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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LA ORCA (Eriprando Visconti/I 1976)


Zitat entfällt.

La Orca ~ I 1976
Directed By: Eriprando Visconti

Die Industriellentochter Alice (Rena Niehaus) wird von einer Gruppe Kleingangster entführt und in einem abgelegenen Altbau gefangengehalten. Die von einer grauen Eminenz im Hintergrund organisierten, beteiligten Männer kennen sich weder, noch pflegen sie eine Kommunikation, die das Allernötigste übersteigt. Da der junge und naive Michele (Michele Placido) der Einzige ist, der keinerlei anderweitigen Verpflichtungen nachgehen muss, obliegt ihm die Aufgabe, ruind um die Uhr bei Alice zu bleiben und sie zu bewachen. Bald schon vergisst Michele sich angesichts der dräuenden Umstände und glaubt, dass seine Annäherungsversuche bei Alice auf fruchtbaren Boden stoßen. Ein verhängnisvoller Irrtum.

Der Luchino-Neffe Eriprando Visconti spielt in "La Orca" geschickt mit Rollenerwartungen und Figurenzeichnungen. Neben einer eher beiläufig entworfenen Bestandsaufnahme des zeitgenössischen Italien, in dem die Roten Brigaden wüteten und Entführungsfälle wohlhabender Familienmitglieder faktisch an der Tagesordnung waren, richtet er sein Augenmerk auf die abbildhaft-symbolische Beziehung zwischen Alice und Michele, die sich von Anfang an als Katz-und-Maus-Spiel geriert. Während Michele mehr oder weniger bewusst als Identifikationscharakter eines vorrangig voyeuristisch-libidinös gesteuerten, männlichen Publikums dient und mit seinen sexuellen Nötigungen und Missbrauchsavancen auch noch auf eine Goldader zu stoßen scheint, brodelt in der die Situation aufgrund von Intellekt und Geschlecht bald insgeheim beherrschenden Alice von Anfang an der bloße Freiheitswille. Dass infolge dieser wohlfeil kaschierten Ausgangssituation die Arbeiterklasse am Ende einmal mehr von der Oberschicht dominiert und unmerklich gesteuert wurde, liegt, das macht Visconti dem Publikum am Ende noch einmal ganz klar deutlich, in der - wenngleich ungerechten - Natur der Dinge. In the end, we all lose.

7/10

Eriprando Visconti Kidnapping


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TATORT - EINZELHAFT (Theodor Kotulla/BRD 1988)


"Alles, was ich hier will, ist ORDNUNG! Und RUHE!!"

Tatort - Einzelhaft ~ BRD 1988
Directed By: Theodor Kotulla

Der in U-Haft sitzende Rolf Vogtländer (Hans Böhm) bittet Schimanski (Götz George), sich um eine seine Tochter Ilona (Brigitte Karner) betreffende Morddrohung zu kümmern. Vogtländer befindet sich im Gefängnis, weil er im dringenden Verdacht steht, seine Frau Eva - Ilonas verhasste Stiefmutter - vom Balkon gestoßen zu haben. Ilona jedoch ist von der Unschuld ihres Vaters überzeugt und will diese nun auf eigene Faust nachweisen. Zu diesem Zweck arbeitet sie zum Schein als Taxifahrerin und stochert in der unrühmlichen Vergangenheit Evas herum. Diese war nämlich offenbar reges Mitglied eines Menschenhändlerrings, der junge Jugoslawinnen nach Deutschland überführt, um sie dort als Prostituierte anschaffen zu lassen. Schimanski, der Ilona eindringlich warnt, als Amateurdetektivin tätig zu sein, gerät bald an den aalglatten Spediteur Plewitsch (Juraj Kukura)...

