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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DIE MUSTERKNABEN (Drei Filme) (Ralf Huettner/ D 1997, 1999, 2003)


"Meinze, die meint das ernst jetzt, oder was?"

Die Musterknaben ~ D 1997/1999/2003
Directed By: Ralf Huettner

Jürgen Docker (Jürgen Tarrach) und Oliver Dretzke (Oliver Korritke) sind zwei Polizeibeamte in Köln im geheobenen Dienst. Dies erlaubt ihnen, ununiformiert auftreten zu können - im Spätsechziger-Retrolook, respektive im legeren H&M-Stil. Docker wird, obwohl er Mitte 30 ist, noch von seiner Mama (Henriette Thimig) betüttelt und ist stets auf der Suche nach der wahren, großen Liebe (die er doch nie findet), derweil Dretzke davon träumt, in seine Heimatstadt Berlin zurückkehren zu können und dort zu arbeiten. Beide sind extreme Schwerenöter, eigentlich beste Freunde und lassen kein Fettnäpchen aus, insbesondere in beruflicher Hinsicht.
Ihr erster (Film-)Fall führt sie zu einem Observationseinsatz, den sie im Schichtwechsel mit zwei Kollegen (Herbert Knaup, Alexander Held) vom LKA begehen müssen. Dabei geht es um eine dicke Kokainlieferung aus den Niederlanden, auf die es just die LKA-Connection abgesehen hat - zum Weiterverkauf, versteht sich.
Zwei Jahre später werden Docker und Dretzke von der immens selbstsüchtigen Sensationsfotografin Heike (Sophie von Kessel), die angeblich den Kölner Polizeialltag dokumentieren will, als Eintrittskarte für ein Bordell missbraucht, in dem ein angeblicher Phil Collins logiert. Heike verdreht den beiden Schmieren-Romantikern gehörig den Kopf, aber immerhin Dretzke fängt sich noch halbwegs rechtzeitig.
Mit einigem zeitlichen Abstand erhält Docker dann vom BKA die Offerte, einen indischen Maharadscha (Josef Vithayathil) auf dessen Fahrt vom Flughafen in die Uni-Klinik zu doubeln. Docker verliebt sich nicht nur in das italienische Kindermädchen (Franziska Schlattner) des Maharadscha-Sohnes, sondern kann zusammen mit Dretzke auch eine Gruppe Attentäter dingfest machen, die es auf das Prinzenleben abgesehen haben.

