Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

VERTIGO (Alfred Hitchcock/USA 1958)


"You shouldn't have been that sentimental..."

Vertigo ~ USA 1958
Directed By: Alfred Hitchcock


Der wegen infolge eines Dienstunfalls unter Akrophobie leidende, vom Dienst retirierte Polizist Scottie Ferguson (James Stewart) wird eines Tages von seinem alten Collegefreund Elster (Tom Helmore) gebeten, dessen Frau Madeleine (Kim Novak) zu beschatten. Jene scheint offenbar unter einem sonderbaren, übersinnlichen Familienbann zu stehen: Ihre Großmutter Carlotta hatte sich einst im selben Alter das Leben genommen und nun sieht es aus, als versuche Madeleine, es ihr gleich zu tun. Nachdem Scottie Madeleine einige Zeit lang verfolgt, ihr das Leben gerettet, si dann kennengelernt und sich schließlich in sie verliebt hat, gelingt ihr der Suizid: Sie springt vom Glockenturm eines Klosters. Scottie fällt in einen Schuldkomplex gekoppelt mit tiefen Depressionen, die eines langwierigen Heilungsprozesses bedürfen. Danach findet er in den Straßen der Stadt eine Frau (Kim Novak), die Madeleine bis auf ein paar Details zum Verwechseln ähnlich sieht. Scottie spricht sie an, modelt sie nach und nach um und erkennt dann die Wahrheit...

Die Geschichte einer unerfüllten Nekrophilie. Nach der kantigen Realitätsstudie "The Wrong Man" kam dieser flirrende Fiebertraum "Vertigo", der zu dem direkten Vorgänger auf den zweiten und dritten Blick durchaus manche Analogien aufweist. Auch hier wird ein Protagonist zum Opfer einer schweren, katatonischen Depression infolge falscher Schuldgefühle und auch hier kann die Heilung nur ein Zufallswink der Vorsehung leisten. Auch das Motiv des Katholizismus zieht sich somit weiter fadengleich durch Hitchcocks Werk. Nachdem bereits Vater Logan und Manny Balestrero ihre Dämonen letzten Endes nur mittels ihres jeweils unerschütterlichen Glaubens auszuteiben vermochten, kommt Scottie Ferguson am Ende, als er, seiner Sinne beraubt, schon selbst ein Verbrechen zu begehen droht, eine engelsgleiche Nonne zur "Hilfe": Madeleine, die glaubt, in der Silhouette der Ordensschwester den Rachegeist der ermordeten Madeleine Elster zu erblicken, stolpert in den Unfalltod.
Einer Ellipse gleich hat sich das Schicksal erfüllt; Scottie Ferguson ist erlöst. Überhaupt ist der Film seinem Titel entsprechend bis obenhin angefüllt mit elliptischer Tunnelsymbolik, der das Kino unter anderem den häufig zitierten '"Vertigo"-Zoom' verdankt, im Zuge dessen die Kamera während eines harten Zooms manuell zurückgezogen wird. Auge, Häuserschlucht, Treppenhaus, hochgesteckte Damenfrisur, ja selbst eine Rose - das Tunnelbild findet sich immer wieder. Wunderbar in diesem Zusammenhang die mit Zeichentrickeffekten gestaltete Traumsequenz, die James Stewarts' vorübergehenden Abstieg in den Hades der Psychose einläutet. Überhaupt hat Stewart, mit Ausnahme vielleicht von dem fanatischen bounty hunter Howard Kemp in Anthony Manns "The Naked Spur" niemals sonst einen so ambivalenten Antihelden fernab von seinem üblichen Saubermann-Image spielen dürfen. Trotz härtester Konkurrenz vermutlich Bernard Herrmanns feinster Hitchcock-Score und natürlich der Film, dem ein anderer Meister, Brian De Palma, so ziemlich alles verdankt.
Marvelös.

10/10

Madness Psychiatrie San Francisco Alfred Hitchcock Paraphilie Akrophobie


Foto

REBECCA (Alfred Hitchcock/USA 1940)


"Last night I dreamt I went to Manderley again..."

