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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ADAPTATION. (Spike Jonze/USA 2002)


"You are what you love, not what loves you."

Adaptation. (Adaption.) ~ USA 2002
Directed By: Spike Jonze

Der Drehbuchautor Charlie Kaufman (Nicolas Cage) erlebt eine böse midlife crisis. Während sein Script zu "Being John Malkovich" verfilmt wird, erhält er den Auftrag, das nächste Drehbuch zu verfassen - eine Adaption von Susan Orleans' (Meryl Streep) teilbiographischem Porträt "The Orchid Thief". Darin geht es um den in Florida lebenden Orchideenzüchter John Laroche (Chris Cooper), der auf ein höchst interessantes Leben nebst außerordentliche Kenntnissen in diversen Fachgebieten zurückblicken kann und dem die Autorin auf eine seltsame Weise verfallen zu sein scheint. Über die Lektüre des Buchs gerät Charlie in eine mittelschwere Schaffenskrise, die sich noch dadurch intensiviert, dass sein extrovertierter Zwillingsbruder Donald (Nicolas Cage) auch mit dem Scriptschreiben anfängt, als erstes einen konventionellen Serienkillerfilm ersinnt und damit gleich einen Volltreffer landet.

Das muss man sich mal vorstellen: Einen Film über seine eigene Entstehung zu machen, diesen mit fiktionalen Elementen anzureichern und somit einen ganzen Fächer sich überlappender Realitätsebenen zu präsentieren - etwas so Waghalsiges schafft in mittels einer solch gleichermaßen intellektuellen Schlüssigkeit und eleganten Emotionalität wohl nur ein Charlie Kaufman. Ich bin geneigt, "Adaptation" als sein bisheriges Meisterstück zu bezeichnen; die zutiefst ergreifende, einem kompromisslosen Seelenstriptease gleichzusetzende Achterbahnfahrt in die Gefühlsklause dieses rätselhaften Menschen, der sogar soweit geht, für einen/diesen Film einen den kompletten Widerpart seiner Selbst symbolisierenden Zwillingsbruder zu ersinnen und auch gleich wieder ins Jenseits zu schicken, womöglich nur, weil ein Seminare abhaltender "Drehbuchfachmann" (Brian Cox) dazu rät, Ereignisse walten zu lassen. Und dann Nicolas Cage in dieser monolithischen (oder besser: stereolithischen) Performance als Zwei-Seiten-Medaille. Spätestens nach dem Genuss seiner hiesigen Darbietung kann man jede seiner Action- und Bruckheimerrollen nurmehr als Finanzbettung und offensive Selbstsatire begreifen. Spike Jonzes Inszenierung schließlich krönt das Ganze zu jenem glücksfälligen, überwältigenden Kunstwerk, dass es am Ende werden konnte, weil praktisch alle Beteiligten wirklich ausnahmslos Zenitleistungen darboten. "So happy together..."
Vollkommen überwältigend.

10/10

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CONFESIONS OF A DANGEROUS MIND (George Clooney/USA, UK, D 2002)


"When you're in a relationship, it means you are obligated to give a shit."

Confessions Of A Dangerous Mind (Geständnisse - Confessions Of a Dangerous Mind) ~ USA/UK/D 2002
Directed By: George Clooney

Der Werdgang des Game-Show-Erfinders und angeblichen CIA-Killers Chuck Barris (Sam Rockwell), basierend auf dessen "unautorisierter Autobiographie" gleichen Titels.