Dreimal Hochsommer, dreimal Köln, dreimal Buddy, drei Filme, entstanden mit wachsendem Abstand zueinander, noch immer einer der schönsten Lichtblicke in der deutschen TV-Krimi-Landschaft der letzten zwanzig Jahre. Ralf Huettner inszenierte und schrieb jeweils zusammen mit Dominic Raacke die Scripte. Tarrach und Korritke bringen eine Lässigkeit in das bierernste Genre, die einer Frischzellenkur gleichkommt. Zwei Slacker, die als Polizisten im Prinzip völlig ungeeignet sind, weil kein bisschen repräsentativ für ihren Berufsstand, mit höchst bescheidenen deduktiven Fähigkeiten gesegnet und in der Regel eher durch Zufall zum Ziel gelangend. Dass Dretzke nebenbei kifft, ist zwar bloße Behauptung, aber kaum zu leugnen. Überhaupt hat man das Gefühl, Tarrach und Korritke lägen ganz viel von sich selbst in die darstellerische Waagschale, was der kompletten Trilogie neben allem anderen auch eine liebenswerte Herzlichkeit verleiht. Die Qualität der einzelnen Beiträge variiert etwas, abhängig von dem jeweiligen Fall:
Der erste Film, der eben etwas konzeptionell Neuartiges bot und dem sogar der eine oder andere Kinoeinsatz vergönnt war, ist wohl tatsächlich der hervorstechendste. Er bietet tatsächlich eine veritable Kriminalgeschichte mit bedrohlichem Bösewicht (Knaup: sagenhaft als bekokster Maniac) und einiges an Spannung auf. Die Figuren werden eingeführt [auch Kriminalrat Linzeisen (Walter Gontermann), eine Art Kölner Königsberg zählt zum künftigen Dauerinventar] und etabliert, alles ist noch frisch. Dazu gibt es ein paar nette Deutsch-Hip-Hop-Tracks, die flottes Zeitkolorit garantieren.
Die zwei Jahre später folgende Fortsetzung vollzieht dann einen ziemlichen Dreh. Mit einem brisanten Fotofilm, der mutmaßlich "Phil Collins im Puff" zeigt (tatsächlich, wie sich erst am Ende herausstellt, aber nur einen Hochstapler, der sich als Collins ausgibt, abgelichtet hat) kommt ein veritabler MacGuffin ins Spiel, der, gleichfalls Ilya Richters schotigem Gastauftritt als Bordellchef, sehr viel wohltuender wirkt als die zickige, von Sophie von Kessel gespielte Kamera-Tussi, die in Bezug auf D&D für einige maskuline Fremdschammomente sorgt. Eine höchst unsympathische Dame, der man, infolge ordentlichen Handwerks natürlich, geneigt ist, ihre Darstellung als nur allzu authentisch anzurechnen.
Solche Sympathie-Probleme ergeben sich im dritten, inhaltlich nicht minder absurden Beitrag "1000 und eine Nacht..." weniger. Die Schwächen des unmittelbaren Vorgängers (zu wenig Kriminalität - zu viel Trotteligkeit) macht dieser nach vier Jahren Pause entstandene Film (mittlerweile wurde der Euro eingeführt) wieder aufs Erfreulichste vergessen. Docker muss jetzt noch mehr (Tag-)Träume durchlaufen als gewohnt, Dretzke erhält auch eine (kurzfristig währende) erotische Episode mit einer knackigen Kollegin (Sandra Englund) vom Wasserschutz und Docker wird zum Helden des Tages. Ungewohnt viel Action gibt es hierin, mit zwei spektakulär endenden Verfolgungsjagden sowie einige der witzigsten Szenen der kleinen Reihe (Mutter Docker in der Luxus-Boutique). Wieder ein klarer Schritt nach vorn also, angesichts dessen es sich noch wehmütiger niederschlägt, dass keine weiteren Filme entstanden sind. Ein neuerliches Zusammentreffen wäre in diesem Zusammenhang ziemlich traumhaft.

9/10 // 7/10 // 8/10

Ralf Huettner Köln Buddy Movie Kokain Journalismus Mutter & Sohn Sommer TV-Film


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AMERICAN HUSTLE (David O. Russell/USA 2013)


"How about "we"?"

American Hustle ~ USA 2013
Directed By: David O. Russell

Ostküste, 1978: Der schmierige Wäschereibesitzer Irving Rosenfeld (Christian Bale) tut sich mit der nicht minder vergaunerten Sydney Prosser (Amy Adams) zusammen, um gefälschte oder gestohlene Kunstwerke an klamme Investoren zu verhökern. Bald jedoch kommt ihnen das FBI in Form des narzisstischen Ermittlers Richie DiMaso (Bradley Cooper) auf die Spur. Anstatt das saubere Pärchen jedoch anzuklagen, bietet DiMaso ihm an, mit ihm zusammenzuarbeiten und korrupte Politiker hochzunehmen. Als Erster soll der amtierende Bürgermeister von Camden, Carmine Polito (Jeremy Renner), Hopps genommen werden. Dieser plant, das marode Atlantic City hochzupeppeln und zu einem Vegas-ähnlichen Spieler-Mekka zu machen. Die Annahme entsprechender Zuschüsse, die von DiMaso fingiert werden, soll ihm das Genick brechen. Irving gerät jedoch schon bald in echte Gewissenskonflikte - er freundet sich mit dem sympathischen Polito an und kommt sich mehr und mehr wie ein Verräter vor.

