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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TATORT - KIELWASSER (Hajo Gies/BRD 1984)


"Man tut, was man kann."

Tatort - Kielwasser ~ BRD 1984
Directed By: Hajo Gies

Der Internist Dr. Waldorf (Felix von Manteufel) platzt mit einer Mordanklage in Schimanskis (Götz George) und Thanners (Eberhard Feik) Büro. Der Industrielle Baumgarten (Hermann Treusch) habe den alternden Schiffer Kaiser so lange ungeschützt mit chemischem Giftmüll hantieren lassen, bis dieser irgendwann an Krebs gestorben sei. Zudem müsse Waldorf nun selbst um sein Leben fürchten - just dieser Anschuldigung wegen. Schimanski und Thanner wimmeln den hysterischen Mann ab. In der folgenden Nacht wird Waldorf ermordet aufgefunden. Der Hauptverdächtige Baumgarten gibt sich den Anschein des respektablen Großbürgers, was Schimanski alles andere als behagt.

Schimmi als Öko-Cop. Dass der Pott stinkt, rußig ist und grau, versucht "Kielwasser" gar nicht zu verheimlichen - im Gegenteil macht er ganz klar, dass dies einer typische Prä-Strukturwandels-Charaktereigenschaft der Region ist. Dennoch: als irgendwann blutrote Toxine in den Rhein sprudeln, wird es selbst dem unverwüstlichen Kommissar zu viel. Schließlich will man hier auch in dreißig Jahren noch ungestört seine Currywurst mit Pommes essen. Dass ausgerechnet ein Lackaffe wie der arrogante Baumgarten - ein gespuckter Antagonist für Schimanski (den man bald darauf in der Figur des von Charles Brauer gespielten Grassmann in "Zahn um Zahn" nochmal reanimierte) - verantwortlich ist für all dieses üble Gestinke, kommt dem Mann mit der Rotzbremse nur gelegen. Trotzdem, Selbstjustiz lässt Schimmi - hier(!) - noch nicht durchgehen. Dafür trinkt er mit der würdevollen Vigilantin (Elizabeth Kasa) noch einen letzten Kaffee, bevor er sie schweren Herzens einbuchten muss.

8/10

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SHATTERED (Wolfgang Petersen/USA 1991)


"That could keep a guy on his toes, huh?"

Shattered (Tod im Spiegel) ~ USA 1991
Directed By: Wolfgang Petersen

Nach einem schweren Autounfall in den Bergen leidet der Industrielle Dan Marrick (Tom Berenger) nicht nur an einem völlig entstellten Gesicht, sondern zudem an Gedächtnisverlust. Er kann sich nicht mehr an seine eigene Identität erinnern und muss erst nach und nach wieder lernen, im Leben zurecht zu kommen. Dabei unterstützt ihn seine liebevolle Frau Judith (Greta Scacchi). Nachdem Dans Gesicht von der plastischen Chirurgie komplett wiederhergestellt werden konnte und er gerade dabei ist, sich wieder in seinen früheren Alltag einzugliedern, stößt er auf den Detektiv Gus Klein (Bob Hoskins), den Dan offenbar vor dem Unfall mit dem Auftrag betraut hatte, Judith eine Affäre mit einem gewissen Jack Stanton (Scott Getlin) nachzuweisen. Es ist also doch nicht alles so eitel Sonnenschein wie es scheint, zumal Stanton mitnichten verschwunden ist, sondern sich bald wieder in das Leben der Merricks einmischt...