Mit Menschenhandel und Prostitution hatten Schimanski und Thanner es ja bereits mehrfach zu tun - diesmal führt die Spur jedoch über allerlei Stolpersteine und Umwege, die die Story konstant wach- und den Zuschauer bei Aufmerksamkeit halten. Regisseur Kotulla, mit dem George bereits die fulminante NS-Bio "Aus einem deutschen Leben" gemacht hatte, wahrt seinen herrlich stoischen Stil, von dem besonders Eberhard Feik zu profitieren weiß, der als Thanner am permanenten Rande des Nervenzusammenbruchs einige der komischsten Auftritte seiner Ermittler-Karriere hinlegen darf. Einmal gerät er mit einem frechen Hafenarbeiter aneinander, dann mit einem renitenten Hausmeister, um dann auf der Wache, als Huren, Mörder und Schimanski eine Massenjschubserei abhalten, endgültig auszurasten. Großes Spiel des wunderbaren Feik, das mal wieder nachdrücklich beweist, dass ein Schimmi ohne sein' Thanner ooch nur die halbe Miete is'.

8/10

Tatort TV-Film Schimanski Duisburg Ruhrpott Selbstjustiz Prostitution Menschenhandel


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MURDER, MY SWEET (Edward Dmytryk/USA 1944)


"I felt pretty good - like an amputated leg."

Murder, My Sweet (Mord, mein Liebling) ~ USA 1944
Directed By: Edward Dmytryk

Von dem ebenso hünenhaften wie geistig minderbemittelten Ex-Knacki Moose Malloy (Mike Mazurki) erhält Philip Marlowe (Dick Powell) den Auftrag, eine gewisse Velma Valento zu suchen, mit der Moose vor acht Jahren mal etwas hatte. Kurz darauf bittet ihn noch ein windiger Kleiderständer namens Lindsay Marriott (Douglas Walton), ihn bei einer Geldübergabe zu eskortieren - es ginge um gestohlenen Jadeschmuck und dessen Wiederbeschaffung. Hinterrücks zusammengeschlagen landet Marlowe zunächst bei der Polizei - und Marriott im Leichenschauhaus. Nachdem er seine Unschuld an Marriotts Tod einigermaßen glaubhaft versichern kann, gerät Marlowe an die Familie Grayle - den reichen, alten Patriarchen (Miles Mander), seine nette Tochter Ann (Anne Shirley) und deren Stiefmutter (Claire Trevor), eine auf den ersten Blick sehr gefährliche Dame. Hier liegt auch der Schlüssel zu aller Unbill. Doch bevor Marlowe diesen endlich findet, geht er noch zweimal k.o..

Einer der maßgeblichen und stilprägenden Filme des Vierziger-Jahre-hardboiled-Detektiv-Genres, das ja bekanntlich als eine der nachhaltigsten Spielarten des film noir im populärkulturellen Gedächtnis verankert ist. Noch zwei Jahre bevor sich Bogey in "The Big Sleep" als Philip Marlowe auf eine überaus komplizierte Frauen- und Verbrecherjagd begab, interpretierte Dick Powell erstmals auf der Leinwand jenen zynischen Privatschnüffler. Mitsamt arschcooler Voice-Over-Narration, die aber immerhin einen gewissen Beitrag zur Orientierung innerhalb der irre Haken schlagenden Geschichte lieferte. Hawks und Faulkner degradierten die Story wohlweislich zum eher lästigen Schmuck, zum Alibi, um Bogey und Bacall ihr erotisches Tänzchen aufführen zu lassen. Ob der eher unglamouröse Powell letzten Endes die bessere Interpretation des Detektivs lieferte, bleibt Makulatur - in jedem Fall kommt er wohl Chandlers Vorstellung eines schmierigen Dreckwühlers deutlich näher. Das primäre, große Verdienst von Dmytryks Arbeit liegt darin, L.A. als urbanen Rotlicht-Moloch zu verkaufen, als Hort von Lügen und miesen Geschäften und von bösen blonden Frauen, die gewaltige Männer als Marionetten missbrauchen. Am Ende müssen sie alle dran glauben und jedwede Schuld wird getilgt - außer der von Marlowe, dessen Scotch-Eskapaden, soviel ist gewiss, in Kürze in die nächste Runde gehen werden.