David O. Russell hat seine Hausaufgaben gemacht. Wie erzählt man erfolgreich eine im Halbweltmilieu vergangener Zeiten angesiedelte, (semi-)authentische Story mit Tempo, Stil und latentem Humor? Genau: Schlag nach bei Scorsese ("Goodfellas", "Casino", "The Wolf Of Wall Street") und dem frühen Paul Thomas Anderson ("Boogie Nights"), deren Arbeit auf diesem Sektor sich ja mehr als bewährt hat und auf streng genommen ziemlich luziden Rezepturen fußt: Man nehme mehrere Off-Erzähler, eine sich in unermüdlichem Discomove bewegende, förmlich groovende Kamera, ein sorgfältig ausgewähltes Kontigent zeitgenössischer Songs, eine unüberschaubare Zahl an - häufig bloß kurz gestriffenen - Sprechrollen sowie markante Hauptdarsteller in Bestform. Im ultimativsten Falle finden sich dann noch altehrwürdige Gesichter vom Schlage eines Robert De Niro, Anthony Zerbe oder Paul Herman ein. Ein kompetent zu Werke gehender Regisseur - und ein solcher ist David O. Russell ja, zumal mit einem sehr attraktiven Humorverständnis gesegnet, kann da nicht mehr viel falsch machen. Entsprechend gelungen ist auch "American Hustle", ein Film, der seiner Antizipation vollauf gerecht wird, allerdings, ohne diese zu übertreffen. Gutes, wenngleich überraschungsfreies Handwerk bekommt man somit kredenzt. Manchmal, gerade in solchen, erfreulichen Fällen, reicht selbiges bereits. aus.

8/10

David O. Russell FBI New Jersey period piece Mafia Atlantic City


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3 RING CIRCUS (Joseph Pevney/USA 1954)


"Haha, the clown cries!"

3 Ring Circus (Im Zirkus der drei Manegen) ~ USA 1954
Directed By: Joseph Pevney

Nach ihrer Zeit beim Kommiss sind die Freunde Jerry Hotchkiss (Jerry Lewis) und Pete Nelson (Dean Martin) erstmal pleite. Für Jerry immerhin die Möglichkeit sich seinem größten Traum zu widmen: Der Arbeit beim Zirkus. Pete begleitet ihn und gemeinsam werden die beiden erstmal als Mädchen für alles eingesetzt. Doch der Aufstieg ist nicht fern: Wie erhofft wird Jerry als Clown 'Jerrico' zur Hauptattraktion des Unternehmens, derweil Pete sich zum Manager hocharbeitet. Doch dieser vergisst dabei die Ideale, für die der Zirkus steht: Es rappelt im Karton, bis Pete erkennt, was seine Freundschaft zu Jerry ihm wirklich bedeutet.

Noch so ein bezeichnend repräsentativer Film, der besonders Einsicht spendend illustriert, warum um diese Zeit Martins und Lewis' Kooperation in den letzten Zügen lag (es folgten noch vier gemeinsame Filme bis zum Bruch): Lewis als leichtherziger Komiker, dessen höchstes Gut darin liegt, Kindergesichter zum Lachen zu bringen, spielt als sein alter ego wohl so etwas wie das Idealbild seiner selbst; Martin darf nurmehr einen Song (den jedoch gleich dreimal) zum Besten geben und formuliert wiederum ein (unfreiwilliges?) Autoporträt: Den Womanizer, der sich im Zweifelsfall mehr für die volle Brieftasche interessiert als ein zufriedenes Publikum. Insofern ist "3 Ring Circus", abseits von seinen Schauwerten - den vielen, überschwänglichen Gags, von VistaVision und dem sonstigen schönen Schein -, vor allem eines im gemeinsamen Schaffen von Martin und Lewis: die schonungslose Vivisektion der sich ankündigenden Explosion. Warum das kleine Mädchen mit den Beinschienen am Ende (gespielt wird es von Sandy Descher, die im gleichen Jahr eine unvergessliche Darbietung als traumatisiertes Kind in "Them!" gab) allerdings nur dadurch zum Lachen zu bringen ist, dass der Clown ihretwegen traurig wird und weint (soll dies eine Allegorie auf infantilen Sadismus sein?), nimmt sich, gelinde gesagt, merkwürdig aus, eigentlich eher gruselig als witzig.

7/10

Joseph Pevney Zirkus Freundschaft Jerry Lewis Martin/Lewis


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THE STOOGE (Norman Taurog/USA 1952)


"I feel very... gling glong."