Nachdem sein Script zu Michel Gondrys "Human Nature" verfilmt worden war, ergab sich als nächstes diese Adaption des unter seinen Kennern vornehmlich als bizarr kategorisierten Barris-Buchs, dessen Wahrheits- bzw. Legendengehalt bis heute nicht auf den Grund gegangen werden konnte. Dem Vernehmen nach machte Barris, als er mit dem Schreiben seiner Autobiographie beschäftigt war, eine "schwere Lebenskrise" durch, was sich ja in vielerlei Ausprägung interpretieren lässt. Chuck Barris' erstes Geschenk an die Popkultur bildete der von Freddy Cannon eingesungene Hit "Palisades Park". Später wagte sich dann die ABC an seine teils trashigen Showformate wie "The Dating Game" oder "The Gong Show", die später sogar international adaptiert wurden und die basalen Wurzeln für die noch heute das Fernsehen beherrschenden "Talentshows" legten, welche natürlich nicht dazu dienen, Talente ausfindig zu machen, sondern primär dafür geschaffen sind, einsame Öffentlichkeitssuchende großflächig zu denunzieren. Irgendwann im Anfangsstadium seiner Erfolge will Barris dann von einem CIA-Mann angeworben worden und zum Profikiller ausgebildet worden sein. Im Laufe seiner "Parallelkarriere" im Nachrichtendienst hat Barris dann angeblich 33 Menschen getötet, als letztes einen weiblichen "Maulwurf" (Julia Roberts), der diverse andere Mitarbeiter der "Firma" ausgeschaltet hatte.
Barris' zusammenfabulierter Biographiewahnsinn schreit natürlich nach einer Verfilmung, zumal wenn ein fertiges Drehbuch von Charlie Kaufman dafür vorliegt. George Clooney wählte den Stoff mit großzügiger Schützenhilfe von Miramax und seinem Kumpel Soderbergh als sein Regiedebüt und machte seine Sache soweit in Ordnung. Allerdings muss man ganz klar sehen, dass Clooney sich in ebenjener Unterstützung durch Freunde und Kollegen förmlich suhlt und seine Eigenständigkeit sich in Bildmanipulationen erschöpft. Ansonsten gehört der Film ganz dem wie immer phantastischen Rockwell und natürlich Charlie Kaufman, für dessen Verhältnisse "Confessions" allerdings recht konventionell daherkommt.

7/10

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GO (Doug Liman/USA 1999)


"Can we make a deal?"

Go ~ USA 1999
Directed By: Doug Liman

Was diverse Personen ausgehend von einem stinknormalen Freitagittag ausgehend in Suburban L.A. bzw. Vegas rund um einen vergeigten Ecstasy-Deal, zwei aufgebrachte Stripclub-Besitzer (Jimmy Shubert, J.E. Freeman) sowie eine versemmelte Undercover-Aktion der Polizei erleben, erweist sich als mitunter äußerst haarsträubend.

Temporeiche drug comedy aus Zeiten, als Doug Liman noch erfrischend flottes Kino zu machen imstand war, dessen Erzählstrukturen zwar nicht neu, aber dennoch von involvierender Kraft waren und das nicht gleich ins Agenten- oder SciFi-Milieu gehen musste, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen. In "Go" geht von der narrativen Warte aus betrachtet, alles noch vergleichsweise bodenständig zu, wenn auch die obskuren, sich teils kreuzenden Ereignisse bereits jene Richtung andeuten, die Liman später verfolgen sollte. Grob beschränkt sich die Story auf drei Episoden mit jeweils identischem Ausgangspunkt; nämlich die sich als schicksalhaft erweisende Bitte des Supermarkt-Kassierers Simon (Desmond Askew) an seine Kollegin Ronna (Sarah Polley), für ihn die Mittagsschicht zu übernehmen. Ronnas Zusage macht den nun folgenden Strudel der Ereignisse erst möglich. Ein Augenblick als bestimmendes, eruptives Moment der nächsten 24 Stunden.
"Go" ist somit auch eine - wenn auch eher auf spaßigen Krawall gebürstete - Vorwegnahme der Schicksalsmeditationen von Iñárritu und Arriaga und als solche absolut auf der Höhe. Ergänzend gibt es nämlich einen brachial-kruden Spaßfaktor, der nicht immer ganz geschmacks- dafür aber stets treffsicher bleibt.

8/10

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THE BEDROOM WINDOW (Curtis Hanson/USA 1987)


"Thank you for telling the truth."

