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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ALWAYS (Steven Spielberg/USA 1989)


"There's something fishy going on here, and I don't think it's the chicken."

Always ~ USA 1989
Directed By: Steven Spielberg

Just als der mutige Löschflieger Pete Sandich (Richard Dreyfuss) sein gefährliches Metier zugunsten seiner großen Liebe Dorinda Durston (Holly Hunter) aufgeben will, reißt ihn sein nächste Einsatz in den Tod. Doch Pete darf erst endgültig ins Jenseits entschwinden, wenn er als unsichtbarer Geist die letzten losen Enden seiner fleischlichen Existenz verknotet und außerdem den Nachwuchspiloten Ted (Brad Johnson) zu einer standfesten Karriere verholfen hat.

Dieses Remake von Victor Flemings "A Guy Named Joe", einem propagandistisch angehauchten Fliegerheldenepos aus den Tagen des Zweiten Weltkriegs, machte Spielberg vor allem sich selbst zum Gefallen. Gedacht als Hommage an all die jugendfreien Kitsch- und Abenteuerfilme, die seine Kindheit bestimmten, blieb er selbst hier ebenso klinisch sauber, sozusagen antiseptisch, wie das Studiokino zu Zeiten des production code und stellte damit einmal mehr die Krämerseele hinter dem längst geadelten Blockbusterregisseur zur Schau. Allein das Milieu der waldbrandbekämpfenden Feuerpiloten und -springer war um 1990 ein filmische Antiquität und spiegelt bereits im Vorhinein den obsolten Habitus wieder, der "Always" auszeichnet. Dann lernt man die bewusst stereotyp angelegten Charaktere kennen, die sich seit ihrer Originaleinführung 47 Jahre zuvor faktisch um keine Nuance verändert haben. Es gibt, besonderer Besetzungscoup, Audrey Hepburn als Engel in ihrem letzten Filmauftritt. Sowas konnte wiederum nur ein Spielberg zustande bringen, der ja bereits zum allgemeinen feuilletonistischen Entsetzen François Truffaut in einen seiner Geistesauswüchse zu locken gewusst hatte. Der Film selbst schließlich bleibt vor allem als hell, lichtdurchflutet und gänzlich harmlos im Gedächtnis, in seiner Bravheit beinahe anachronistisch, am Ende aber eben doch Spielberg durch und durch.

6/10

Steven Spielberg Montana Colorado Flugzeug Engel Joe Johnston


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A DANGEROUS METHOD (David Cronenberg/CA, UK, D, CH 2011)


"You ought to go there and beat her up."

A Dangerous Method (Eine dunkle Begierde) ~ CA/UK/D/CH 2011
Directed By: David Cronenberg

Im Jahre 1904 kommt die jüdische Russin Sabina Spielrein (Keira Knightley) als Patientin zu dem Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung (Michael Fassbender), der ihre Obsession, die auf ein Missbrauchstrauma aus frühester Kindheit zurückgehen, mit viel Geduld und via Gesprächstherapie kann. Parallel zur sich mehr und mehr intensivierenden Beziehung zwischen Arzt und Patientin korrespondiert Jung mit seinem älteren Wiener Berufsgenossen Professor Freud (Viggo Mortensen), der Jung den freigeistigen Analytiker Otto Gross (Vincent Cassel) als Patient zuschanzt. Gross' Sicht der Dinge hinterlässt tiefen Eindruck bei Jung, der sich schließlich in eine Affäre mit Sabina stürzt. Als Freud davon erfährt, bricht er mit Jung, dem er neben dieser Art beruflicher Unprofessionalität dessen Liebäugeleien mit der Parapsychologie nicht nachsehen mag.

