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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LONG WEEKEND (Jamie Blanks/AU 2008)


"I just can't stand it anymore."

Long Weekend ~ AU 2008
Directed By: Jamie Blanks

Peter (Jim Caviezel) und Carla (Claudia Karvan), ein von harten Krisen geschütteltes Ehepaar, unternimmt einen Wochenend-Camping-Kurztrip an die Küste von Victoria. Die mit ihnen verabredeten Freunde tauchen nicht auf, stattdessen mehren sich die bizarren Omen und scheint sich die Natur gegen sie aufzulehnen, derweil ihre Beziehung unter einem unmerklichen Druck endgültig zerbirst.

Blanks' Remake von Colin Egglestons frösteln machender Nachhaltigkeits-Parabel sieht schön aus, hat dem Original allerdings auch nichts Wesentliches hinzuzusetzen. Als Eherbietung an den verstorbenen australischen Filmemacher (wie im Film präsentiert und im Abspann erwähnt) kann man "Long Weekend" 08 mögen - muss man eigentlich sogar, denn im Prinzip nimmt sich Blanks Variante mit Ausnahme von ein paar Details wie eine 1:1-Folie des Urfilms aus. Nicht weiter wild, aber eben auch kein Kandidat für den Innovationspreis. Blanks wird seine Gründe gehabt haben, warum er diesen Film machen musste, und da er formal gute Arbeit geleistet hat, ist das auch in Ordnung. Man sollte sich jedoch trotzdem zunächst die dreißig Jahre ältere Urfassung anschauen, bevor man das Remake in Augenschein nimmt. Einfach, weil sie es verdient, und nicht bloß um ihres Originalitätsstatus' Willen.

6/10

Jamie Blanks Remake Australien Parabel Rache


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WOLF (Mike Nichols/USA 1994)


"What are you, the last civilized man?"

Wolf ~ USA 1994
Directed By: Mike Nichols

Während einer Firmenreise durch das verschneite, nächtliche Vermont wird der New Yorker Verlagsdirektor Will Randall (Jack Nicholson) von einem Wolf gebissen. Schon bald verbessert sich sein körperliches Befinden, verstärken sich seine Sinne, mobilisiert sich sein kompletter Charakter. Und Will steigt hinter die Kompromisslosigkeit seiner Mitmenschen. Einzig Laura Alden (Michelle Pfeiffer), die Tochter seines Chefs (Christopher Plummer), erweckt noch Gefühle in ihm. Als im Central Park jeweils am Morgen die ersten Leichen gefunden werden, beginnt Will sich aber doch Sorgen zu machen.

In seinem, von ein paar unpassenden Zeitlupeneffekten abgesehen, schönsten und intelligentesten Film seit "Carnal Knowledge" treibt Mike Nichols den in "Regarding Henry" eingeschlagen Weg der Mannsbild-Vivisektion zur Blüte. Es bedarf nämlich, so die These von "Wolf", einer Rückkehr zu den animalischen Urinstinkten, um als Vertreter jenes Geschlechts in den Neunzigern zu elementarer Authentizität zurückkehren zu können. Will Randall ist ein alter, müder und verweichlichter Typ Ende 50, den es kaum tangiert, dass sein schmieriger Arbeitskollege und selbsternannter Freund Stewart Swinton (brillant: James Spader) ihm nicht nur den Job wegnimmt, sondern ihn auch noch mit seiner Frau betrügt. Oder zumindest will er davon nichts wissen. Oder er ist schlicht zu phlegmatisch zur Bewältigung solcherlei Existenzkrisen. Will Randall hat aufgehört zu leben ohne tot zu sein. Erst jener mehr oder minder verhängnisvolle Wolfsbiss auf der nächtlichen Landstraße in New England bringt seine Lebensgeister zurück - um den Preis inflationär gesteigerter Haardichte zwar, aber deshalb keinesfalls unerfreulich. Mit dem verbesserten Ich-Gefühl einhergehend kommt auch seine berufliche Motivation zurück und seine sexuelle Virilität. Motivationstraining per Wolfsbiss; Raubtiereiweiss anstelle von Speed. Am Ende bleibt zwar nurmehr die Entscheidung zwischen einer vollkommenen Existenz als Mann oder Tier; diese beantwortet sich durch eine moralische Einladung jedoch von selbst. Außerdem wird Will sein künftiges, wölfisches Leben nicht allein führen müssen.