Rebecca ~ USA 1940
Directed By: Alfred Hitchcock


Eine junge Gesellschafterin (Joan Fontaine) weilt mit ihrer ältlichen Chefin ferienbedingt (Florence Bates) in Monte Carlo. Da lernt sie den verwitweten englischen Baron Maxim De Winter (Laurence Olivier), der sie sozusagen vom Fleck weg heiratet und mit auf sein Anwesen in Cornwall, den Herrensitz 'Manderley' nimmt. Der posthume Schatten von De Winters verstorbener Frau Rebecca ist jedoch allgegenwärtig. All ihre Gegenstände tragen ihre Initialen und jeder in Manderley wird zwangsläufig permanent an sie erinnert. Besonders die Haushälterin Mrs. Danvers (Judith Anderson) ist wie besessen von Rebeccas Geist. Zunächst leidet die neue Mrs. De Winter unter den übermächtigen Spuren ihrer 'Vorgängerin', dann jedoch erfährt sie die ganze Wahrheit...

Ich bin sicher nicht der größte Fan von Hitchcocks so hochgelobtem, erstem amerikanischen Film, den er für David O. Selznick gemacht hat. Mich hat der schwülstige "Gaslicht"-Impetus der Geschichte, die heuer auch als Rosamunde-Pilcher-Klamotte der Woche im Fernsehen laufen könnte, schlichterdings nie hinfort- und schon gar nicht umgerissen. Allerdings, soviel sei von vornherein dagegenzuhalten, ist Hitchcocks Inszenierung gegenständlich tadellos und es lässt sich wohl mutmaßen, dass er viel von Selznicks eigentlichen, wildromantischen Plänen mit dem Stoff zum Besseren gewendet hat. "Rebecca" enthält als Dreiakter zwei harte narrative bzw. dramaturgische Zäsuren; die erste nach dem "Umzug" des Films von Monte Carlo nach Cornwall (im Film muss als stellvertretender Drehort die kalifornische Pazifikküste herhalten), die zweite, als die namenlose Protagonistin um das tatsächliche Verhältnis zwischen De Winter und Rebecca erfährt. Erst die letzte jener drei "Episoden" ist dann wieder klassischer Hitchcock; Romantik, Erpressung und Unschuldsbeweis und hier erhält man dann auch den unbestimmten Eindruck, der Meister wache aus einem ihm zuvor zwangsauferlegten Dornröschenschlaf auf, fände seine Lebensgeister wieder und könne zu seinem wahren Leisten zurückkehren. Damit käme ich zum zweiten persönlichen Störfaktor: Die buchstäblich alles überstrahlende Joan Fontaine rettet den Film aufgrund genau der Attribute, die ihr Reginald Denny im Film einmal auf den Kopf zusagt: Lebendigkeit, Natürlichkeit und Anmut. Ansonsten trifft man auf eine förmliche Liga von Unsympathen - allen voran der eiskalte Olivier, den ich im Grunde sowieso nur als Bösewicht sehen mag, die grauenhafte Mrs. Danvers, von Judith Anderson zwar ihrem Charakter gemäß ansprechend verkörpert, aber dennoch ein Rundum-Fies-Paket. Schließlich George Sanders, der als erpresserisches Oberekel für den männlichen Widerlingsbonus sorgt. Ein Personal, das ich gern schnell wieder sich selbst überlasse, trotz der armen, namenlosen Joan Fontaine, die ihr Leben mit dem drögen Schnauzbartträger De Winter wird zu Ende leben müssen.
Also, natürlich wertschätze ich auch "Rebecca" und erkenne darin noch hinreichend Qualität, um ihn mir immer mal wieder anzuschauen. "Mögen" - und schon erst recht "gern" - ist aber doch irgendwie was anderes.

7/10

Daphne Du Maurier Ehe Alfred Hitchcock Cornwall


Foto

THE SKULL (Freddie Francis/UK 1965)


"Witchcraft?" - "Not in this day and age."

The Skull (Der Schädel des Marquis de Sade) ~ UK 1965
Directed By: Freddie Francis


Dr. Maitland (Peter Cushing), Okkultismusforscher und Besitzer einer stattlichen Sammlung entsprechender Exponate, gerät durch den windigen Hehler Anthony Marco (Patrick Wymark) an den Schädel des Marquis de Sade. Maitlands Freund und Kollege Sir Matthew (Christopher Lee), in dessen Besitz sich der Totenkopf zuvor befunden hat, rät ihm, die Finger von demselben zu lassen, da er auf seinen jeweiligen Besitzer geheimnisvolle Kräfte ausübe. Der Marquis sei einst von einem der vier Höllenfürsten besessen gewesen, dessen unselige Kraft dem Schädel noch immer innewohne. Doch Maitland ist dem Einfluss des Schädels längst ausgeliefert. Tatsächlich folgen auf Albträume und somnambule Episoden bald die ersten Toten und Maitland ist nicht länger Herr seiner Sinne.

