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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE BUTTERFLY EFFECT (Eric Bress, J. Mackye Gruber/USA 2004)


"You can't play God, son."

The Butterfly Effect ~ USA 2004
Directed By: Eric Bress/J. Mackye Gruber

Der Student Evan Treborn (Ashton Kutcher) blickt auf eine Vergangenheit mit vielen schlimmen Erlebnissen zurück, die seltsamerweise stets mit einem Blackout bei ihm verbunden sind. Sein Vater (Callum Keith Rennie) sitzt schon seit Evans Geburt in einer geschlossenen, psychiatrischen Anstalt. Als Evan sich seiner Jugendliebe Kayleigh (Amy Smart) erinnert und sie aufsucht, endet dies mit Amys Selbstmord. Durch Zufall entdeckt Eva in der Folge Unglaubliches: Er besitzt die Fähigkeit, bei der Lektüre seiner alten Tagebücher in seiner eigenen Geisteswelt zurück in die Vergangenheit zu reisen und zwar just in jene Momente, in denen er seinerzeit einen seiner Blackouts hatte. Dies gelingt allerdings jeweils nur einmal, dann ist die entsprechende Erinnerungslücke gefüllt. Evan versucht, die diversen Fehler in seiner Vergangenheit nach und nach wieder gutzumachen, ruft dadurch jedoch jedesmal prompt eine neuerliche Katastrophe hervor, die mit seiner Biographie in Verbindung steht. Zudem bleibt jedes seiner alternativ gelebten Leben in seinem Geist bestehen, was einen ähnlichen Wahnsinn hervorzurufen droht, wie ihm sein Vater aufsitzt; Evans Fähigkeit entpuppt sich als Familienfluch. Am Ende bleibt Evan lediglich die insgeheim längst offensichtliche, einzig logische Schlussfolgerung: Um die Menschen in seinem Umfeld zu schützen, darf er nie exististiert haben...

What if...?
Ich hab's ja sonst nicht so mit Ashton Kutcher und empfand den jungen Herrn (zumal aufgrund seiner physiognomischen Ähnlichkeit mit einem alten Schulkameraden) umwillkürlich immer als ein bisschen beschränkt. Mit der Rollenauswahl betreffs "The Butterfly Effect" hat er jedoch wirklich einmal ein großes Los gezogen. Der Film ist, zumindest im Director's Cut, der glaube ich, einige konsequente Modifikationen gegenüber der komplexitätsreduzierten, versöhnlicheren Kinofassung aufweist, eine fesselnde, an Capras "It's A Wonderful Life" gemahnende Moritat mit einem für Hollywood-Verhältnisse ungewöhnlich philosophisch-diskursivem Überbau: Welche Funktion erfüllt der Einzelne im globalen, sozialen Gefüge; was würde sich ändern, hätte er in bestimmten Situation wohlweislicher gehandelt, was gar, hätte es ihn nie gegeben? Capras Klassiker fand für letztere Frage noch eine versöhnliche, eben weihnachtliche Antwort: Ohne George Bailey würde Bedford Falls zum Teufel gehen, er ist Herz und Seele der Stadt, wird gebraucht. Anno 2004 sieht die Sache da schon wesentlich düsterer aus: Evan Treborn muss die furchtbare Erfahrung machen, dass er ein Mensch ohne Lebenslinie und ohne Seele ist, einer, der nie dazu bestimmt war, auf die Welt zu kommen, einer, der all jene, die mit ihm zu tun haben, wenn auch unwillkürlich, verletzt und langfristig verdammt. So bleibt ihm, anders als George Bailey, nur eine Alternative: Er muss aus dem Gefüge des Schicksals verschwinden, sich selbst aus der Welt tilgen, bevor es ihn überhaupt geben kann. Durch sein Opfer fügt sich dann tatsächlich alles zum Guten. Eine starke, nicht unböse Lebensreflexion der beiden Autoren Bress und Gruber, fein, geschickt und durchdacht inszeniert, wenngleich mit der allzu sehr in die Länge gezogenen, klischierten Knastsequenz etwas übers Ziel hinausschießend und somit nicht ganz perfekt. Dennoch einer der nachhaltigsten US-Filme der letzten Dekade.