8/10

Mike Nichols New York Werwolf Duell Parabel


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LORD OF ILLUSIONS (Clive Barker/USA 1995)


"What about death?" - "It's an illusion."

Lord Of Illusions ~ USA 1995
Directed By: Clive Barker

Der New Yorker Privatdetektiv Harry D'Amour (Scott Bakula), der in seiner Praxis bereits eingehende Erfahrungen mit dem Übernatürlichen fesammelt hat, kommt nach L.A., um einen Fall von Veruntreuung aufzuklären. Bald schon gerät er jedoch an Dorothea (Famke Janssen), die Ehegattin des berühmten Illusionisten Philip Swann (Kevin J. O'Connor), die um Personenschutz für ihren Mann ersucht. Bei seiner abendlichen Vorstellung kommt Swann schließlich wegen einer Fehlplanung ums Leben. D'Amour untersucht die Umstände seines Todes und taucht ein in die seltsame Welt der Illusionisten und Magier, die oft selbst kaum gewahr ist, was Schein ist und was Sein. Zudem reformiert sich im Hintergrund eine radikale Sekte, die die Wiederankunft des "Puritaners" Nix (Daniel von Bargen), mit dessen gewaltsamem Tod vor dreizehn Jahren auch Swann und Dorothea in Zusammenhang stehen.

Nach seiner Kurzgeschichte "The Last Illusion", die zugleich so etwas wie den Abschluss seiner sechs "Books Of Blood" markiert, schrieb und inszenierte Clive Barker Mitte der Neunziger diesen Film um echte und vorgetäuschte Magie. Für die weit weniger schlüssig als die Originalstory arrangierte Adaption übernahm Barker lediglich die Namen und Charaktere von fünf Hauptfiguren (D'Amour, die Swanns, der undurchsichtige Valentin und der noch undurchsichtigere Butterfield sind bereits aus der Vorlage bekannt) und nutzte sie für ein wesentlich komplexeres Handlungsgeflecht: Die Figur Philip Swanns splittet sich im Film auf in den gleichnamigen Protagonisten und den unsterblichen Nix, der eine lose, aber umso treuere Glaubensgemeinschaft von Fanatikern um sich scharen kann. Dorothea Swanns Biographie und auch ihr Verhältnis zu ihrem Mann fällt nun deutlich konturiger aus, dazu kommt die Liebesgeschichte zwischen ihr und D'Amour und der veränderte Handlungsschauplatz Kalifornien. Leider entfällt dafür der "infernalische" Aspekt von "The Last Illusion", in dem sich zahlreiche, Cenobiten-ähnliche Dämonen tummeln, die Swann und dem Schnüffler ans Leder wollen. Andererseits stützt sich Barker in der Filmfassung auf überdeutliche, gewinnende Noir-Elemente, die "Lord Of Illusions" eine besondere stilistische Vielfalt angedeihen lassen. Ferner hatte Barker hier - anders als noch bei "Nightbreed" - nicht mit störenden Repressalien seitens der Produktion zu kämpfen, was man dem nicht sonderlich eingängigen, aber dennoch homogenen Resultat anmerkt.

8/10

Clive Barker Los Angeles neo noir Magie Hölle Sekte


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SPASMO (Umberto Lenzi/I 1974)


Zitat entfällt.

