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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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BLACK ANGEL (Roy William Neill/USA 1946)


"What a fine couple we two were..."

Black Angel (Schwarzer Engel) ~ USA 1946
Directed By: Roy William Neill


Die als sehr unangenehm bekannte Society-Schnepfe Mavis Marlowe (Constance Dowling) wird in ihrem Appartement ermordet. Hauptverdächtiger ist der treusorgende Ehemann Kirk Bennett (John Philips), der mit ihr eine Affäre pflegte. Mavis' eigener Ex-Mann, der alkoholkranke Bar-Pianist Martin Blair (Dan Duryea), hat indes einen ganz anderen Verdacht: Er hat noch am Abend von Mavis' Ermordung den windigen Clubbesitzer Mr. Marko (Peter Lorre) in ihrem Hause angetroffen. Zusammen mit Bennetts Frau Catherine (June Vincent), die ihren Mann unbedingt aus der Todeszelle holen möchte, beginnt Martin gegen Mr. Marko zu ermitteln.

Ganz ausgezeichneter film noir, leider inmitten der vielen anderen großen Klassiker dieser Jahre sehr untergegangen. Zu Unrecht: "Black Angel" ist ein kleines Kunstwerk. Schon die erste Einstellung, eine Kamerafahrt an der Fassade von Mavis Marlowes Wohnhaus hinauf und hinein in ihr Appartement weist den Weg - die Story von Neills letztem Film geht verschlungene Pfade. In "Black Angel" geht es darüberhinaus auch um die vernichtende Wirkung des Alkohols. Ein Jahr nach Wilders "The Lost Weekend" wird hier ein weiterer, bedauernswerter Protagonist Opfer seiner pathologischen Sucht und das gleich in mehrfacher Weise. Der notorisch unsympathische Dan Duryea, später vor allem gern für Schurkenrollen in kleineren Western herangezogen, ist als schlaksiger Suffkopp, dessen eiserne Überheblichkeit sich als reine Behauptung entpuppt, eine wahre Fundgrube. Und dann hat der Film neben seiner feinen Kameraarbeit und einigen nett vorgetragenen Songs noch eine absolut unschlagbare Ingredienz: Peter Lorre, einmal mehr als kleine, schmierige Halbweltschabe zu sehen, stiehlt allen und allem anderen die Schau.

8/10

Los Angeles Alkohol Roy William Neill film noir Sucht Cornell Woolrich


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DIE HEARTBREAKERS (Peter F. Bringmann/BRD 1983)


"Halt mich zurück, oder..."

Die Heartbreakers ~ BRD 1983
Directed By: Peter F. Bringmann


Recklinghausen, 1966. Freytag (Sascha Disselkamp) und seine Beatband "Heartbreakers" eifern den neuen britischen Rockheroen nach, auch wenn sie inmitten der Pottgesellschaft, die mehr auf gediegene Tanzschlager abfährt, wenig reißen können. Als der frustrierte Freytag die vom Leben ebenfalls nicht sehr verwöhnte Lisa (Maria Ketikidou) kennenlernt, kommen neue Vibrations in die Hütte - und nicht nur gute...

Speziell vor der Wiedervereinigung entstandene Filme im und übers Ruhrgebiet haben es mir aus wörtlich naheliegenden Gründen sehr angetan. "Die Heartbreakers" ist einer jener verschollen geglaubten Privatklassiker, bei denen man permanent auf den seltenen Luxus einer TV-Wiederholung wartete und die jetzt endlich für den DVD-Markt gehoben wurden. Den seit jeher so subversiven wie revolutionären Charakter von Rockmusik - ganz gleich welcher Kuleur - als Mittel hermetischer jugendlicher Kommunikation mit der Außenwelt betonend, rekapituliert Bringmann die von ihm offenbar selbst und regelmäßig in schöner Nostalgie verklärten Sechziger. Dass "Die Heartbreakers" trotzdem ein eindeutiger Achtziger-Film ist und sich bestenfalls an den Autos ablesen lässt, in welcher Zeit er angesiedelt sein soll, ist kaum weiter von Belang - die Recherche stimmt, Atmosphäre und Geist zählen. Und von beidem hat Bringmann hinreichend im Gepäck.

