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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE MEN (Fred Zinnemann/USA 1950)


"Go out! Live your life!"

The Men (Die Männer) ~ USA 1950
Directed By: Fred Zinnemann

Ken Wilcheck (Marlon Brando) ist einer von zahlreichen Kriegsveteranen, denen im Krieg der Rücken zerschossen wurde und der dadurch im Rollstuhl gelandet ist. Fast noch schlimmer als die physischen Narben erweist sich jedoch der ihn rapide verlassende Lebensmut. Ken zieht sich völlig in sich zurück und wird zum schweigsamen Eigenbrötler. Erst der Kontakt zu anderen, vom selben Schicksal gebeutelten Patienten und der unermüdliche Kampf seiner Verlobten Ellen (Teresa Wright) um seine Liebe richten Ken nach einigen herben Rückschlägen schließlich langsam wieder auf.

Nach Wylers mitreißendem "The Best Years Of Our Lives", ebenfalls mit der bezaubernden Teresa Wright, ein weiteres Kriegsheimkehrer-Drama, diesmal jedoch deutlich konzentrierter umrahmt und nicht episch, sondern als Kammerspiel angelegt. Brando, dessen Leinwanddebüt der Film ist, wirft gleich ein gutes Pfund seiner Kunst in die Waagschale und zurrt sogleich seinen zukünftigen Ruf als 'angry young man' fest: Als unnahbarer Versehrter, der parallel zum Verlust seiner Beinmuskulatur verlernt hat, sich selbst zu lieben, gibt er einen der beeindruckendsten Schauspiel-Einstände, die ich kenne. Nach Monty Clift in "The Search" war Brando somit bereits der zweite Jungakteur seiner Generation, dem Zinnemann ein Sprungbrett darbot - interessanterweise wieder in einem Nackkriegsdrama.
Der mit knapper Erzählzeit gefasste Film steht und fällt mit den beeindruckenden Darstellern; neben Brando sind das auch die famos aufspielenden Everett Sloane, Jack Webb und eine Teresa Wright, die sieben Jahre nach "Shadow Of A Doubt" wirkt, als sei sie um das Doppelte gereift. Zinnemann indes nimmt sich zugunsten der dramatischen Kraft seiner Geschichte vollkommen zurück und agiert vollends als "unsichtbarer" Regisseur. Das wäre wohl das von jedweder Eitelkeit befreite Genie eines Meisters.

9/10

Fred Zinnemann Stanley Kramer Veteran Los Angeles


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THERE'S ALWAYS TOMORROW (Douglas Sirk/USA 1956)


"I never knew how to give love - only how to take it."

There's Always Tomorrow (Es gibt immer ein Morgen) ~ USA 1956
Directed By: Douglas Sirk

Der Spielzeugfabrikant Cliff Groves (Fred MacMurray) fühlt sich von seiner Familie und besonders von seinr langjährigen Ehefrau Marion (Joan Bennett) vernachlässigt. Stets stehen die Kinder im Vordergrund und Marion findet nichtmal mehr die Zeit, mit ihm ins Theater zu gehen. Da taucht aus heiterem Himmel seine Jugendliebe Norma (Barbara Stanwyck) wieder auf, mittlerweile eine erfolgreiche Modeschöpferin in New York. Bei ihr findet Cliff die Zuwendung und das Verständnis, welche er daheim bereits seit Jahren vermisst. Doch Norma ist zu vernünftig, um mit Cliff durchzubrennen.