The Bedroom Window (Das Schlafzimmerfenster) ~ USA 1987
Directed By: Curtis Hanson

Bei einem nächtlichen Tete-à-Tete mit Sylvia (Isabelle Huppert), der Frau seines Chefs Wentworth (Paul Shenar), muss der Yuppie Terry Lambert (Steve Guttenberg) erleben, wie sie Zeuge einer versuchten, sich auf der Straße vor dem Schlafzimmerfenster abspielenden Vergewaltigung wird, die . Kurz darauf wird noch ein Mord in der Nachbarschaft verübt, für den wahrscheinlich derselbe Täter verantwortlich ist. Da niemand wissen darf, dass Sylvia in Terrys Wohnung war, gibt er sich für den Zeugen aus und versucht so, der Gerechtigkeit genüge zu tun. Doch weit gefehlt: Die Geschichte spitzt sich nach einigen Wendungen so zu, dass schließlich Terry für den gesuchten Frauenmörder gehalten wird und nunmehr seine eigene Unschuld beweisen muss.

Nach einer anfänglich sogar ungemein plausibel erzählten Kriminalgeschichte, in der es um die Brisanz willkürlich willkürlich vertauschter Zeugenaussagen geht und die etwa die erste Hälfte von Hansons Film einkleidet, wird es zunehmend abenteuerlich - um nicht zu sagen albern. Die Hollywoodkrimis aus der zweiten Dekadenhälfte der Achtziger weisen ja alle ähnliche Ingredienzien auf: Ein bisschen Sex, verbotene Liebesaffären, falsche oder manipulierte Zeugenaussagen, eine tapfere weibliche Protagonistin (hier: Elizabeth McGovern), ohne die der zu Beginn noch so selbstsicher scheinende Held aufgeschmissen wäre. Die Romanvorlage ist mir nicht bekannt, aber Hansons Script verfängt sich zunehmend in der Überkandidelei, bis es am Ende in regelrecht blöden Situation kulminiert, um noch verzweifelt den letzten Rest Spannung aus seinen breiten Maschen herauszuquetschen. Das genügt für ein durchschnittliches Filmerlebnis - darauf, als legitimer Hitchcock-Epigone abgefeiert zu werden, wie Hanson es sich möglicherweise im Zuge von "The Bedroom Window" erträumte, kann der Gute jedoch lange warten.

6/10

Curtis Hanson Serienmord Anne Holden Baltimore neo noir


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DETROIT 9000 (Arthur Marks/USA 1973)


"She even has a university exam..." - "What in? Screwin'?"

Detroit 9000 ~ USA 1973
Directed By: Arthur Marks

Nachdem eine Wahlkampfveranstaltung des farbigen Detroiter Politikers Clayton (Rudy Challenger) überfallen wurde, raufen sich das schwarzweiße Cop-Duo Bassett (Alex Rocco) und Williams (Hari Rhodes) zusammen, um den mehr und mehr zum Politikum hochkochenden Fall aufzuklären. Tatsächlich ist die Lösung weitaus weniger spektakulär als sich manch einer erhofft...

Frühe, superlässige Variation rund fünfzehn Jahre später ganz normativer Buddy Movies, in dem die Zeit für eine echte gemischtrassige Partner- und Freundschaft, wie sie etwa später in der "Lethal Weapon"-Serie für alltäglich erklärt werden sollte, noch nicht reif war. Bassett und Williams schaffen es - vor allem aufgrund des unüberwindlichen Misstrauens von Bassetts Seite - nicht, sich gänzlich zusammenzuraufen und den gemeinsamen Fall auch zu einem gemeinsamen Ende zu bringen. Überhaupt scheint Marks, der zu dieser Zeit mehrere Blaxploiter inszenierte, den hellhäutigen Part des Duos lediglich als den großen, tragischen Verlierer mit einzubeziehen. Bassett leider unter mangelhaftem Selbstwertgefühl und sozialen Ängsten, seine behinderte, rassistische Ehefrau treibt ihn fast zum Wahnsinn. Williams derweil kann es sich ganz bequem machen auf dem Zelluloid-Diwan des farbigen Supermachos - in jeder Hinsicht omnipotent und rein äußerlich kaum von den pimps zu unterscheiden, denen er Löcher in die Samtanzüge pustet.
In jedem Falle halte ich "Detroit 9000" für einen der sehenswerteren Vertreter seiner Art; atmosphärisch so unaufgeregt wie knochentrocken herausgeputzt, sowie mit einer absolut sympathischen Besetzung und vor allem einer erstklassigen Synchronisation ausgestattet.

