adäquater Weise begegnen? Die reale Antwort auf ebendiese Frage ergab sich wenige Wochen nach der Filmpremiere, als Peter Kürten, der "Vampir von Düsseldorf", zu dessen Fall "M" einige bewusste Analogien aufzeigte, seinem Scharfrichter begegnete und enthauptet wurde. Hier stand die soziale Bestialität der psychopathologischen für einen luftleeren Moment in nichts nach und Langs Film mit seinem bis heute unerreichten, ungeheuer intensiv aufspielenden Peter Lorre bekam seine vollendete historische Daseinsberechtigung. Was bleibt, ist Perfektion: gestern, heute, immerdar.

10/10

Serienmord Weimarer Republik Berlin Fritz Lang Unterwelt


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MOTHER'S DAY (Darren Lynn Bousman/USA 2010)


"I hate disco!"

Mother's Day ~ USA 2010
Directed By: Darren Lynn Bousman


Drei Einbrecher (Patrick John Flueger, Warren Kole), einer davon (Matt O'Leary) schwer verletzt, wollen sich nach einem missglückten Bankraub in ihrem alten Haus verschanzen, wissen jedoch nicht, dass es bereits vor einigen Jahren verkauft wurde. Nunmehr wohnt dort das Yuppie-Ehepaar Beth (Jaime King) und Daniel Sohapi (Frank Grillo), welches gerade einige Gäste zu einer Party im Hause hat. In punkto Demütigung, Folter und Drangsale also massig zu tun für die Gangster, besonders, als deren geistesgestörte Mutter (Rebecca De Mornay) dort eintrifft...

Der Titel ist derselbe, zwei der Hauptfiguren heißen Ike und Addley. Und sie haben eine Mutter mit seltsamen Vorstellungen häuslicher Regelpflege. Jede weitere Ähnlichkeit mit Charles Kaufmans satirischem Splatter-Klassiker ist rein zufällig und vermutlich noch nichtmal gewollt. Der 10er-"Mother's Day" bietet nurmehr völlig abgeschmacktes, kalkuliertes und konventionelles Terrorkino für einen oberflächlichen Filmabend zwischen Popcorn und Handy. Liest sich reaktionär? Ist aber verdammt wahr, denn Bousman und sein noch recht unbeschlagener Autor Scott Milam interessieren sich weder dafür, dem renommierten Original jedwede Ehre zu erweisen, noch legen sie Wert auf das Mindeste eines jeden Spannungsfilms: Glaubwürdigkeit. Nahezu jede im Film auftretende Person verhält sich dermaßen dämlich und irrational, dass ihr zumeist kurzfristig folgender Filmtod zur Erlösung geriert. Ohnehin ist einem, ein kapitaler Missgriff für ein sich diesem Horror-Subgenre zurechnendes Werk, recht schnell egal, was mit den Geiseln geschieht, da jeder einzelne von ihnen ein Arschloch ist, das ich sofort und ohne zu zögern von meiner persönlichen Freundesliste streichen würde angesichts einer ähnlichen Situation. Mann, mit welch personellem Gesocks man sich so herumschlagen muss im neumodischen Kino. Glaube ferner kaum, dass man hier eine schwarze Ethik-Studie im Sinn hatte, wobei, wenn Bousman seine "Saw"-ähnlichen Entscheidungs- und Kausalitätssituationen auffährt (und davon hat's gleich mehrere), kann man sich dessen auch nicht mehr sicher sein. Vor rund zwanzig Jahren gab's mal einen mediokren Krimi von Curtis Hanson, der hieß "The Hand That Rocks The Cradle" und hatte die De Mornay in einer ganz ähnlichen Rolle, was mich clevererweise dazu veranlasst, "Mother's Day" eher als ein inoffizielles Sequel von selbigem denn als Remake zu betrachten.
Dann ebbt der Ärger über das Gebotene auch gleich wieder etwas ab, und man kann ganz entspannt dem phänotypischen Sadismus des Horror-Aficionados stattgeben, den es ja doch immer wieder freut, wenn das Fleischermesser sein entseeltes Futter bekommt. Mjam.

4/10

Familie Remake Terrorfilm Darren Lynn Bousman Kidnapping Home Invasion


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ODDS AGAINST TOMORROW (Robert Wise/USA 1959)


"Well, to me you ain't just another white spot on the streets."

Odds Against Tomorrow (Wenig Chancen für morgen) ~ USA 1959
Directed By: Robert Wise


Um sich zu sanieren, will der betagte Ex-Cop Burke (Ed Begley) eine Bank in Merton, Upstate New York überfallen. Dazu braucht er noch zwei Männer, die er in den Gaunern Earl Slater (Robert Ryan) und Johnny Ingram (Harry Belafonte) gefunden zu haben glaubt. Burke bedenkt jedoch nicht, dass Slater und Ingram, einmal zusammengeführt, schlimmer als Hund und Katz sein müssen. Slater, ein ausgebrannter, misanthropischer und zur Gewalttätigkeit neigender Weltkriegsveteran legt starke rassistische Tendenzen an den Tag, während der farbige Ingram eine Familie zu versorgen und einiges an Schulden bei dem Kredithai Bacco (Will Kuluva) einzulösen hat - nicht eben die treffsicherste Konstellation für einen gelungenen Bruch...