Dein Mann, das verletzliche Wesen. Fred MacMurray ist ganz hervorragend als an sich wohlgemuter Familienvater, der urplötzlich feststellen muss, dass er seit langem die letzte Geige im Hause spielt. Seine quäkende Jüngste (Judy Nugent) absorbiert förmlich die gesamte Aufmerksamkeit seiner Frau, die beiden Älteren (Gigi Perreau, William Reynolds) sind verwöhnte, naseweise Teenager, die ihren angenehmen Lebensstandard längst als selbstverständlichkeit verinnerlicht haben. Norma Vale fungiert da eher als Katalysator denn als Bremsstein, denn sie eröffnet, von Cliffs Sohn Vinnie bezüglich der vermuteten Affäre mit seinem Vater zur Rede gestellt, den Geschwistern, dass nicht der Wankelmut ihres Vaters Ursache der Familienkrise ist, sondern ihre eigene Unfähigkeit zu aufrichtiger Dankbarkeit. Das ist natürlich ein starker Topos, besonders im familiär genordeten US-Kino der Fünfziger. Dass ein Mann in den besten Jahren eine solche Vulnerabilität an den Tag legt, dürften damals Viele als geradezu ungeheure Rollenunterminierung aufgefasst haben. Möglicherweise zu Recht.
Eines von Sirks schönsten Meisterwerken.

9/10

Douglas Sirk Los Angeles Kalifornien Familie Amour fou Midlife Crisis


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4 FOR TEXAS (Robert Aldrich/USA 1963)


"With four for Texas in the mood, they'll have themselves a real fine brood."

4 For Texas (4 für Texas) ~ USA 1963
Directed By: Robert Aldrich

Die beiden Halunken und Pistolenhelden Zack Thomas (Frank Sinatra) und Joe Jarrett (Dean Martin) streiten um die Summe von 100.000 Dollar, die Thomas ursprünglich als Startkapital dafür dienen soll, einen alten Raddampfer zum schwimmenden Spielsalon auszubauen. Jarrett jedoch macht ihm seine Idee streitig. Als dritte Partei steht der ebenso feiste wie betrügerische Bankier Harvey Burden (Victor Buono) im Ring, der mit dem skrupellosen Killer Matson (Charles Bronson) zudem eine unkontrollierbare zusätzliche Gefahr heraufbeschworen hat. Am Ende erkennen Thomas und Jarrett, dass sie nur mit vereinten Kräften gegen ihre Gegner bestehen können.

Ein eitler Film, als Vehikel für Frankie Boy und Dino gedacht, die hier in attraktiver Begleitung durch die voluminöse Anita Ekberg und die knackige Ursula Andress eine Art aufpoliertes Versprechen ihrer nicht mehr ganz taufrischen, dafür umso trinkfesteren Männlichkeit erhalten. Die Tatsache, dass mit Sinatra und Martin lediglich zwei Vertreter des Rat Pack dabei waren, ersparte "4 For Texas" allerdings nicht seinen letztendlichen Status als Show-Happening: Diverse häufig wiederkehrende Aldrich-Kompagnons wie die erwähnten Buono und Bronson, sowie Wesley Addy oder Jack Elam sind ebenso zu erspähen wie die "Three Stooges" in einem gelinde formuliert eklektizistisch anmutenden Gastauftritt. Der überaus dünnen Geschichte ist kaum mehr denn eine Alibi-Funktion zuzuschreiben. Es ist sogar zu bezweifeln, dass übergebührlicher Brandy-Genuss, wie er vom guten Dino im Film vorexerziert wird, das Zuschauerinteresse an "4 For Texas" nachträglich zu steigern vermag. Einzig ein paar wirklich schöne Einstellungen, wie etwa eine Vertikale auf die knallrot gewandete Andress umgeben von ihrer Gesindeschaft, bleiben im Gedächtnis. Ansonsten erhält man unwesentlich mehr als einen infantilen Vegas-Schwips.

5/10

Robert Aldrich Rat Pack Texas


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CRAZY HEART (Scott Cooper/USA 2009)


"Ain't rememberin' wonderful?"

Crazy Heart ~ USA 2009
Directed By: Scott Cooper

Der abgehalfterte Country-Star Otis 'Bad' Blake (Jeff Bridges) ist hoffnungslos dem Bourbon verfallen und verdient sich ein paar Kröten mit Auftritten in eher unwürdigen locations. Als er die Journalistin Jean (Maggie Gyllenhaal) und ihren kleinen Sohn Buddy (Jack Nation) kennenlernt, schöpft er neuen Lebensmut, jedoch nicht die nötige Kraft zum Ausstieg aus der Trunksucht. Diese keimt erst in ihm, als Jean ihn wegen einer unerfreulichen Episode, im Zuge derer er Buddy in einem Einkaufszentrum aus den Augen verliert, verlässt. Zwar kommt nun der kommerzielle Erfolg zurück, für Jean ist Bad jedoch endgültig passé.