7/10

period piece Ruhrpott Peter F. Bringmann Musik Recklinghausen


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ABSOLUTE GIGANTEN (Sebastian Schipper/D 1999)


"Einmal alles."

Absolute Giganten ~ D 1999
Directed By: Sebastian Schipper


Erst runde 24 Stunden vor seinem endgültigen Weggang aus Hamburg offenbart der soeben von der Bewährungsfrist freigesprochene Floyd (Frank Giering) seinen besten Freunden Ricco (Florian Lukas) und Walter (Antoine Monot Jr.) seine Pläne. Diese sind zunächst tief betroffen, machen dann aber die folgende Nacht zum Tage, indem sie durch die Clubs und Kneipen ziehen, sich mit einigen "Stunt-Elvissen" anlegen, den gefürchteten Snake (Jochen Nickel) im Kickern bezwingen und die süße Telsa von einer Alkoholvergiftung kurieren.

Wiederentdekung des Jahres. Wer sagt, der deutsche Film könne nichts, der soll sich schleunigst und gefälligst Sebastian Schippers wunder-, wunderschönes Freundschaftsdrama in dem Weinen, Melancholie und trockener Humor ganz dicht komprimiert und beieinander sind, ansehen. Nicht nur einer der großen Filme über Urbanität im Allgemeinen und Hamburg im Speziellen und Freundschaft sowieso, sondern zuvorderst wohl das, was man mit Fug und Recht als ein zeitloses Kunstwerk von makelloser Schönheit und Geschlossenheit bezeichnen muss. Als mir unmittelbar nach dem Abspann klar wurde, dass Frank Giering ja schon tot ist, bekam ich die tiefe Traurigkeit bis zum Einschlafen nicht mehr aus den Knochen. Und das invasorische Titelriff sowieso nicht.

10/10

Sebastian Schipper Hamburg Freundschaft Alkohol


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LUFTSLOTTET SOM SPRÄNGDES - DIRECTOR'S CUT (Daniel Alfredson/SE, DK, D 2009)


Zitat entfällt.

Luftslottet Som Sprängdes - Director's Cut (Vergebung - Director's Cut) ~ SE/DK/D 2009
Directed By: Daniel Alfredson

Nur mit knapper Not entgeht Lisbeth Salander (Noomi Rapace) dem Mordanschlag durch ihren Vater (Georgi Staykov) und ihren Halbbruder (Micke Spreitz) und landet schwer verletzt auf der Intensivstation. Die Polizei sitzt ihr jedoch nach wie vor im Nacken, da sie weiterhin als Hauptverdächtige für einen Dreifachmord gilt. Die "Sektion" ist derweil dabei, alle Mitwisser um ihre Existenz, darunter auch Zalachenko, der nur ein paar Zimmer von Lisbeth entfernt liegt, gnadenlos um die Ecke zu bringen. Blomkvist (Michael Nyqvist) hilft Lisbeth derweil von außerhalb: Er macht ihre Akte ausfindig und recherchiert einige Beweise für Lisbeths quasi lebenslange, unflätige Behandlung durch die Staatsbürokratie.

Das Finale der "Millenium"-Trilogie geriert sich etwas ruhiger als die beiden Vorgänger und schwenkt mehr Richtung Drama. Im Kern des Films steht Lisbeths Gerichtsverhandlung, die klären soll, ob ihre Unmündigkeitserklärung und die psychiatrischen Gutachten tatsächlich gerechtfertigt sind. Dabei erfährt man wiederum einige Details aus der unrühmlichen Vergangenheit der Dame, die ihren bizarren Hang zur Finsterromantik, den Lisbeth zur Zeichensetzung besonders während des Prozesses auslebt, denn auch etwas plausibler machen. Ansonsten hat man dem Film jawohl des Öfteren offen zum Vorwurf gemacht, dass er nach den flotten Vorgängern etwas den Fuß vom Gas nimmt, jedenfalls meine ich, mich an Entsprechendes erinnern zu können. Finde derartige Kritik überhaupt nicht gerechtfertigt. Höchstens Lisbeths finales Duell gegen ihren Halbbruder, den blonden Nazi-Roland ist möglicherweise ein wenig zuviel des Guten. Musste aufgrund der location permanent an den "Cobra"-Showdown denken, aber das ist wohl mein persönliches Problem. Resümierend empfinde ich die "Millenium"-Filme wie bereits erwähnt als vortrefflichen Unterhaltungsstoff, der sich zwar abmüht, seinem Publikum gegenüber immer moderat zu bleiben und stets in gesicherten Bahnen verläuft, diese aber auch reichlich auszufüllen weiß.