8/10

Edward Dmytryk film noir hardboiled Los Angeles femme fatale Philip Marlowe Raymond Chandler


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FLETCH LIVES (Michael Ritchie/USA 1989)


"It takes a big man to admit when he's wrong. I am not a big man."

Fletch Lives (Fletch II - Der Troublemaker kehrt zurück) ~ USA 1989
Directd By: Michael Ritchie

Als Reportr Irwin 'Fletch' Fletcher (Cheva Chase) davon erfährt, dass er von seiner Tante ein stattliches Südstaaten-Anwesen in Mississippi geerbt hat, kündigt er kurzerhand seinen Job und jettet zum Magnolienstaat. Dort angekommen macht sich schnell Ernüchterung breit, denn der alte Bau ist doch recht verfallen. Als nach einer Liebesnacht mit der Notarin (Patricia Kalember) diese tot aufgefunden wird, sitzt Fletch sogleich wieder in der Patsche. Bei seinen Folgeermittlungen stößt er u.a. auf einen durchgeknallten Fernsehprediger (R. Lee Ermey), dessen Tochter (Julianne Phillips), eine Horde ungeschlachter Motorrad-Rocker und einen nur vorgeblich tumben 'Haussklaven' (Cleavon Little).

Dem ersten Film praktisch und faktisch nahezu ebenbürtiges Sequel, das dem bewährten Duo Ritchie/Chase vor allem dazu dient, den nur allzu verlockend-parodistischen Südstaatenmief aufs Korn zu nehmen: Bigotterie, Rassenhass und eine kaum wegzuleugnende, genetisch bedingte, der hiesigen Landbevölkerung möglicherweise durch inzestuöse Fortpflanzung eingepflanzte Debilität finden bei "Fletch Lives" reißenden Absatz. Geoffrey Lewis hat einen formidablen Auftritt als gelangweilter KKK-Wizard und die Szene, in der Chevy Chase als Geisterheiler in Reverend Farnsworths (Ermey) TV-Show auftritt und einen Bedauernswerten (Ebbe Roe Smith) von seiner Kurzzeit-Migräne befreit, gehört mit Sicherheit zu den Sternstunden im Œuvre des Komikers. Zudem schmücken einige große Namen die Nebenbesetzungsliste. Spaß in Tüten also.

7/10

Michael Ritchie Sequel Südstaaten Mississippi Journalismus Kirche Rocker


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FLETCH (Michael Ritchie/USA 1985)


"You using the whole fist, Doc?"

Fletch ~ USA 1985
Directed By: Michael Ritchie

Seine Undercover-Ermittlungen bezüglich des florierenden Drogenhandels an einem trüben Strandabschnitt von L.A. treiben den Enthüllungsjournalisten Irwing 'Fletch' Fletcher (Chevy Chase) schließlich zu einer großangelegten Heroin-Verschwörung, an der unter anderem ein bigamistischer Milliardärsschwiegersohn (Tim Matheson) sowie der Polizeichef (Joe Don Baker) höchstpersönlich beteiligt sind.

Ganz auf Chevy Chases so typische, bizarre Unschuldsminen-Wort-Komik zugeschnittene Komödie, von der produzierenden Universal ganz offensichtlich als Konkurrenz zum Paramount-Zugpferd und Superseller "Beverly Hills Cop" ins Rennen geschickt. Wie SNL-Kollege Eddie Murphy alias Axel Foley schlüpft der großklappige Amateur-Detektiv Fletch permanent in irgendwelche überzogenen Spontanrollen (allerdings hier zusätzlich unter Zuhilfenahme teils genialischer Verkleidungstricks), die ihm dazu helfen, irgendwo herein- und somit bei seinen Ermittlungen weiterzukommen. Dabei befleißigt sich Fletch zudem permanent lustiger Codenamen wie "Dr. Rosenpenis" oder "Ted Nugent" (letzterer in der deutschen Fassung etwas derber zu "John MacPimmel" zusammengestrichen). Im Direktvergleich geht Murphy jedoch als Sieger aus dem Duell hervor, nicht zuletzt, da Axel Foley einfach mehr Schneid, Tempo und Credibility mitbringt. Chases Improvisationstalent dürfte zudem so manches Mal in Aktion getreten sein, zumindest suggerieren dies seine stets herrlichen Auftritte im Film.
Urkomisches Achtziger-Gold also, wenngleich mit unübersehbaren, leichten Abblätterungserscheinungen.