Ein einziges Geschenk für Jeff Bridges, der ja schon mehrfach Alkoholiker gespielt hat und hierin so etwas wie eine gealterte Version seiner früheren New-Hollywood-Helden aus "The Last American Hero", "Fat City" oder "Stay Hungry" geben darf, allesamt Spieler gegen das Establishment und sich auf recht kratzbürstige Weise durchs Leben kämpfend. wenngleich er ein begnadeter Songwriter mit einer nach wie vor immensen fanbase ist, hat Bad Blake im Leben sehr viel mehr falsch als richtig gemacht: Seinen mittlerweile 28 Jahre alten Sohn hat er noch nie gesehen, vier Ehen in den Sand gesetzt und mit der wunderbaren Jean möglicherweise die letzte Chance, sein privates Glück zu finden. Erst als er durch sein eigenes Verschulden auch sie verliert, ist er reif zur Selbsterkenntnis. "Crazy Heart" ist eine hübsche Americana, das auch dem US-Schlagependant der Country-Musik ein aufrichtig gemeintes Denkmal setzt, indem er seine alten Helden zu Bewahrern des true spirit hochjubelt, auf deren Genius ihre Nachfolger [im Film personifiziert durch Blakes Lehrjungen Tommy Sweet (Colin Farell), mittlerweile erfolgreicher als Bad es jemals war] dennoch weiterhin angewiesen sind. Das ist manchmal herzzereißend traurig, formidabel gespielt und stets unterhaltsam. Insgesamt ein schöner Film, dessen Konventionalität und gigantische Palette allerorten bemühter Klischees jedoch ebenso dafür sorgt, dass "Crazy Heart" niemals Gefahr läuft, über sich selbst hinauszuwachsen.

8/10

Scott Cooper Country Alkohol Sucht Musik Texas Südstaaten


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DAYS OF WINE AND ROSES (Blake Edwards/USA 1962)


"Magic time."

Days Of Wine And Roses (Die Tage des Weins und der Rosen) ~ USA 1962
Directed By: Blake Edwards

Alkohol ist von Anfang an ein fester Bestandteil der Beziehung und später auch der Ehe der beiden Büroangestellten Joe Clay (Jack Lemmon) und Kirsten Arnesen (Lee Remick). Als ihre Trinkerei pathologisch zu werden beginnt, Joe diverse Jobs verliert und Kirsten im Suff die Wohnung in Brand setzt, erkennt Joe das Problem: Er und seine Frau sind Alkoholiker. Einige Versuche des Entzugs enden irgendwann wieder in mehrtägigen Abstürzen, zu denen sich Joe wegen Kirstens Weigerung, mit dem Trinken aufzuhören, hinreißen lässt. Erst nach einem fatalen Gelage mit schwerer Entgiftung schafft Joe den endgültigen Ausstieg aus der Suchthölle und kann sich wieder um seine und Kirstens kleine Tochter (Debbie Megowan) kümmern.