7/10

Millenium-Trilogie Courtroom Journalismus Daniel Alfredson Stieg Larsson Schweden


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PUSHER 3 (Nicolas Winding Refn/DK 2005)


Zitat entfällt.

Pusher 3 ~ DK 2005
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der berüchtigte Kopenhagener Gangster Milo (Zlatko Buric) hat Probleme: Während seine Tochter Milena (Marinela Dekic) mit großem Trara ihren 25. Geburtstag feiert, steht er bei ein paar Ecstasy-Dealern in der Kreide, die ihm ursprünglich Heroin versprochen und dann die absatzlahmen Pillen geliefert haben. Um sie zu beschwichtigen, beherbergt Milo kurzfristig einen polnischen Mädchenhändler in seinem Restaurant, dessen herrisches Verhalten bei Milo nach kurzer Zeit alle Sicherungen durchbrennen lässt. Bald hat er zwei Leichen am Hals und sein alter Freund Radovan (Slavko Labovic), mittlerweile ehrbarer Pizzabäcker, soll ihm bei der Entsorgung helfen.

Im dritten "Pusher"-Film widmet sich Nicolas Winding Refn in der Hauptsache dem Ex-Jugoslawen Milo, einziges personelles Bindeglied zwischen allen drei Filmen. Die Nöte eines alternden Gangsters, der, zumal selbst schwer abhängig, mit Heroin und Koks aufgewachsen ist und mit neumodischem Zeug wie Ecstasy nichts anzufangen weiß, vermittelt Winding Refn in einer gewagten Mixtur aus Humor und Tragik. Wie der stressgeplagte Milo, den man bereits im ersten Teil als unberechenbaren Charakter mit zugleich immens komischem Potiental kennengelernt hat, zwischen Treffen der "Anonymen Drogensüchtigen", seinen Geschäften, der Party-Organisation und später der Bereinigung seiner unkontrollierten Bluttaten hin- und herhetzt, das hat natürlich klar identifizierbare Wurzeln: Man denke nur an das letzte Drittel von "Goodfellas", in dem ein bis zur pathologischen Paranoia bekokster Ray Liotta von einem Polizeihubschrauber durch die Gegend gehetzt wird oder an Warren Beatty, der als "Bugsy" zwischen "Geschäftsgesprächen" und töchterlicher Geburtstagstorte hin- und hereilt. Als kleine Hommage an diese großen Vorbilder funktioniert "Pusher 3" bestens, und nicht bloß als solche. Man darf nur hoffen, dass Winding Refn sich entschließt, es nicht bei einer Trilogie zu belassen, sondern viele weitere Figuren im Kopenhagener Gangstermilieu entdeckt, die genug Potential für ein Unterwelt-Abenteuer hergeben. Im Zweifelsfall kann er ja auch einen seiner alten Helden zurückkehren lassen...

8/10

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PUSHER II (Nicolas Winding Refn/DK 2004)


Zitat entfällt.

Pusher II ~ DK 2004
Directed By: Nicolas Winding Refn


Nachdem er aus dem Knast entlassen wird, versucht der nicht allzu intelligente Tonny (Mads Mikkelsen), in der KFZ-Werkstatt seines Vaters (Leif Sylvester), in Kopenhagen bekannt und gefürchtet als "der Schmied", unterzukommen. Doch der Schmied hat für seinen Sohn kaum mehr als Verachtung übrig und schätzt seinen Angestellten Ø (Øyvind Hagen-Traberg) deutlich höher. Zudem erfährt Tonny, dass er einen kleinen Sohn hat, dessen Mutter ausgerechnet die allerorten als Schlampe verrufene Charlotte (Anne Sørensen) ist. Als der dauerbekokste Kleingauner Mösen-Kurt (Kurt Nielsen) Tonny schließlich auch noch in eine Schuldenaffäre hineinzieht, steht dieser bald noch bedröppelter da als ohnehin, zumal das ausgelegte Geld dem Schmied gehört. Tonny steht in der Zwickmühle zwischen seinem ihn hassenden Erzeuger und dem Bedürfnis, dem eigenen Sohn einst ein besserer Vater zu sein.