Eher trivialer Kriminalfilm, der sich wohl primär als Hommage an Hitchcock und die schwarze Serie versteht, insgesamt jedoch allzu oberflächlich und nachlässig bleibt, als dass er wirklich begeistern könnte. Am besten funktioniert "Shattered" immer noch als bares Erzählkino, denn die mit einem schönen twist versehene Story, der man beim ersten Mal noch mit einiger Atemlosigkeit folgt, ist recht spannend konstruiert und wird auch entsprechend wiedergegeben. Ist die Auflösung jedoch einmal bekannt, bleibt nicht allzu viel übrig, was das wiederholte Ansehen des Films reizvoll macht. Da wären immerhin ein paar gekonnte Einstellungen von dem wortwörtlich nebulösen Schiffswrack oder vom nächtlichen San Francisco nebst seiner Brücke. Petersens zweite reine Hollywood-Produktion nach "Enemy Mine" demonstriert jedoch vor allem eines: die überdeutlichen Bemühungen des Regisseurs, sich von seiner deutschen (Film-)Vergangenheit zu emanzipieren. Dabei soll ergo alles möglichst amerikanisch wirken und aussehen; der interkontinental-distanzierte Blick bleibt jedoch stets allgegenwärtig - ein Umstand, den erst Petersens nächster Film, "In The Line Of Fire", endgültig ausräumen konnte. Manches läuft auch über die unsympathische Darstellerriege quer. Mit Ausnahme von Bob Hoskins, der nach "Who Framed Roger Rabbit" gleich nochmal den bewährten, im Trüben fischenden Schnüffler mit Herz zu geben hatte, und dies erwartungsgemäß erfolgreich, hat man es durch die Bank mit Akteuren und Aktricen zu tun, die sich ihre Meriten nicht umsonst allesamt in Bösewichtsrollen verdient haben. Ich habe Tom Berenger im Grunde nie etwas anderes abgenommen als den ewigen Sergeant Barnes.

6/10

Wolfgang Petersen Amnesie San Francisco film noir neo noir


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TATORT - MIRIAM (Peter Adam/BRD 1983)


"Horst! Wir brauchen keine Weiber!"

Tatort - Miriam ~ BRD 1983
Directed By: Peter Adam

Der Privatdetektiv Virks ist ermordet worden. Bei der Spurensicherung begegnen Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) der geheimnisvollen Miriam (Sunnyi Melles), wie sich herausstellt, Tochter des millionenschweren Konzernchefs Schultheiss (Paul-Albert Krumm). Als Schimanski ein wenig in der Familienchronik der Schultheissens herumstochert, findet er heraus, dass Miriams Mutter vor zwanzig Jahren einen tödlichen Unfall hatte. Ihr Vater hat darauf kurzerhand neu geheiratet. Seitdem reden Schultheiss und Miriam kein Wort mehr miteinander. Während Thanner, der bei Schimmi eingezogen ist, allabendlich seinem Liebeskummer bezüglich Sylvia Luft macht, findet sein Kollege heraus, dass auch Virks' Kollege Scholl (Will Danin) in den Fall verwickelt ist.

Der siebte "Tatort" mit Schimanski und Thanner, der einzige, der 1983 erstausgestrahlt wurde und damit eine von zwei langen Durststrecken in der Schimmi-Chronik repräsentiert. Die Musik stammt nochmals von Tangerine Dream, ist jedoch nicht ganz so schön und atmosphärisch wie beim "Mädchen auf der Treppe". Peter Adam zeigt sich, etwas im Gegensatz zu Hajo Gies und Ilse Hoffmann, wieder einmal sehr in seine Protagonisten verliebt: Es gibt eine besonders schöne Szene, in der Schimanski abends nach Hause kommt, den aufgrund eines abgesagten Diners enttäuschten und vor allem stockbesoffenenen Thanner nach dem Genuss einer Flasche Fernet Branca vorfindet und ihn zu Bett bringt. Die freundschaftliche Beziehung zwischen Thanner und Schimanski, die später ja noch mehrfach herb kriseln soll (man denke nur an "Moltke" und die beiden Kinofilme "Zahn um Zahn" und "Zabou"), bewegt sich hier auf ihrem Zenit.

8/10

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TATORT - DER UNSICHTBARE GEGNER (Hajo Gies/BRD 1982)


"Wer ist Freddie?"

Tatort - Der unsichtbare Gegner ~ BRD 1982
Directed By: Hajo Gies

Als Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) herausfinden, dass ihre zwei neuesten Mordfälle, einer davon der an dem Maler Krage (Peter Bongartz), etwas mit einem verjährt geglaubten Banküberfall in Lüdenscheid zu tun hat, an dem noch mindestens zwei weitere Personen beteiligt sind, glauben sie sich inmitten üblicher Routine. Dann muss Schimanski jedoch in Notwehr einen der verbliebenen Räuber (Jan Fantl) anschießen. Dieser fällt nach einem schweren Behandlungsfehler im Krankenhaus in ein endgültiges Koma. Das letzte noch übrig gebliebene Mitglied der Gang schwört Schimanski nicht nur blutige Rache, sondern greift auch diverse Menschen in seinem Umfeld an, darunter Hänschen (Chiem van Houweninge) und Thanners Frau Sylvia (Nate Seids).