The Stooge (Der Prügelknabe) ~ USA 1952
Directed By: Norman Taurog

Auch die Heirat mit seiner Verlobten Mary (Polly Bergen) macht den Vaudeville-Künstler Bill Miller (Dean Martin) nicht einsichtiger: Obwohl ihm jeder einschließlich Mary rät, sich einen Partner zu nehmen, versucht er sich weiterhin als Solokünstler - mit stetig abnehmendem Erfolg. Schließlich und endlich lässt er sich von seinem Manager (Eddie Mayehoff) überreden, sich mit dem furchtbar nervigen, aber eben auch höchst komischen Ted Rogers (Jerry Lewis) einen Sidekick an Bord zu holen. Der nachfolgende Erfolg ist gigantisch, jedoch fällt das meiste Kritikerlob nunmehr auf Ted zurück, den der arrogante Bill im Gegenzug noch nicht einmal auf seinen Plakaten genannt wissen möchte. Erst als er erkennt, was er als Partner und Freund an Ted hat, wird er reumütig.

Vielleicht der gemeinsame Film, der die reale Partnerschaft zwischen Martin und Lewis am authentischsten abbildete; die sich entwickelnde Hassliebe zweier höchst narzisstischer Künstler, die aber eben vor allem dann großartig waren, wenn sie sich wechselseitig unterstützen konnten. Martin als herzensbrechender Schlagersänger mit Italoschmalz, Lewis als quäkender, alberner Witzvorleger. Gegenseitiges Veräppeln inbegriffen, bildete vor allem die Kombination ihrer jeweiligen Qualitäten die Erfolgsgrundlage des Duos, das rund zehn Jahre eine feste Größe im US-Showbiz bildete und nach einem bitterbösen, lange schwelenden Streit, der tatsächlich auf Martins Eifersucht gegen Lewis zurückging, mit einer einmaligen Ausnahme für zwanzig weitere Jahre Funkstille hielt. In späteren Jahren betonte dann vor allem Lewis, welchen Status Martin und besonders ihre Partnerschaft für ihn gehabt habe und wie untröstlich er nach wie vor über deren einstige Auflösung sei.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf gestaltet sich Taurogs "The Stooge" beinahe wie ein Meta-Film semiprophetischer Prägung: Was hier noch auf frühkindlichem Verständnisniveau stattfindet und am Ende seine einleuchtende Auflösung findet (man singt im Duett "I'm Yours"), vermochte die Realität zweier Egomanen schlussendlich nicht mehr zusammenzuhalten.

8/10

Norman Taurog Jerry Lewis Martin/Lewis Freundschaft period piece Vaudeville


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PAIN & GAIN (Michael Bay/USA 2013)


"There's some complex engineering in these things."

Pain & Gain ~ USA 2013
Directed By: Michael Bay

Der Bodybuilding-Coach Daniel Lugo (Mark Wahlberg) hält sich für gewitzter als er tatsächlich ist. Um auch mal an die ganz großen Moneten zu kommen, tüftelt er einen Plan aus, um seinen Kunden Victor Kershaw (Tony Shalhoub), einen unsympathischen Sandwichbuden-König, zu entführen und sein Vermögen aus ihm herauszupressen. Seine zwei kaum großzügiger beschlagenen Kumpels Adrian (Anthony Mackie) und Paul (Dwayne Johnson) unterstützen ihn dabei. Trotz einiger Umwege funktioniert ihr Coup tatsächlich und man gönnt sich Saus und Braus. Da das Trio jedoch zu ungeschickt ist, um Kershaw endgültig abzuservieren, engagiert dieser den Detektiv Ed DuBois (Ed Harris), der den Dreien auf die Schliche kommt, nachdem ihr zweiter Kidnapping-Versuch um den Pornokönig Frank Griga (Michael Rispoli) bös gescheitert ist.

