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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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BUG (Jeannot Szwarc/USA 1975)


"Where are you, my little fellas?"

Bug (Feuerkäfer) ~ USA 1975
Directed By: Jeannot Szwarc

In einem kalifornischen Wüstenkaff bildet sich infolge eines Erdbebens eine meterlange Bodenspalte, aus der übergroße Käfer hervorkommen. Diese können bei Kontakt mit brennbarem Material Feuer entzünden und ernähren sich von Asche. Dem Biologen James Parmiter (Bradford Dillman) werden seine emsigen Untersuchungen der Käfer bald zum Verhängnis: Ein sich in seinem Hause versteckendes Exemplar verursacht den Verbrennungstod seiner Frau Carrie (Joanna Miles). Für Parmiter wird das Studium der Tiere fortan zu einer übermächtigen Obsession: Zurückgezogen unternimmt er Kreuzungsversuche der Käfer mit Hausschaben und muss bald feststellen, dass die immer intelligenter werdenden Sprösslinge ihm den persönlichen Krieg erklärt haben.

Was wie ein ordinärer Insekten-Katastrophestreifen beginnt, entwickelt sich, analog zu seinen krabbelnden Protagonsten, erst in der zweiten Hälfte zur eigentlichen Blüte: Hier gerät "Bug" zum vollblütigen Psychogramm eines dem Wahnsinn Verfallenden. Am Ende lässt sich tatsächlich kaum mehr bestimmen, ob die gezeigten Ereignisse sich nurmehr in Parmiters Kopf abspielen oder ob die in Rekordschnelle evolutionierenden Feuerkäfer tatsächlich so etwas wie Höllengesandte sind, die der Arroganz kurzsichtigen, humanen Forschungsdranges exemplarisch den Hahn abdrehen. Einige der Finalszenen sprechen für beide Ansätze und gerade diese Uneindeutigkeit fasziniert an "Bug".
Bradford Dillman gibt als besessener Forscher eine Glanzleistung, mit Sicherheit eine seiner vordringlichsten. Wie er sich, nach der Todesnachricht betreffs seiner Frau, in einer Mischung aus Schuldgefühlen, Rachsucht und unablässiger Neugier von einem freundlichen Lehrer zu einem innerlich und äußerlich verfallenden Eremiten verwandelt, das geht weit über jede gewöhnliche B-Film- oder auch Genre-Klassifikation hinaus.
Ein überraschend guter Film!

8/10

William Castle Jeannot Szwarc Kalifornien Insekten Tierhorror


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MESSIAH OF EVIL (Willard Huyck/USA 1973)


"You're not supposed to eat that fuzz!"

Messiah Of Evil (Messias des Bösen) ~ USA 1973
Directed By: Williard Huyck

Die junge Arletty (Marianna Hill) kommt in das vornehmlich von Künstlern frequentierte Küstenstädtchen Point Dune, von wo aus ihr Vater, der Maler Joseph Long (Royal Dano), ihr zunehmend merkwürdige Briefe schickte, bis die Korrespondenz schließlich komplett abbrach. Bereits Arlettys Ankunft in Point Dune ist von merkwürdigen Zeichen geprägt. Bald lernt sie den Libertin Thom (Michael Greer) kennen, der ihr zur Seite steht und mit ihr das grauenhafte Geheimnis von Point Dune offenlegt: Ein hundert Jahre alter Fluch bewahrheitet sich nun; ausgesprochen damals von einem kannibalischen Priester, eines der Überlebenden der berüchtigten Donner Party. Auf dessen Rückkehr warten die Einwohner der Stadt, derweil sie sich in blutrünstige Berserker verwandeln.