7/10

Michael Ritchie Los Angeles Utah Journalismus Heroin Verschwörung undercover


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THE BIG EASY (Jim McBride/USA 1986)


"This is the Big Easy. Folks have a certain way of doin' things down here."

The Big Easy (Der große Leichtsinn - The Big Easy) ~ USA 1986
Directed By: Jim McBride

Wenngleich Detective Remy McSwain (Dennis Quaid), Abkömmling einer langen Linie von Cajuns und Detective beim New Orleans Police Department, sich sogleich in die neue Staatsanwältin Anne Osborne (Ellen Barkin) verkuckt, so stehen ihm doch harte Zeiten bevor. Anne hat nämlich die hauseigene Korruption der Polizei von 'The Big Easy' im Visier und auch Remy drückt gegen entsprechendes Entgelt gern hier und da mal ein Auge zu. Das ist eben hier so, im Süden. Als jedoch eine Reihe brutaler Morde im Gangstermilieu die Stadt erschüttert und Zeugen immer öfter von verdeckt am Tatort aufgetretenen Polizisten sprechen, muss selbst Remy zugeben, dass sein Department noch sehr viel tiefer im Sumpf steckt als er es bislang wahrhaben wollte.

Sympathischer und zugleich typischer Polizeifilm der späteren Achtziger: Geschult an den Filmen Lumets und den Geschichten James Ellroys lag Jim McBride, der seinen Werken zugleich häufig gern eine kleine Dreingabe feminin orientierter Erotik beifügt, gleichfalls daran, der Südstaaten-Metropole New Orleans ein Denkmal zu setzen - spielen doch die großen zeitgenössischen Polizeifilme prinzipiell in L.A., New York, San Francisco oder bestenfalls mal in Chicago. Dass jedoch auch New Orleans, in Fachkreisen als 'The Big Easy' tituliert, eine kapitale organisierte Kriminellenkaste sowie eine erzkorrupte Bullerei vorweisen kann, das wird angesichts von Jazz, Blues, Sumpf und Bourbon nur allzu gern übersehen. So treten einige Stadtgrößen und -afficionados in charmanten Cameos auf, die die Thesen des Scriptautors Daniel Petrie Jr. zu stützen gedenken: Marc Lawrence etwa, archetypischer Darsteller italienischer Mafiosi, der massige Bluesman Solomon Burke oder der betreffs seiner präsidentenpostumen, verschwörungswitternden Kennedy-Bohrungen populär gewordene Richter Jim Garrison (letzterer witzigerweise als er selbst). Da verkommen die spielfreudigen Quaid und Barkin, sowie ihr Support, darunter Ned Beatty und John Goodman, fast zur illustren Staffage. McBrides routinierter Formalismus erweist sich indes als bequem und professionell, ebenso jedoch als konventinell und überraschungsarm. Insgesamt ein - wenngleich ansehnliches - Musterbeispiel für formelhafte Krimi-Unterhaltung seines Jahrzehnts.

7/10

Jim McBride Heroin Drogen Mafia New Orleans Korruption Amour fou Südstaaten


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TIGER BAY (J. Lee Thompson/UK 1959)


"I wouldn't have you for a friend, Gillie."