Spasmo ~ I 1974
Directed By: Umberto Lenzi

Am Strand lernt der Millionenerbe Christian Baumann (Robert Hoffmann) scheinbar zufällig die schöne Barbara (Suzy Kendall) kennen, die sich zunächst geheimnisvoll gibt. Dieser schicksalsschweren Begegnung folgt jedoch noch eine ganze Reihe seltsamer Ereignisse nach, die Christian mehr und mehr seinen Verstand hinterfragen lässt. Als er schließlich die Wahrheit über jene Vorkommnisse und auch sich selbst erfahren muss, ist es, als sause geradwegs das Damoklesschwert auf ihn hernieder...

Lenzis Film entfaltet sich über seine nicht immer inspiriert genutzte Distanz leider nur allzu träge, um als wirklich bedeutsamer Beitrag zum italienischen Thrillerkino der Siebziger mit der bewussten Konkurrenz mithalten zu können. Wenngleich Signore Lenzi als Regisseur einen recht akkuraten Job hinlegt: Die anfängliche Richtungslosigkeit des Films wird durch die mauen Darsteller und den ominösen Dialog nurmehr gestützt. Zudem hätte hier etwas mehr Mut zur audiovisuellen Verzerrung Not getan - immerhin ist die Reflektorperson und damit auch die Identifikationsfigur des Publikums ein wahnsinniger Serienmörder mit amnesischen Bewusstseinszuständen. Als sich im letzten Drittel herauskristallisiert, in welche Richtung der Hase läuft, ist es, als werde man durch einen kurzen Seitenknuff aus der Lethargie gerissen, nur um dann wieder selig in derselben zu versinken. Schade, Potenzial ist hier hinreichend vorhanden, so dass "Spasmo" ein durchaus großartiger Film hätte werden können. So aber verbleibt er lediglich im gut gemeinten Mittelmaß.

5/10

Umberto Lenzi Serienmord Madness Brüder Toskana Giallo


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CASSANDRA (Colin Eggleston/AU 1986)


"Warren... it's you!"

Cassandra ~ AU 1986
Directed By: Colin Eggleston

Die junge Cassandra (Tessa Humphries) hat merkwürdige Kindheitsvisionen und Albträume, in denen eine Frau in einem Provinzhaus vorkommt, die sich erschießt sowie ein kleiner Junge, der die Frau zum Selbstmord anstachelt. Nicht genug damit, dass Cassandsra erfahren muss, dass ihr Vater Stephen (Shane Briant) und ihre vermeintliche Mutter Helen (Briony Behets) ihr nicht nur jahrelang eine verlogene Charade vorgespielt haben, sondern dass ihr Stephen zudem gerade im Begriff ist, erneut Vater zu werden, schlägt urplötzlich auch noch ein mysteriöser Killer zu, der jeden in der Familie und deren Bekannte attackiert...

Horrorfilme, die heißen wie ihre kindlichen oder jugendlichen ProtagonistInnen bilden schon so etwas wie eine genreinterne, spezifische Traditionsgemeinde. Nach dem auf wohlige Weise beunruhigenden Ökothriller "Long Weekend" und zwei weiteren, mir bislang leider unbekannten Suspense-Beiträgen versuchte sich Colin Eggleston also an diesem leider nur mäßig geglückten Serienkiller-Drama. Als sich endlich herausstellt, wer sich hinter der Identität des aus dem Verborgenen agierenden Mörders versteckt, hat der Zuschauer längst jegliches Interesse am Film verloren, denn Eggleston bewerkstelligt es kaum, Empathie für seine Figuren zu evozieren; alles bleibt merkwürdig gedämpft, marginal und farblos, eine sich bei landläufig arrivierten US-Vorbildern wie "Halloween" bedienende Plagiatsschwalbe macht eben noch keinen Originalitätssommer und so fand ich bis auf ein paar überraschend gewalttätige Schrecksekunden wenig bis nichts an "Cassandra", das eine besonders wohlwollende Qualitätseinordnung meinerseits rechtfertigte.