Acht Jahre nach "Pusher", dessen Ende weniger offen blieb als es ehedem den Anschein hatte, wendet sich Nicolas Winding Refn erneut jenem urbanen Universum aus Drogen, bizarrer Vitalität und Tod zu. Diesmal steht Tonny, den man auch problemlos für tot hätte halten können, dessen Schicksal nach dem Erstling zumindest offen war, im Fokus der Erzählung. Tonny erweist sich als ein noch tragischerer Charakter denn sein alter Freund Frank, zeigt sich doch im Laufe des Films, dass er völlig einsam ist und keinen Menschen hat, der zu ihm hält. Umso intensiver sein in ihm keimender Wunsch, allen anderen eine lange Nase zu drehen und selbst Verantwortung für jemanden zu übernehmen. Die zuvor verübte Verzweiflungstat, nichts weniger als klassische antike Tragödie, wirkt dabei wie ein gigantischer Befreiungsakt. Am Ende heißt es dann gezwungenermaßen wieder: "Leaving Copenhagen". Be quick or be dead!

8/10

Drogen Kokain Kopenhagen Dänemark Nicolas Winding Refn Familie


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PUSHER (Nicolas Winding Refn/DK 1996)


Zitat entfällt.

Pusher ~ DK 1996
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der Kopenhagener Kleindealer Frank (Kim Bodnia) gerät eines Tages in immense Schwierigkeiten, als er ein Geschäft versaut, bei dem wegen eines unvorhersahbaren Polizeieinsatzes ein großes Kontingent Heroin des Gangsters Milo (Zlatko Buric) im Wasser landet. Die lästige Polizei kann Frank fürs Erste abschütteln, doch sein bester Kumpel Tonny (Mads Mikelsen) hat ihn offenbar verraten und Milo und sein Henchman Radovan (Slavko Labovic) wollen ihren Verlust nebst einigen Altschulden von Frank ersetzt haben. Jener sitzt bald zwischen allen Stühlen.

Eine Schande, dass ich mich erst so spät an "Pusher" und die beiden Nachfolger herangemacht habe, aber irrationale Vorurteile haben mir da wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zum einen zählt der wie mir erst später bewusst wurde, einige Jahre jüngere, ebenfalls aus Dänemark stammende und im Gangstermilieu spielende "I Kina Spiser De Hunde", in dem gleichermaßen Kim Bodnia die - von mir seinerzeit als besonders enervierend wahrgenommene - Hauptrolle spielt, zu meinen größten cineastischen Hassobjekten, zum anderen nahmen die mir permanent von Freunden und Bekannten vorgehaltenen Vorschusslorbeeren irgendwann dermaßen überhand, dass ich überhaupt keine Lust mehr auf die Filme verspürte. Erst Winding Refns sensationeller "Valhalla Rising" hat mich bezüglich der Qualitäten des Regisseurs eines Besseren belehrt - manchmal braucht man eben einfach die Axt. Der letztwöchig verbrachte Dänemark-Urlaub auf dem schönen Kegnæs erschien mir jetzt als zumindest regional passend für die "Pusher"-Trilogie. Und in welcher Windeseile ich die Filme verschlungen habe. Inhaltlich wusste ich glücklicherweise gar nichts über sie, so dass der Genuss sich umso großzügiger entfalten konnte.
Das Kaleidoskop des vorgestellten Personals ist bereits grandios; schon bei der Betrachtung dieses ersten Films verkuckt man sich regelrecht in die unterschiedlichen Charaktere, denen Winding Refn sich mit dokumentarischer Präzision nähert und los lassen sie einen auch Tage später nicht. Besonders der jugoslawischstämmige Gangster Milo, der sich von einem verschrobenen, lustigen Exzentriker Marke Kusturica zu einem gewalttätigen Monster entwickelt, hatte es mir gleich angetan. Glücklicherweise soll man ja später noch mehr von ihm zu sehen bekommen.