9/10

Eric Bress J. Mackye Gruber Zeitreise D.C. Gefängnis College Freundschaft


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MAMULA (Milan Todorovic/SER 2014)


Zitat entfällt.

Mamula (Nymph - Mysteriös. Verführerisch. Tödlich.) ~ SER 2014
Directed By: Milan Todorovic

Die beiden amerikanischen Freundinnen Kelly (Kristina Klebe) und Lucy (Natalie Burn) machen Ferien an der montenegrinischen Adria, wo sie ihren früheren Kommilitonen Alex (Slobodan Stefanovic) besuchen, mit dem Lucy einst liiert war. Zusammen mit Alex' Verlobter Yasmin (Sofija Rajovic) und dem Abenteurer Boban (Dragan Micanovic) besuchen sie, trotz eingehender Warnungen des mysteriösen Alten Niko (Franco Nero) Mamula, eine ehemalige, verlassene Gefängnisinsel vor der Küste. Dort entdecken die Freunde Unglaubliches: Ein älterer Fischer (Miodrag Krstovic) wirft abgetrennte, menschliche Gliedmaßen in einen Brunnen und macht, nachdem er sich ertappt wähnt, Jagd auf die Clique; unter den Ruinen gibt es Wasserzugänge, aus denen Töne hervordringen, die nur die beiden Männer hören und es scheint dort ein schönes Mädchen (Zorana Kostic Obradovic) gefangen zu sein...

Monströse Meerjungfrauen sind ein tolles Fantasy-/Horror-Sujet, wie ich finde. Leider gibt es bis dato kaum wirklich ansprechende, filmische Umsetzungen zum Thema - "Las Garras De Lorelei" fiele mir da gerade mal spontan ein. Auch "Mamula", der zuallererst einmal ein durchaus redliches Unterfangen markiert als ein weiterer Versuch der serbischen Filmkultur, sich durch Genrekino einen internationales Renommee zu erarbeiten, bildet bestimmt keinen diesbezüglichen, unerlässlichen Meilenstein. Aufsehen erregt der Film sicherlich durch seinen Besetzungscoup mit Franco Nero, der einen um den Skylla-Mythos im Bilde befindlichen, rettenden Helden spielt, und dies durchaus ansehnlich. Tatsächlich heben sich jene Szenen, die er mit seiner Präsenz anreichert, deutlich vom Rest des Films ab. Das erste, lediglich der Figureneinführung dienende Drittel lässt bereits eine mittlere Katastrophe befürchten. Natalie Burn ist zwar nett anzuschauen, ihr Schauspielvermögen jedoch ist, ebenso wie das ihrer Kolleginnen und Kollegen von beängstigender Bescheidenheit. Selbiges gilt für das extrem dulle Dialogscript und die keine Ruhe findende Kamera. Im weiteren Verlauf erstarkt der Film dann glücklicherweise allmählich - wenngleich weiterhin stete Mängel zu beklagen bleiben -, bis er zum Showdown hin (in dem auch Neros 'Niko' endlich eine gewichtige Rolle spielt) gar eine geflissentlich poetische Ebene ankratzt. Wäre der gesamte Film von ebendieser atmosphärischen Qualität, er könnte sich rühmen, im Genre-Einerlei etwas Besonderes abzubilden. In seiner nunmehr bestehenden Form bleibt er unterdurchschnittlich.

4/10

Milan Todorovic Serbien Insel Monster Nixe Splatter Montengero Mittelmeer


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EUROPA REPORT (Sebastián Cordero/USA 2013)


"Compared to the breadth of knowledge yet to be known - what does your life actually matter?"

Europa Report ~ USA 2013
Directed By: Sebastián Cordero

Um den Saturnmond Europa zu erforschen, unter dessen Eisdecke sich riesige Wasservorkommen befinden, in denen man potenzielles Leben vermutet, werden erstmals sechs Astronauten (Michael Nyqvist, Sharlto Copley, Anamaria Marinca, Karoline Wydra, Daniel Wu, Christian Camargo) in die Tiefen des Weltalls entsandt. Nachdem einzig ihre Kommunikationseinheit "überlebt" hat und die verfügbaren Informationen entsenden kann, bietet sich den Wissenschaftlern auf der Erde (Embeth Davidtz, Dan Fogler) ein ebenso rätselhaftes wie erschreckendes Bild der Vorkommnisse vor Ort...