Ein den historischen Kinderschuhen der Psychoanalyse gewidmetes Kostüm- und Historiendrama, das man in der vorliegenden Form viel eher als dem Œuvre eines Regisseurs wie Miloš Forman entstammend vermuten würde denn der Linse Cronenbergs entsprungen. Als sein bis dato unradikalstes und selbst für eine auf Kulturausflug befindliche Seniorengruppe goutierbares Werk ist "A Dangerous Method" vor allen Dingen eines: gepflegt. Reizschwellen jedweder Natur werden hier nicht angestoßen, ein bisschen Popoklatschen auf wallenden Leingewändern dürfte wohl niemand mehr als schockierend empfinden. Nun mag der eine oder andere traditionsbewusste Cronenberg-Anhänger sich angesichts dessen wahlweise etwas verprellt oder gar im Stich gelassen fühlen; tatsächlich jedoch weist die allgemeine Tendenz in des Altmeisters Schaffen bei genauerer Betrachtung bereits seit längerem in diese Richtung. Mit psychischen Defekten und Psychiatrie beschäftigte sich der Filmemacher bereits ("Spider"), ebenso mit gleichermaßen verzerrten wie verzehrenden Romanzen ("M. Butterfly", "Crash") Man bedenke schließlich, dass der Mann annähernd siebzig Lenze zählt und mit solchen erwartungsgemäß nicht mehr den wilden Maxe zu markieren braucht.
In seiner Eigenschaft als Milieuschilderung der mitteleuropäischen psychiatrischen Arroganzia ist "A Dangerous Method" jedenfalls vortrefflich; es wird auf Teufel komm' raus herum- und queranalysiert - so dass unumwunden naheliegende Vermutungen wie jene "Freud schreibt bloß deshalb jede Art von Neurose dem Sexualitätskomplex zu, weil er selbst zu wenig davon hat" eine recht witzige Konnotation erhalten. Ferner nährt der Film die alte Binsenweisheit, dass jeder angehende und bereits ausgelernte Psychologe den Beruf vor allem deshalb ergreift, um eigene Komplexwurzeln zu ergründen. Wie man jene These am Ende bewertet, überlässt Cronenberg allerdings der Mündigkeit seines psychisch hoffentlich ausgewogenen Publikums.

7/10

David Cronenberg Wien period piece amour fou C.G. Jung Sigmund Freud Psychoanalyse Psychiatrie Zürich Biopic


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CASTAWAY (Nicolas Roeg/UK 1986)


"Hollow... hollow."

Castaway ~ UK 1986
Directed By: Nicholas Roeg

Die junge Londonerin Lucy Irvine (Amanda Donohoe) antwortet auf eine Zeitungs-Annonce des wesentlich älteren Gerald Kingsland (Oliver Reed). Dieser will ein Jahr allein mit einer Frau auf einer unbewohnten Insel im Südpazifik verbringen, um zu testen, ob die vermeintlichen 'Segnisse' der Zivilisation verzichtbar sind, oder nicht. Um ihr "Experiment" offiziell durchführen zu können, müssen die beiden heiraten - für den bereits geschiedenen Gerald kein Problem, für Lucy eine eigentlich unvorstellbare Situation. Dennoch kommt man überein. Nach anfänglich paradiesischen Wohlfühlphasen auf der Insel Tuin folgen bald Hunger, Entbehrung, Krankheiten und sexuelle Notstände. Nach dem vollbrachten Jahr gehen Lucy und Gerald wieder eigener Wege, gleichermaßen glücklich und traurig, den jeweils anderen hinter sich lassen zu können und zu müssen.