Einer der ersten Filme des Hammer-Konkurrenten Amicus, sehr ambitioniert, wenn auch sichtlich günstiger als die Arbeiten des Traditionshauses gemacht. Mit Freddie Francis konnte ein geschätzter Regisseur gewonnen werden und die glänzende Besetzungsliste kann mit einigen Gastauftritten berühmter britischer Gruselstars aufwarten, darunter Michael Gough als Auktionator und Patrick Magee als Polizeiarzt. Im Gegensatz zum typischen Hammerfilm bemühte man für "The Skull" derweil weder eine längst vergangene Ära als Handlungsschauplatz noch irgendwelche Monsterfiguren. Das Böse geht hier von einer populären historischen Gestalt aus, der neben ihrem namensspendenden 'Sadismus' nichts weniger als echte Besessenheit angedichtet wird, um sie hinreichend dämonisch erscheinen zu lassen. Ob man diesen fliegenden Totenschädel mit gehörigem Überbiss nun als wahrhaft grauselig empfindet, bleibt wohl allein dem Auge des jeweiligen Betrachters überlassen, über die inszenatorische Sorgfalt und die Professionalität sämtlicher Beteiligten braucht indes kein Zweifel eingeräumt zu werden.

7/10

Marquis de Sade London Besessenheit Freddie Francis Robert Bloch Amicus Dämon Schädel


Foto

THE MAN WHO COULD CHEAT DEATH (Terence Fisher/UK 1959)


"What in the world makes you think you are that special?"

The Man Who Could Cheat Death (Den Tod überlistet) ~ UK 1959
Directed By: Terence Fisher


Obschon er aussieht wie Mitte 30, zählt der Arzt und Künstler Dr. Georges Bonner (Anton Diffring) bereits 104 Lenze. Das Geheimnis seiner Jugend liegt in der einst von ihm und seinem Kollegen Dr. Weiss (Arnold Marlé) entdeckten Möglichkeit, den menschlichen Körper durch die poeriodische Erneuerung einer bestimmten Drüse jung zu halten. Dieser Vorgang muss pünktlich alle zehn Jahre erfolgen, sonst tritt der Alterungsprozess in Sekundenbruchteilen in Kraft. Allerdings kann die Operation für kurze Zeit aufgeschoben werden durch die Einnahme eines ominösen, grünen Tranks. Als Dr. Weiss herausbekommt, dass all die Spenderinnen der von ihm transplantierten Drüsen Mordopfer von Dr. Bonner waren, weigert er sich, diesen weiter zu unterstützen. Bonner benötigt die Hilfe des jungen Kollegen Dr. Gerrard (Christopher Lee), mit dem er sich die Liebe zur selben Frau (Hazel Court) teilt...

Wenig bekannte Hammer-Produktion der frühen Jahre, von Terence Fisher in wunderhübschem Fin-de-siècle-Ambiente und mit einem wie immer exzellenten Anton Diffring gefertigt. Jener hatte einen unwilligen Peter Cushing auszulösen - ein nachträglicher Glücksfall, möchte ich meinen. Das Thema ist nicht ganz neu, es basiert auf einem Stück von Barré Lyndon und wurde bereits vierzehn Jahre zuvor von Ralph Murphy verfilmt. Fishers Version weist leichte Änderungen auf, aber das ist ja nun ohnehin eine ziemlich Hammer-spezifische Eigenart. Der Genüsslichkeit dieses ziemlich wunderbaren Films tut jenes Vorgehen bestimmt keinen Abbruch. Diffring ist besonders in Kombination mit dem großartigen, im Kino leider stark unterrepräsentierten Arnold Marlé eine Wucht, was Fisher ebenfalls gemerkt haben wird, denn die von ethischen Diskussionen überlagerten Szenen mit den beiden Schauspielern werden lang ausgespielt und bilden so etwas wie das Herzstück des mit herrlichem Technicolor angereicherten Films.