Bis hierhin gab es nur wenige ernstzunehmende Beschäftigungen Hollywoods mit den fatalen Auswirkungen der Alkoholsucht. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich Billy Wilders "The Lost Weekend" mit Ray Milland, der seinerzeit einen gewagten und vielbeachteten Vorstoß markierte, vermutlich wegen seiner unbequemen Art der Observierung jedoch auch lange Zeit unikal blieb. Ansonsten neigte man gemeinhin stets dazu, Trinker als Käuze und Spinner darzustellen und weniger als selbstzerstörerische Alltagsmenschen. Andere Beispiele sind "A Star Is Born" und "Rio Bravo", hervorragende Filme, die sich mit der Darstellung der Trunksucht allerdings nur periher auseinandersetzen. Siebzehn Jahre nach "The Lost Weekend" nahm sich Blake Edwards des Themas an. Ausgerechnet jener vornehmlich als klassischer Komödienregisseur populär gewordene Filmemacher ist - freilich mit einem nicht minder klassischen Komödienakteur in der Hauptrolle - verantwortlich für diesen in seiner Intensität und konsequenten Art der Suchtanamnese bis heute nur selten erreichten Film. "Days Of Wine And Roses" ist ein recht edukativ angelegtes Werk, das besonders dazu taugt, Außenstehenden die Komplexität von Alkoholismus geprägter Biographien nahezubringen. Die im Film als besonders grauenhaft umrissenen Entgiftungsmethoden dürften heute gemeinhin weniger spektakulär ablaufen, ansonsten hat sich an der grundsätzlichen Anamnese und Behandlung der Krankheit jedoch wenig geändert. Die Motivation für einen langfristig erfolgreichen Ausstieg kann ohnehin nur intrinsisch sein. Edwards' besonderes Verdienst liegt eigentlich daran, einen bipolaren Suchtverlauf anhand zweier Ehepartner aufzuzeigen: Während Joe, eigentlich der "Initiator" der beiderseitigen Trunksucht, am Ende praktisch rehabilitiert in die Gesellschaft zurückgekehrt ist, findet Kirsten vorläufig nicht die Kraft für einen Ausstieg. Ein Wink der Wirklichkeit; Alkoholismus endet eher selten versöhnlich.

9/10

Blake Edwards Alkohol Ehe Familie Sucht


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THE PURPLE ROSE OF CAIRO (Woody Allen/USA 1985)


"You can't learn to be real. It's like learning to be a midget."

The Purple Rose Of Cairo ~ USA 1985
Directed By: Woody Allen

New Jersey zur Zeit der Großen Depression: Die unglücklich verheiratete Cecilia (Mia Farrow) flüchtet sich mittels regelmäßiger Kinobesuche allabendlich in die Glitzerwelt Hollywoods und träumt davon, eines Tages von Fredric March, Leslie Howard oder Fred Astaire aus ihrem tristen Sackgassendasein entführt zu werden. Ihr neuester Lieblingsfilm ist "The Purple Rose Of Cairo", aus dem urplötzlich eine Nebenfigur, der Ägyptologe und Poet Tom Baxter (Jeff Daniels), von der Leinwand herabsteigt und Cecilia seine Liebe gesteht. Die Filmfigur findet sich allerdings nur schwer in der - zudem gegenwärtig düsteren - Realität zurecht, sein Geld ist nichts wert, bei Schlägereien kommen unfaire Ausleger und die Liebe kennt hier keine Abblende. Schließlich kommt Gil Shepherd (Jeff Daniels), der Schauspieler, der Tom Baxter im Film porträtierte, nach Jersey und dient sich ebenfalls Cecilia ein - als greifbarer, echter Mann aus Fleisch und Blut...

Wie man's macht, macht man's falsch - damit geht Woody Allen stets gern hausieren und bedient sich dabei der süßen Bitterkeit verschmitzter Humoreske. So auch in "The Purple Rose Of Cairo", der zwangsläufig ohne den Meister auf der Leinwand auskommen muss, weil in diesem Fantasy-Stück über die Kraft der Imagination kein Platz ist für bebrillte kleine Intellektuelle oder Neurotiker. Die Figuren sind entweder über- oder unterlebensgroß, repräsentieren das Leben in all seinen Schwächen und knauserigen Fügungen oder jenen Hollywood-Eskapismus der frühen Dreißiger, in dem die Screwball-Parallelrealität sich in aller notwendigen Gegenteiligkeit die Bahn frei machte, um die Leute für ein paar Cents zumindest kurzfristig auf andere Gedanken zu bringen und die sich aufstauende Wut ein klein wenig zu sublimieren. Natürlich liebt Allen diese historische Phase, ist sie doch von teilweise autobiographischer Färbung. Ganz wunderbar die kleinen Seitenhiebe auf die soziale, nationale Unsicherheit: Allein die Erwähnung des Kürzels FBI kommt einer Drohung gleich und wenn jemand auch nur das Wort "Solidarität" in den Mund zu nehmen wagt, ist er gleich ein Roter.
Köstlich, schön, liebenswert.