4/10

Colin Eggleston Australien Serienmord Madness Familie Geschwister


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HANNA (Joe Wright/USA, UK, D 2011)


"Kids grow up."

Hanna (Wer ist Hanna?) ~ USA/UK/D 2011
Directed By: Joe Wright

Hanna (Saoirse Ronan) ist die vierzehnjährige Tochter des Ex-CIA-Mitarbeiters Erik Heller (Eric Bana), der das Mädchen zeitlebens vor dem Zugriff seiner früheren "Firma" in der Wildnis Finnlands versteckt und dort zur ultimativen Killerin ausgebildet hat. Jetzt verspürt Hanna Sehnsucht nach der Zivilisation und nimmt dafür sogar in Kauf, dass ihre höchstpersönliche Nemesis, die eiskalte Agentin Marissa (Cate Blanchett), ihre Fährte aufnimmt. Für Hanna geht die Reise von Marokko bis nach Berlin, wo sie ihrem Schicksal endlich ins Auge sehen kann.

Auf inhaltlicher Ebene bietet "Hanna" rein gar nichts Besonderes und selbst die Formalia riechen stark nach einer Mixtur aus frühem Tom Tykwer und Luc Besson: Fachkundig ausgeführte Todeskämpfe, spektakulär ausgewählte Sets, diverse Lauf- und Jagdsequqenzen, untermalt mit schmissigen Elektrosounds (hier: von den Chemical Brothers). "Hanna Killertochter", "Hanna rennt!", "Hanna, der Profi", "Die eiskalte Hanna", "Hanna und Gretel"... - die Liste ist praktisch endlos fortführbar. Ein nur scheinbar bizarres, eklektizistisches Konglomerat also aus einer Vielzahl popkultureller Zitate, die immerhin bis zu den im Film häufig zitierten Gebrüdern Grimm zurückreichen. So ist "Hanna" auch als Variante des uralten "Böse Stiefmutter Vs. Unschuldige Königstochter"-Motivs lesbar. Was Wrights Film jedoch trotzdem noch knapp zu etwas Besonderem macht, ist seine ausgewogene Komposition, die bei allem klischierten Verbrauchsmaterial hinreichend zu fesseln versteht, die beeindruckende, teils bewusst wahrnehmungsverzerrende Photographie [eine eigentlich unkomplizierte Schuss-Gegenschussszene, in der Hanna sich mit ihrer Freundin Sophie (Jessica Barden) unterhält, wird beispielsweise spiegelverkehrt wiedergegeben; der Film ist angefüllt mit solchen Finten] und natürlich Saoirse Ronan, ohne deren zarte, ätherische Mördermädchen-Performance das Ganze im Nachhinein undenkbar scheint.

7/10

Finnland Profikiller Berlin Coming of Age Spanien CIA Joe Wright Marokko Road Movie


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THE HOLE (Joe Dante/USA 2009)


"I'm not afraid."

The Hole ~ USA 2009
Directed By: Joe Dante

Die beiden Jungs Dane (Chris Massoglia) und Lucas (Nathan Gamble) ziehen mit ihrer alleinerziehenden Mum in das Kleintädtchen Bensonville. Im Keller ihres neuen Hauses entdecken sie eine wohlfeil verschlossene Luke, unter der ein scheinbar bodenloses Loch schlummert. Zusamme mit dem Nachbarsmädchen Julie (Haley Bennett) kommen sie dem Abgrund auf die Spur: Darin wohnt nämlich eine dämonische Kraft, die ihren Herausforderern deren höchstpersönliche Urängste vor Augen führt.