8/10

Terence Fisher period piece Paris Fin de Siècle


Foto

CRY OF THE BANSHEE (Gordon Hessler/UK 1970)


"It's as though we're all seeds of evil."

Cry Of The Banshee (Todesschrei der Hexen) ~ UK 1970
Directed By: Gordon Hessler


Im elisabethanischen England: Der machtgierige Landvogt Edward Whitman (Vincent Price) geht gnadenlos gegen jede Form von vermeintlicher Hexerei und Heidentum vor. Die alte Oona (Elisabeth Bergner), die in den Wäldern eine Art Fruchtbarkeitskult gegründet hat, wird sein nächstes Ziel. Zwar lässt er die Alte am Leben, diverse ihrer Jünger lässt Lord Whitman jedoch gnadenlos abschlachten. Ein Fluch Oonas über das Haus Whitman ist die Folge. Dieser manifestiert sich in dem jungen Knecht Roderick (Patrick Mower), der sich auf Oonas Befehl hin in einen blutrünstigen Dämonen verwandelt.

Auf die Feudalismuskritik von Reeves' "The Witchfinder General" folgten neben diversen ähnlich gesinnten Ablegern wie denen von Hoven auch reaktionäre Hexenfilme wie dieses AIP-Werk von Gordon Hessler, in dem zwar gegen die Willkür adliger Machtinhaber protestiert wird, sich die von ihnen gefürchtete und bekämpfte Hexerei jedoch als höchst real herausstellt: Die libertine Alte Oona tut im Grunde nichts anderes, als eine Art Hippie-Enklave anzuführen, von denen zunächst keine Bedrohung ausgeht. Erst Whitmans Attacke zeigt, dass sie auch anders kann, nämlich mit Satan persölich paktieren. Außerdem war sie offenbar schon lange auf diesen Fall gefasst, denn der so sympathisch wirkende Roderick entpuppt sich als seelenloser Geist, den Oona einst ganz gezielt in Whitmans Haushalt platziert hat. Der Film selbst ist weniger interessant; die Geschichte schlägt in blassen Bildern einige sehr eigenartige Winkelhaken und bleibt trotz guter Ansätze merkwürdig leer und verschlossen. Beileibe nicht der beste Hexenfilm dieser Jahre.

5/10

Gordon Hessler period piece Fluch Familie Hexen


Foto

AND NOW THE SCREAMING STARTS! (Roy Ward Baker/UK 1973)


"The truth, please!"

And Now The Screaming Starts! (Embryo des Bösen) ~ UK 1973
Directed By: Roy Ward Baker


England im späten 18. Jahrhundert: Der blaublütige Lehensherr Fengriffen (Ian Ogilvy) bringt seine junge Braut Catherine (Stephanie Beacham) mit auf das Familiengut. Kaum dort angekommen, hat Catherine grauenhafte Visionen von einer sie verfolgenden, abgetrennten Hand und einem merkwürdigen Geist mit leeren, blutigen Augenhöhlen. Der sinistre Holzfäller Silas (Geoffrey Whitehead) macht Catherine noch zusätzlich Angst. Als sich dann herausstellt, dass die nächtliche Vergewaltigung, die sie schon als Phantasie abgetan hat, mitnichten ein Traum war, beginnt Catherine endgültig zu verzagen. Kann der eilends aus London herbeigerufene Nervenarzt Dr. Pope (Peter Cushing) Aufklärung besorgen?

Hübsches Gruselstück von Amicus, ausnahmsweise mal kein Episodenfilm, aber wie gewohnt mit dem hohlwangigen Peter Cushing in vorderster Front. Wobei seine Nennung an der Besetzungsspitze eigentlich ein Etikettenschwindel ist, denn Cushing taucht erst in der 48. Filmminute auf. Ähnliches gilt für seine vermeintlichen Mitprotagonisten Herbert Lom und Patrick Magee, die jeweils nur kurz bzw. in einer Rückblende zu sehen sind. Die eigentlichen Hauptparts geben stattdessen die in einer Art historischen "Rosemary"-Reprise zu sehende, aus Leibeskräften kreischende (insofern passt auch der Titel des Films maßgetreu) Beacham mitsamt ihrem bebenden Dekolleté und natürlich der arme Ian Ogilvy, der hier nach "The Witchhunter General" erneut den Verstand verlieren und mit einer Axt herumbeserkern muss. Am Vorzüglichsten gefallen hat mir das Interieur des englischen Grafschaftslandsitzes. Ganz genau so ein Haus mit identischer Innenausstattung möchte ich auch gern haben, wenn ich mal groß bin!