Getreu dem Motto, dass das Leben die besten Geschichten schreibt, knöpfte sich Michael Bay inmitten seiner "Transformers"-Megalomanien diesen authentischen Folklore-Kriminalfall aus dem Florida der Mittneunziger vor und fertigte daraus einen für seine Verhältnisse mutmaßlich recht persönlich gefärbten Film. Was in Anbetracht all seiner grotesken Wendungen und urkomischen Figuren- und Situationszeichnungen eigentlich ein eindeutiges Projekt für die Coens hätte sein mögen (wofür bereits die Verpflichtung ihres früheren standards Tony Shalhoub in einer entsprechenden Rolle bürgt), nimmt sich bei Bay mitsamt seiner gewohnt sonnendurchfluteten Ästethetik hier und da womöglich etwas vulgärer, ansonsten jedoch erstaunlicherweise kaum minder vervollkommnet aus; wenngleich doch der untrügliche Eindruck, dass hier den besagten Vorbildern nachgeeifert wird, sich nie ganz verflüchtigt.
Dennoch: Dieser Einblick ins Bodybuilding-Milieu mit all seinen kleinen Gernegroß-Lichtern zeugt von einem teilweise bissigen Humor, den man diesem Filmemacher in solcher Offenheit nicht unbedingt zugetraut hätte. Eine positive Identifikationsfigur schenkt man sich, stattdessen gibt es three muscle-bound stooges.
Jeder der drei Probanden zerfällt hinter seinen imposanten Tri- und Bizepsen zu einem intellektuellen Streichholzmännchen; ob Daniel, der seine umfassend geglaubte Bildung aus Erfolgsbiographien und Gangsterfilmen bezieht, ob Paul (größter personeller Schatz des Films: Dwayne Johnson), dessen zwei Lebensmaximen sich in Jesus Christus und Kokain inkarnieren oder Adrian, den sein Steroid-Missbrauch impotent gemacht hat. Einer solch dullen Truppe bei ihrem großflächigen Scheitern beizuwohnen, evoziert selbstverständlich ein hohes Maß voyeuristischer Schadenfreude. Möglicherweise hat Bay mit "Pain & Gain" sogar ein paar ursprünglich joviale Fans vergrätzt, dafür aber hat er ausnahmsweise mal einen ansehnlichen Film vorzuweisen.

8/10

Michael Bay Florida Miami Bodybuilding Satire period piece Freundschaft Kokain Kidnapping


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ZIVOT I SMRT PORNO BANDE (Mladen Djordjevic/SRB 2009)


Zitat entfällt.

Zivot I Smrt Porno Bande (Leben & Tod einer Pornobande) ~ SRB 2009
Directed By: Mladen Djordjevic

Belgrad, 2001: Der sympathische Filmkünstler Marko (Mihajlo Jovanovic) bekommt kein Bein auf die Erde. Seine ambitionierten Vorstöße in den Bereich der Pornographie werden von seinem Produzenten Cane (Srdjan Miletic) als kommerziell untragbar zurückgewiesen. Also versucht er sich mit einigen Freunden aus der drogeninfizierten Undergroundszene an Porno-Cabaret, doch auch dies vergrätzt das Publikum und Cane, dem Marko mittlerweile eine gesalzene Summe Geld schuldet. Als "Pornobande" macht sich die Clique auf in die Provinz, wo man mit sozialkritisch-koitalem Improvisationstheater vor Dörflern und Bauern auftritt, jedoch rasch wiederum aneckt und einen üblen Ruf erwirbt. Alsbald macht Marko die Bekanntschaft des Snuff-Produzenten Franz (n.n.), der ihm willfährige Opfer verschafft, die sich vor der Kamera abschlachten lassen. Die entsprechende Sinnkrise der Gruppe lässt nicht lang auf sich warten, ebensowenig wie Krankheit, Tod und Wahnsinn.

Der damals etwa zeitgleich zu Srdjan Spasojevics "Srpski Film" entstandene, kaum minder skandalös aufgenomme "Zivot I Smrt Porno Bande" schlägt jenen in den meisten Kategorien recht anstandslos. Djordjevics Film ist noch sehr viel eindeutiger als Sozialparabel identifizierbar, trotz seiner teils schwer erträglichen, extrem real anmutenden Bilder von einer großen Zärtlichkeit für seine durchweg zum Sterben verdammten Figuren geprägt und dementsprechend nachhaltig zupackend. Markos Trip durch das serbische Hinterland steht symbolisch für einen Reise in das verfinsterte Herz einer gebrochenen Nation. Man begegnet, in ebendieser Reihenfolge: Missverstandenen, Ausgestoßenen, Kriegstraumatisierten, Strahlenopfern. Das, was die ohnehin vorgeschädigten Freunde an inneren und äußeren Extremen durchmachen müssen, wird, analog zu diesem verkrüppelten Humaninventar, mehr und mehr bizarr; von halluzinogenen Drogentrips über Epiphanien, Suizid und Seuche bis hin zu grün leuchtenden Rindern reicht die Bandbreite ihrer Erlebnisse, man verwandelt sich von ohnehin mental Aussätzigen immer mehr zu einer Art archaischer Gauklertruppe, deren Engagements sich um des schwindenden Selbstrettungsbedürfnis' Willen zunehmend pathologischer ausnehmen. Schuldgefühle, psychischer und physischer Zerfall gewinnen schließlich die vollständige Übermacht; Thanatos übertrumpft Eros - wie Marko es uns gleich zu Beginn ankündigt.
Dabei könnte die Vorarbeit hinreichender gar nicht geleistet worden sein: Der zweite apokalyptische Reiter hat das Land und die Seelen seiner Bewohner längst ausgehöhlt.