9/10

Woody Allen New Jersey Great Depression Kino Film im Film Hommage Hollywood Groteske


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STORMY MONDAY (Mike Figgis/UK, USA 1988)


"Can I take you somewhere, Kate?"

Stormy Monday ~ UK/USA 1988
Directed By: Mike Figgis

Während der USA-Woche in Newcastle bekriegen sich der großspurige amerikanische Manager-Gangster Cosmo (Tommy Lee Jones) und der hier heimische Nachtclubbesitzer Finney (Sting). Mitten in deren Konflikt platzt die vorsichtige Romanze zwischen Finneys frisch eingestellter Reinigungskraft Brendan (Sean Bean) und Cosmos Liebchen Kate (Melanie Griffith)

Ein Film der zerfließenden Grenzen: geographisch, kulturell formal. Die USA und Polen mit ihrer jeweils lauten, nassforschen Art brechen sich mittels jeweils mehr oder weniger typischer Exportschlager in der Kohlenmetropole Raum; die Staaten mit einem Gangsterfatzke voller imperialistischem Selbstverständnis, die Polen via eine verrückte Free-Jazz-Truppe, das "Krakauer Jazz-Ensemble". In England treffen sie auf niemand Geringeren als den durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Sting (der kurz zuvor in der wirklichen Welt sein musikalisches opus magnum "...Nothing Like The Sun" veröffentlicht hatte und sich somit wohl zu Recht kurzfristig unbesiegbar vorkommen mochte), der ihnen allen die Leviten liest und dem frisch institutionalisierten Liebespaar am Ende seinen Schutzsegen erteilt. Jazz, Blues, Soul; T-Bone Walker, Otis Redding, B.B. King landen in einem Topf, wo die britische Musikkultur doch so reichhaltig scheint. In einer vielsagend-schönen, offenbar improvisierten Einstellung lauschen ein paar lokale Punks dem musikalischen Treiben gleichsam fasziniert wie befremdet.
Ein weithin unspektakulärer, aus heutiger Sicht vielleicht gar etwas befremdlich anmutender Film ist "Stormy Monday", der sich jedoch recht gut der regennassen, neonglitzernden englischen Gangsterfilm-Idiosynkrasie der Dekade, nominell Exempeln wie "The Long Good Friday" oder "Mona Lisa" zugesellen lässt und ein immer noch inspirierend zu betrachtendes Figgis-Werk darstellt.

8/10

Mike Figgis Newcastle Jazz Nacht


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TARZAN AND HIS MATE (Cedric Gibbons/USA 1934)


"Good morning, I love you."

Tarzan And His Mate (Tarzans Vergeltung) ~ USA 1934
Directed By: Cedric Gibbons

Zusammen mit seinem alten Kumpel Arlington (Paul Cavanagh) startet Harry Holt (Neil Hamilton) eine neuerliche Safari zum Elefantenfriedhof jenseits des Mutia-Felsens. Er hofft zugleich, seine heimliche Liebe Jane (Maureen O'Sullivan) dort wiederzufinden, die mittlerweile seit über einem Jahr fern der Zivilisation mit ihrem Tarzan (Johnny Weissmuller) lebt. Um diverse eingeborene Boys dezimiert erreichen Arlington und Holt schließlich das Dschungelpaar. Leider entscheidet sich Tarzan gegen eine Wegweisung zum Elefantenfriedhof als er erfährt, dass Holt und Arlington die Kultstätte entweihen wollen, indem sie die Stoßzähne mitnehmen. Arlington ist jedoch zu gierig, als dass er so kurz vorm Ziel aufzugeben bereit ist und schießt Tarzan hinterrücks nieder. Dieser kommt gerade noch zur rechten Zeit, als Arlington, Holt und Jane in eine Falle eingeborener Kopfjäger geraten, die ihre Feinde am Liebsten den Löwen zum Fraß vorwerfen...