Irgendwo auf halbem Wege zwischen dem just geschauten "Apollo 18" und Alfonso Cuaróns "Gravity" befindet sich "Europa Report", der wesentliche Elemente beider Filme miteinander kombiniert und umformt. Auch hier werden die zentrierten Ereignisse mit pseudo-authentischem Duktus vorgetragen (sogar im Rahmen einer als solchen gestalteten "Dokumentation"), auch hier bekommen es die Astronauten mit feindlichen Exemplaren extraterrestrischer Existenz zu tun, auch hier geht es um Opferbereitschaft, Isolation und darum, sich mit dem Unvermeidlichen zu arrangieren, auch hier stellt sich die Frage nach der ethischen Flexibilität in Bezug auf menschlichen Forschungsdrang. Mit anderen Worten: Sind sechs Leben es wert, geopfert zu werden um der Erkenntnis Willen, dass auf einem Saturnmond, abermillionen Kilometer von uns entfernt, krakenartige, offenbar intelligente Leuchtwesen im Wasser hausen?
Nun, auch dieser Film will spannend sein, schockieren und aufrütteln. Leider hat er dies in meinem Falle noch etwas unzureichender bewirkt als zuletzt "Apollo 18", der mit einem kleineren Ensemble auszukommen hatte, entsprechend limitierter und zugkräftiger zu berichten wusste und der sich zumindest ansätzlich zu seinen Genrewurzeln bekannte, ohne gleich supersensationell dastehen zu wollen.
Spannend finde ich im Moment vor allem die Tendenz, dass sich just vordringlich Latino-Filmemacher mit klaustrophobischen SciFi-Sujets befassen. Sonderbar. Eine geheime Verschwörung im hispanophonen Teil der Welt vielleicht...?

4/10

Sebastián Cordero Raumfahrt Saturn Aliens embedded filming Mockumentary


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APOLLO 18 (Gonzalo López-Gallego/USA, CA 2011)


"Let me in, Ben! Let me in!"

Apollo 18 ~ USA/CA
Directed By: Gonzalo López-Gallego

Überraschend aufgetauchtes Filmmaterial beweist es: Apollo 17 war nicht der letzte bemannte Raumflug zum Mond, es gab noch eine weitere Mission. Die drei Astronauten Ben Anderson (Warren Christie), Nate Walker (Lloyd Owen) und John Grey (Ryan Robbins) starten unter strengster Geheimhaltung (selbst ihre Familien dürfen nichts wissen) hinauf zum Erdtrabanten. Anderson und Walker setzen sich mit einer Mondfähre am Südpol ab, derweil Grey mit dem Raumschiff im Orbit bleibt.
Das Bodenteam stellt alsbald einige Merkwürdigkeiten fest: Offenbar war zuvor bereits eine sowjetische Kosmonautentruppe inoffiziell gelandet. Man entdeckt die Leiche eines der Ost-Kollegen, dessen aufgerissener Raumanzug keinen Zweifel daran lässt, dass er ermordet wurde. Kurz darauf finden Walker und Anderson nichtmenschliche Spuren auf der Oberfläche. Walker wird von etwas in seinem Anzug befindlichen angegriffen und leidet an einer seltsamen Infektion. Als der zwischenzeitlich abgebrochene Kontakt nach Houston wieder hergestellt ist, beseitigen sich Andersons letzte Zweifel: Das hierher entsandte Trio fungiert als nichts anderes denn als Versuchskaninchen für den Nachweis, dass es auf dem Mond, feindselige, tödliche Organismen gibt.