9/10

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THE GRAND BUDAPEST HOTEL (Wes Anderson/USA, D 2014)


"Did he just throw my cat out of the window?"

The Grand Budapest Hotel ~ USA/D 2014
Directed By: Wes Anderson

Die Geschichte einer Geschichte einer Geschichte: Im krisengeschüttelten Jahrzehnt der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts stellt das altehrwürdige "Grand Budapest Hotel", errichtet über dem in den Sudeten gelegenen Bergdorf Nebelbad, das zu dem Staat Zubrowka gehört, eine Institution feinkultureller europäischer Gastfreundlichkeit dar. Hier freundet sich der besonders bei alternden Damen beliebte Concierge Gustave (Ralph Fiennes) mit dem neuen Lobbyboy Zero Moustafa (Tony Revolori) an. Auf die beiden wartet eine haarsträubende Geschichte: Gustaves ehemalige Gönnerin Madame D. (Tilda Swinton) verstirbt und hinterlässt ihrem Galan ein wertvolle Gemälde ("Jüngling mit Apfel" von Johannes van Hoytl, dem Jüngeren), ganz zum Unwillen von D.s Sohn Dmitri (Adrien Brody), einem ordinären, gierigen Lumpen. Eine von diesem angezettelte Verschwörung bringt Gustave zunächst ins Gefängnis und, nach dessen Befreiung, in noch größere Nöte, als der von Dmitri gedungene Killer Jopling (Willem Dafoe) sich zu ihm und Zero vorarbeitet.

Gelobt sei, was sich bewährt hat: Diese nämlich gewohnt irre Farce von Wes Anderson befasst sich auf liebevolle Weise mit europäischen Kulturheiligtümern und wirft sie in den fabuländischen Schmelztiegel des verschmitzten Texaners, um hernach ein mit dessen typischen Spielereien veredeltes Kino-Wundertütchen zu servieren. Anderson liebt seine 90- und 180-Grad-Schwenks, seine ernsten Mienen, strengen Symmetrien nebst von höchster Zwanghaftigkeit geprägten Objekt- und Personenanordnungen und ich stelle mich da ganz auf seine Seite, denn ich finde seine Ästhetik, mit Verlaub, höchst durchschaubar.
Dabei ist "The Grand Budapest Hotel" von einer pittoresken Kunstfertigkeit, die, ebenfalls mit Verlaub, allerhöchsten Ansprüchen genügt; eine Reise in eine Parallelhistorie, in der die SS zur ZZ wird, ansonsten aber vieles so ähnlich geschah wie hier, auf Erde I. In Andersons Mosaik gibt es k.u.k.-Relikte, ein noch mondänes Osteuropa in seinen Endzügen, Babelsberg (wo Anderson gefilmt hat), Caspar David Friedrich, Stefan Zweig, Thomas Mann, Brueghel, Faschismus, Resnais, Pralinen, Männerparfüm und edlen Champagner, alles fraglos pulverisiert durch den Weltkriegswahn. Seinen unterschiedlichen Zeitepochen (derer es viere gibt) illustriert Anderson mittels unterschiedlicher Bildformate und ihm steht eine Starbesetzung zur Verfügung wie er eine solch umfassende bislang nicht gehabt haben dürfte. Absoluter Perfektionismus in makelloser Perfektion.