Tiger Bay ~ UK 1959
Directed By: J. Lee Thompson

Der polnischstämmige Matrose Korchinsky (Horst Buchholz) mustert in Cardiff ab, um seine Geliebte Anya (Yvonne Mitchell) zu besuchen. Diese hat sich jedoch in seiner Abwesenheit mit einem Sportkommentator (Anthony Dawson) vergnügt und lässt auf ihren verdutzten Verflossenen nun ein gerüttelt Maß an verachtendem Vokabular herniederprasseln. Wutentbrannt erschießt Korchinsky das üble Frauenzimmer - und wird dabei beobachtet von der elfjährigen Gillie (Hayley Mills), die im selben Haus wohnt. Korchinsky hat Angst vor der Denunziation durch die unfreiwillige, kleine Zeugin, bringt es jedoch ebensowenig fertig, auch sie zu töten. Eine merkwürdige, aber umso tiefere Freundschaft bahnt sich stattdessen an zwischen dem Outlaw und dem rotzigen kleinen Mädchen. Superintendent Graham (John Mills) merkt indes sofort, dass die mehrfach von ihm befragte Gillie ihm tüchtig was vorlügt.

J. Lee Thompson ist ja einer dieser Regisseure, die sich mit zunehmendem Alter und parallel zunehmender Arriviertheit als kaum mehr interessiert an ihrer Arbeit zeigten und zumindest augenscheinlich nur noch Filme drehten um die Butter aufs Brot zu bekommen. Nach seinen Anfängen in Großbritannien, die unter anderem dieses prächtige kleine Werk über eine ungewöhnliche Freundschaft hervorbrachten, begann Thompson, großes, campiges Studiokino zu fertigen, das, anfänglich noch von einer gewissen Selbstironie getragen, immer beliebiger wurde, bis er dann noch kurz vor der Rente bei der Cannon strandete und zu einem von deren Hausregisseuren und Aushängeschildern avancierte. "Tiger Bay" markiert jedoch noch eine ganz andere Hausnummer: Existenzialistisch gefärbtes, britisches New-Wave-Kino findet man bei diesem vor, das einen geschulten Blick in die multikulturellen Hafenviertel und Slums von Cardiff riskiert und, ganz unschuldig und absolut seriös, zwei Verlorene zusammenführt, die einander in ihrem Weltschmerz verdienen. Den Polen Korchinsky, nicht weit vom Analphabeten entfernt, hält es nirgendwo jenseits der See, weil er dort sofort in Stillstand und Depression verfällt, die kleine Gillie, wahrscheinlich ein Waisenkind, schlägt sich mit allerlei Streichen und Dummheiten durchs Leben und hat dabei die ätherische Unschuld eines Engels. Herz und Sympathie können die beiden sich im Überfluss schenken und sind doch nicht gefeit vor irdischer (und überirdischer) Rechtssprechung. Immerhin hat ihre Freundschaft nach dem als echten Nägelkauer in Szene gesetzten Showdown trotz allem noch eine Chance.

9/10

J. Lee Thompson Wales Cardiff Freundschaft Schuld & Sühne


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THE FALLEN IDOL (Carol Reed/UK 1948)


"It's a great life if you don't weaken."

The Fallen Idol (Kleines Herz in Not) ~ UK 1948
Directed By: Carol Reed

Für Phillipe (Bobby Henrey), den kleinen Sohn des französischen Botschafters (Gerard Heinz) in London, ist der gutherzige Butler Baines (Ralph Richardson) ein veritabler Vaterersatz, zumal sein eigener Papa nur selten daheim ist. Doch auch die Weste des stets um Korrekthei bemühten Dieners ist nicht ganz blütenrein. Er pflegt nämlich trotz seiner zermürbenden Ehe mit einem veritablen Hausdrachen (Sonia Dresdel) eine Affäre mit der deutlich jüngeren Bürokraft Julie (Michèle Morgan). Phillipe ist noch zu klein, um die zufällige Entdeckung eines tête-à-tête zwischen Baines und Julie richtig einzuordnen, doch auch er hasst Mrs. Baines von ganzem Herzen. Als am Folgeabend die von der Liebschaft ihres Mannes in Kenntnis gesetzte Eifersüchtige dem Paar eine Falle stellt, kommt es zum Eklat: Die Gute fällt eine Treppe hinunter und bricht sich das Genick. Doch war es wirklich ein Unfall? Phillipe ist sich selbst nicht ganz sicher...