This time it's getting personal. "Selbst ist der Mann." sagt Schimmi zu sich selbst, nachdem seine frühere Liebschaft Marion (Barbara M. Ahren) von seinem unsichtbaren Feind schwer misshandelt wurde, pfeift auf jedwede Überwachung durch seinen periodischen Chef, den Klops-Vertreter Kissling (Werner Schuchow) und müht sich, seinem Antagonisten höchstselbst auf die Schliche zu kommen. Da wir hier aber nicht in Hollywood, sondern in Duisburg sind, kann Schimanski froh sein, dass seine Kumpels am Ende doch noch rechtzeitig zur Stelle sind, um ihn vom todbringenden Strick loszuschneiden.
Der Plot um den Feind im Hintergrund, der seine mörderischen Ränke mit absoluter Konsequenz im Halbdunkel schmiedet, einmal zwischendurch sogar zu sehen ist und als unverdächtiger Patron zunächst unbehelligt weiter in der Geschichte verweilen kann, verweist jedoch sehr wohl auf internationale Genrevorbilder. Selbst einen für "Tatort"-Verhältnisse relativ spektakulären Twist enthält man den Zuschauern diesmal nicht vor und zwei, drei waschechte Thriller-Anleihen machen die Sache schließlich rund. Auch sonst gibt es noch ein paar bemerkenswerte Notizen für meinereiner: Unser Dinslakener Trabrennbahn, in Fach- und Zockerkreisen als "Die Trabe" bekannt, fungiert in einer Szene als set piece, zwei Synchronlegenden, nämlich Reinhard Glemnitz und Joachim Höppner, sind in kleinen, aber umso feineren Rollen zu sehen und schließlich spielt der legendäre Rudolf Schündler, als enervierter Lehrer aus der "Lümmel"-Serie sowie als enervierter Butler aus "The Exorcist" bekannt, einen markanten Nebenpart.

8/10

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TATORT - DUISBURG-RUHRORT (Hajo Gies/BRD 1981)


"Scheiße."

Tatort - Duisburg-Ruhrort ~ BRD 1981
Directed By: Hajo Gies

Die Duisburger Kommissare Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) müssen den Mord an einem Binnenhafenarbeiter namens Petschek aufklären. Nachdem sie Verbindungen des promisken Petschek zu einem kriminellen Schiffseigner (Max Volkert Martens) und türkischen Waffenschiebern festgestellt haben und bereits eine großangelegte Verswchwörung wittern, müssen die beiden Ermittler einsehen, dass die tatsächliche Auflösung des Falls höchst lapidar ist.