10/10

Wes Anderson Gefängnis Hotel Freundschaft Erwachsenenmärchen Groteske


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ALMOST FAMOUS (Cameron Crowe/USA 2000)


"I didn't invent the rainy day, man. I just own the best umbrella."

Almost Famous ~ USA 2000
Directed By: Cameron Crowe

San Diego, 1973: William Miller (Patrick Fugit) ist erst 15 und versucht, sich verzweifelt aus den Klauen seiner vereinnahmenden Mutter Elaine (Frances McDormand) zu lösen. Seine momentan größte Liebe verdankt William seiner großen Schwester (Zooey Deschanel), die Elaine bereits aus dem Hause getrieben hat: Die zur Rockmusik. Da William zudem gern schreibt, kombiniert er seine zwei Leidenschaften und landet fix bei einem Angebot vom Rolling Stone Magazine, einen Artikel über Black Sabbath zu schreiben. Daraus wird über Umwege eine Tourgeschichte über Sabbaths Vorband Stillwater, die William zum größten Gram seiner Mutter auf deren folgender Konzertreise quer durch die Staaten begleitet. Dabei lernt William die Höhen und Tiefen des kriselnden Rock-Biz kennen und verliebt sich in das Groupie 'Penny Lane' (Kate Hudson), welches jedoch vornehmlich Augen für den Stillwater-Gitarristen Russell Hammond (Billy Crudup) hat...

Autobiographisch gefärbtes Meisterwerk des Musikjournalisten und Filmemachers Cameron Crowe, der seine innige Liebe zum Rock mit "Almost Famous" so unbestechlich vorgetragen hat wie es möglicherweise keinem anderen auteur je geglückt ist. Dem Film wohnt dieselbe, leichtfüßige Magie inne, die schon "Singles" bevölkerte - bittersüße Emotionalität trifft auf schwere Gitarren. In diesem Falle allerdings nicht immer. Mit dem erotischen Erwachen William Millers wird, ebewnso wie der gesamte Ton des Films, auch die Hintergrundmusik zunehmend leiser. So ist neben den multiplen Facetten, mit denen Crowe über die damalige Rockwelt in den USA berichtet, als Heavy Metal, ebenso wie die meisten anderen populärmusikalischen Subgenres gemeinhin noch nicht definiert und die entsprechenden Grenzen überhaupt noch sehr viel fließender waren, Crowes (natürlich höchstpersönlich getroffene) Songauswahl reinste, gegossene Poesie. Wenngleich Stillwater, die als fiktionaler Ersatz für die Allman Brothers herhalten, keine echte Band waren oder sind ("ihre" Songs stammen von Peter Frampton), spiegeln sie perfekt Lebens- und Zeitgefühl von damals wieder, soweit ein später Geborener wie ich sich das zumindest vorzustellen vermag. Ein musikalisches Tagebuch jener umwälzenden Zeit ist "Almost Famous", dazu eine der schönsten Coming-of-Age-Storys des jüngeren Kinos, die Traumwelten und Wahrheiten liebevollst diametralisiert.

10/10

Cameron Crowe period piece Road Movie Freundschaft Musik Journalismus Coming of Age Mutter & Sohn Kalifornien Band D.C. Drogen LSD


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HOW TO STEAL A MILLION (William Wyler/USA 1966)


"Okay, you're the boss. Just do as I tell you."

How To Steal A Million (Wie klaut man eine Million?) ~ USA 1966
Directed By: William Wyler

Nicole Bonnet (Audrey Hepburn) und ihr Vater (Hugh Griffith), ein leidenschaftlicher Kunstfälscher aus Familientradition, sitzen in der Klemme: Bonnet vergibt eine vermeintlich echte Plastik, die "Venus von Cellini", als Leihgabe an eine Kunstausstellung. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er noch nicht, dass ein gefürchteter Authentizitätsprüfer aus der Schweiz anrücken soll, um die Echtheit der Venus festzustellen und Bonnet so den vom Museum festgelegten Versicherungsbetrag zuzugestehen. Somit droht Bonnets gesamte Fälscherkarriere aufzufliegen und er den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen. Nicole überredet den just zuvor getroffenen Kunstdetektiv Simon Dermott (Peter O'Toole), der sich ihr gegenüber als Räuber verkauft, die Venus aus dem Museum zu stehlen, bevor sie geprüft werden kann. Dabei knistert es heftigst zwischen den beiden.