Zuallererst bin ich Joe Dante schonmal persönlich dankbar, dass er nunmehr die Finger von Bugs-Bunny-Filmen zu lassen scheint. Desweiteren ist "The Hole" aber trotzdem kein unkomplizierter Fall: Dante hat nämlich mit einem - man muss es schlichtweg so hart formulieren - unterdurchschnittlichen Script zu tun, das Genremotive aufbereitet, die schon vor zwanzig Jahren ein alter Hut waren. Das große, finstere Es, das sich von den Ängsten seiner Opfer nährt, kennen wir aus "A Nigfhtmare On Elm Street" und "It". Das tiefe Loch auf dem hauseigenen Grundstück als zusätzliche, paranormale Bedrohung der ohnehin angeknacksten Institution Familie gabe es bereits in "The Gate", das Motiv des ungreifbaren Bösen als letzten Endes kathartisch-therapeutische - und somit durchaus heilsame - Kraft gab es in analoger Form in Flynns "Brainscan". Wahrscheinlich hat Mark L. Smith (nicht zu verwechseln mit dem "Fall"-Vokalisten Mark E. Smith), von dem das Buch stammt, auch mal Liebermans "Satan's Little Helper" gesehen, denn die gesamte Szenerie von "The Hole" erinnerte doch sehr an selbigen. Bruce Dern wird übel verheizt, die Kinderdarsteller sind eher sorgfaltslos gewählt. Aber irgendwas hat der Film, das ihn dann doch noch sehenswert erscheinen lässt, zumindest, wenn man Dantes Motivation beim Filmemachen kennt. Seine Schöpfungen waren eigentlich fast immer subversive Komödien für Adoleszente, so ähnlich wie die monströsen Drive-In-Filme der Fünfziger und Sechziger, bloß mit einem stets verschmitzten Lächeln in den dunklen Gässchen der set pieces. Davon nimmt sich "The Hole" nicht aus; eine (unterforderte) kreative Kraft lässt sich tief in ihm wittern und dann wird die thematische Analogie zu Abrams viermal so teurem und von einer ungleich fetteren Promotion skandiertem "Super 8" offensichtlich, zu dem ich mir neulich noch dachte, dass er eigentlich auch einen guten Dante-Film abgegeben hätte (was mich erst auf die Idee brachte, mir "The Hole" zu besorgen und anzuschauen). Vielleicht ist das alles gar keine hölzerne Plagiatsmaschinerie und vielleicht sollte man dem visuell brillant gestalteten Showdown mehr Bedeutung beimessen, als ich es gegwärtig tue. Vielleicht entpuppt sich "The Hole" inmitten all seiner mäßig aufgeblasenen 3D-Effekte in ein paar Jahren sogar noch als richtig guter Film. Vielleicht...

5/10

Kinder Familie Coming of Age Kleinstadt Joe Dante Teenager 3-D


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GAMES (Curtis Harrington/USA 1967)


"For you the game is over."

Games (Satanische Spiele) ~ USA 1967
Directed By: Curtis Harrington

Jennifer (Katharine Ross) und Paul Montgomery (James Caan) sind ein typisches, wohlhabendes New Yorker Greenwich-Village-Hipster-Ehepaar: Kinderlos, Kunst sammelnd, Kicks suchend. Ihre wie performancegleich inszenierten Partys sind mittlerweile legendär in der Szene. Als die alternde Kosmetikvertreterin Lisa (Simone Signoret) für ein paar Tage bei ihnen einzieht, beginnen die Montgomerys, merkwürdige Spielchen zu spielen, die dazu dienen, sich gegenseitig zu erschrecken. Als dabei eines Tages versehentlich der Lebensmittelbote Norman (Don Stroud) erschossen wird, bekommt insbesondere Jennifer es mit der Angst. Paul entsorgt die Leiche zwar auf geschicktem Wege, doch Normans rachsüchtiger Geist scheint das Haus nicht verlassen zu wollen...