Echtes Sleazekino alleroriginärster Machart mitsamt zermatschten Gesichtern von Eingeborenenopfern und einem splitternackten Maureen O'Sullivan-Body-Double auf Tauchtour. Das Hays Office für Anstand und Sitte stieg seinerzeit auf die Barrikaden und "Tarzan And His Mate" wurde zu einem der Auslöser für den im selben Jahr eingeführten Production Code. Hundsföttische Zivilisationssnobs, stets erkennbar durch Tropenhelm, kniehohe Socken, Pfeife und spitzen Schnauzbart, schlaue Schimpansen, eherne Elefanten, lüsterne Löwen - alles drin! Und Jane kultiviert ihren persönlichen Dschungeljodler, der etwas, nun ja, gewöhnungsbedürftig daherkommt.
Die herrlich beknackten Affenkostüme gibt es auch hier wieder zu bestaunen, derweil der Titelheld gegen eine Vielzahl tödlicher Urwaldbewohner antritt, darunter ein tolles, freilich erkennbar unechtes Riesenkrokodil, das sich durchs Wasser schraubt wie ein unerbittlicher Drillbohrer etc. Man kann davon ausgehen, dass die Rückprojektionen Abschüsse echter Löwen zeigen, gestellt sind die entsprechenden Einstellungen jedenfalls nicht. Soweit, so gut - "Tarzan And His Mate" ist deutlich actionlastiger, auregender und vor allem Aufsehen erregender als sein Vorgänger, macht eine Höllenlaune und ist als früher Exploiter für den enbtsprechenden Chronisten von unschätzbarem Wert. Zudem der wahrscheinlich beste Weissmuller-"Tarzan", weil so bestechend aufrichtig bezüglich seines Sujets.

9/10

Tarzan Afrika Affen Kolonialismus Cedric Gibbons Jack Conway James C. McKay Exploitation


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TARZAN THE APE MAN (W.S. Van Dyke/USA 1932)


"Tarzan... Jane."

Tarzan The Ape Man (Tarzan, der Herr des Urwalds) ~ USA 1932
Directed By: W.S. Van Dyke

Der Großwildjäger James Parker (C. Aubrey Smith) und sein Kompagnon Harry Holt (Neil Hamilton) suchen in Zentralafrika nach einem legendären Elefantenfriedhof, um die dort lagernden Elfenbeinvorräte für sich abschöpfen zu können. Begleitet werden sie von Parkers soeben angekommener Tochter Jane (Maureen O'Sullivan). Um zu ihrem Ziel zu gelangen, müssen die Schatzsucher die gigantische Mutia-Wand, auch "Mauer des Schweigens" genannt, überwinden und gegen mörderische Eingeborenenstämme kämpfen. Im Dschungel begegnen sie Tarzan (Johnny Weissmuller), einem bei den Affen aufgewachsenen Weißen, der ihnen im Kampf gegen zwergenwüchsige Kannibalen und einen Riesenaffen beisteht. Jane verliebt sich in den Wilden Muskelmann und bleibt mit ihm im Urwald zurück.