Von dem grausamen deutschen Titel, der eine Liebesschmonzette um Rühmann und Lassie vermuten lässt, sollte man sich hier bitte nicht irreleiten lassen: Carol Reeds auf einer Kurzgeschichte von Graham Greene basierendes Drama ist vielmehr eine kriminalistische Variation von David Leans "Brief Encounter", das sich vor allem durch seine meisterliche Perspektivierung auszeichnet. Praktisch das ganze Geschehen spielt sich nämlich betrachtet durch die naiven Augen des kleinen Phillipe ab, ganz so, wie er die urbane Londoner Welt rund ums Diplomatenviertel wahrnimmt: fremd, hermetisch, geheimnisvoll und manchmal feindselig, lässt Reed sie auch uns angedeihen. Natürlich ahnen wir, dass die hübsche junge Frau, mit der der sympathische Baines sich da trifft, wohl kaum seine Nichte sein dürfte, wie Phillipe großmütig annimmt - dafür kann man sich andererseits nie ganz sicher sein, ob Mrs. Baines nicht eine aus dem Lande Oz entflohene Hexe ist. Wie Reed am Ende Spannungsmomente schürt und das Publikum schließlich sogar gegen seine vorherige Identifikationsperson, den Jungen nämlich, aufbringt, weil dieser, um richtig zu handeln, etwas Falsches zu sagen droht, ist nur ein weiteres inszenatorisches Kabinettstückchen in diesem an Kabinettstückchen überhaupt alles andere als armem Filmschmaus.

9/10

Carol Reed Freundschaft Amour fou London England Graham Greene


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UNA SULL'ALTRA (Lucio Fulci/I, F, E 1969)


Zitat entfällt.

Una Sull'Altra (Nackt über Leichen) ~ I/F/E 1969
Directed By: Lucio Fulci

Nachdem seine asthmakranke Frau Susan (Marisa Mell) wegen einer falsch dosierten Beruhigungsmittelgabe gestorben ist, widmet sich der etwas naive Arzt George Dumurrier (Jean Sorel), der zusammen mit seinem Bruder Henry (Alberto De Mendoza) eine mittelmäßig gehende Klinik bei San Francisco bewirtschaftet, ganz seiner Freundin Jane (Elsa Martinelli). Als George überraschend erfährt, dass seine Frau eine stattliche Lebensversicherung abgeschlossen hat, deren Begünstigter er ist, gerät er zugleich in das Visier der Ermittler. Zudem taucht eine Striptänzerin namens Monica Weston (Marisa Mell) auf, die große Ähnlichkeit mit Susan aufweist. Als deren Leiche exhumiert wird und man feststellt, dass sie vorsätzlich vergiftet wurde, wird George wegen Mordes verurteilt und wandert in den Todestrakt von San Quentin. Kann Jane noch rechtzeitig seine Unschuld beweisen?

Stilvoll gemachter Erotikkrimi, der noch die frühe, andere Seite von Fulci zeigt, die mit seinen späteren harten Horror-Eskapaden bis auf eine markant-eigenwillige Federführung kaum etwas gemein hat. Noch einige Jahre vor De Palma zollt der Italiener der Wiedergänger- und Nekrophilie-Thematik, die Hitchcock mit "Vertigo" etabliert hatte, seinen persönlichen Respekt und schnürt ein schickes Sleaze-Päckchen mit einem starken Score von Riz Ortolani sowie einem ausgeprägten Geschmack für schöne Frauen, nominell Elsa Martinelli und Marisa Mell. Seine etwas eklektizistische, nicht immer entschlossen wirkende Bearbeitung, die mal mit split screens wie denen in "The Thomas Crown Affair" hantiert, sowie jene schätzenswerte, hier besonders stark ausgeprägte, dezidiert europäische Perspektive auf die nordamerikanische Urbanität aufweist, sieht man dem Film nur allzu gern nach, bleibt er doch jederzeit spannend und versteht es, den Zuschauer durch seine undurchsichtige Geschichte durchweg zu affizieren. Nett.