Szenen einer Ehe Redux - basierend auf tatsächlichen Ereignissen und einem autobiographischen Roman Lucy Irvines drehte Roeg diese zivilisationskritische Parabel über die Unmöglichkeit, als angepasste Menschen der achtziger Jahre ohne Mindestkomfort glücklich werden, geschweige denn überleben zu können. Dabei drehen sich die Sehnsüchte Lucys und Geralds, basierend auf ihren demografischen, sowie Geschlechts- und Altersdifferenzen um jeweils völlig unterschiedliche Zentren. Während Gerald das lockere Leben liebt und sich seinen Aufenthalt auf Tuin als permante Faulenzer- und Rammelorgie vorstellt, geht es Lucy tatsächlich um Fragen der Ökonomie und Enthaltsamkeit. Stoisch verweigert sie dem geilen Gerald den Geschlechtsverkehr und ganz schleichend tauschen sich parallel zu ihrem körperlichen Verfall infolge von zwischenzeitlichem Trinkwasser- und Nahrungsmangel ihre Prioritäten. Am Ende ist es Lucy, die den Rückweg in die Zivilisation fürchtet und Gerald kann gestärkt und frei von Depression neue Lebenswege auskundschaften.
Die Kritik befand "Castaway" oftmals als schleppend, zäh und langweilig, was sich einem Roeg-Film faktisch immer vorwerfen lässt, sofern einem der richtige Zugang fehlt. Nicolas Roeg macht Filme, die sensuell erfahrbar sein und nicht einfach nur gesehen werden wollen. Damit machen sie es ihrem Publikum nicht leicht, sondern fordern im Gegenteil eine spezifische Breitschaft von ihm ein. Das macht sie gewissermaßen arrogant und elitär für die Einen, für ihre Freunde jedoch zum Hochgenuss. "Castaway" bildet da keine Ausnahme. Ebensowenig wie ich.

8/10

Insel Aussteiger Ehe Parabel Cannon Australien Pazifik Nicolas Roeg Robinsonade


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LITTLE FOCKERS (Paul Weitz/USA 2010)


"Are you prepared to be... the Godfocker?"

Little Fockers (Meine Frau, unsere Kinder und ich) ~ USA 2010
Directed By: Paul Weitz

Pam (Blythe Danner) und Greg Fockers (Ben Stiller) Zwillinge Samantha (Daisy Tahan) und Henry (Colin Baiocchi) feiern bald ihren fünften Geburtstag. Dazu haben sich beide Großelternpaare angekündigt. Jack Byrnes (Robert De Niro) macht sich angesichts einer Herzattacke zudem Sorgen um das Fortleben seines Status als Familienpatriarch und plant, Greg auf seine zukünftige Rolle vorzubereiten, zumal sein anderer Schwiegersohn (Tom McCarthy) dessen Frau just verlassen hat. Natürlich zieht das paranoide Verhalten Jacks, der sogleich bei seinem Besuch auch bei den Fockers eine Ehekrise vermutet, Greg der Fremdgeherei bezichtigt und das etwas seltsame VerhaltePams mehr und mehr durchdrehender Ex-Lover Kevin Rawley (Owen Wilson) wieder auf der Bildfläche auf...

Auch wenn "Little Fockers" den ersten beiden (meine Eindrücke zum ersten Sequel lassen sich hier nachlesen), von Jay Roach inszenierten Filmen der Trilogie nicht ganz das Wasser reichen kann, lässt er sich dennoch als durchaus witzige Fortsetzung goutieren. Das grundsätzlich identische Konzept der beiden Vorgänger, unpassende Familienmitglieder aufeinanderprallen und hochnotpeinliche Situationen meistern zu lassen, ging hier jedoch zwangsläufig nicht mehr auf. Stattdessen vertieft man die Beziehungsgeflechte der bereits etablierten Figuren und demonstriert, dass jede zwischenzeitliche Aussöhnung zwischen Schwiegervater Jack und Schwiegersohn Greg lediglich einen Aufschub für die endgültige, in Handgreiflichkeiten ausartende Kulmination bedeutete. Die Ausschlag gebende Situation markieren nun auch nicht mehr potenziell aufregende Szenarien wie Heiratsantrag und Familienplanung/ -zusammenführung, sondern das profane Leben danach und die dazugehörigen, unausweichlichen Krisen. Als Stimme der Versuchung stellt man Stiller die leckere Jessica Alba gegenüber, als zusätzlichen Nerventester indes Harvey Keitel, der einen schmierigen Bau-Vorarbeiter mit sichtlichem Vergnügen interpretiert. Owen Wilsons Part des sich auf esoterische Irpfade begebenden Kevin Rawley gleicht mittlerweile vollends dem des Eli Cash aus "The Royal Tenenbaums" und ist damit der größte komödiantische Markstein dieses ansonsten eher zu gepflegtem Schmunzeln anregenden Films.