7/10

period piece Roy Ward Baker Fluch


Foto

THE CREEPING FLESH (Freddie Francis/UK 1973)


"I've got to get hold of that skeleton somehow."

The Creeping Flesh (Nachts, wenn das Skelett erwacht) ~ UK 1973
Directed By: Freddie Francis


England in den 1890ern. Der Anthropologe Professor Hildern (Peter Cushing) kehrt von einer Forschungsreise in Neu-Guinea zurück. Mitgebracht hat er das gewaltige Skelett eines seltsamen Frühwesens, hinter dem Hildern nichts weniger als die Überreste einer irdischen Manifestation des reinen Bösen vermutet. Wenn man nur wüsste, wie man die Blutzellen des Wesens neutralisieren könne, so Hilderns Theorie, könnte man das Böse in der Welt ausrotten. Doch Hildern hat noch weitere, privatere Probleme: Seine Frau (Jenny Runacre) ist einst dem Wahnsinn verfallen und kürzlich in der Nervenheilanstalt seines Bruders (Christopher Lee) verstorben. Nun befürchtet der Professor dieselbe Entwicklung bei seiner liebreizenden Tochter Penelope (Lorna Heilbron). Und tatsächlich - als Penelope die Wahrheit über ihre Mutter erfährt, dreht sie durch.

Ganz hervorragender, später Brit-Grusler, der die ewigen "brothers in goth" Cushing und Lee nochmal von ihrer besten Seite zeigt, eine wohlig-schaurige viktorianische Atmosphäre kreiert und es sogar schafft, diverse verschiedene Handlungsstränge, die bei Amicus in ein Episoden-Korsett gezwängt worden wären, plausibel in seinen Handlungsrahmen einzufassen. Am Ende gibt es einen absolut klassischen Plottwist, der sowohl in der Horrorliteratur als auch im Genrefilm Schule gemacht hat.
Auf Cushing dürfte sein Filmpart indes wenig erbaulich gewirkt haben: Nur zwei Jahre zuvor war seine Frau Helen verstorben - wie man weiß, eine schreckliche Zäsur innerhalb Cushings späterer Biographie. Die Tränen der Verzweiflung, die er im Film über das Foto seiner toten Gattin vergießt, sind somit wohl mutmaßlich von traurig-authentischer Natur; umso größer der Kloß im Halse des geneigten Zuschauers. Wie dem auch sei, "The Creeping Flesh" ist wirklich und wahrhaftig sehr wunderbar und ganz bestimmt einer meiner Lieblingshorrorfilme seiner 'Subkategorie'.

8/10

London Brueder Madness period piece Psychiatrie Freddie Francis


Foto

HEREAFTER (Clint Eastwood/USA 2010)


"A life that's all about death is no life at all."

Hereafter ~ USA 2010
Directed By: Clint Eastwood


Die Pariser TV-Journalistin Marie (Cécile De France) fällt beinahe einem Tsunami zum Opfer, der einsame Fabrikarbeiter George (Matt Damon) aus San Francisco besitzt mediale Fähigkeiten, die ihn sich jedoch zunehmend von den Menschen distanzieren lassen und der kleine Londoner Marcus (Frankie McLaren) verliert seinen Zwillingsbruder Jason (George McLaren). Bei einer Londoner Buchmesse kreuzen sich schließlich ihre Wege, was ihre Existenzen jeweils ausnehmend positiv beeinflusst.