9/10

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BIGGER THAN LIFE (Nicholas Ray/USA 1956)


"God was wrong!"

Bigger Than Life (Eine Handvoll Hoffnung) ~ USA 1956
Directed By: Nicholas Ray


Der wegen eines Nebenjobs hoffnungslos überarbeitete, aber gutherzige Lehrer und Familienvater Ed Avery (James Mason) erkrankt ernsthaft. Nach einer eingehenden Untersuchung legt ihm sein Arzt (Robert Simon) nahe, es mit dem neuen "Wunder-Medikament" Kortison zu versuchen. Tatsächlich verschwinden die Schmerzen nach wenigen Tagen, doch falsche und unvorsichtige Dosierungen sorgen für eine Veränderung von Eds Psyche: Zunächst durchlebt er manisch-depressive Episoden, die ihn auf der Arbeit unmöglich machen und seiner Frau (Barbara Rush) und seinem Jungen (Christophr Olsen) bereits große Angst machen. Schließlich wird er endgültig psychotisch und zu einer Gefahr für seine Familie.

Wie eine Vorstudie zu "The Shining" mutet Rays wundervoller "Bigger Than Life" manchmal an; Frau, Kind und ein mehr und mehr dem Wahnsinn verfallender Vater. Allerdings sind hier nicht Einsamkeit und ein mysteriöses Hotel die Ursachen für den psychischen Verfall, sondern Medikamentenmissbrauch, um die Mitte der Fünfziger ein heißes Eisen. Dass pharmakologische Innovationen stets mit Vorsicht zu genießen sein sollten, wissen heutzutage die meisten, die damit konfrontiert werden, für den Durschnittsbürger Ed Avery (= average) ist indes nur der erste Effekt maßgeblich. Von den Warnungen seines Arztes, die vorgeschriebene Dosis strikt einzuhalten, hält er nicht viel. Allerdings treten im Rauschradius des Kortison innere Dämonen zutage, deren Befreiung längst hätte stattfinden sollen: Eine tief verwurzelte Unzufriedenheit mit seinem Beruf und seiner finanziell gezwungenermaßen einfach gehaltenen Existenz sowie irre Aggressionen gegen seine Erziehungsobjekte, darunter auch seinen eigenen Sohn. Diese "Jekyll-&-Hyde"-Ausrichtung verleiht "Bigger Than Life" zusätzlich zu seiner repräsentativ für jede Form der Sucht und speziell des Drogen- und Alkoholmissbrauchs stehendem Impetus eine zusätzliche, tiefe Schwärze, von James Mason bravourös in Form gegossen.

9/10

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GIANT (George Stevens/USA 1956)


"Money isn't everything, Jett." - "Not when you've got it."

Giant (Giganten) ~ USA 1956
Directed By: George Stevens


In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts angesiedelte, generationenumfassende Chronik der texanischen Familie Benedict, die mit einer Rinderranch reich geworden ist, um dann mit Ölbohrungen noch reicher zu werden.