7/10

Paul Weitz Chicago Sequel Familie Ehe


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MEET THE PARENTS (Jay Roach/USA 2000)


"I will be watching you..."

Meet The Parents (Meine Braut, ihr Vater und ich) ~ USA 2000
Directed By: Jay Roach

Bevor er seiner geliebten Pam (BlytheDanner) einen Heiratsantrag macht, will der Chicagoer Krankenpfleger Greg Focker (Ben Stiller) zunächst die Zustimmung von Pams Vater Jack Byrnes (Robert De Niro) einholen. Für dieses Unterfangen wählt er das Hochzeitswochende von Pams jüngerer Schwester Debbie (Nicole DeHuff). Jack entpuppt sich nicht nur als Ex-CIA-Agent, sondern zudem als erzkonservativer, paranoider Kontrollfreak und Albtraum von einem Spießer, dessen Vorstellungen vom perfekten Schwiergersohn garantiert niemand gerecht werden könnte. Greg lässt sich durch das inquisitorische Gehabe seines zukünftigen Schwiergervaters jedoch schwer aus der Ruhe bringen und tritt in ein Fettnäpfchen nach dem anderen.

Vorzügliche Fremdschäm-Komödie, die das von Ben Stiller regelmäßig bediente Konzept, seine Figuren als Sympathieträger in scheinbar ausweglose oder höchst blamable Situationen aufs Neue variiert und im Grunde eine, wenn auch vollends perfektionierte, Abfolge von Volten abliefert, an deren Ende die große Konfliktlösung wartet. Der vordergründige Ideenreichtum speist sich primär aus der Passionsgeschichte des Gaylord Focker, für den sich ein im Prinzip simpler Heiratsantrag zur Tortur seines Lebens ausweitet. Sekundär ist die Konterkarierung der von Stiller und De Niro inerpretierten Figuren für das außerordentlich reibungslose Funktionieren der Geschichte verantwortlich - der unkonventionelle, aus ultraliberalem Hause stammende Frauenversteher vs. den überkommenen Cold-War-Machismo desalten Knochens Byrnes. Dass Stiller sich jedes zweite Ding, dessen De Niro ihn verdächtigt, tatsächlich selbst lappt, gehört natürlich ebenso zur elementaren formalen Grundausstattung.

8/10

Jay Roach Verlobung Wochenende Chicago Familie Duell


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PARTY GIRL (Nicholas Ray/USA 1958)


"No, no. Not with me, fella. Not with Rico Angelo."

Party Girl (Das Mädchen aus der Unterwelt) ~ USA 1958
Directed By: Nicholas Ray

Chicago in den frühen dreißiger Jahren: Der verkrüppelte Mobster-Anwalt Tommy Farrell (Robert Taylor) lernt auf einer Party von seinem Boss Rico Angelo (Lee J. Cobb) die Tänzerin Vicki Gaye (Cyd Charisse) kennen. Der eiskalte Teufelsadvokat und die heiße Schönheit ziehen sich wechselseitig an, was eine aufrichtige Liebesgeschichte zur Folge hat. Diese lässt den vormals zynischen Farrell sein Metier überdenken und bald zu dem Entschluss kommen, dass nur ein Ausstieg aus den mafiösen Elementen der Stadt eine aussichtsreiche Zukunft mit Vicki begünstigt. Damit ist Angelo jedoch alles andere als einverstanden. Als Farrell wegen einer Affäre um eines von Angelos Mündeln, den schießwütigen Cookie La Motte (Corey Allen), in Schutzhaft genommen wird, beginnt der sich um Farrells Aussage sorgende Angelo, Vicki zu bedrohen. Farrell weiß: Jetzt hilft endgültig nurmehr die Flucht nach vorn.