Ein wunderbar entrückter, kleiner Film, von dem gemeinhin stets zusammenarbeitenden, mit George Lucas verbendelten Schreiberpärchen Huyck und Katz als deren Regiedebüt inszeniert. Bei der Schaffung des Werks waren mutmaßlich einige Rauschmittel im Spiel, denn der überaus ästhetische, trotz seines Sujets niemals ins Vulgäre abdriftende Film wirkt en gros selbst wie ein Hypnotikum. Die avantgardistischen Wandgemälde und die Architektur des Hauses von Arlettys Vater nehmen ebenso schöne wie beunruhigende heimliche Hauptrollen ein. Der Rollenname der Hauptfigur verweist auf die berühmte französische Darstellerin gleichen Namens; mit den Besetzungen von Elisha Cook Jr. und Royal Dano zollt man dem Silver Age Hollywoods pronociert Tribut. Und das erste Mordopfer, dessen Kehle blutig durchschnitten wird, ist der junge Walter Hill. New Hollywood pur, wenn auch garantiert in keinem entsprechenden Kanon erwähnt.
Bei diesen für sich sprechenden Attributen möchte ich es fürderhin belassen, denn ein analytisches Zerreden würde "Messiah Of Evil" doch bloß seines betörenden Zaubers und damit sein Hauptelixiers berauben.

9/10

Willard Huyck Gloria Katz Kalifornien Fluch Sekte Kannibalismus Bohéme Vater & Tochter Zombies Independent Surrealismus


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DJANGO IL BASTARDO (Sergio Garrone/I 1969)


Zitat entfällt.

Django Il Bastardo (Django und die Bande der Bluthunde) ~ I 1969
Directed By: Sergio Garrone

Viele Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs kommt der frühere Konföderierten-Soldat Django (Anthony Steffen) in eine kleine Stadt, um sich seinen damaligen Offizieren zu retten. Diese hatten ihn und den Rest der Garnison an die Nordstaatler verraten und erschießen lassen. Auch Django glaubte man tot, doch ist dieser nun zurück, um gewissenhaft Holzkreuze mit dem Namen des künftigen Opfers nebst Todesdatum vor den Häusern seiner alten Feinde zu platzieren. Und niemand entkommt ihm...

Ein Mystik-Western aus italienischer Fertigung, der ein wenig wie ein Verbundsfilm von Margheritis kurz darauf gestartetem "E Dio Disse A Caino" daherkommt und ganz nebenbei noch Eastwoods "High Plains Drifter" antizipiert. Der Fremde besitzt hier allerdings einen Namen, und der verpflichtet. Tatsächlich ist dies auch im Mediterranen ein "Django"-Film, der sich mit dem Original zudem die Veteranenbasis der Titelfigur teilt. Anthony Steffen kann sogar als ein ziemlich toller Django reüssieren, der mit zusammengekniffenen Augen und schwarzem Poncho (der stets manieristisch über die linke Schulter geworfen wird, bevor es Tote gibt - auch diese ikonische Bewegung kennt man aus "Per Un Pugno Di Dollari") seine Vernichtungsschneise durch die kleine, lokalitätsstiftende Stadt pflügt. Zudem gibt es mit dem irren Luciano Rossi einen (unter mehreren) sehr markanten Bösewicht, dessen albinohaftes Äußeres neben seinem auch im Film exponierten Irrsinn für denkwürdige Momente sorgt. Nicht nur aufgrund dieser vermag es "der fünfte Sergio" Garroni in seinem dem Vernehmen nach besten Film eine eigentümlich finstere Atmosphäre zu kreieren, die "Django Il Bastardo" als eines der hervorhebenswertesten Django-Rip-Offs Bestand verleihen.

7/10

Sergio Garrone Django Italowestern Rache Sezessionskrieg


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SUPERSTITION (James W. Roberson/CAN 1982)


"Leave the cellar right now or I'm gonna kick you out!"

Superstition (The Witch) ~ CAN 1982
Directed By: James W. Roberson

Der untote Geist der vor rund drei Jahrhunderten hingerichteten Hexe Elvira Sharack (Jacquelyn Hyde) treibt auf dem Areal der damaligen Ereignisse noch immer sein Unwesen - wer zu neugierig ist oder zu lange verweilt, muss eines grausamen Todes sterben. Ausgerechnet der dem Suff verfallene Geistliche George Leahy (Larry Pennell) soll nun mit seiner Familie die auf Elviras Land stehende Villa beziehen - ganz zum Unbehagen des bereits in mehreren hiesigen Mordfällen ermittelnden Inspector Sturgess (Albert Salmi). Der junge Pfarrer Thompson (James Houghton) spürt derweil der Legende um Elvira Sharack nach und stößt auf böse Waherheiten...