Jedesmal, da ich Stevens Mammutwerk wieder gesehen habe, denke ich mir, wie zwingend notwendig er eigentlich auf meine zugegebenermaßen nicht unkurze Lieblingsfilmliste gehörte. Aber da das mit den Listen ja sowieso alles Schmarren ist, lasse ich diesen Gedanken müßig sein. Ich bin ja ohnehin ein grundsätzlicher Intimus von Jahrzehnte umspannenden Familienchroniken, liegen sie nun in visualisierter oder in gedruckter Form vor. Da ich außerdem von Natur aus ein äußerst neugieriger Mensch bin und es mir ausnehmenden Spaß bereitet, anderen beim Zwietracht säen und Ränke spinnen zuzuschauen, darf das Ganze mitunter sogar etwas kitschig ausfallen. Am Schönsten ist es aber, wenn wohlhabende Kapitalisten auf die Schnauze fallen. Nun repräsentiert "Giant" eigentlich das ziemliche Gegenteil von alldem. Die Probleme und Schwierigkeiten der Benedicts differieren nicht sonderlich von denen einer jeden bürgerlichen Familie und der einzige, der am Ende das Nachsehen hat, ist der ohnehin stets eifersüchtige und neidische Emporkömmling Jett Rink (James Dean, klassisch). Eigentlich könnte man "Giant" auf den ersten Blick sogar widerlich finden, transportiert er sein liberales Gedankengut um Feminismus und Anti-Rassismus doch auf eine sehr betuliche Art und prononciert vordergründig Standesdünkel und Hochfinanz. Aber mit ein bisschen Röntgenblick findet man dann doch die wohlfeile Satire, das böse, hinterfotzige Augenzwinkern an diesem Ende und an jener Ecke und bemerkt, dass dieser epochale Film eigentlich mit keiner seiner Figuren hundertprozentig sympathisiert, außer vielleicht mit dem nahezu dialoglos auftretenden Angel Obrégon, der, aus einer Generation von Gastarbeitern stammend, im Zweiten Weltkrieg fürs falsche Vaterland fällt. Genau diese Satire ist es, die der Pracht von "Giant" erst ihren finalisierenden Schneid verleiht und genau darum ist Stevens' Meisterstück so einzigartig und grandios.

10/10

George Stevens Ranch Edna Ferber Familie Texas


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THE HIGH AND THE MIGHTY (William A. Wellman/USA 1954)


"I heard you whistlin' and I said to myself only one guy does that just so."

The High And The Mighty (Es wird immer wieder Tag) ~ USA 1954
Directed By: William A. Wellman


Ein Passagierflug von Honolulu nach San Francisco wird für die Piloten Dan Roman (John Wayne) und John Sullivan (Robert Stack) zum Spießrutenlauf, denn die Maschine verliert Treibstoff und ein Propeller fängt Feuer. Für den panisch werdenden Sullivan ist eine Notwasserung unausweichlich, während Roman, der bei einem früheren Flugzeugcrash seine Familie verloren hat, mit allen Mitteln den Zielflughafen erreichen will. Die an Bord befindlichen Passagiere ringen derweil mit ihren privaten Problemen und der unweigerlichen Todesangst.

Ein Jahr nach dem schönen Männerabenteuer "Island In The Sky" fabrizierte Wellman, wiederum für die Wayne-Fellows, diesen noch schöneren, frühen Katastrophenfilm. Wie der Vorgänger basiert auch "The High And The Mighty" auf einem Roman und Script des früheren Piloten Ernest K. Gann. Für Duke, dessen Rolle als Retter in der Not eigentlich Spencer Tracy hatte übernehmen sollen, kam die Besetzung erst recht spät - dabei eignet sich, wie sich zeigen soll, der Part des souverän bleibenden Retters aus der Not mit hohem Schuld-und-Sühne-Potential hervorragend für ihn. Formal ist "The High And The Mighty" gegenüber "Island In The Sky" (die zwei Titel währen übrigens beliebig austauschbar, weswegen es wohl auch schon häufiger zu Verwechslungen gekommen ist) komplett diametral angelegt: Der eine in kargem, sphärischem schwarz-weiß, der andere in knallbuntem, ausladendem CinemaScope. "The High And The Mighty" legt überdies zahlreiche Spuren in die kommende Filmhistorie. Die kitschgefährdete und dennoch stets gediegen bleibenden Dramatismen der späten Filme Douglas Sirks werden hier bereits formvollendet antizipiert, der bis heute hochaktuelle Ensemblefilm mit diversen parallel laufenden und sich kreuzenden Geschichten findet eine seiner früheren Inkarnationen, schließlich gibt Wellmans Film die Standards und Stukturen des sich fünfzehn Jahre später mit "Airport" einläutenden Katastrophenfilms vor. Viel Stoff zum dran nagen also, und dazu ein reichhaltiger, überlanger Filmgenuss.

8/10

Hawaii Ensemblefilm Flugzeug William A. Wellman San Francisco





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Funxton

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