Hundert Jahre Tarzan im Print, achtzig Jahre Tarzan bei MGM - ein vortrefflicher Anlass zur neuerlichen Bilanzierung des erfolgreichen und aus dem abendländischen Pop nicht mehr wegzudenkenden Weissmuller-Serials, zugleich ein Triumph der Vulgärkultur. Auf den Tag genau heute vor einem Centennium erschien Edgar Rice Burroughs' erste "Tarzan"-Kurzgeschichte im All Story Magazine, einem legendären New Yorker Pulp-Journal. Bald darauf kam die erste Filmadaption mit dem noch etwas klobigen Elmo Lincoln; genau zwanzig Jahre nach Tarzans literarischem Debüt startete das Löwenstudio sein Kino-Franchise - lautes Primatengebrüll in schönsten Tonlagen inklusive. Der erste "Tazan"-Film mit dem ungarischstämmigen Ex-Olympia-Schwimmer Johnny Weissmuller gab noch einen feuchten Kehrricht auf politische Korrektheit:; vielmehr steht er ganz im zeitgenössischen Chic putziger imperialistisch-rassistischer Herrenmenschen-Fantasien. Da diese sich durch ihr einfältiges Selbsverständnis vollkommen autark ad absurdum führen, braucht man darüber nunmehr nicht zu diskutieren. Das Lokalkolorit wird über sagenhafte Rückprojektionen veräußert, deren fehlende Authentizität schon damaligen Kinogängern aufgefallen sein dürfte (und die eine längere Tradition in der Filmreihe begründeten und zu einer Art trademark avancierten), ansonsten stapfen die Darsteller durch irgendwelche Fünf-Quadratmeter-Kulissen oder den Tümpel hinterm Atelier. Ganz wild wird es dann angesichts der stupenden Affenkostüme, die allen Ernstes echte Schimpansen markieren sollen (wirkliche Schimpansen werden im Film ausschließlich als Baby-Äffchen verkauft). Den Vogel schießt dann der bei den Zwergeingeborenen hausende Riesenaffe ab. Grandios.
Dem gegenüber stehen ein paar noch immer waghalsig aussehende Kampfnummern mit echten Tieren, für deren Aufnahmen heute wohl keine Versicherungsgesellschaft mehr gerade stünde. Die atemberaubende Maureen O'Sullivan brachte derweil eine gehörige Portion Sex mit ein, die man ihr angesichts des animalischen Habitus ihres stets glattrasierten und frischgefönten Dschungelmannes nur allzu gern abzunehmen bereit ist.
Tarzan, unser Dschungelheld, der niemals auf die Schnauze fällt.

7/10

Tarzan Afrika Affen W.S. Van Dyke Kolonialismus


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RAY (Taylor Hackford/USA 2004)


"Don't jive me, man."

Ray ~ USA 2004
Directed By: Taylor Hackford

Der bereits in früher Kindheit erblindete Ray Charles Robinson (Jamie Foxx) lernt rasch, sich auf eigene Faust durchs Leben zu beißen und anderen gegenüber ein gesundes Misstrauen zu wahren. Als virtuoser Pianist und Musiker, der verschiedenste Stile wie Blues, Gospel, Soul, Country & Western vermengt und daraus einen ganz speziellen Sound kreiert, ist Ray Charles, wie er sich nunmehr nennt, um Verwechslungen mit dem schwarzen Boxer Sugar Ray Robinson vorzubeugen, so erfolgreich wie kaum ein Zweiter. Dennoch ist er über viele Jahre hinweg heroinsüchtig, betrügt seine Frau Della (Kerry Washington) und kämpft mit tiefverankerten Neurosen.

Eine der mustergültigen Musiker-Spielfilmbiographien der letzten Jahre, zusammen mit "Walk The Line" vermutlich sogar an deren Spitze. Hier wie dort wird das wechselvolle Leben eines ebenso widersprüchlichen wie genialen Künstlers, der für seine jeweilige Art von Musik als unantastbare Ikone gilt, in einer speziellen Mischung aus tiefer Bewunderung, Ehrerbietung und Schonungslosigkeit dargelegt. Taylor Hackford, der die Rechte an einem Biopic über Ray Charles bereits seit 1987 in der Hinterhand hatte, wiedervereint dabei - Zufall oder nicht - nach fast zehn Jahren allein vier Darsteller des Ensembles aus "Dead Presidents" von den Hughes Brothers und findet mit Jamie Foxx einen Interpreten für Ray Charles, der eine fast beängstigende Metamorphose durchlebt. Eine solche Verschmelzung von realer Person und Darsteller dürfte einen Sonderfall markieren. Doch auch Hackfords inszenatorische Einfälle sind von großer Kraft. Rays Kindheitserinnerungen an jene Tage in Georgia, als er noch sehen konnte, werden mit kräftigen Farben akzentuiert, einführende Stadtbilder werden als zeitgenössische Super-8-Aufnahmen dargestellt. Schließlich bekommt "Trainspotting" ernsthafte Konkurrenz in seiner filmischen Präsentation eines kalten Heroinentzugs. Man kann nur mutmaßen, welche Visionen sich vor den Augen eines blinden Mannes unter Nadelentwöhnung abspielen, aber Hackfords diesbezügiche Bilder erreichen da schon eine recht eingängige Qualität.

9/10

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Funxton

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