Richtig ikonographisch geht's los: Die Kamera fährt langsam aus einer Fensterperspektive über die schmierige Duisburger Skyline zurück in eine kleine Hochhauswohnung und nimmt eine etwas zottigen Mann von links ins Bild. Dazu dudelt das Radio "Leader Of The Pack" von den Shangri-Las. Der von den Ereignissen des Vorabends sichtlich angeschlagene Mann sammelt ein paar leere Bierflaschen ein und genießt zum Frühstück zwei rohe Eier. Bühne frei für Horst Schimanski. Dessen erster Tatort-Fall bildete eine Zäsur nicht nur für die zu diesem Zeitpunkt bereits leicht tradierte, 125 Folgen umfassende Krimireihe, sondern auch für die bundesrepublikanische TV-Landschaft en gros. Nachdem der Ruhrpott bereits den Essener Kommissar Haferkamp (Hansjörg Felmy) kredenzt bekommen hatte, der jedoch nach nur sechs Jahren bereits seinen vorzeitigen Ruhestand einreichte, betraten 1981 Götz George und eberhard Feik die Szene. Authentizität wurde nunmehr nicht nur groß, sondern gleich komplett blockletternförmig geschrieben. Schimanski, stets unterwegs in Jeans, ausgebeulten Pullis und dem legendären beigefarbenen Windanorak, besaß kaum mehr etwas vom klassischen deutschen Fernsehbullen. Er soff wie ein Loch, hatte One-Night-Stands, war laut, vulgär und unverschämt, die proletarischen Wurzeln unübersehbar. Als "Mann des Volkes" eroberte "Schimmi" hernach selbst viele Herzen erklärter Autoritäts- und Uniformgegner, und das absolut verdient. Wären alle Bullen so wie Horst Schimanski, die Welt wäre ein besserer Ort.
Speziell an "Duisburg-Ruhrort" reizt insbesondere das Binnenhafenmilieu, das in jenem Duisburger Stadtteil, einer Art Miniaturausgabe von St. Pauli, heute, zu Zeiten des Strukturwandels, längst nicht mehr so floriert wie noch vor gut 31 Jahren. Damals hatte der Pott noch seinen stinkigen Pommesbudencharakter, war dreckig, aber ehrlich. Als Zeitzeugnisse dieser Ära sind ganz besonders die frühen Schimanski-Filme, und damit natürlich auch der vorliegende, ein unverzichtbares, praktisch dokumentarisches Gut.

8/10

Tatort Schimanski Duisburg TV-Film Ruhrpott Hafen Hajo Gies


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WINTER'S BONE (Debra Granik/USA 2010)


"Is this gonna be our time?"

Winter's Bone ~ USA 2010
Directed By: Debra Granik

Die siebzehnjährige Ree (Jennifer Lawrence) hat es nicht leicht: Im winterlich-kalten Missouri-Hinterland muss sie sich als einziges halbwegs mündiges Familienmitglied um ihre schwer depressive Mutter (Valerie Richards) und ihre beiden kleinen Geschwister (Isaiah Stone, Ashley Thompson) kümmern, und das bei prekärem Haushaltsetat. Als Sheriff Baskin (Garret Dillahunt) der couragierten Ree eröffnet, dass ihr Vater Jessup, ein Drogenkoch, kautionsflüchtig ist, sich seiner anstehenden Gerichtserhandlung zu entziehen versucht, und das Grundstück der Familie auf dem Spiel steht, versucht Ree mit allen Mitteln, Jessup ausfindig zu machen. Sie stößt jedoch nur auf eine Mauer des Schweigens: Niemand will oder kann etwas über Jessups Verbleib sagen, am wenigsten der patriarchalisch auftretende Milton (Ronnie Hall), inoffizieller Chef der ganzen Gegend. Als Ree ihm zu nahe kommt, muss sie selbst um ihr Leben fürchten.

Eine Geschichte aus dem provinziellem Hinterhof von Prekariats-Amerika, dessen Topographie wirkt wie aus einer Parallelwelt stammend. Mit Missouri assoziiert man als Europäer ja normalerweise das typische Südstaatenflair mit sattem Grün und schwirrenden Mücken, nicht jedoch eine solche Endzeit-Atmosphäre, wie sie Debra Granik in ihrem zweiten Langfilm kredenzt. Bitterkalt ist es, ein deprimierendes Grau in Grau bestimmt die alltägliche Tristesse und die Menschen machen sich es durch nachbarschaftliche und/oder familiäre Beziehungen etwas behaglicher. Bestimmte Dinge werden grundsätzlich tabuisiert oder bleiben einfach unausgesprochen, das gehört zur lokalen Tradition. Als Ree zu stochern beginnt, um sich und ihrer Familie die drohende Obdachlosigkeit zu ersparen, empfinden die Alten der Gegend das als eine inoffizielle Kampfansage an den Filz ihrer stoischen Verschwiegenheit und stellen sich noch sturer dar als ohnehin schon. Durch ihre nicht nachlassende Schnüffelei provoziert Ree schließlich sogar gewalttätige Aggressionen, vor denen sie letzten Endes nur ihr selbst höchst fadenscheinig auftretender Onkel Teardrop (John Hawkes) bewahren kann.
Für ihre kleine Geschichte eines jugendlichen Sturms in hillbilly country, den die Regisseurin offenbar auch als eine Art Chance verstanden wissen will, wählt Debra Granik eine verfänglich schöne Bildsprache. Unabhängig von dem überall herumliegenden Schrott und Müll, der Schäbigkeit der gottverlassenen Gegend und der latenten Feindesligkeit der inzestuös verbandelten Menschen scheint es, als habe sich Granik ähnlich wie ihre Protagonistin in diese Landschaft, das innere Amerika, verliebt. So ist "Winter's Bone" weniger seine vorgebliche Coming-Of-Age-Story denn in erster Linie intimes Porträt und klärende Bestandsaufnahme für all jene, die mit den USA nur noch irgendwelche Sitcom-Realitäten assoziieren.