Eine als Ensemblefilm angelegte, brave, ja, fast biedere Meditation über das Thema "Leben nach dem Tod", vermutlich ein Topos, das einen Mann von rund 80 zwangsläufig umtreibt. Dem versöhnlichen Alt-Eastwood, der nurmehr stille, philanthropische Filme macht, kommt "Hereafter" sehr zu, so wie ein Freund des Regisseurs sein Werk grundsätzlich sicher mögen wird. Dennoch sollte auch gezielte Kritik ihre Berechtigung finden. Besonders die sich stark an Klischees entlang hangelnde Episode um Marcus und seine heroinsüchtige Mutter verlangt einem einiges an Toleranzgebahren ab. Konzentriert auf die umwegige Liebesgeschichte zwischen der bezaubernden Cécile De France und Matt Damon, die wirklich schön und herzerwärmend daherkommt, wäre "Hereafter" womöglich stärker ausgefallen. So kann er sich, wie schon "Invictus" zuvor, immerhin als ein weiterer solider Eintrag in Eastwoods hoffentlich noch einige Filme anhaltendem Œuvre niederlassen.

7/10

Tod Nahtoderfahrung Medium Tsunami London San Francisco Paris Clint Eastwood Zwillinge


Foto

NAKED LUNCH (David Cronenberg/CAN, UK, J 1991)


"I guess it's about time for our William Tell routine..."

Naked Lunch ~ CAN/UK/J 1991
Directed By: David Cronenberg


New York, 1953: Der als Kammerjäger arbeitende, drogensüchtige Underground-Autor William Lee (Peter Weller) erschießt im Rausch seine Frau. Daraufhin bekommt er von einem mannsgroßen Insekt, einem "Mugwump", den Auftrag, nach "Interzone" zu flüchten, einer Zwischenwelt, die von Tanger in Marokko aus betreten werden kann. Dorthin gereist, lernt er diverse in der Schriftsteller-, Drogen- und Homosexuellen-Szene verkehrende Menschen kennen, darunter den Marihuana-Fabrikanten Hans (Robert A. Silverman), die paraphilen Eheleute Joan (Judy Davis) und Tom Frost (Ian Holm), den Schweizer Dandy Cloquet (Julian Sands) und den Callboy Kiki (Joseph Scorsiani). Von den insektenähnlichen Kreaturen aus Interzone, die ihn als "Agenten" einsetzen, bekommt er indes ständig neue bizarre Aufträge, die irgendwie allesamt um seine Schreiberei kreisen. Am Ende kann er zwar aus Interzone flüchten, die äußere Realität bleibt jedoch unverändert.

Mit der Adaption des als unverfilmbar gelten, semi-autobiographischen Fragment-Romans des Beat-Autoren William S. Burroughs, der ihn tatkräftig bei der Entstehung unterstützte, realisierte Cronenberg sein nächstes Projekt. "Naked Lunch" verhandelt mittels einem konsequent herbeifabulierten Symbolismus gleichermaßen Burroughs' Sucht und seine Homosexualität, seine zwei prägendsten und dabei von ihm selbst so zutiefst verhassten Wesenszüge, die er sich selbst durch seine halluzinatorische Flucht in das Phantasieland "Interzone" erträglich schrieb und machte. Die immer neuen Rauschmittel, mit denen Lee versucht, seine vorherrschende Hauptdroge abzusetzen, treiben ihn jeweils immer tiefer in die Sphären des Rauschs hinein, derweil er seine sexuellen Bedürfnisse und Praktiken einer Armada von überdimensionalen Käfern zuschreibt, die ihm als ihrem willenlosen Objekt stets neue Missionen auferlegen. Erst als Lee als scheinbaren Drahtzieher hinter dem ganzen Gewirr einen vertrauenswürdig geglaubten Mediziner (Roy Scheider) ausmacht, gelingt ihm die Flucht aus diesem ihn gleichermaßen anziehenden und abstoßenden Pfuhl. Doch hinter der Grenze von Interzone wartet mit dem Land "Annexia" nurmehr ein neuer, ungewisser Schwebezustand.
Für Cronenberg, den um diese Zeit offenbar ganz analoge Themen bewegten wie Burroughs seinerzeit (davon künden bereits die "Naked Lunch" einbettenden Werke "Dead Ringers" und "M. Butterfly"), muss die Verfilmung von "Naked Lunch" eine ähnlich freischaufelnde, autotherapeutische Wirkung gehabt haben wie einst das Buch für den Autoren. In Benutzung ungewohnt kräftiger, heller Farben wagt sich Cronenberg außerdem so nah an komödiantische Züge heran wie sonst nie; die Auftritte seiner (von "Fly"-Sequel-Regisseur Chris Walas gefertigten) Schreibmaschinenkäfern und Mugwumps, die im Original Burroughs' Stimme erhalten haben und in der deutschen Fassung die erstaunlich identisch klingende von Märchenonkel Hans Paetsch, sorgen trotz ihres widerwertigen, schleimigen und rektal orientierten Äußeren stets für einen seltam-bizarren Humor, zumal man ja weiß, dass sie im Grunde bloß Lees Halluzinationen entspringen und somit nichts als Selbstgesprächspartner sind. Interessant noch die Verewigungen von Burroughs' Zeit- und Berufsgenossen unter veränderter Nomenklaur: Allen Ginsberg und Jack Kerouac, die Burroughs bei der Entstehung von "Naked Lunch" unerstützten und antrieben, sind als "Martin" (Michael Zelniker) und "Hank" (Nicholas Campbell) zu sehen, Paul und Sally Bowles als besagtes Ehepaar Frost.