8/10

Arthur Marks Detroit Blaxploitation Buddy Movie


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OCEAN'S ELEVEN (Lewis Milestone/USA 1960)


"Don't you like drinkin'?"

Ocean's Eleven (Frankie und seine Spießgesellen) ~ USA 1960
Directed By: Lewis Milestone

Der Fallschirmjägerveteran Danny Ocean (Frank Sinatra) aktiviert zehn seiner alten Divisionskumpel für einen gewaltigen Coup: Die fünf größten Casinos in Vegas sollen zeitgleich in der Silvesternacht leergeräumt werden. Auch wenn der Bruch selbst infolge minutiöser Planung noch reibungslos über die Bühne geht, lässt sich der Zufall weder in die Karten sehen noch spielen.

Wie gewonnen, so zerronnen: Eine Steilvorlage bildete "Ocean's Eleven" für das Rat Pack um Sinatra und Dino Martin, die hier sozusagen eine reine Stammtischaktion vor Ort auszuführen hatten. Was während "Ocean's Eleven" an Hochprozentigem die Sängerkehlen heruntergeronnen ist, lässt sich nur schwer mutmaßen, angesichts Martins permanent verklärtem Blick dürfte es sich jedoch um nicht eben knappe Mengen gehandelt haben. Aber der Alkohol gehört ja unweigerlich dazu, zum Mythos und zur Mythoskreierung um die alten Vegas-Helden, genau wie die Mafia und die Frauen. "Ocean's Eleven" geriert sich als Event Movie von heutzutage undenkbarem Internhumor; ein Geschenk, dass die Rat-Pack-Jungs nicht nur dem Publikum, sondern vor allem sich selbst und der Wüstenstadt gemacht haben dürften und das schon allein deshalb nie vor seinen späteren Sockelsägern, nämlich dem Soderbergh-Remake und dessen Sequels, zu zittern brauchte.
Like the fella once said - "Ain't that a kick in the head?"

7/10

Freundschaft Rat Pack Lewis Milestone Las Vegas Heist Casino Beverly Hills


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THE GLOVE (Ross Hagen/USA 1979)


"You're alright, bloodhound."

The Glove (Die Faust) ~ USA 1979
Directed By: Ross Hagen

Weil ihm durch das Gesetz nur Willkür und Bosheit widerfahren sind, zahlt es ihm, respektive seiner Exekutive, der Ex-Schwergewichtler Victor Hale (Roosevelt Grier) doppelt und dreifach heim: Bewaffnet mit einem metallenen Handschuh verbimst er all jene Uniformierten, die ihm einst im Knast so sehr zugesetzt haben. Da kommt der notorisch abgebrannte Kopfgeldjäger Sam Kellog (John Saxon) ins Spiel: Dieser soll im Auftrag der "Vereinigung der Gefängniswärter" Hale finden und dingfest machen.

"The Glove" hat ein gutes Herz und ist eigentlich auch keinesfalls unsympathisch. Dass er sich trotzdem bloß mühevoll über seine erzählerische Distanz schleppen kann, liegt ganz offensichtlich an Wesentlichem: dem flauen Script nämlich und an der beispielhaft lahmen Inszenierung. Es mag ja nicht weiter tragisch sein, dass der Film seinen vorab versprochenen Trashappeal überhaupt nicht hält. Was im Nachhinein eher wurmt, sind Saxons (wobei der Mann sonst natürlich eine Bank ist) bedeutungsschwere Off-Monologe, Griers Darstellung als bäriger black messiah mit Herz für kleine farbige Jungs und hübsche farbige Huren, der natürlich keinen totwichst, sondern mit seinem Handschuh vornehmlich die Autos und Badezimmer seiner Opfer kaputtkloppt. Wobei, selbst all das ließe sich noch halbwegs verkraften. Es ist einfach die Regie dieses Ross Hagen, seines eigentlichen Zeichens Akteur, der sich wohl irgendwann genötigt fühlte, auf den D.C. (Director's Chair) zu wechseln. Biederstes TV-Niveau liefert der seinem Publikum und macht etliche Fehler, die eben eines Debütanten würdig sind. So haut "The Glove" hundertprozentig weder als persönlich-intimes Porträt eines Kopfgeldjägers hin, noch als sich dramatisch zuspitzendes Duell zweier Antagonisten. Und eines ist er ganz gewiss nicht: Ein Actionfilm.