Wer ein wenig in der Horrorthriller-Geschichte der Sechziger beflissen ist, der hat es nicht schwer, vorauszusehen, worauf "Games" inhaltlich hinausläuft: Aldrichs "Hush... Hush, Sweet Charlotte" und vor allem mehrere Filme der britischen Hammer ("Paranoiac", "Nightmare", "Scream Of Fear") bedienten sich allesamt jenes beliebten Verunsicherungsmoments, in dem eine mehr oder weniger vorbelastete Dame von einigen böswilligen bis sadistisch veranlagten Komplottanten aus zumeist rein monetär motivierten Gründen und mittels inszenierten Spuks in die Klappsmühle gebracht werden soll. Hier ist die schöne Katharine Ross das Opfer und ihr Mann, der am Ende jedoch auch nicht viel zu lachen hat, der fiese Drahtzieher des Ganzen. Für den später leider dem - wahrscheinlich infolge seiner bequemen Unkompliziertheiten - lockenden Fernsehen verfallenen Curtis Harrington, dessen Kinoarbeiten Schifferle noch Mitte der Neunziger so treffend als "terra incognita" bezeichnete, war "Games" der vierte von insgesamt leider nur neun Leinwandlangfilmen. Immerhin konnte er dazu auf die Produktionsmittel eines großen Studios (Universal) und eine überaus ansehnliche Besetzung, darunter die Signoret während ihrer kurzen Hollywood-Gastspielreise, zurückgreifen. Dass diese im Film eine Deutsche mit ominöser Vergangenheit spielt, in der deutschen Fassung jedoch als Ungarin veräußert wird, ist für diese Zeit nichts sonderlich Seltsames. Für Harrington jedoch gilt: Die Raumkonstruktion ist sein Star, die Innenausstattung des architektonisch wundervollen New Yorker Hauses ein Traum. Auf dieser inszenatorischen Spielwiese, die Harrington allerhöchstens für minimale Gegenschnittsequenzen (etwa wenn Jennifer telefoniert) verlässt, vollbringt der Regisseur geradezu Meisterliches. Dass seine Geschichte sich eben nicht gerade als die innovativste hervortut, damit muss (und kann) man leben.

8/10

Curtis Harrington New York Ehe


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INSIDIOUS (James Wan/USA, CA 2010)


"Leave this vessel!"

Insidious ~ USA/CA 2010
Directed By: James Wan

Die dreifache Mutter Renai Lambert (Rose Byrne) glaubt fest daran, dass der Umzug in das mysteriöse neue Haus verantwortlich ist für den urplötzlich eingetretenen, komatösen Zustand ihres Ältesten Dalton (Ty Simpkins) sowie an den geisterhaften Erscheinungen, die sich permanent mehren. Doch selbst ein erneuter Umzug bringt keinerlei Besserung. Erst die über die ihre Schwiegermutter (Barbara Hershey) hinzugezogene Parapsychologin Elise (Lin Shaye) vermag Abhilfe zu schaffen: Sie erklärt den Lamberts, dass Daltons Astralkörper fernab seiner physisch manifesten Gestalt von einem Zwischenweltdämon gefangengehalten wird und zurück in das Diesseits geführt werden müsse. Diese Aufgabe soll Renais Mann Josh (Patrick Wilson) übernehmen, der als Kind selbst schon mit dem Zwischenreich und einem weiblichen Dämonen Kontakt hatte, dies jedoch lange Jahre verdrängt hat...