Ein feiner, kleiner Genrefilm ist James W. Roberson mit "Superstition" geglückt, der den noch immer präsenten Okkultismus-Horror der Vorgängerdekade mit dem zeitgenössischen Naturalismus des Splatterfilms kombinierte und so einen Miniklassiker hervorbrachte, der heuer leider weitgehend der Vergessenheit anheim gefallen ist. Ich selbst habe von ihm im Zuge einer Unterhaltung mit der irischstämmigen Frau eines Freundes erfahren, in der es um frühe Erinnerungen an Horrorfilme ging. Sie erzählte mir von "Superstitition", den sie als Kind in Kanada gesehen und der nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterlassen hatte. Ich versprach ihr, den Film nachzuholen - das seit knapp einem Jahr erhältliche, sehr empfehlenswerte, deutsche DVD-Release bot sich hierfür an - und bin nun selbst mittelschwer angetan.
"Superstition" beherbergt subsummierend alles, was der Aficionado wünscht: Eine gepflegt-abseitige Atmosphäre, Satansspuk, harten Splatter und den einen oder anderen wirklichen Gruseleffekt, der etwa dadurch geschickt evoziert wird, dass man von der dämonisierten Elvira Sharack nie die Gesamterscheinung, sondern mit Ausnahme der Klauenhände lediglich die schreckenverheißende Silhouette zu sehen bekommt.
Vielleicht ist Robersons Werk in seiner Gesamtheit dann doch zu unangepasst und eigensinnig, um zwischen "The Sentinel" und "Poltergeist" seinen ihm genealogisch gebührenden Platz einzunehmen; nichtsdestotrotz lohnt es, sich ihm zu widmen.

7/10

James W. Roberson Hexe Dämon Fluch Kirche Splatter


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NIGHT OF THE DEMON (James C. Wasson/USA 1980)


"Feeling better now?"

Night Of The Demon (Der Teufel tanzt weiter) ~ USA 1980
Directed By: James C. Wasson

Als einziger Überlebender einer Gebirgsexkursion wird Professor Nugent (Michael Cutt) mit schweren Gesichtsverbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert. Die Geschichte, die er den ermittelnden Polizisten und seinen Ärzten erzählt, ist haarsträubend: In den Bergen sind Nugent und seine Studenten angeblich auf einen Eremiten, einen Satanskult und eine die verwaiste, junge Einsiedlerin Wanda (Melanie Graham) getroffen sowie ein haariges Ungetüm, das die gesamte Gruppe dezimierte und mit Wanda offenbar in unheilvoller Verbindung steht...

Viel gibt es nicht zu berichten über diesen kleinen Monsterstreifen, der primär durch einige derbe Gekröseszenen im Gedächtnis bleibt, ansonsten jedoch minimal oberhalb der Amateurfilmgrenze entlangschrappt und dessen krude Story augenscheinlich täglich vor Ort weitergesponnen wurde. Der sich erst in den letzten Minuten (und in vollkommen unmotivierter Zeitlupe wütende) Bigfoot sieht denn auch eher aus wie ein hochgewachsener Troglodyt mit besonders starker Rückenbehaarung.
Immerhin ist "Night Of The Demon" von höchster unfreiwilliger Komik und nicht zuletzt eben auch einer jener kleinen Schätze, die ganz besonders durch ihre bunte, internationale Zensurgeschichte auf sich aufmerksam machen.

4/10

James C. Wasson Bigfoot Splatter Independent Trash Exploitation Monster Slasher


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EL CUERPO (Oriol Paulo/E 2012)


Zitat entfällt.

El Cuerpo (The Body) ~ E 2012
Directed By: Oriol Paulo

Um mit seiner Freundin hat Álex Ulloa (Hugo Silva) seine herrische, reiche Gattin Mayka (Belén Rueda) ermordet. Indem er ihr ein verzögert wirkendes, pulsverlangsamendes Gift verabreicht und den folgenden Herzstillstand auf Maykas akute Flugangst schiebt, glaubt er sich als Hauptverdächtiger aus dem Schneider. Doch noch in der folgenden Nacht verschwindet Maykas Leiche aus der Gerichtsmedizin. Treibt die vermeintlich Tote aufs Neue ein diabolisches Spiel mit Álex? Der alternde Inspektor Peña (José Coronado) ermittelt.

Regisseur und Autor Oriol Paulo ist dem Vernehmen nach ja mächtig stolz auf die vertrackte Story, um eine "postmortale" Intrige, die er da ersonnen hat, führt das Publikum mit Liebe auf falsche Fährten und lässt am Ende die Schnur platzen, indem er einen großen twist aus dem Sack lässt, den vorher niemand erraten soll. Was richtig ist: "El Cuerpo" bildet einen sehr traditionsbewussten film noir, der als vollwertiges Gesellenstück eines fraglos talentierten Regisseurs Bestand hat und jenen auch zu wahren wissen wird. Möglicherweise werden sich viele Zuschauer auch tatsächlich von Paulo hinters Licht (und wieder zurück) führen lassen. Dabei ist die schlussendliche Auflösung gar nicht schwer zu ermitteln; Paulo flicht etliche Hinweise ein, die bereits offen darauf hindeuten und von dem zentralen, großen Verdächtigungs-Trara noch nichtmal allzu weit abzweigen. Bereits die Ankündigung von Komplexität schärft ja bereits präventiv die Sinne und so ist's denn auch hier. Paulo hat seine Lektionen emsig und bravourös studiert: Hitchcock, De Palma, Singers "The Usual Suspects" scheinen bei ihm permanent durch alle Ritzen und berauben ihn leider ein wenig der Eigenständigkeit. Dennoch ein erfreulich konzentrierter Film im Dickicht des gegenwärtigen Einerlei.

7/10

Barcelona Oriol Paulo Nacht Verhör Ehe neo noir Unfall


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LE PASSAGER DE LA PLUIE (René Clement/F, I 1970)


Zitat entfällt.

Le Passager De La Pluie (Der aus dem Regen kam) ~ F/I 1970
Directed By: René Clement,

Ein stummer Fremder (Marc Mazza) steigt aus dem Bus, verfolgt und vergewaltigt die junge Mélancolie 'Mellie' Mau (Marlène Jobert), deren Ehemann Tony (Gabriele Tinti) als Pilot arbeitet und außer Haus ist. Es gelint Mellie, den Fremden in ihrem Keller zu stellen und zu erschießen. Aus Scham und Angst hält sie die Affäre geheim und lässt die Leiche verschwinden. Bereits am nächsten Tag macht sie die Bekanntschaft des Amerikaners Harry Dobbs (Charles Bronson), der sich zunächst charmant gibt, ihr jedoch schon bald das Leben schwer macht. Dobbs ist nämlich auf der Suche nach ebenjenem Fremden, den Mellie erschossen hat und fahndet darüber hinaus nach einer Flugtaschen, in der sich ein Haufen Geld befindet. Trotz der folgenden Verhörduelle können beide eine gewisse wechselseitige Anziehung nicht leugnen...

Besonders als verquere Romanze finde ich "Le Passager De La Pluie", der schon aufgrund seines Schauplatzes, des Var-Territoriums, wesentlch sonniger daherkommt als sein Titel vermuten lässt, so schön. Obschon Bronsons schöne Gattin Jill Ireland in einer Nebenrolle als Freundin Mellies auftritt, geht die chemische Saat zwischen ihm und der aparten Marlène Jobert auf wundersame Weise auf: Wie die beiden sich küssen, schlagen und hier und da auch mal fast umbringen, das zeichnet Cléments Film, ganz unabhängig von dem zu luxuriöser Marginalität degradierten Krimiplot, in erster Instanz aus. Das Urteil darüber, ob dies Bronsons romantischste Rolle ist, will ich aufgrund momentan mangelhaften Überblicks einmal hintenanstellen; eine heiße Anwärterin wäre sie in jedem Fall.

8/10

René Clement Vergewaltigung Côte dAzur


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SORORITY BABES IN THE SLIMEBALL BOWL-O-RAMA (David DeCocteau/USA 1988)


"This is the most stupid, sappiest story I ever heard!"

Sorority Babes In The Slimeball Bowl-O-Rama (Beast You!) ~ USA 1988
Directed By: David DeCocteau

Die drei College-Nerds Calvin (Andras Jones), Jimmie (Hal Havins) und Keith (John Stuart Wildman) platzen mitten in die Aufnahmezeremonie zweier Mädels (Brinkie Stevens, Michelle Bauer) in die Schwesternschaft "Triple-Delta". Zur Strafe müssen nun alle Fünf nächtens eine Trophäe aus der hauseigenen Bowlingbahn des nahegelegenen Einkaufszentrums klauen. Dort begegnet man jedoch nicht nur der knallharten Einbrecherin Spider (Linnea Quigley), in die Calvin sich prompt verkuckt, sondern auch dem dreißig Jahre lang in einem Pokal eingesperrten 'Imp', einem Wunsch-Dämon mit schwarzmagischen Kräften, welcher sich mit den armen Studies gar finstere Scherze erlaubt...

C-Horror-Comedy typischer Achtziger-Manufaktur von dem bis heute unermüdlich-(über-)eifrigen Trash- und Porno-Regisseur David DeCocteau - daher garantiert spaßig und geprägt von geradezu leidenschaftlich vorgetragenem Untalent. Natürlich sorgen nicht die (durchweg mies gescripteten) Gags für Humor, sondern die Zwischenzeilen voller einfältiger Ideen. Letzten Endes ging es wohl vornehmlich darum, die beiden überaus ansehnlichen Damen Stevens und Bauer textilfrei vor die Linse bekommen und ein paar Spanking-Sequenzen (Gruß an Kollege Hoolio) einflechten zu können. Der zwergenhafte Imp, eine Art Vorläufer vom "Leprechaun", besteht lediglich aus einem unbeweglichen Torso und einem quasselnden Dämonenkopf, der unentwegt stupide Zeilen absondert und erst recht die hanebüchene, bodenlose Dämlichkeit von DeCocteaus Film unterstreicht. Da gerinnen selbst außerordentlich kurze 76 Minuten Erzählzeit zu Kaugummi. Ein Streifen der beliebten Kategorie "So schlecht, dass er schon wieder gut ist".

4/10

David DeCocteau Trash Monster Bowling Mall Exploitation Dämon Nacht


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CLEARCUT (Ryszard Bugajski/CAN 1991)


"That is oral tradition!"

Clearcut (Die Rache des Wolfes) ~ CAN 1991
Directed By: Ryszard Bugajski

Der Papierfabrikant Bud Rickets (Michael Hogan) holzt rücksichtslos ein riesiges Forstgebiet an der US-kanadischen Grenze ab, das eigentlich im Besitz der hiesigen Indianer steht. Seine Verletzung des Stammesterritoriums vergilt Rickets den Ureinwohnern öffentlichkeitswirksam mit angeblichen zivilisatorischen Segnungen wie einem Stromnetz, Wasserversorgung und anderen Kinkerlitzchen, die sich bei genauerem Hinsehen als billig und kaum funktionstüchtig entpuppen. Der weiße Anwalt Peter Maguire (Ron Lea) vertritt die Interessen der Indianer vor Gericht, scheitert jedoch fortwährend an jeder neuen Instanz. Eines Tages entführt ein wie aus dem Nichts auftauchendes Stammesmitglied namens Arthur (Graham Greene) sowohl Peter als auch Rickets, lässt den reichen Unternehmer hautnah spüren, was seine Versündigungen an der Natur bedeuten und den liberalen Anwalt bei Rickets Qualen zusehen.

"Dances With Wolves" löste eine kleine, ökologieträchtige Rückbesinnung auf native Wertkonstrukte im Kino aus und ermöglichte neben einigen anderen, mehr oder minder gelungenen Beiträgen wie "Black Robe", "Thunderheart", "The Last Of The Mohicans" oder "Geronimo" auch den großartigen "Clearcut" des polnischen Filmemachers Ryszard Bugajski. Darin radikalisiert Graham Greene, der, ebenso wie der gesichtsgegerbte Floyd Westerman, in Costners Epos noch als gewissermaßen idealtypischer, weil ebenso spirituell wie besonnen veranlagter Indianer zu sehen war, ebendiese Rolle. In Arthur brodelt der aggressive Archaismus seiner Vorväter, Arthur ist einer der sagt "Genug", einer, der es leid ist, die romantischen Vorstellung der weißen Okkupanten von seinem Menschenschlag auszufüllen und der vom passiven Widerstand zurück ans Austeilen geht. Das Urteil darüber, ob Arthur ein durchgedrehter Amokläufer ist oder mit seiner Aktion tatsächlich ein zielgerichtetes Konzept verfolgt, überlässt "Clearcut" dem Zuschauer. Vielleicht ist Arthur aber auch bloß eine mystische Persönlichkeitsabspaltung Peters, der beim traditionellen Tipi-Schwitzen zuvor traszendente Erfahrungen gemacht hat und seiner eigenen, angepassten Hilflosigkeit trotzen möchte. Auch dafür spricht einiges, wenn man etwas genauer hinschaut. Letzten Endes ist eine rationale Erklärung der Ereignisse müßig; "Clearcut" versäumt bei all seiner Liebäugelei mit den Gerundzügen des Terrorfilms klugerweise, je exploitative Züge anzunehmen, er bleibt stets gleichermaßen hartes Drama wie respektables Kunstwerk.