Die Mondexpeditionen und -landungen bieten ja allerlei Fruchtbares für unverbesserliche Verschwörungstheoretiker und solche, die es werden wollen. Warum also nicht das Naheliegendste tun und eine entsprechende Mockumentary kreieren, die über das übliche Brimborium hinaus geht und Aliens und nacktes Grauen ins Spiel bringt? Ein dankbares Sujet für einen konzeptionellen Found-Footage-Stoff, halbwegs clever mit einer Original-Arriflex-16 (die selbst zum Protagonisten wird) gefilmt und somit um mediale Authentizität buhlend. Dass ein entsprechender, viral gestarteter Hype auch vor drei Jahren nicht mehr ganz up to date war, ignoriert man geflissentlich und errichtet sein kleines, lunares Schreckgespenst mit viel Enthusiasmus. Die gar schröckliche Conclusio besagt, dass sich hinter jedem Stückchen Mondgestein, auch hinter solchem natürlich, das zur Erde mitgebracht und in aller Herren Länder verschenkt und weitergereicht wurde, ein potenzieller sleeper der Mondmonster befinden könnte. Deren perfekte Camouflage besteht nämlich darin, sich als Steinchen zu tarnen, um im rechten Moment einen Wirt anzufallen, ihn zu okkupieren und willenlos und böse zu machen. Buh! Leider gelingt es López-Gallego nie ganz, die zum Einkauf einer solchen Geschichte wirklich nötige Bedrohlichkeit zu evozieren. Der experimentelle Anordnungscharakter des Ganzen, das sich mithilfe verschiedener Kameras und somit Perspektiven seine spezifische Dramaturgie zu verschaffen sucht, bleibt stets im Vordergrund und weicht, wie es im wirklich gelungenen Falle sein sollte, nie ganz in die Unmerklichkeit zurück. So empfand ich "Apollo 18" zwar nicht als gänzlich misslungen, ebensowenig aber als einen der wirklich bahnbrechenden Beiträge zum embedded filming.

5/10

Gonzalo López-Gallego period piece found footage embedded filming Raumfahrt Mond Freundschaft Verschwörung Aliens Virus


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THE LAST OF SHEILA (Herbert Ross/USA 1973)


"Give me a glass of water and a couple of lesbians."

The Last Of Sheila (Sheila) ~ USA 1973
Directed By: Herbert Ross

Der exzentrische Millionär Clinton Green (James Coburn) lädt sechs Freundinnen und Freunde (Richard Benjamin, Joan Hackett, Dyan Cannon, Ian McShane, Raquel Welch, James Mason) aus dem Filmbusiness zu einer kleinen Kreuzfahrt auf seiner Yacht vor der Côte D'Azur ein. Genau ein Jahr zuvor starb Greens geliebte Frau Sheila (Yvonne Romain) bei einem Unfall mit Fahrerflucht. Der Täter konnte nie ermittelt werden. Nun hat der Bootstrip durch die Riviera keinesfalls bloßes Baumelnlassen zum Ziel: Green hat ein Spiel entwickelt, bei dem jeder der Mitfahrenden eine Identitätskarte erhält, die die jeweils anderen entschlüsseln müssen. Bald schon offenbart sich infolge dessen, dass Green einige schmutzige Geheimnisse aus der jeweiligen Vergangenheit der Mitspieler kennt - darunter offenbar auch die Identität des Unfallwagenfahrers...

Eine böse, schwarze Krimikomödie, die Herbert Ross nutzt, um gegen das alte Hollywood und seine verblassende Eitelkeit zu wettern und um ein unerwartet erstklassig siebenköpfiges Ensemble vorzustellen, das, soviel wird rasch klar, sich keiner besonderen Sympathien des Publikums versichern kann. Nicht allein die Art der von Clinton green veräußerten, kleinen und großen biografischen Schnitzer ist es, die einem dieses (inklusive des ewig stichelnden Gastgebers) Septett vergällt - vor allem der Umgang damit beweist, mit welcher Art merkwürdiger Gesellschaft man es zu tun hat. Der unerwartete Mord in der Mitte des Films sorgt dann für eine cleveren Richtungswechsel in der Narration, worauf eine Art christie'sches Auflösungspuzzle erfolgt, ohne Meisterdetektiv freilich, dem wiederum ein Schlenker nachfolgt. Am Ende ist im Grunde alles wie zuvor; es gibt zwei Tote mehr und noch ein paar Möglichkeiten, seine Mitmenschen zu erpressen, dafür scheint sich ein vielversprechendes Filmprojekt anzubahnen - vielleicht jenes, welchem wir gerade beigewohnt haben?
Ebenjene Doppelbödigkeit macht Ross' Film so faszinierend, neben Ross' voller Hinweise steckender Inszenierung, die einem am Ende nochmal unübersehbar vor den Kopf geknallt wird. Eine schönes Exerzitium in Aufmerksamkeit, Konzentration und "richtigem" Hinschauen somit auch.