"Kadir, machssu eima schön "Poltergeist" auf Tasche mit alles, abba schaffe Sose weglasse!"
In seinem "Insidious", nach "Death Sentence" erneut ein modern aufbereiteter Relaunch eines persönlichen Jugendklassikers, bleibt Wan ganz der domestizierte Rezitator, der seine Vorbilder gut studiet hat, sich aus Ehrfurcht vor ihnen jedoch a priori ein ernsthaftes Kratzen an ihren Sockeln versagt zu haben scheint. Fast sämtliche Motive aus Hoopers "Poltergeist" greifen Wan und sein Hausschreiber Leigh Wannell auf: Die typologische weiße, amerikanische Vorstadtfamilie mit mehreren Kindern, das Jenseits als metaphysikalisch erklärbares Zwischenstadium, den einen bösen Finsterling, der sich der unschuldigen seele des übersinnlich begabten Kindes bemächtigen will. Und schließlich die verschworene, rettende Kraft der Familie unter Anleitung einer ebenso verschrobenen wie liebenswerten Paratante mitsamt ihren technisch versierten Spinnerkollegen. Reihenweise Spiegelbilder also, die jedoch bei weitem nicht so reibungslos, klug und vor allem perfekt abgearbeitet werden wie im fast dreißig Jahre älteren Vorbild. "Poltergeist", das scheinen Wannel/Wan übersehen oder ignoriert zu haben, war nämlich auch und insbesondere eine Satire an die Adresse Vorstadtexistenz und den rücksichtslosen "Pioniergeist" des amerikanischen Volkes, den indiskreten Charme der US-Bourgeoisie sozusagen, die am Ende die wohlfeil aufbereitete Quittung für ihre Arroganz erhält. In "Insidious" ist von solcherlei Subtilität nichts zu verzeichnen; Wan pflegt und bedient einzig den Schock und die Phantasiebereitschaft seines Publikums, dies jedoch professionell wie eh und je. Gruselige und bedrohlich wirkende Momente hat es tatsächlich einige, wenn auch das entsprechende Moment bei "Paranormal Activity" mir als deutlich wirkungsvoller in Erinnerung ist. Unter all diesen Abstrichen dennochdurchaus ansehbar.

6/10

James Wan Spuk Dämon Parapsychologie Familie Oren Peli Geister


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CARODEJUV UCEN (Karel Zeman/ČSSR, BRD 1978)


Zitat entfällt.

Čarodějův Učeň (Krabat) ~ ČSSR/BRD 1978
Directed By: Karel Zeman

Die Lausitz zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Der lebenslustige Betteljunge Krabat wird durch einen magischen Ruf zur Mühle am schwarzen Wasser gerufen, wo er künftig als einer von zwölf Lehrlingen in die Schule des Meisters geht. Diese besteht allerdings nicht nur darin, sich im Müllerhandwerk ausbilden zu lassen, sondern vor allem im Erlernen der schwarzen Künste. Jedes Jahr muss sich einer der Lehrlinge mit dem Meister im Zauberkampf messen - und unterliegt, so dass immer wieder ein Nachfolger gesucht werden muss. Als Krabat sich in eine schöne Kantorka aus einem benachbarten Dorf verliebt, ist die Reihe an ihm, gegen seine Meister zu bestehen.

Spätes Meisterwerk des großen Animationskünstlers Karel Zeman, der verschiedene Stile von Trickkunst auf eine beinahe schmerzlich schöne Weise miteinander kombiniert: "Herkömmliche", zweidimensionale Zeichenkunst, Scherenschnitt, Rotoskopie und die Kombination mit real abfotografierten Naturelementen komponiert Zeman zu einem prachtvollen, höchst atmosphärischen Kaleidoskop von (und für) höchste(n) ästhetische(n) Ansprüche(n). Dass Preußlers große Vorlage um ein paar schauerliche Elemente und Details (darunter die allquartärliche Ankunft des mysteriösen Höllenkutschers, für den der Müller Säcke von Leichen zermahlen muss) erleichtert bzw. um einige Phantasmagorien (etwa die Magieduelle des Meisters mit seinen Schülern) angereichert wurde, ist der kreativen Freiheit des Adapteurs geschuldet und gliedert sich derart harmonisch in Zemans Variation ein, dass dessen Homogenität und Integrität niemals angetastet werden. Tadellos, als Literaturadaption wie als eigenständiges Kunstwerk.

10/10

Märchen Lausitz Großer Nordischer Krieg Coming of Age Ottfried Preußler Zeichentrick Sage period piece Karel Zeman Magie





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Funxton

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