8/10

Debra Granik Familie Missouri Südstaaten Drogen


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MIRAGE (Edward Dmytryk/USA 1965)


"Now that all the Westerns have gone psycho, this is the only place where you can tell who the bad guys are."

Mirage (Die 27. Etage) ~ USA 1965
Directed By: Edward Dmytryk

Dem Angestellten David Stillwell (Gregory Peck) wird nur schleichend bewusst, dass er unter einer schweren Amnesie leidet - die letzten zwei Jahre sowie entscheidende Details seines Lebens sind wie aus seinem Gedächtnis ausradiert. Dummerweise kann er dem Grund und dem Geheimnis seines Erinnerungsverlusts nicht ungestört auf die Spur kommen - einige bewaffnete Finsterlinge (Jack Weston, George Kennedy) verfolgen ihn und verlangen Dinge von ihm, deren Sinn er selbst nicht versteht. Was hat der geheimnisvolle "Major" mit dem Ganzen zu tun? Und was der Selbstmord des berühmten Pazifisten Charles Calvin (Walter Abel)?

Recht hübscher, ein wenig an Stanley Donens elegante Filme "Charade" und "Arabesque" (in welchem Peck in direkter Folge von "Mirage" auftrat) erinnernder Krimi aus den paranoiden Mittsechzigern, dessen innovative Montagetechnik jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Story, wenn auch neu durchdekliniert, im Prinzip aus der Mottenkiste des Genrefilms stammt. Und nicht allein das: Gregory Peck spielt exakt dieselbe Rolle, die er genau zwanzig Jahre zuvor in Hitchcocks "Spellbound" zu geben hatte; die eines durch ein Schockerlebnis amnesisch gewordenen Unfallopfers, das ein kompliziertes Erinnerungspuzzle zusammenzusetzen hat, um dann einer bösen Verschwörung auf die Spur zu kommen. Während Hitch das Thema jedoch etwas radebrechend als Illustration der Psychoanalyse vorschob, geht es "Mirage" eher um die kriminalistischen Inhalte - wie die Ära es vorschreibt, kommen gewissenlose Militärs mitsamt ihren Gorillas und natürlich die Atombombe darin vor. Der Weltfrieden liegt unter steter Bedrohung, nach wie vor. Als Schmankerl präsentiert der bald darauf ins europäische Kino emigrierte Dmytryk einen gut aufgelegten Walter Matthau als Privatschnüffler, der seinen aus "Charade" resultierenden Misstrauens-"Bonus" wieder etwas wett machen kann. Ansonsten gibt es in dieser Filmgattung bessere Werke. Aber auch massig deutlich schlechtere.

7/10

Edward Dmytryk Kalter Krieg Atomkraft Amnesie


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THE NIGHT OF THE GENERALS (Anatole Litvak/UK, F 1967)


"Murder is the occupation of Generals."