Meisterliches von Wise, mit Blick auf seine Filmographie schätzungsweise einer seiner besten Filme. In tristgrauen, zutiefst im Realismus verankerten Einstellungen tischt Wise seine hoffnungslose Einbrechergeschichte auf, die, das weiß man bereits im Vorfeld, weniger von der eleganten Ausführung eines Coups handelt als vielmehr davon, drei desillusionierte Versager zum letzten Mal in ihrem Leben verlieren zu sehen. Bereits die gefeierte "Waiting"-Sequenz - Burke, Slater und Ingram halten sich, ihren Gedanken nachhängend und mit großem örtlicher Distanz zueinander, an einem Flussufer auf, um die Zeit bis zum Überfall zu überbrücken - ist von einer formalen Brillanz, die noch heute jeden angehenden Filmemacher in Ehrfurcht erblassen lassen und nachhaltig erschüttern sollte. Spätestens angesichts dieser flüchtigen Augenblicke wird auch klar, dass "Odds Against Tomorrow" eine brutale Studie des Scheiterns ist. Dabei wird der so groß angekündigte Rassismus-Aspekt glücklicherweise eher zur beiläufigen Facette - anders als die vielen thematisch ähnlich gelagerten Filme jener Zeit wirkt "Odds" nicht, als wolle er irgendwen oder irgendwas mit Gewalt etablieren. Seine bittere Konsequenz ist lediglich die, dass die Hautfarbe spätestens im Tode sowieso ohne jedwede Bedeutung ist.

10/10

Rassismus Heist Robert Wise New York Abraham Polonsky


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BURNT OFFERINGS (Dan Curtis/USA 1976)


"The house takes care of itself."

Burnt Offerings (Landhaus der toten Seelen) ~ USA 1976
Directed By: Dan Curtis

Die Stadtfamilie Rolfe kann das Gebot der beiden eigenartigen Geschwister Allardyce (Eileen Heckart, Burgess Meredith) nicht ablehnen, den ganzen Sommer über für einen Spottpreis in deren schickem Landhaus zu wohnen. Zwar sieht der Bau von außen recht verfallen aus, glänzt dafür im Inneren jedoch mit schönster Architektur. Gesagt, getan also. Dass die Rolfes sich um die 85-jährige Mutter Allardyce kümmern sollen, die ihr Zimmer unter dem Dach angeblich ohnehin nie verlässt, verkraftet Mutter Marian (Karen Black) als kleine Nebensächlichkeit. Schon bald beginnen die Rolfes mit Ausnahme des Jungen Davey (Lee Montgomery), sich jedoch auf seltsame Weise zu verändern. Vater Ben (Oliver Reed) durchlebt gewalttätige Episoden und leidet an Albträumen, Tante Elizabeth (Bette Davis) ist permanent müde und ausgelaugt und Marian beginnt, das Haus als ihr eigenes zu betrachten.

"Burnt Offerings" hat mir einst schwere Kindheitstraumata bereitet, als ich ihn irgendwann mal vor 26 oder 27 Jahren im nächtlichen Fernsehprogramm erspähte. Wunderbar, was gutes Gruselkino zu leisten vermag... Aber, wie dem auch sei, im Laufe der Jahre relativierte sich das Verhältnis zwischen mir und dem Film merklich und heute kann ich ihm, abgesehen von jeder unzerstörbaren Erfahrung, nicht viel mehr attestieren als den Status eines durchaus überdurschnittlichen Spukhaus-Films, der jedoch nicht am Sockel des Triumviratsthrones von "The Haunting" und "The Innocents" und "The Shining" zu kratzen vermag. Wie alle vernünftigen Spukhäuser "arbeitet" jedoch auch dieses weniger mit physischen Manifestationen seiner sinistren Mächte, als viewlmehr dergestalt, sich langsam in den Verstand seiner Bewohner einzuschleichen und dort dann wild herumzuholzen. Der Agent des Zuschauer ist dabei der arme Ben Rolfe (sehr sympathisch, der Mr. Reed), dessen erste Attacke auf seinen Sohnemann glücklicherweise die einzige bleibt und der irgendwann verständlicherweise nur noch eines will: weg hier! Das Ende knallt dann, nach all dem subtilen Spannungsaufbau, gehörig in die Tasten. Ganz toll natürlich auch Anthony James als fahler Höllenchauffeur, der eigentlich nichts weiter tut als breit zu grinsen.

8/10

Dan Curtis Haus Familie Besessenheit





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