5/10

Kopfgeldjagd Los Angeles Ross Hagen Duell


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THE ENFORCER (Bretaigne Windust/USA 1951)


"What's wrong with the law that we can't touch him?"

The Enforcer (Der Tiger) ~ USA 1951
Directed By: Bretaigne Windust

Staatsanwalt Martin Ferguson (Humphrey Bogart) sitzt in der Klemme: Am nächsten Morgen landet der einer Auftragsmord-Organisation vorstehende Mendoza (Everett Sloane) vor Gericht und ausgerechnet Fergusons Hauptbelastungszeuge Rico (Ted de Corsia) hat es mit der Angst bekommen und ist zu Tode gestürzt. Für Mendoza, dessen Unternehmungen Dutzende Menschen das Leben gekostet haben, bedeutet diese Fügung aller Wahrscheinlichkeit nach den Freispruch. Zusammen mit seinem Partner Nelson (Roy Roberts) geht Ferguson dieErmittlungsakten nochmal Stück für Stück durch - und entdeckt tatsächlich eine letzte, erfolgversprechende Lücke...

Spannender kleiner Thriller aus späteren Bogey-Tagen, der den Star in einer typischen Rolle als erbitterten Streiter gegen das Verbrechen zeigt, wo er noch fünfzehn Jahre zuvor auf der Gegenseite gestanden hätte. Zwar war "The Enforcer" zunächst Windusts Baby, der Broadway-Regisseur fiel jedoch wegen schwerer Krankheit aus, so dass der Film auf Bogarts Intervention hin von Raoul Walsh fertiggestellt wurde. Walsh verzichtete jedoch auf offizielle Nennung, da er seinen Job eher als Freundschaftsdienst empfand. Dennoch trägt das sehr konzentriert gefertigte und permanent unter Druck stehende Resultat viel von Walshs Handschrift.
"The Enforcer" verhandelt ein für seine Entstehungszeit äußerst finsteres Thema mit wenig zimperlichen Notenanschlägen - immerhin geht es um eine sich Mord als Geschäft widmende Verbrecherklitsche, deren Opferzahl ins Gros zu gehen scheint; eine entsprechende Szene, in der ein Leichensumpf ausgehoben wird, lässt jedenfalls darauf schließen. Ansonsten bietet "The Enforcer" mit Sloanes Albert Mendoza einen der großen Crime-Overlords des 20. Jahrhunderts auf; einen vollends skrupellosen Typen, der geradewegs aus der Hölle entsprungen scheint und dessen Mythos wesentlich größer gewachsen ist als seine physische Gestalt. Eine Art früher Urahn von Keyser Söze, sozusagen.

8/10

Bretaigne Windust Raoul Walsh film noir


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JENNIFER 8 (Bruce Robinson/USA 1992)


"I'm running out of questions... and you're running out of lies."

Jennifer 8 ~ USA 1992
Directed By: Bruce Robinson

Der großstadtflüchtige, privat frustrierte Cop John Berlin (Andy Garcia) stößt auf die Spur eines bereits seit längerer Zeit umtriebigen Serienkillers, der es ausschließlich auf blinde Frauen abgesehen hat. Zusammen mit seinem Partner und besten Freund Freddy Ross (Lance Henriksen) verfolgt er die Fährte des Mörders zu einem Blindeninstitut, wo er die sensible Helena (Uma Thurman) kennenlernt und sich in sie verliebt. Als Berlin und Ross ausgerechnet in der Weihnachtsnacht und angetrunken zum Institut fahren und dort nach dem Killer suchen, wird Ross von diesem erschossen. Der Verdacht fällt auf Berlin, dessen Hauptsorge jedoch Helena gilt, die als Zeugin nunmehr in besonderer Gefahr schwebt.