10/10

Marokko Insekten Homosexualitaet Sucht Heroin Drogen David Cronenberg period piece Groteske William S. Burroughs Beat Generation Autor


Foto

THE DEAD ZONE (David Cronenberg/USA 1983)


"The ice is going to break!"

The Dead Zone ~ USA 1983
Directed By: David Cronenberg

Der Lehrer Johnny Smith (Christopher Walken) liegt infolge eines schweren Autounfalls fünf Jahre im Koma. Nachdem er wieder erwacht ist, bemerkt er an sich das "Zweite Gesicht", eine Fähigkeit, die sich bereits vor dem Unfall latent zeigte, nun jedoch vollends ausgereift ist. Wenn Johnny jemanden berührt, erfährt er wahlweise dessen tiefste innere Geheimnisse oder kann etwas über die Gegenwart und die Zukunft des betreffenden Individuums sagen. Zeitgleich mit der Ausprägung seiner PSI-Kräfte verschlechtert sich allerdings auch Johnnys Gesundheitszustand. Nachdem er mehreren Menschen das Leben retten und einen Serienmörder (Nicholas Campbell) stellen konnte, gerät Johnny zufällig an den populistischen Politschreihals Greg Stillson (Martin Sheen), der, das sieht Johnny in einer Vision, dereinst den Dritten Weltkrieg auslösen wird. Für Johnny gibt es nurmehr einen Weg: Stillson um jeden Preis aufzuhalten.

Mehr als "Videodrome" ging nicht: Nach Cronenbergs sechs kanadischen Produktionen wurde endlich auch Hollywood auf den Genius aus dem Norden aufmerksam und engagierte ihn in der Person des Produzenten Dino De Laurentiis' unmittelbar nach "Videodrome" für die nächste, erfolgversprechende King-Adaption. Cronenberg zog es dann allerdings vor, allen Erwartungen und Prognosen ein Schnippchen zu schlagen und fertigte ein luzid erzähltes, mit Ausnahme einer einzigen Einstellung nahezu unblutiges und stilles Winterdrama um einen Hellseher wider Willen, der seine buchstäblich unfällig gewonnene Gabe keinesfalls als eine solche wahrnimmt. Christopher Walken, ohnehin einer der Größten, ist wiederum perfekt in der Rolle dieses einsamen Provinzhelden, der sein Schicksal als prophylaktischer Retter der Nation liebend gern gegen eine beschauliche Existenz mit seiner Liebsten (Brooke Adams) eintauschen würde. Diese hat es jedoch, ähnlich wie eine Soldatenfrau, die jahrelang vergeblich auf ein Überlebenszeichen ihres Mannes wartet, vorgezogen, auf Johnny zu verzichten und stattdessen ausgerechnet einen blassen Politjünger Stillsons zu ehelichen. So ist "Dead Zone" auch eine Reflexion über schicksalhafte Determination: Johnny Smith, der den unverbindlichsten amerikanischen Namen trägt, den man sich vorstellen kann, ist eine Art übersinnlicher Heilsbringer des Kalten Krieges, einer, der auf Kosten jedweder persönlicher Bedürfnisse die Menschheit retten muss und dafür von ihr gekreuzigt wird.

9/10

Serienmord Kalter Krieg David Cronenberg Winter PSI Castle Rock Stephen King





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare