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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE SONG OF BERNADETTE (Henry King/USA 1943)


"The spring is not for me."

The Song Of Bernadette (Das Lied von Bernadette) ~ USA 1943
Directed By: Henry King

Lourdes, Südfrankreich, 1858: Der vierzehnjährigen, ständig kränkelnden und immer leicht minderbemittelt wirkenden Tagelöhnertochter Bernadette Soubirous (Jennifer Jones) erscheint in einer auf dem Land liegenden Grotte, die eigentlich zur Müllabladung dient eine "schöne Dame". Diese entpuppt sich als Inkarnation der Jungfrau Maria, die jedoch nur Bernadette zu sehen im Stande ist. Während die Stadtoberen und besonders der agnostische Anwalt Dutour (Vincent Price) diese Ereignisse für reine Spinnerei halten und um die Seriosität ihrer Gemeinde fürchten, mehren sich die Wunder: Aus der Grotte entspringt eine von Bernadette entdeckte Quelle, deren Wasser vermeintlich Kranke heilen kann. Dutour geht nur noch umso vehementer gegen Bernadette vor und versucht sie sogar für psychisch unmündig erklären zu lassen. Schließlich geht Bernadette ins Kloster, wo sie mit nur 35 Jahren an Knochentuberkulose stirbt.

Endlich weiß ich alter Atheist auch, warum Madonna ihr Töchterchen Lourdes genannt und was es mit diesem südfranzösischen Wallfahrtsort überhaupt auf sich hat. Jennifer Jones, die bereits bei ihrem späteren Ehemann, dem Mogul David O. Selznick unter Vertrag stand, wurde von ebenjenem an die Fox ausgeliehen und spielte ihre erste große Rolle in diesem sakral angelegten Film von Henry King. "The Song Of Bernadette" enthält sich dennoch weitgehend einer eindeutigen Aussage bezüglich Wahrheit und Unsinn der Bernadette-Sage - glücklicherweise, muss man wohl konstatieren, denn King war ein zu talentierter und zu intelligenter Regisseur, um seinen Film zu bloßem Christentrash verwursten zu lassen. Eine tendenziösere Verwertung hätte "The Song Of Bernadette" auch höchst ungenießbar machen können. Stattdessen wird prologisch wie epilogisch der Ökonom Stuart Chase zitiert: "For those who believe, no proof is necessary. For those who don't believe, no proof is possible.” Zuletzt spricht jene Zeilen ein brillant aufspielender Vincent Prise, der es bedauert, nie geläutert worden zu sein. Die Stärken des Films liegen in seiner Diskursivität: Die Art, in der Politik, Klerus und Ökonomie auf eine eigentlich ganz private Epiphanie reagieren, wird recht hellsichtig und mit gesundem Verstand beleuchtet, während die durch geschickte dramaturgische Evokation höchst bemitleidenswerte Jennifer Jones kuhäugig durch die Provinz schreitet. Man mag davon halten, was man will, aber seine Butter lässt sich der Film nicht vom Brot nehmen.

7/10

Henry King Kirche Frankreich Lourdes Spiritualität Kloster Nonnen Familie Biopic period piece Historie


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CHI SEI? (Ovidio G. Assonitis, Robert Barrett/I, USA 1974)


"Come on, you filthy pig. Lick the vile whore's vomit!"

Chi Sei? (Vom Satan gezeugt) ~ I/USA 1974
Directed By: Ovidio G. Assonitis/Robert Barrett

Das dritte Kind kommt zwar unerwartet, aber es kommt. Doch die Zuversicht, mit der der Plattenproduzent Robert Barrett (Gabriele Lavia) und seine schwangere Frau Jessica (Juliet Mills) auf das Baby warten, verfliegt bald: Jessica fängt an durchzudrehen, wird zunehmend aggressiv und spricht mit fremder Stimme, bevor sie sich auch physisch zu verändern beginnt. Derweil taucht ein Fremder namens Dimitri (Richard Johnson) auf, mit dem Jessica vor Jahren mal was hatte, und der behauptet, genau zu wissen, was mit ihr los ist. Während Roberts Freund, der Arzt Staton (Nino Segurini), dem Braten alles andere als traut, sieht Robert in Dimitri die letzte Chance für Jessicas Rettung.

Wenn ich nach dem Genuss eines Horrorfilms Albträume bekomme, eine mit zunehmendem Alter immer seltener auftretende Erscheinung nebenbei, werte ich dies im Allgemeinen als gutes Zeichen (wenngleich mein Nachtmahr nichts mit Assonitis' Film zu tun hatte, sondern Jack Nicholson, mein altes Gymnasium sowie mein damaliger Deutsch-LK-Lehrer drin vorkamen. Aber egal). Irgendwie kann "Chi Sei?", wenn man entsprechender Stimmung ist, einen schon ganz ordentlich vereinnahmen; da sind meisterlich-suggestiv inszenierte Szenen wie etwa die, in der eine Gruppe farbiger Jazz-Musiker um Gabriele Lavia herumtänzelt und ihm irgendwas von Hölle und Verderben vorsingt (die Reaktionen der übrigen Passanten sind wohl echt, was auf knorkes Guerilla-Filmen hindeutet), oder ganz allgemein der gekonnte Blick auf die flächige Urbanität San Franciscos. Daneben steht jedoch der abnsolut schwachsinnige Inhalt, ein logisch keineswegs zur Gänze zu entschlüsselndes Konglomerat aus "Rosemary's Baby" und "The Exorcist", mit deutlichem Schwergewicht auf letzterem natürlich. Rüder Dialog, den in der deutschen Fassung witzigerweise Wolfgang Hess abzusondern hat, schlechte Zähne, Eiterpusteln plus die altbekannte Erbsensuppenkotze gehören dazu wie Senf zum Frankfurter und so bleiben die Überraschungen weitgehend unüberraschend. Am Schönsten sind die zwei ausschließlich via Schimpfwortvokabular parlierenden Kinder: "Du bist ein dummes Arschloch. Spiel doch mit deinem Schwänzchen." - "Halt's Maul, du alte Sau." Und die beiden sind NICHT besessen, das muss dazu gesagt werden! Dagegen sind meine etwa im gleichen Alter befindlichen Schülerinnen und Schüler jedenfalls wahre Novalisse bezüglich des stilvollen Sprachgebrauchs.
"Gekrönt" wird das Ganze schließlich noch von einem vollends blödsinnigen Cliffhanger, der ein (offizielles) Sequel jedoch glücklicherweise quasi bereits im Mutterleib per Auto-Abort verhinderte.
Seltsam? Aber so steht es geschrieben!

5/10

Schwangerschaft Ovidio G. Assonitis Dämon Robert Barrett Exploitation San Francisco


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WUTHERING HEIGHTS (William Wyler/USA 1939)


"Heathcliff, make the world stop right here!"

Wuthering Heights (Sturmhöhe) ~ USA 1939
Directed By: William Wyler

Die Grafschaft Yorkshire im frühen 19. Jahrhundert: Der Gutsherr Earnshaw (Cecil Kellaway) bringt den verlotterten Slumjungen Heathcliff (Rex Downing) mit nach Haus und zieht ihn neben seinen beiden leiblichen Kindern Cathy (Sarita Wooton) und und Hindley (Douglas Scott) wie seinen eigenen Sohn auf. Während Heathcliff und Cathy bald unzertrennlich sind, beäugt Hindley den Findling stets voller Argwohn und Neid. Als Erwachsene, der alte Earnshaw ist längst tot, findet sich Heathcliff (Laurence Olivier) nurmehr zu einem Teil des Gutsgesindes degradiert. Hindley bringt das Erbe seines Vaters mit Spiel und Suff durch und die stolze Cathy lässt sich - zu Heathcliffs größtem Leidwesen - von dem reichen Edgar Linton (David Niven) den Hof machen. Als Cathy und Linton schließlich heiraten, verschwindet Heathcliff für ein paar Jahre, nur um als vermögender Edelmann zurückzukehren und sich für jedwede Unbill, die ihm in Wuthering Heights widerfahren ist, bitter zu rächen.

Emily Brontës großer viktorianischer Roman, dessen Rezeption trotz seines unanfechtbaren Klassikerstatus bis heute zwischen mildem Belächeln und glühender Bewunderung pendelt, wurde schon seit den frühen Stummfilmtagen diverse Male für Kino und TV adaptiert. William Wylers Fassung von 1939 gilt unter all den unterschiedlichen Versionen als die gelungenste und zählt darüberhinaus zu den Meisterwerken des amerikanischen Kinos. Vom Produzenten Samuel Goldwyn anfänglich als "Gone With The Wind"-Konkurrenz konzipiert, war relativ rasch eindeutig, dass der thematisch nicht unähnliche "Wuthering Heights" dem aufwändigen Technicolor-Mammut-Projekt nicht das Wasser würde reichen können. Dennoch weisen beide Filme abgesehen von ihrem Entsttehungszeitrahmen natürlich, noch viele weitere, unübersehbare Analogien auf: Vom 'Schicksal' füreinander determinierte Paare sind zu stolz und zu kurzsichtig, um sich ihre Liebe aufrichtig eingestehen zu können und durchschreiten bloß infolge ihrer jeweiligen Arroganz tiefe, nicht enden wollende Tränentale. In der Konklusion von Brontës wildromantischer Geschichte können Heathcliff und Cathy erst im Jenseits, losgelöst von aller weltlichen Schwere und beschränkt auf die ätherische Reinheit ihrer Seelen, zueinander finden - und der Weg dorthin ist gebrandmarkt. Ein klein wenig Schauergestus und Geisterspuk steckt auch mit darin wie sich gleich im Prolog zeigt, und just dieses Element nutzt Wyler für seine Verfilmung, um die altweltliche, georgianische Atmosphäre des Romans noch umso mystischer erscheinen zu lassen. In seiner schönen Privatanthologie "Mein Kino" schreibt Hellmuth Karasek, dass "Wylers [Werk] in seinen Pappkulissen sicherlich inzwischen reichlich angestaubt", es jedoch "Gone With Wind" unbedingt vorzuziehen sei, habe es doch "Schmelz statt Schmalz". Nun, die letztendliche Verifizierung diese stolzen Worte liegen wohl im jeweiligen Betrachterauge, zitierens- und überprüfenswert sind sie jedoch allemal, wie ich finde.

8/10

England Emily Brontë Biopic Amour fou Standesdünkel Georgianisches Zeitalter period piece William Wyler


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TWICE-TOLD TALES (Sidney Salkow/USA 1963)


"Yes, I'm going to celebrate - on my own!"

Twice-Told Tales (Das Gift des Bösen) ~ USA 1963
Directed By: Sidney Salkow

Drei Geschichten nach Nathaniel Hawthorne: In "Dr. Heidegger's Experiment" entdeckt ein alternder Arzt (Sebastian Cabot) zusammen mit seinem besten Freund (Vincent Price) zufällig ein Verjüngungswässerchen, das sich seinen Weg durch das Gruftgemäuer seiner verstorbenen Verlobten (Mari Blanchard) bahnt und deren Leichnam vorzüglich konserviert hat. Als Dr. Heidegger das Mittel voller Euphorie mehrfach ausprobiert, ahnt er weder um die ihn umgebenden Ränke, noch um die Halbwertzeit des Elixiers. "Rappaccini's Daughter" erzählt die Geschichte eines eifersüchtigen Wissenschaftlers (Vincent Price), der seiner Tochter (Joyce Taylor) die Enttäuschungen der Liebe ersparen will und sie daher mit dem Gift einer exotischen Pflanze verseucht hat. Fortan verursacht jede ihrer Berührungskontakjte mit anderen Lebewesen deren promptes Ableben. Erst ein junger Galan (Brett Halsey) vermag, Rappaccinis Tochter aus ihrer Zwangsisolation zu lösen - mit tragischen Folgen für alle Beteiligten. In "The House Of The Seven Gables" schließlich geht es um den alten Familienfluch der Pyncheons, der deren jüngsten männlichen Spross jedoch keinesfalls davon abhält, nach einer immens wertvollen Besitzurkunde zu suchen, die irgendwo auf dem Familiengut versteckt liegt. Gier und Geister jedoch machen ihm bald den Garaus.

Vorzüglicher, gediegen gemachter Grusel-Omnibus, der mit den großen Klassikern dieses Sub-Genres, also den britischen Amicus-Produktionen oder Bavas "I Tre Volti Della Paura" und selbst dem Über-Vorbild "Dead Of Night" so gut wie problemlos zu konkurrieren vermag. Das liegt zum einen selbstverständlich an den schauerpoetischen inhaltlichen Impulsen, die der Film dem großen Romantiker Nathaniel Hawthorne, einem bereits infolge seiner hochinteressanten Herkunft sowie seines illustren Werdegangs verpflichtenden Autoren für Chronisten klasischer Düsterliteratur, verdankt. Während die ersten beiden Episoden auf gleichnamigen Kurzgeschichten Hawthornes basieren, hat die letzte einen ganzen Roman des großen Literaten zum Vorbild. Zwar sind allerorten leichte "Trivialisierungen" und Freiheiten bezüglich der Leinwandtransponierung zu verzeichnen; diese fügen sich jedoch in die bravouröse, gekonnte Form der Inszenierung ein, die weder mit edlen, satten Farben geizt, noch mit einer geradezu lustvollen Zentrierung ihres Hauptdarstellers. Jener erbrachte mit "Twice-Told Tales" einen erneuten Beweis für seinen Status als Sonnenkönig des amerikanischen Horrorfilms, dem ja bekanntermaßen noch einige folgen sollten.

8/10

Sidney Salkow Nathaniel Hawthorne period piece Episodenfilm


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THE TERROR (Roger Corman/USA 1963)


"Can't you see? He IS Eric!"

The Terror ~ USA 1963
Directed By: Roger Corman

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verliert der junge napoleonische Offizier André Duval (Jack Nicholson) sein Regiment und verirrt sich in ein kleines Küstenwäldchen. Dort begegnet ihm zunächst eine junge Frau (Sandra Knight), die sich als 'Helene' ausgibt und später eine alte Kräuterhexe (Dorothy Neumann), welche jeweils wenig Licht in Andrés Situation bringen. Bald darauf erfährt er vom Schloss des Barons Von Leppe (Boris Karloff), von dessen Person André sich Antworten erhofft: Wer ist die junge Frau vom Strand und wo kann ist sie wiederzufinden? Nach und nach erfährt André von der geheimnisvollen Vergagenheit des Barons, die geprägt ist von Eifersucht und von einer schrecklichen Bluttat. Und auch Helene ist keinesfalls die, für die sie sich ausgibt...

Der leicht verworrene Eindruck, den "The Terror" hinterlässt, lässt sich leicht erklären: Nicht weniger als fünf Regisseure haben inoffiziellerweise an dem Film herumgedoktert. Neben Corman, der zum selben Zeitpunkt vertraglich an "The Raven" gebunden war und als dessen Nebenprodukt "The Terror" gilt, waren das Francis Ford Coppola, Monte Hellman, Jack Hill und Jack Nicholson. Besonders die Postproduktion und speziell die Montage erwiesen sich als kompliziert, da aufgrund der Beteiligten und ihrer autarken Arbewitsweisen von Homogenität keine Rede sein konnte. Bewundernswerterweise hat Corman es dennoch geschafft, "The Terror" der Nachwelt als halbwegs konzises Werk zu hinterlassen, das bereits aufgrund der an ihm beteiligten Namen von gesteigertem filmhistorischen Interesse ist. Die jüngst restaurierte Fassung schließlich macht den Film zu einem wahren Fest fürs Auge mit ihren satten, frischen Farben und lässt noch deutlichere Parallelen zu Cormans meisterhaften Poe-Filmen aufkommen. Ein Schmu wie der zuvor ertragene "Gunslinger" lässt sich damit außerdem wesentlich leichter verschmerzen.

6/10

Napoleonische Kriege period piece Jack Nicholson Monte Hellman Francis Ford Coppola Roger Corman Jack Hill


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BEING JOHN MALKOVICH (Spike Jonze/USA 1999)


"Hey Malkovich, think fast!"

Being John Malkovich ~ USA 1999
Directed By: Spike Jonze

Der arbeitslose, zur Melancholie neigende Marionettenspieler und -schnitzer Craig Schwartz (John Malkovich) tritt eines Tages eine seltsame Stelle als Archivar in der 'Lestercorp' an, einer in der siebeneinhalbten Etage eines Bürohauses untergebrachten Firma. Dort geht nicht alles mit rechten Dingen zu, nicht nur die Sekretärin (Mary Kay Place), sondern auch Craigs Chef (Orson Bean) erweisen sich als bizarre Persönlichkeiten. Dafür lernt Craig eine ihn zutiefst faszinierende Frau kennen - die eiskalte Maxine, der Craig bald mit Haut und Haaren verfällt. Als er in seinem Arbeitsraum hinter einem Aktenschrank ein kleines Türchen entdeckt, hinter dem sich ein Portal befindet, das geradewegs in den Geist des Schauspielers John Malkovich (John Malkovich) führt, versucht Craig, ebendies nicht nur für seine Beziehung zu Maxine gewinnbringend zu nutzen. Diese jedoch lässt Craig weiter links liegen und verliebt sich stattdessen in seine Frau Lotte (Cameron Diaz).

Grandiose Groteske und konspirative Komödie - "Being John Malkovich" bildet das Kindodebüt des zuvor primär als Videoclip-Künstler arbeitenden Spike Jonze und darüberhinaus seine erste Kollaboration mit dem Autor Charlie Kaufman. Dass die geballte, enervierende Kreativität dieses Duo Infernale gar Großartiges zu schaffen in der Lage ist, beweist dieser Film, eine traumhafte, keine Obskuritäten und Widrigkeiten scheuende Verhandlung seelischer Notstände, in der der Titelheld John Malkovich sich auf eine Weise exponiert und zerpflücken lässt, die man nur als höchst wagemutig bezeichnen kann. Andererseits wird er sich vielleicht auch geehrt gefühlt haben, zum inkarnierten MacGuffin dieser absonderlichen Dreiecksgeschichte auserkoren worden zu sein und das Projekt und seine Involvierung mit Kusshand begrüßt haben. Doch ist jedwede Spekulation in dieser Richtung ohnehin redundant, denn dieses vollendete Kunstwerk, das es fertigbringt, die Gratwanderung zwischen seinem bizarren, originär-jüdischem Humor und dem entsetzlichen, todtraurigen Gefühl des Abgeweistwerdens blindlings zu meistern, spricht ganz allein für sich und seine monolithische, innovative Präsenz. Einer jener immer rarer werdenden Filme, die dazu taugen, das Kino zu retten.

10/10

Spike Jonze New York Bohème Charlie Kaufman John Malkovich Groteske


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THE UNDYING MONSTER (John Brahm/USA 1942)


"There are some things that are beyond the understanding of us that live on this Earth!"

The Undying Monster (Das unsterbliche Monster) ~ USA 1942
Directed By: John Brahm

Auf der walisischen Aristokraten-Familie Hammond liegt ein mysteriöser Fluch, der in nebligen Frostnächten eine seltsame, mörderische Kreatur ihr Unwesen treiben lässt. Als der Schlosserbe Oliver (John Howard) scheinbar von dem Untier angefallen wird, nimmt sich der Londoner Polizeichemiker Curtis (James Ellison) des Falls an. Offenbar wissen mehrere der Beteiligten, darunter die Dienerschaft und der Hausarzt Colbert (Bramwell Fletcher) mehr, als sie preisgeben wollen...

Gotische Horrorfilme waren damals eher ein Fall für die Universal, so dass der bei Fox produzierte "The Undying Monster" durchaus als kleine Ausnahmeerscheinung gewertet werden darf. Pikanterweise nahm sich Brahms Film darüberhinaus des bisher kaum abgepflügten Motivs der Werwölfe an - ein mit Ausnahme dreier Universal-Klassiker bis dato kaum beackertes Areal des Phantastischen Films. So sind die Ähnlichkeiten speziell zu Waggners "The Wolf Man" augenfällig: Der leicht arrogant wirkende Spross einer ohnehin im Aussterben begriffen scheinenden, europäischen Dynastie trifft der tragische Fluch der Laykanthropie und erst das späte, beherzte Eingreifen einer befreundeten Figur kann ihm Frieden schenken. Wallende Nebel, finstere Nächte, unheimliches Wolfsgeheul - man kennt das. In "The Wolf Man" liegt das Hauptaugenmerk jedoch auf dem - durchaus komisch konnotierten - Ermittlepaar Curtis und seiner etwas einfältigen Sekretärin Christy (Heather Thatcher), deren angebliche Sensibilität für Übernatürliches eher ihrer starken Autosuggestion zuzuschreiben ist. Bei größerem Erfolg, so könnte ich mir vorstellen, hätte "The Undying Monster" womöglich sogar als Serienauftakt für eine Reihe mit phantastischen Abenteuern des Duos fungieren mögen. Es bleibt also alles ein wenig bieder und ohne jenen Mut zur surrealen Note, die das Geschäft der Universal-Horrorfilme bestimmte.
Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine liebens- und für Freunde dieser Gruselperiode bestimmt lohnenswerte Arbeit.

6/10

Schloss John Brahm Fluch Werwolf Wales


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NIGHT TIDE (Curtis Harrington/USA 1961)


"Good luck, my boy."

Night Tide ~ USA 1961
Directed By: Curtis Harrington

Der Navy-Matrose Johnny Drake (Dennis Hopper) verbringt seinen ersten Landurlaub im lebenslustigen Venice Beach. In einem Jazzkeller lernt er die geheimnisvolle Mora (Linda Lawson) kennen, die sich zunächst abweisend gibt, dann aber auf Johnnys zaghafte Annäherungsversuche eingeht. Wie Johnny erfährt, arbeitet Mora als "lebensechte Meerjungfrau" in einer Sideshow des alten Kapitäns Murdock (Gavin Muir), und auch sonst scheint sie sich über Gebühr mit jener Sagengestalt zu identifizieren. Als Johnny erfährt, dass Moras letzte beiden Freunde im Pazifik ertrunken sind und ihr Verhalten sich zunehmend seltsam gestaltet, beginnt er sich Sorgen zu machen, um Mora und um sich selbst...

Curtis Harringtons erster Langfilm, ein zauberhaftes, kleines Schauermärchen für Erwachsene in der Tradition der Lewton-Produktionen, das seinen Handlungsschauplatz Venice Beach ganz hervorragend porträtiert als eine Art westamerikanischen Ausläufer der Träume, Mysterien und Sonderbarkeiten. Das Küstenstädtchen firmiert hier als Ort der Gegenkultur; eine Combo gemischter Hautfarbe spielt pulsierenden Jazz, Percussionisten laden am Strand zum Tanzen ein, an der Promenade gibt's Kirmesangebote und Sideshows. Es ist ein Venice aller Zeiten, das Harrington hier beschwört, zugleich seine illustre Vergangenheit bewahrend als auch wegweisend Richtung Zukunft. Der junge, auf einer Art schmalem Grat zwischen Biederkeit und latenter Exzentrik zu balancieren scheinende Dennis Hopper passt wunderbar in dieses entrückte Ambiente in seiner Mischung aus Einzelgängertum, Einsamkeit und Sehnsucht. Der alte Kapitän Murdock hätte ursprünglich von Peter Lorre gespielt werden sollen. Nicht, dass Gavin Muir enttäuschend wäre, nur hätte Lorres Mitwirkung "Night Tide", zumindest was mich anbelangt, auf eine noch höhere Ebene gehievt. Glücklicherweise erspart Harrington uns erläuternde Eindeutigkeit am Ende. Für ein rationalitätsfixiertes Publikum liefert er eine plausible, "natürliche" Erklärung für die Geschehnisse, der zuvor konstruierte Mystizismus muss darunter jedoch nicht leiden. Sozusagen ein Abschluss zum Selbstentscheiden.

8/10

Meerjungfrauen Ozean Kalifornien Venice Beach Independent Curtis Harrington Erwachsenenmärchen Carnival


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TROLLJEGEREN (NO 2010/André Øvredal)


Zitat entfällt.

Trolljegeren (Trollhunter) ~ NO 2010
Directed By: André Øvredal

Die drei Studierenden Thomas (Glenn Erland Tosterud), Kalle (Thomas Alf Larsen) und Johanna (Johanna Mørck) wollen den vermeintlichen Bärenwilderer Hans (Otto Jespersen) bei der Verrichtung seiner seltsamen Tätigkeit filmen. Der ihnen zunächst unwirsch begegnende, alternde Haudegen erlaubt ihnen jedoch schließlich, seine tatsächliche Arbeit zu dokuentieren: Hans ist ein staatlich geprüfter und im streng geheimen Auftrage der norwegischen Regierung tätiger Trolljäger. Von den teils gigantische Größe erreichenden Kreaturen, die seit Jahrtausenden in der undurchdringlichen Berg- und Waldwelt des Landes hausen, weiß die Öffentlichkeit nichts, weil sie in streng abgesteckten Revieren fernab jeder Zivilisation leben und jeder doch mal ausgebrochene Proband umgehend von Hans liquidiert wird. Eventuelle Übergriffe der Trolle werden als Untaten von Bären oder Unwetterfolgen deklariert. Doch die Trolle umgeben noch einige weitere, unerwartete Geheimnisse.

Jeder Rollenspieler und Fantasyfreund wird und muss mit "Trolljegeren" einen feuchten Kindheitstraum wahr werden sehen, schließlich bekleiden die unfreundlichen Gesellen speziell in der nordischen Sagenwelt seit jeher eine Schlüsselrolle. Für den noch relativ unbeschlagenen Filmemacher André Øvredal, der für die Umsetzung seiner Geschichte die in jüngerer Zeit relativ beliebte und keineswegs mehr innovative Form des 'embedded filming' wählte, also die Kamera selbst zum entscheidenden Inhaltssubjekt deklarierte und damit ein weiteres 'found footage piece' aufs Publikum losließ, war es wohl unerlässlich, der Mär um die Trolle einen einerseits ökologischen und andererseits verschwörerischen Subtext zuzudichten. Warum auch nicht, denn einerseits bedarf ein Monsterfilm der (zuminest impliziten) Sensation und sollte andererseits, wenn er sich schon nicht dem Horrorgenre zugehörig fühlt, Sympathie für seine zotteligen Titelfiguren evozieren können. "Trolljegeren" versichert uns nämlich, neben der mir nicht ganz einleuchten wollenden Tatsache, dass die Viecher gläubige Christen wittern können, dass die haarigen Jungs und Mädels durchaus nette Patrone sind, so sie nicht gerade unter der just grassierenden Tollwut leiden. Wirkliche Angst braucht man eigentlich bloß vor der, wie immer in ökologisch wertvollen Spielfilmgleichnissen, wahren Bedrohung der durchtriebenen Menschen, hier: der Regierung zu haben, in Øvredals Film personifiziert durch den unangenehm glatten Beamten Haugen (Hans Morten Hansen). Die Trolle haben nämlich einen mindestens ebenso festen Platz im Naturgefüge wie das Menschengeschlecht und somit Achtung und Respekt verdient. "Trolljegeren" erscheint also als ein durchaus versöhnlicher Film, nett, freundlich und in fast jeder Hinsicht gut zu seinem Publikum.

7/10

Monster André Øvredal Norwegen embedded filming Road Movie Verschwörung Trolle


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DON'T LOOK NOW (Nicolas Roeg/UK, I 1973)


"Nothing is what it seems."

Don't Look Now (Wenn die Gondeln Trauer tragen) ~ UK/I 1973
Directed By: Nicholas Roeg

Nach dem tragischen Unfalltod seiner fünfjährigen Tochter Christine (Sharon Williams) im hauseigenen Gartenteich sucht das Ehepaar Baxter Zerstreuung im spätherbstlichen Venedig, wo John Baxter sich mit der Restaurierung einer Kirche befasst. Vor Ort lernen John und seine Frau Laura (Julie Christie) zwei alte Damen (Hilary Mason, Clelia Matana) aus Schottland kennen, von denen eine über das "Zweite Gesicht" verfügt. Sie teilen Laura mit, dass Christine im Jenseits glücklich sei und ständig an der Seite ihrer Eltern stehe. Für Laura ist diese Eröffnung ein Segen, derweil John, der um die psychische Gesundheit seiner Frau fürchtet und der laut den Damen ebenfalls übersinnliche Fähigkeiten besitzen und darüberhinaus in Venedig seines Lebens nicht sicher sein soll, von merkwürdigen Wachträumen heimgesucht wird. Zu allem Überfluss treibt ein mysteriöser Serienmörder sein Unwesen in der Lagunenstadt.

Roegs brillanter, morbider Film ist stets aufs Neue ein Erlebnis. Mit für seine exzentrischen Verhältnisse ungewohnter Eingängigkeit und emotionaler Kraft schildert der Filmemacher dieses schreckliches Elterndrama auf die denkbar intensivstmögliche Weise und stürzt sein Protagonistenpaar in einen wahren Albdruck aus literarischen Leitmotiven: Immer wieder trübes Wasser, Scherben, grelles Rot, bröckelnder Stuck, Mosaiksteinchen. Alles scheint zum Stillstand verdammt im allein schon saisonal bedingt sterbenden Venedig, das sich natürlich als stark beeinflusst präsentiert von Thomas Manns bereits nominell verwandter Novelle. Sutherland als Publikumsmedium, der als Vater zu seiner engelhaften kleinen Tochter mutmaßlich die etwas stärkere Bindung der beiden Eheleute hatte, irrt gegen Ende durch die leere, kalte Stadt wie ein von allem Irdischen Verlassener. Als er ein kleines Mädchen, das in denselben roten Regenmantel wie Christine gehüllt ist, zu sehen glaubt, erfüllen sich endlich sich sein trotziges Schicksal und seine latente Todessehnsucht.
Als verstörendstes Bild von "Don't Look Now" empfand ich persönlich eigentlich stets weder den entsetzten John Baxter mit seiner toten Tochter im Arm, noch den schlitzenden Hutzelzwerg (übrigens bei weitem nicht die einzige motivische Parallele zu den damals aktuellen Gialli), sondern die auf der Trauergondel stehende Julie Christie, wohlweislich lächelnd, von den beiden alten, wie stumme Totenwächter hinter ihr platzierten Schottinnen um die Furcht vor dem ewigen Mysterium Tod beraubt.

10/10

Nicolas Roeg Daphne Du Maurier Venedig PSI Herbst Serienmord





Filmtagebuch von...

Funxton

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