Wie Robinson verlauten lässt, bereitete ihm diese vorletzte seiner aktuell auf vier angestiegenen Regiearbeiten wenig Vergnügen. "Jennifer 8" bedeutete nämlich den nicht selten frustrierenden Schritt heraus aus der künstlerischen Autarkie und hinein ins Studiosystem, was eine Vielzahl von Einmischungen und Änderungszwängen nach sich zog, die sich zu einer erbitterten Kopfschere ausgewachsen haben müssen. Als Prä-"Se7en"-Serienkillerfilm enthält sich "Jennifer 8" einer später verpflichtenden Düternis und legt deutlich mehr Gewicht auf die Silhouettierung seiner Hauptfiguren, wobei mit Ausnahme des wie immer brillanten, leider jedoch nur as Joker eingesetzten John Malkovich, kein darstellerisches Schwergewicht zu erwarten ist. Die Enthüllung der Identität des Killers ist ganz offensichtlich der nur allzu selten durchbrochenen Konvention geschuldet, dass jener sich aus dem der Zuschauerschaft bekannten Figurenkreis zu rekrutieren hat. Entsprechend unglaubwürdig und verquer ist seine Motivik und entsprechend uninteressant letzten Endes der eigene Fall. Reizvoller erscheinen da eher der innere Stoizismus und die ungestörte Ruhe, mit der "Jennifer 8" seinem Erzählfluss nachgeht - offensichtlich ein gutes trademark Robinsons.

7/10

Kalifornien Bruce Robinson Serienmord Weihnachten


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SCHAMLOS (Eddy Saller/AT, BRD, F 1968)


"Porca miseria!"

Schamlos ~ AT/BRD/F 1968
Directed By: Eddy Saller

Als die lebenslustige Nutte Annabella (Marina Paal) umgebracht wird, verdächtigt alle Welt zunächst den homosexuellen Altschauspieler Hohenberg (Louis Soldan). Als dieser jedoch vor Gericht freigesprochen wird, lässt der eherne, italienisch-katholische Vater (Vladimir Medar) des Mädchens ein Femegericht von dem Unterwelt-Zampano Pohlmann (Udo Kier) inszenieren, der schon bald seinen Konkurrenten Kovalski (Rolf Eden) als den wahren Schuldigen auszumachen glaubt.

Deftige Reaktionärskost fürs Bahnhofskino gestreckt mit betagtem, moralinsaurem Pathos, das alte Herren mit hochgeschlagenem Mantelkragen ob seiner Kritik heuchelnden Perspektive ihrerzeit zumindest halbwegs guten Gewissens wieder in die graue Alltagsrealität der späten Wirtschaftswunderwelt entlassen haben dürfte. Zwar weidet sich "Schamlos" seinem Titel gemäß, wenn auch mit gewisser Zügelung, am wirklich ansehnlichen Leib der schönen Marina Paal, betont jedoch zugleich die verbotene Atmosphäre des Halbwelt-Milieus. Kier und Eden als Rotlicht-Gegenspieler sind natürlich eine erwartungsgemäße Schau; der eine, jung und gutaussehend, wird im Laufe der Geschichte aus seiner Delinquentenrolle zum Retter der Gerechtigkeit hochgejubelt, während der andere, froschäugig und gemein, wie man ihn eden, äh, eben kennt, den finalen Triumph des Bösen markiert. Und noch weitere Weisheiten bietet Sallers Schickflick auf: Schummrige Beatschuppen mit wuschelhaarigen Bands sollten besser gemieden werden, darin gibt's nämlich bestenfalls behaschte Studenten und versoffene Sittenstrolche, italienische Migranten haben alle irgendwie Dreck am Stecken, sexuell emanzipierte, junge Frauen erwartet in Prä-Aids-Zeiten die göttliche Bestrafung auf Umwegen und schwule Outcasts mögen zwar kultiviert erscheinen, sind aber prinzipiell kokainsüchtig und langfristig zum Verzweiflungssuizid verdammt. Für die Scriptautoren, darunter Saller selbst, waren denn auch merklich die skandalösen (und völlig unzurechnungsfähigen) Wendungen seiner Geschichte zweitrangig, vielmehr ging es um die bloße Schilderung sittlicher Unhaltbarkeiten. Wunderbar, mit welch augenzwinkernder Genussbarkeit sich dergleichen heutzutage bestaunen lässt.

6/10

Kiez Sleaze Europloitation Eddy Saller Rolf Eden





Filmtagebuch von...

Funxton

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