Ähnlich wie in "Johnny Guitar" entwirft Ray mit den vorherrschenden filmischen Mitteln der fünfziger Jahre - Technicolor und CinemaScope - eine gestalterische Augenweide, die das Zeug dazu hatte, ein schlafendes Hollywood-Genre zu reanimieren. Im Falle "Party Girl" war es das des Gangsterfilms. Warner hatte nach seiner großen Serie zeitgenössischer mobster movies in den Dreißigern auf diesem Gebiet kaum mehr etwas geleistet, von dem monströsen "White Heat" vielleicht einmal abgesehen. Stattdessen wurden die paar allenthalben herauskommenden Genrestücke formal zunehmend kärglich und entfernten sich mit ihrem moralethischen Zeigefinger und einem starken Hang zur Psychologisierung immer mehr von der flamboyanten Arbeitsweisen eines Mervyn LeRoy, Michael Curtiz oder Raoul Walsh. Nicholas Ray mühte sich jedoch häufig, mit seinen hochemotionalen, sich vor blühendem Camp nicht scheuenden Liebesgeschichten einen neuerlichen Gegenkurs einzuleiten und alte Traditionen mit aktuellen Mitteln wieder aufleben zu lassen. "Party Girl" schwelgt in Farben und Interieurs, kokettiert mit seinem alternden Protagonisten-Charmeur und spendiert Cyd Charisse nicht weniger als zwei ausufernde, jedoch stets bodenständig inszenierte Revueszenen, in denen die edle, damals bereits siebunddreißigjährige Schönheit viel von ihren beeindruckenden Beinen zeigen durfte. Was schert einen angesichts solch flirrender Erotik schon ein vorsätzlich karikierter Gangster, mag er auch von Lee. J. Cobb gespielt werden. Wobei, der ist natürlich auch toll. Wie so ziemlich alles an Rays Film.

9/10

Nicholas Ray period piece Chicago Mafia film noir


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JOHN AND MARY (Peter Yates/USA 1969)


"I can do that most efficiently. I can vanish."

John And Mary (John und Mary) ~ USA 1969
Directed By: Peter Yates

Am Morgen nach einer gemeinsam verbrachten Nacht sinnieren die beiden jungen New Yorker John (Dustin Hoffman) und Mary (Mia Farrow), ob es sinnvoll sein könnte, den jeweils anderen wiederzusehen. Immerhin haben sie sich erst am Abend zuvor kennengelernt und wissen noch so gut wie nichts übereinander. Im Laufe des folgenden Tages müssen sie einiges über sich selbst und ihre Lebensauffassungen lernen.

Der Manhattener Bourgeoisie und ihrer neuen, wagemutigen Auffassung von freier Liebe und Promiskuität hält "John And Mary" einen halbwegs konservativ getönten Spiegel vor. Rein koital orientierte Begegnungen, so versichert uns der Film, können auf Dauer auch sehr oberflächlich und abstumpfend sein; insofern sei es auch sehr viel besser, nach Stabilität und Vetrauen zu streben. Nun, immerhin stellen John und Mary (die sich erst ganz am Ende gegenseitig ihre Namen verraten und dabei kichern wie zwei verknallte Teenager) das puritanische Dogma auf den Kopf, demzufolge erfüllender Sex erst nach kirchlicher (oder staatlicher) Beziehungslegalisierung eintreten dürfte. Für 69 mag dieser antithetische Ansatz bereits etwas spät daherkommen, aber immerhin befinden wir uns hier im Hollywood-Film eines Traditionsstudios, das zeitlich parallel noch immer versuchte, die Realität mit den Farben knallbunter Musicals zu übertünchen. Abgesehen von seinem etwas obsoleten Beziehungsdiskurs kommt man aber immerhin in den Genuss so innovativer wie komplexer Narrationsstrukturen, die sich durch permanente Zeitwechsel und sogar Bewusstseinsströme infolge innerer Monolge auszeichnen. Schließlich sind da noch zwei vorzügliche, grandios miteinander harmonierende Hauptdarsteller.

7/10

Peter Yates New York New Hollywood One Night Stand Bohème


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THIS IS ENGLAND '86 (Tom Harper, Shane Meadows/UK 2010)


"I love you. I know you don't love me but I love you."

This Is England '86 ~ UK 2010
Directed By: Tom Harper/Shane Meadows

Drei Jahre nach seiner Zeit mit dem Skin Woody (Joseph Gilgun) und seiner Clique hat sich der mittlerweile fünfzehn Jahre alte Shaun (Thomas Turgoose) wieder ganz in sich zurückzegogen. Allzu gravierend die Ereignisse des Abends, an dem der bekiffte Combo (Stephen Graham) den farbigen Milky (Andrew Shim) unvermittels krankenhausreif geprügelt hat. Woody und seine Freundin Lol (Vicky McClure) wollen derweil heiraten, die Hochzeit muss jedoch wegen Woodys Zögern vertagt werden. Als Lols Vater (Johnny Harris), ein veritables Schwein, wieder in der Gegend auftaucht, zieht sich die junge Frau noch mehr in sich zurück. Nicht lange, da kommt es auch schon zur Katastrophe mit ungeahnten Konsequenzen...

Allein durch die gut doppelte Erzählzeit hat (und nutzt) Shane Meadows in seiner fürs Fernsehen produzierten Fortsetzung der Skinhead-Saga "This Is England" die Möglichkeit, noch sehr viel differenzierte Figurenporträts anzulegen und die die teilweise nur oberflächlich eingeführten Charaktere des Originalfilms deutlich schärfer zu konturieren. Dass ausgerechnet die bislang als kaum mehr denn als liebenswerte Heldenfreundin gezeichnete Lol ganz sacht ins narrative und emotionale Zentrum der kleine Reihe gerückt wird, indem die Geschichte ihr sowohl eine schwierige Lebenskrise aufbürdet als auch einige unfassbare Details aus ihrer familiären Vergangenheit preisgibt, wäre kaum zu vermuten gewesen. Auch der am Ende von "This Is England" noch so prächtig in seiner Absage an die National-Front-Nazismus stilisierte Shaun steht vor neuen Identitätskrisen: Seine Mom (Jo Hartley) bendelt mit dem Einzelwarenhändler Sandhu (Kriss Dosanjh) an. Immerhin ist Shaun mittlerweile alt und groß genug, um seinerseits wirklich etwas mit der exaltierten Smell (Rosamund Hanson) abstarten zu können. Der zuvor noch so fürchtenswerte Banjo (George Newton) ist derweil ein nettes Lämmchen geworden und voll in die Clique integriert, während man von Combo zunächst überhaupt nichts hört, seine spätere Einlassung aber umso dramatischer ausfällt. Lieben, Hassen, Freud, Leid, Leben, Ska, Pop, Punk. Und über allem schweben Thatcherismus und die Fußball-WM in Mexiko. Alles in gut drei Stunden "This Is England '86" geballt und im Überfluss vorhanden. Mehr geht nicht. Es lohnt sich daher, sich davon mitreißen zu lassen und am Ende um weitere Anekdoten um Lol & Co. zu betteln. Tatsächlich ist das nächste update ja bereits am Start. Gut für mich.

10/10

Tom Harper Shane Meadows England period piece Subkultur Freundschaft Sexueller Missbrauch Rape & Revenge Sequel TV-Serie


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TUFF TURF (Fritz Kiersch/USA 1985)


"This isn't Connecticut. No one has insurance around here."

Tuff Turf (Love-Fighters) ~ USA 1985
Directed By: Fritz Kiersch

Von Connecticut nach Culver City: Für den Teenager Morgan (James Spader), ohnehin kein "einfacher" Junge, nicht eben die leichteste Umstellung. Nach dem Besuch diverser Eliteschulen findet der junge Mann sich nach dem wirtschaftlichen Fall des Vaters (Matt Clark) nurmehr in West-L.A. wieder und macht sich in der Person des brutalen Schlägers Nick (Paul Mones) umgehend einen veritablen Todfeind. Als Morgan zudem sein Interesse an Nicks Freundin Frankie (Kim Richards) bekundet und damit offene Türen einrennt, dreht Nick endgültig durch.

Wenngleich "Tuff Turf" als Vertreter der harten Teenagerfilm-Welle der Achtziger, in denen sich eines oder mehrere Individuen gegen eine gewalttätige gegnerische peer group zur Wehr zu setzen haben, durchaus einen breiten Fuß in der Tür hat, ist er über einen gewissen Insider-Status nie hinausgekommen. Recht schade eigentlich, denn für den fönfrisierten James Spader, der gleich darauf in dem themenverwandten "The New Kids" eine Rolle von der anderen Seite des Spektrums spielte, stellt "Tuff Turf" einen beachtlichen Meilenstein dar. Zusammen mit seinem Kumpel Robert Downey Jr., der auch im Film Spaders Buddy ist, gibt er am Ende den bösen Jungs, die die Gewalt- und Toleranzspirale immer weiter ausreizen und zu immer drastischeren Mitteln greifen, um den seinerseits immer röter sehenden Gegner zu triezen, nicht nur mit Dobermännern und Luftpistolen Saures.
Die etwas märchenhaft angelegte Romanze, die ein wenig von der "West Side Story" abschaut und mit einer Prise modischer, letztlich jedoch unbedeutender Sozialkritik versetzt ist, wird dabei zum Drehmoment und Motor des dargestellten teenage war. Die Girls - sie waren schon immer unser heimlicher Untergang.

6/10

Fritz Kiersch Los Angeles Teenager Rache Familie


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THE GIRL WITH THE DRAGON TATTOO (David Fincher/USA, SE, UK, D 2011)


"Bring your drink, leave my knife."

The Girl With The Dragon Tattoo (Verblendung) ~ USA/SE/UK/D 2011
Directed By: David Fincher

Der Investigativ-Journalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) wird während einer beruflichen Krise von dem Groß-Unternehmer und Patriarchen Henrik Vanger (Christopher Plummer) als Detektiv engagiert. Blomkvist soll herausfinden, wer vor rund fünfzig Jahren Vangers Nichte Harriet ermordet hat. Als Blomkvist merkt, dass er allein nicht weiterkommt, bittet er die eigenwillige Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara) um Hilfe, die auch ihn selbst einst erfolgreich bespitzelt und derzeit einige persönliche Probleme zu bewältigen hat. Zwischen den Beiden entwickelt sich eine zarte Romanze, derweil der Mörder seine Kreise immer enger um sie zieht.

Der Erstverfilmung von Niels Arden Oplev mindestens ebenbürtige Adaption des ersten "Millenium"-Romans, die andere formale und inhaltliche Schwerpunkte setzt, vor allem aber infolge Finchers exzellenter Inszenierung trumpft. Hat man sich mit den impliziten Fragwürdigkeiten, die die Entstehung des Films zwangsläufig begleiten und einmal mehr um die nordamerikanische Eigenart kreisen, ausländisches Erfolgskino mit kulturimperialistischem Gestus umzuformen und zu assimilieren (selbst, wenn dies bedeutet, eine schwedische Geschichte mit englischsprachigen Darstellern in englischer Sprache zu adaptieren), einmal hinreichend auseinandergesetzt und abgefunden, wird der Blick frei auf einen deutlich "filmischeren Film" als ihn Oplevs Variation darstellte. Die Urfassung zeigte sich oftmals dann doch primär von den Mechanismen klassischer TV-Formalia bedient, wo Fincher eben das Auge eines mittlerweile erfahrenen Kinoregisseurs einsetzen kann. Craig ist auswechselbar, aber die tolle Rooney Mara, ohnehin bereits im ersten Trilogieteil Kerncharakter der Story, präsentiert eine verletzlichere, emotional differenzierter erschgeinende Lisbeth Salander als die knüppelharte Noomi Rapace zuvor. Umso mehr trauert man am Ende mit ihr, nachdem sie ihr just wiederentdecktes Vertrauen in die Zwischenmenschlichkeit gleich wieder auf den Müll werfen darf.
Es lohnt in jedem Fall, sich Finchers zugeschliffene Version des Stoffs anzuschauen, auch unter Kenntnis des Originals. Lässt sich nur hoffen, dass auch noch der Rest der Trilogie dereinst von ihm übernommen werden wird.

8/10

David Fincher Schweden Stockholm Serienmord Journalismus Stieg Larsson Remake Millenium-Trilogie Familie Madness





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Funxton

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