7/10

Lucio Fulci San Francisco Todesstrafe femme fatale neo noir Verschwörung Sleaze


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BREAKHEART PASS (Tom Gries/USA 1975)


"There's more ways to pacify Indians than shootin' holes in them."

Breakheart Pass ~ USA 1975
Directed By: Tom Gries

Ein Militärzug ist auf dem Weg nach Fort Humboldt, um die dort durch eine grassierende Diphterie dezimierte Besatzung wieder aufzufüllen und Hilfsgüter mitzubringen. Im Zug befindet sich außerdem der Gouverneur Fairchild (Richard Crenna). An einem unterwegs liegenden Bahnhof steigen noch Marshal Nathan Pearce (Ben Johnson) und der soeben von ihm verhaftete Falschsspieler John Deakins (Charles Bronson) zu. Zwei Offiziere verschwinden indes spurlos. Bei der Weiterfahrt ereignet sich noch eine ganze Kette von vorgeblichen Unglücksfällen, die sich bald darauf als gezielte Anschläge herausstellen. Fürderhin ist Deakins mitnichten der Gauner, der er zu sein vorgibt, sondern ein verdeckt ermittelnder Secret-Service-Agent auf der Spur eines verschwundenen Waffenarsenals. Und in Fort Humboldt wartet keinesfalls die Diphterie, sondern der berüchtigte Killer Levi Calhoun (Robert Tessier) mitsamt seinen indianischen Verbündeten.

Schnörkellos guter Western-Krimi nach einem Roman und Script des ehedem beliebten Herrenromanautoren Alistair MacLean. Für Jill Ireland ergab sich mit der Rolle einer unschuldigen Offizierstochter eine weitere Gelegenheit zum Spiel an der Seite ihres Göttergatten, und auch sonst beherbergt "Breakheart Pass" eine bemerkenswerte Phalanx an Charakterköpfen, die noch heute als vorrangige Leinwandrepräsentanten jener Tage in den Köpfen präsent sind: Ed Lauter, Charles Durning, David Huddleston, Bill McKinney. Lauter spielt hier allerdings ausnahmsweise mal keinen Unsympathen, sondern den Sidekick des Helden. Was "Breakheart Pass" sonst noch von seinen Artgenosdsen abhebt, ist der konzentrierte, gleichfalls ungewöhnliche Handlungsschauplatz: Ein Zug auf dem Weg durch die gebirgige, verschneite Ödenei der Rockies, nur selten durchbrochen von inhaltlichen Schwenks zum von Unholden (Tessier mit dickem Rauschebart ist eine echte Schau!) besetzten Fort Humboldt. Ähnlich wie in Lumets meisterhafter Star-Menagerie "Murder On The Orient Express" gilt es hier, mittels detektivischen Geschicks auf jenem räumlich stark beschränkten Terrain einen oder mehrere Mörder dingfest zu machen. Be- und untermalt wird das Ganze durch die pointierte Fotografie Lucien Ballards sowie von einem herorragenden Goldsmith-Score und ist handwerklich durchweg unprätentiös gearbeitet, wie ein stabiler Eichentisch vom Schreiner nebenan. Ich bin mir übrigens zu neunundneunzig Prozent sicher, dass der ziemlich zu Beginn von Tessier per Kopfschuss erledigte Soldat am Telegraphen der junge Sam Elliott ist. Leider ließ sich dies nicht eindeutig verifizieren.

8/10

Tom Gries Nevada Idaho Gebirge Zug Indianer Verschwörung Alistair MacLean undercover





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Funxton

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