9/10

Herbert Ross Riviera Film Freundschaft Mittelmeer Reise Ensemblefilm Anthony Perkins


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VOM TEUFEL GEJAGT (Viktor Tourjansky/BRD 1950)


"Was ist das für ein Lärm da draußen...?"

Vom Teufel gejagt ~ BRD 1950
Directed By: Viktor Tourjansky

Der zu Unrecht in Ungnade gefallene Psychiater Dr. Fingal (Willy Birgel) findet, ebenso wie seine Freundin Cora (Maria Helst), eine Einstellung in der Klinik seines alten Freundes und Berufsgenossen Helmut Blank (Hans Albers). Blank gilt als idealistischer Arzt, der zugleich selbst mit pharmazeutischen Substanzen experimentiert. Ein aus dem Ausland importiertes, noch unerforschtes Mittel names K-27 verspricht Heilung sogar in schweren Fällen von Psychose. Um die körperlichen auswirkungen zu testen, probiert Blank das Mittel an sich selbst aus. Apathie, Gedächtnisverlust und Willenlosigkeit stellen sich für mehrere Stunden ein, bis der Geist sich wieder erholt. Doch es bleibt nicht bei diesem einen Aussetzer: Nicht nur, dass Blank sich urplötzlich an ganze Tagesabläufe nicht erinnern kann, er entwickelt zugleich eine dunkle, kriminelle Seite, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn er einen seiner "Aussetzer" hat...

Ein früher, deutscher Versuch, Genrekino zu machen, abseits von Heimatfilm, Kriegsschulddrama und aufkommender Wirtschaftswunderillusion und somit ein wichtiger Schritt in eine Richtung, die vor allem international verblasste, hiesige Leinwand wieder etwas weiter zu öffnen. "Vom Teufel gejagt" lässt sich dabei unschwer als "Jekyll/Hyde"-Variation identifizieren, wobei jedoch der Mut zu weiterer Intensivierung ausbleibt. Im Gegensatz zum "Original" ist Dr. Blank kein philosophisch angehauchter Kopf, der versucht, Es und Über-Ich zu trennen, sondern ein Philanthrop, dem es darum geht, seelische Krankheiten zu heilen. Im Selbstversuch muss der integre Mann dann unfreiwillig feststellen, dass er selbst eine ignorierte, weithin "abgespaltene" Persönlichkeitsfacette besitzt, die er bislang erfolgreich hat ignorieren können. Blanks Verwandlung in sein kriminelles alter ego wird zudem nie äußerlich sichtbar. Weder äffisches Schimpansengebiss noch zusammengewachsene Augenbrauen kennzeichnen seine Veränderung, nur ein leichtes Lichthuschen über die Augenpartie und eine lallende Sprechweise signalisieren: Der "böse Blank" ist wieder da.
Ein wenig klassischer "Mabuse" liegt darin, zudem eine recht hemdsärmelige Auffassung von Psychiatrie, die wahlweise nur völlig gestörte Geisteskranke (Alexander Golling) kennt oder überkandidelte Luxusfrauchen (Lil Dagover) mit Schoßhund. In jedem Fall ein nicht zu unterschätzender Lichtblick innerhalb der zeitgenössischen, nationalen Kinolandschaft.

8/10

Viktor Tourjansky Psychiatrie Medizin Madness Mad Scientist Jekyll & Hyde


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THE MAGIC SWORD (Bert I. Gordon/USA 1962)


"I'd recognize you amongst thousands!"

The Magic Sword (Ascalon - Das Zauberschwert) ~ USA 1962
Directed By: Bert I. Gordon

Im finsteren Mittelalter entführt der böse Zauberer Lodac (Basil Rathbone) des Königs schöne Tochter Helene (Anne Helm) um sie seinem stets hungrigen Drachen zum Fraße vorzuwerfen. Da ist jedoch noch der fesche Jüngling George (Gary Lockwood) vor, der Helene zwar nur durch Bilder aus einem magischen See kennt, sie aber trotzdem von Herzen liebt. Von seiner schusseligen Ziehmutter Sybil (Estelle Winwood) mit dem nötigen Equipment für eine solch gefahrvolle Expedition ausagestattet, zieht er ohne deren Billigung los, sechs Ritter aus allen Teilen Europas sowie den undurchsichtigen Hofritter Branton (Liam Sullivan) an der Seite. Sieben Flüche gilt es auf dem Weg zu Lodacs Feste zu übwerwinden, einer schrecklicher als der andere.

Eigentlich ein Fall für Nathan Juran und Ray Harryhausen, wurde "The Magic Sword" zu einem, na ja, semi-erfolgreichen Versuch des stets günstig arbeitenden Monsterbarden Bert I. Gordon, traditionelle Märchen- und Fabelmuster in einem bunten, familientauglichen Abenteuerfilm unterzubringen. Auch viele Pulp-Horror-Elemente sind enthalten: Es gibt einen Riesenwerwolf, ein nebliges Moor mit säurehaltigen Tümpeln, eine hässliche Dämonenhexe, Geister, allerlei mutiertes Zaubervolk (Zwerge, Eierköpfe und Vogelmenschen) und natürlich den handlungsstiftenden Drachen. Das alles scheint mir, unter vornehmlicher Verwendung von Rückprojektionen und Bildmontagen, halbwegs passabel getrickst, insgesamt jedoch mit zu wenig Schmiss und zuviel Routine dargebracht. Die Besetzung um die beiden seniorigen Kontrahenten Rathbone und Winwood hält immerhin ein paar kleine Überraschungen bereit: In Cameos finden sich Vampira und Angelo Rossitto an, letzterer allerdings im Zuge eines eher undankbaren Auftritts.

5/10

Bert I. Gordon Ritter Magie Märchen Monster Drache Hexe


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OLTRE IL GUADO (Lorenzo Bianchini/I 2013)


Zitat entfällt.

Oltre Il Guado (Across The River) ~ I 2013
Directed By: Lorenzo Bianchini

Der Wildtier-Biologe Marco Contrada (Marco Marchese) ist mitten im Dezember allein mit seinem Kleinbus im venetischen Grenzgebiet unterwegs, um in dem riesigen Waldgebiet die Wildschein- und Fuchspopulation und deren Nachtverhalten zu studieren. Seine Reise führt ihn auch über einen Fluss, den er angesichts der soeben einsetzenden Regenfälle in letzter Minute überqueren kann. Bald schon fallen ihm einige Absonderlichkeiten auf: Ein Kinderkleid treibt durch den Fluss, im Sucher der Nachtkamera bewegt sich noch etwas anderes als die Tiere, schreiähnliche Geräusche aus der Ferne sind zu hören, die Rinde eines Baumes ist kreisrund abgeschält, ein Fuchs scheint von einem größeren Tier getötet worden zu sein. Marco stößt auf ein verfallenes Dorf, das vor langer Zeit offenbar fluchtartig verlassen und zu Teilen niedergebrannt wurde. Während unablässiger Regen fällt, mehren sich die Zeichen, dass etwas in den Steinmauern des Dorfes umgeht, dem Marco unbedingt auf die Spur kommen will.

Ein Horrorfilm, der die Langsamkeit neu erfindet und genau damit seinen inhärentes Grauen schürt, das steht ziemlich offensichtlich im Kontrast zum jüngeren US-Ausstoß, der wahlweise das actionreiche Splattersegment oder schnell montierten Grusel mit vielen Schockeffekten umfasst. In "Oltre Il Guado" reduziert sich die Geschichte auf eine einzige Person, mit Ausnahme weniger Szenen um ein altes Ehepaar, das um das Geheimnis des einst von Partisanen niedergebrannten Dörfchens weiß und einen Rettungstrupp, der sich auf die Suche nach dem bald als vermisst gemeldeten Marco macht. Entsprechend karg und vereinzelt nehmen sich Dialog bzw. Monolog aus.
Der namenlose "Fluss" des Titels (wobei die korrekte Übersetzung das wesentlich poetischer gelagerte Furt wäre, 'Fluss' heißt nämlich auf italienisch 'fiume') nimmt dabei eine deutlich allegorisch herausgearbeitete Funktion ein: Jenseits seines "gegenüberliegenden" Ufers beginnt nicht nur Osteuropa, hier scheinen auch Zeit, Raum und Zweck ihre Bedeutung zu verlieren, die Welt wird urplötzlich farblos und Moder und Tristesse kündigen baldigen Schrecken an. Vielleicht liegt dort die Hölle selbst. Im Prinzip geschieht zunächst nicht viel Offensichtliches und lediglich die spärlichen Erläuterungen des alten Mannes (Renzo Gariup) gegenüber der Suchmannschaft geben Auskunft über die Ursache des Übels: Zwei nicht altern wollende, dämonisch entstellte Zwillingsschwestern haben hier zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs gelebt, die sich irgendwann als böse und aggressiv entpuppt haben und damals auch der Feuersbrunst der Widerständler nicht zum Opfer gefallen sind. Ebenjene treiben offenkundig noch heute ihr Unwesen und scheinen zudem sirenenartige Lockrufe auszusenden. Da steckt auf rein narrativer Ebene auch eine Menge "Blair Witch Project" drin: Unübersichtliche, kalte Natur, zunächst geringe, dann immer akuter werdende Hinweise auf das dräuende Böse, Desorientierung, schließlich der Moment der Erkenntnis und am Ende die panische Konfrontation. Keiner kommt hier lebend raus, selbst die Retter nicht.

8/10

Lorenzo Bianchini Dämon Zwillinge Madness Winter Ruine Dorf WWII Grenze


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PI (Darren Aronofsky/USA 1998)


"Press... Return."

Pi ~ USA 1998
Directed By: Darren Aronofsky

Der verschrobene Mathematiker Max Cohen (Sean Gullette) hat sich in ein Appartment in Chinatown zurückgezogen, wo er halbwegs ungestört forschen kann. Sein einziger Gesprächspartner ist sein früherer Lehrer und Mentor und jetziger Nachbar Sol Robeson (Mark Margolies). Max strebt nach der Entschlüsselung der Kreisberechnungszahl 'Pi', nach dem Zusammenhang zwischen Zahlen und Realität sowie der Möglichkeit, jede lebensweltliche Fügung durch Algorithmen voraus sagen zu können. Neben dieser Besessenheit verschafft ihm auch der stete Konsum allerlei psychoaktiver Substanzen zunehmend wahnhafte Visionen und Ängste. Als sowohl eine offenbar mächtige Organisation unbekannter Provenienz sowie ein jüdischer Geheimbund auf Max und seine Fortschritte aufmerksam werden und Sol verstirbt, droht Max endgültig dem Irrsinn anheim zu fallen...

Ist es der Name Gottes selbst, der Schlüssel zur Welt gar - oder doch bloß eine ordinäre, 216-stellige, numerische Abfolge? Darren Aronofsky jedenfalls zehrt noch heute von der kompromisslosen formalen Vollendung, die sein Langfilmdebüt und dessen direkten Nachfolgen auszeichnen: In immens kotrastüberstärktem, grobkörnigem Schwarzweiß gewährt der auteur uns Zugang in eine Psyche, die sich selbst ableugnet; eine Existenz, die jedwede positiv gefärbte Emotionalität vollends negiert und sich stattdessen bereitwillig mit der Entdeckung von Dingen befasst, deren mögliche Decodierung kein Leben auf der Welt lebenswerter machen könnte.
Eine bedrückende Fallstudie über ein in höchstem Maße verkabeltes, bemitleidenswertes, vor allem jedoch dringend hilfsbedürftiges Individuum, dessen Welt buchstäblich jedweder Farbe entbehrt, das allerdings zu beschäftigt ist, um auf suizidale Schlussfolgerungen zu kommen. Am Schluss, die zur Verfügung stehenden Psychopharmaka liegen längst jenseits all seiner Toleranzgrenzen, die letztmögliche Konsequenz: Eine Auto-Lobotomie muss her. Und erstaunlicherweise scheint diese sogar Wirkung zu zeigen - Banalität und Lächeln bahnen sich Raum...

10/10

Darren Aronofsky Mathematik New York ethnics Madness Verschwörung Drogen Sucht Transgression


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NOAH (Darren Aronofsky/USA 2014)


"Now you're a man."

Noah ~ USA 2014
Directed By: Darren Aronofsky

In grauer Vorzeit: Der dem allmächtigen "Schöpfer" hörige Noah (Russell Crowe) erhält eines Tages eine wegweisende Vision. Ein gewaltiger Regen wird die gesamte Welt überfluten und es ist an ihm, Noah, die Unschuldigen, nämlich die Tiere, in Sicherheit zu bringen. Zu diesem Zwecke soll er ein gewaltiges Schiff bauen, eine Arche, auf der je zwei Exemplare jeder Art Platz finden. Auch Noah und seine Familie dürfen als Erbauer und letzte Human-Vertreter darauf mitfahren. Mithilfe der "Wächter", steinerner Riesen, in deren Innerem sich die himmlischen Heerscharen des Schöpfers verbergen, gelingt Noah der Bau der Arche und auch das Zurückschlagen der anrückenden Horden des Tubal-Kain (Ray Winstone), der dereinst Noahs Vater (Marton Czokas) erschlug. Der Tyrann selbst allerdings kann sich in die Arche einschleichen und sich dort mithilfe von Noahs rachsüchtigem Mittleren Ham (Logan Lerman) verstecken. Derweil ist Noahs zumal unfruchtbare Adoptivtochter Ila (Emma Watson) schwanger. Dies steht jedoch dem Masterplan zur vollständigen Tilgung der Menschheit entgegen. Noah muss eine Entscheidung treffen...

Die Bibel ist ja ein duftes Märchenbuch, wenngleich über weite Passagen ziemlich mies geschrieben und mit allzu vielen Namen unübersichtlich aufgepimpt. Dennoch gab und gibt sie Fernseh- und insbesondere Hollywood-Studios immer wieder Anlass zu Demonstrationen von production values und vor allem zu solchen wahnhaften Vulgärglaubens. In das klassische Segment ebenjener Art Bibel-Adaption fällt auch Darren Aronofskys jüngster Film, dem ja in Kürze noch einige Konkurrenz-Produktionen folgen werden. Bibel ist anno 2014 wieder in. Was liefert nun der vorliegende, betont allegorisch arrangierte Gattungsvertreter? Edeltrash? Ziemlich sicher. Das Exempel eines in Ehren gescheiterten Großprojekts? Ganz bestimmt. Aronofsky gilt ja gemeinhin als ambitioniert zu werke gehender Filmemacher mit höchst spezifischer Note. "Noah" entwickelt erwartungsgemäß mancherlei Parallelen zu Aronofskys bisher unzugänglichstem Werk "The Fountain", das sich ebenfalls als philosophische Flexion verstand und sich verstärkt mit existenzialistischen Topoi auseinandersetzte. Ebenso wie im erwähnten The Fountain" geht es auch in "Noah" um Persistenz. Die der Menschheit selbst nämlich. Fragen über Fragen werden aufgeworfen wie die nach der grundsätzlichen Existenzberechtigung einer vernunftbegabten Spezies in einem an sich idealen natürlichen Gefüge. Ob die Welt nicht vielleicht besser ohne uns drehte, da sich mit dem Einschleichen geistiger Gewandtheit zugleich auch all unsere negativen Attribute potenzierten: maßloser Raubbau an allem, Krieg, Neid, Hass, Gier. Angesichts einer sich weiter drehenden Erde, auf der Dinge geschehen, wie sie aktuell omnipräsent sind, wirft "Noah" gleich noch die dräuende Frage nach dem möglichen Wert einer ultimativen Euthanasie auf, wie sie die biblische Sintflut ja dereinst vollzog: Gänzlich erholen könne sich unsere kranke, faulende Welt nurmehr ohne uns.
Natürlich ist das finale Fazit ein im humanistischen Sinne positives: durch das, was uns wesenhaft auszeichnet, durch Herz, Seele und die Fähigkeit, Barmherzigkeit zu entwickeln, verdienen auch wir weiterhin unsere Chancen; regelmäßige göttliche Warnschüsse vor den Bug allerdings und natürlich inbegriffen.
Dazwischen immer wieder beeindruckend gestaltete, aronofskysche Bilderfluten: von der Schöpfungsgeschichte über die sich forttragende Botschaft des Schöpfers an die Tiere, zur Arche zu kommen; vom Sündenfall bis hin zu Noahs Epiphanien. Ein wenig als drug movie nimmt sich "Noah" somit auch aus, in Kombination mit einer frappierend an die Tolkien-Adaptionen erinnernden Fantasy-Ästhetik allerdings als kein weltbewegendes. Manchmal, da ist er sogar direkt albern.

6/10

Darren Aronofsky Bibel Familie 3-D





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