The Night Of The Generals (Die Nacht der Generale) ~ UK/F 1967
Directed By: Anatole Litvak

Warschau, 1942: Major Grau (Omar Sharif) von der Abwehr will den bestialischen Mord an einer Prostituierten aufklären, den augenscheinlich ein Wehrmachtsgeneral begangen hat. Drei Verdächtige kommen als Täter in Frage: Der paraphil veranlagte von Seidlitz-Graber (Charles Gray), der hintergründige Kahlenberg (Donald Pleasence) und der eben eingetroffene Kriegsheld Tanz (Peter O'Toole). Als Grau zu bohren anfängt, wird er just befördert und nach Paris abkommandiert, wo zwei Jahre später, kurz vor der Verschwörung vom 20. Juli, wiederum alle drei Generäle anwesend sind und wiederum eine Prostituierte getötet wird. Als Grau den Täter ermittelt, wird er von diesem erschossen. Rund zwanzig Jahre später macht sich Inspector Monard (Philippe Noiret), einst bei der Résistance und Dympathisant von Grau auf, den Fall seines ermordeten Freundes zu einem runden Abschluss zu bringen. Die Spur führt nach Hamburg, wo soeben eine Hafendirne erstochen wurde...

Whodunit, Naziploitation, Kitsch, Kriegsfilm, Synopse der Stauffenberg-Verschwörung: "The Night Of The Generals" will Vieles sein, und das Schönste: Er leistet alles von dem, was er sich vornimmt, seinem bravourösen Regisseur Litvak sei Dank. Höchst aufwändig und mit größter Sorgfalt an Originalschauplätzen hergestellt, nutzt Litvak die stattliche Erzählzeit für den Entwurf eines dichten Narrationsnetzwerks mit diversen gleichberechtigt agierenden Pro- und Antagonisten, wiederum verkörpert von einem grandiosen Darstellerensemble höchsten Ranges. An der Spitze des illustren Figurenmosaiks steht natürlich Peter O'Toole mit einer dankbaren Performance als dem Wahnsinn verfallener Herrenmenschen-Soldat. Über seine militärischen Pflichten hinaus Richtung NSDAP-Spitze zu katzbuckeln pflegend und dabei bereits oberflächlich ein Neurosen-Inventar (angesichts dessen Reichhaltigkeit jeder Analytiker feuchte Hände bekäme) bietend, beweist O'Toole nach "Lawrence Of Arabia" erneut, dass er nicht nur zu den großen Exzentrikern, sondern auch zu den großen Könnern der Filmschauspielwelt zählt. Doch auch Pleasence als dem Steinhäger zugetaner Verschwörer und besonders im Kino gern zelebrierten, antinazistischen Wehrmachtsoffizier ist mehr als eine Bank. Ganz kurz gibt sich Christopher Plummer als Rommel die Ehre und wie immer ist ein inspirierendes Vergnügen, "Langstreckenläufer" Tom Courtenay, der eigentlich die geheime Hauptrolle spielt, dessen Name es angesichts all der Leinwandstars jedoch sicherlich an internationaler Zugkraft vermissen ließ, zuzuschauen. Splendid.

8/10

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GAMES (Curtis Harrington/USA 1967)


"For you the game is over."

Games (Satanische Spiele) ~ USA 1967
Directed By: Curtis Harrington

Jennifer (Katharine Ross) und Paul Montgomery (James Caan) sind ein typisches, wohlhabendes New Yorker Greenwich-Village-Hipster-Ehepaar: Kinderlos, Kunst sammelnd, Kicks suchend. Ihre wie performancegleich inszenierten Partys sind mittlerweile legendär in der Szene. Als die alternde Kosmetikvertreterin Lisa (Simone Signoret) für ein paar Tage bei ihnen einzieht, beginnen die Montgomerys, merkwürdige Spielchen zu spielen, die dazu dienen, sich gegenseitig zu erschrecken. Als dabei eines Tages versehentlich der Lebensmittelbote Norman (Don Stroud) erschossen wird, bekommt insbesondere Jennifer es mit der Angst. Paul entsorgt die Leiche zwar auf geschicktem Wege, doch Normans rachsüchtiger Geist scheint das Haus nicht verlassen zu wollen...