9/10

Ryszard Bugajski Kanada Indianer Kidnapping


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SLAUGHTERHOUSE-FIVE (George Roy Hill/USA 1972)


"Hello. Farewell."

Slaughterhouse-Five (Schlachthof 5) ~ USA 1972
Directed By: George Roy Hill

Der Weltkriegsveteran und wohlhabende Firmenvorsitzende Billy Pilgrim (Michael Sacks) besitzt die Fähigkeit, inmitten seines eigenen Bewusstseins ohne Zeit- und Raumbarrieren umherzureisen. So kann es sein, dass er in der einen Sekunde in seinem Körper als alter Mann in der heimischen Villa steckt, nur um sich in der nächsten als junger G.I. hinter feindlichen Linien in den Ardennen wiederzufinden. Das bedeutet auch, dass Billy den genauen Zeitpunkt und die Umstände seines Todes kennt. Ferner sind Aliens vom Planeten Tralfamadore auf ihn aufmerksam geworden, die wie er, vierdimensionale Lebewesen sind und ihn daher mitsamt seinem Lebensbegleiter und Hund Spot und seiner heimlichen Lebensliebe, dem Pin-Up-Girl Montana Wildhack (Valerie Perrine) auf ihren Planeten holen, um dort in abgeschirmtem Areal eine Familie zu gründen.

Drei Jahre nach Erscheinen von Vonneguts monolithischem Roman "Slaughterhouse-5 or The Children's Crusade: A Duty-Dance With Death" machte sich George Roy Hill an dessen Verfilmung und schuf mit ihr ein vordringliches Meisterwerk der Literaturadaption. Hinter einer komplex-tragikomischen Biographie, die, angesiedelt in New Hampshire statt in Minnesota und vielleicht noch ergänzend angereichert mit einem Bären, in ganz ähnlicher Form später auch von einem John Irving hätte stammen mögen, verbirgt sich ein zutiefst involvierendes Antikriegs-Pamphlet (Vonnegut hatte die Bombardierung Dresdens tatsächlich als Kriegsgefangener in jenem städtischen Schlachthof miterlebt und beidem durch den Roman eine weitaus größere Öffentlichkeit eingetragen), und, ganz beiläufig und profan, der weise Ratschlag, sich auf die schönen, wertvollen, unwiederbringlichen Momente im Leben zu konzentrieren und die bösen, traurigen, verzichtbaren beiseite zu schieben. Dabei sind die Science-Fiction-Elemente durchaus diskutabel bzw. lassen sich als eine Art literarischer Katabolismus begreifen: Ob Billy Pilgrim nur wirklich das "Zweite Gesicht" und die Fähigkeit zur vierdimensionaler Flexibilität besitzt oder sich wie jeder alternde Mensch lediglich bildhaft an Vergangenes erinnert, ob Tralfamadore nun wirklich ein ferner Planet oder vielleicht doch bloß ein bewusstseinsverändernder Schmerzlöser ist, das alles spielt letzten Endes eine untergeordnete Rolle. Was "Slaughterhouse-5" bestimmt und so wertvoll macht, ist seine leise, aber umso unmissverständlicher vorgetragene Botschaft.

10/10

George Roy Hill Kurt Vonnegut Jr. WWII Ardennen-Offensive Dresden Minnesota Biopic period piece Aliens Satire Groteske New Hollywood





Filmtagebuch von...

Funxton

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