Wer ein wenig in der Horrorthriller-Geschichte der Sechziger beflissen ist, der hat es nicht schwer, vorauszusehen, worauf "Games" inhaltlich hinausläuft: Aldrichs "Hush... Hush, Sweet Charlotte" und vor allem mehrere Filme der britischen Hammer ("Paranoiac", "Nightmare", "Scream Of Fear") bedienten sich allesamt jenes beliebten Verunsicherungsmoments, in dem eine mehr oder weniger vorbelastete Dame von einigen böswilligen bis sadistisch veranlagten Komplottanten aus zumeist rein monetär motivierten Gründen und mittels inszenierten Spuks in die Klappsmühle gebracht werden soll. Hier ist die schöne Katharine Ross das Opfer und ihr Mann, der am Ende jedoch auch nicht viel zu lachen hat, der fiese Drahtzieher des Ganzen. Für den später leider dem - wahrscheinlich infolge seiner bequemen Unkompliziertheiten - lockenden Fernsehen verfallenen Curtis Harrington, dessen Kinoarbeiten Schifferle noch Mitte der Neunziger so treffend als "terra incognita" bezeichnete, war "Games" der vierte von insgesamt leider nur neun Leinwandlangfilmen. Immerhin konnte er dazu auf die Produktionsmittel eines großen Studios (Universal) und eine überaus ansehnliche Besetzung, darunter die Signoret während ihrer kurzen Hollywood-Gastspielreise, zurückgreifen. Dass diese im Film eine Deutsche mit ominöser Vergangenheit spielt, in der deutschen Fassung jedoch als Ungarin veräußert wird, ist für diese Zeit nichts sonderlich Seltsames. Für Harrington jedoch gilt: Die Raumkonstruktion ist sein Star, die Innenausstattung des architektonisch wundervollen New Yorker Hauses ein Traum. Auf dieser inszenatorischen Spielwiese, die Harrington allerhöchstens für minimale Gegenschnittsequenzen (etwa wenn Jennifer telefoniert) verlässt, vollbringt der Regisseur geradezu Meisterliches. Dass seine Geschichte sich eben nicht gerade als die innovativste hervortut, damit muss (und kann) man leben.

8/10

Curtis Harrington New York Ehe


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ODD MAN OUT (Carol Reed/UK 1947)


"We're all dying."

Odd Man Out (Ausgestoßen) ~ UK 1947
Directed By: Carol Reed

Nach einem Überfall wird der unter Panikattacken leidende IRA-Flügelmann Johnny McQueen (James Mason) wird bei einem Banküberfall angeschossen und während der anschließenden Flucht von seinen Kameraden getrennt. Schwer verletzt schleppt sich Johnny durch das winterliche Belfast und von Versteck zu Versteck, stets auf der Fliucht vor der Polizei und verräterischen Zeitgenossen, die ihn aus Angst oder aus Gier bezüglich des auf seinen Kopf ausgesetzten Preisgeldes zu denunzieren trachten.

Es ist gar nicht mal so sehr die Geschichte des 'dead man running' Johnny McQueen, denn primär das von Belfast und seinen Einwohnern entworfene Kaleidoskop, das "Odd Man Out" zu einem Meisterwerk macht. Der große Kameramann Robert Krasker, der kurz darauf für Reed auch dessen monolithischen "The Third Man" photographieren sollte, ist ein Poet der Städteabbildung. In ungeschönter und zugleich faszinierend realistischer Manier präsentieren sich die taumelnden Metropolen bei ihm als Horte der Angst und Verunsicherung, zugleich jedoch auch stets als solche pulsierender Vitalität und des ungebrochenen Überlebenswillens des Ungeziefers Mensch. Dazu liefern Krasker und Reed ihren Zuschauern ein Panopticon expressionistischer Tableaux, harte, geometrische Formanordnungen und Licht-Schatten-Übergänge. Der zugegebenermaßen (wie eigentlich immer) völlig großartig agierende Mason dient der Geschichte im Prinzip lediglich als Motor; man ahnt schon zu Beginn, dass ihn eine latente Todessehnsucht begleitet und die Sühne für sein Verbrechen in nicht sehr weiter Ferne auf ihn wartet. Deutlich spannender sind da all die mehr oder weniger opportunistischen, verschrobenen Typen, mit denen McQueen während seiner Odyssee ins Jenseits in Berührung kommt: Ängstliche Kinder und Krankenschwestern, Droschkenführer, Kneipiers, Tagelöhner, Bohèmiens und Studienabbrecher kreuzen Johnnys Weg und beeinflussen ihn in jeweils entscheidender Weise.

10/10

Heist Winter Belfast Nacht Carol Reed IRA Nordirland





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