Im Alter, und insbesondere mit diesem Film, der fast unmittelbar "The Collector" nachfolgte, verließ Wyler phasenweise die existenzialistische Bedeutungsebene früherer Großwerke, um sich stattdessen der Prädsentation sehr viel leichter erscheinender, fröhlicher Unterhaltung zu widmen. Dazu bot sich die damals schwer in Mode befindliche Gaunerkomödie an, für die sich Audrey Hepburn bereits durch ihre Rolle in Stanley Donens "Charade" außerordentlich empfohlen hatte. Bei Wyler hatte die göttinnengleiche Stilikone mit dem vielleicht schönsten Hals, den ich je bei einer Frau bewundern durfte, zudem die Option, anstelle eines ältlichen Herrn (wie in "Sabrina", "Love In The Afternoon" und besagtem "Charade") via bereits auffällig akutem Vaterkomplex einen ausnahmsweise sogar drei Jahre jüngeren Gentleman zu romantifizieren. Die Chemie zwischen Hepburn und O'Toole, beide ja irgendwie bereits prä-konnotiert als ätherische Kino-Überwesen, funktioniert denn auch so bombensicher, dass sie bereits ohne Weiteres einen gesamten Film hätte tragen können. Doch die anderen Figuren des Films; Hugh Griffith, Eli Wallach als naiver, amerikanischer Milliardär oder Erzfranzose Jacques Marin als Museumwächter leisten kaum minder Beachtliches, so dass eine überaus faires feel-good-movie zurückbleibt, das wunderbar dazu taugt, graue Tage aufzuhellen.

8/10

William Wyler Heist Vater & Tochter Kunst Paris Museum


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OTTO - DER FILM (Xaver Schwarzenberger, Otto Waalkes/BRD 1985)


"Irgendwo, in einem kleinen Postamt bei Oldenburg, muss es dann passiert sein..."

Otto - Der Film ~ BRD 1985
Directed By: Xaver Schwarzenberger/Otto Waalkes

Der halb durchgebackene Ostfriese Otto (Otto Waalkes) kommt nach Hamburg, um dort sein Glück zu machen. Der Kredithai Shark (Peter Kuiper) vermittelt ihm ein Darlehen zu Wucherzinsen, so dass der arme Otto mit den Schulden kaum mehr nachkommt. Da kommt ihm der zufällige Kontakt zu der Blankeneser Nobelfamilie von Kohlen und Reibach gerade recht: Er rettet deren backfischiger Tochter Silvia (Jessika Cardinahl) das Leben. Die zahllosen Chancen, die sich otto nun bieten, die ersehnte Penunze abzustauben, vergeigt er zwar durchweg, dafür jedoch gewinnt er die Liebe Silvias und entlarvt deren hochstapelnden Bräutigam Ernest (Sky du Mont).

Mit diesem ersten Kinofilm, der im Sommer 1985 einschlug wie eine Bombe und den damals wohl jeder dritte Bundesdeutsche mindestens einmal gesehen haben muss, erreichte das Phänomen "Otto" seinen Höhepunkt. Jene von dem Emdener Komiker Otto Waalkes kreierte Kunstfigur, die sich mittels seltsamer Geräusche, Jodelgesänge und Bewegungen durch ihren anarchischen Alltag schlug, sowie durch eine teils rasanten Mischung aus albernem Humor und manchmal grenzgenialem Witz auszeichnete, war bereits auf den westdeutschen Bühnen und im hiesigen Fernsehen durch einige kultisch beliebte Shows ein Renner, als der geniale Marketingtrick erwuchs, Otto auch ins Kino zu bringen.
Neben der Tatsache, dass "Otto - Der Film" der mit Abstand größte hierzulande entstandene Publikumsrenner des Nachkriegskinos wurde, der fürderhin den einen oder anderen Autorenfilmer dazu gebracht haben wird, sich ein imaginäres Bein auszureißen, ist dem späteren Fassbinder-Kameramann Schwarzenberger und Waalkes eine zeitlose Komödie gelungen, deren nimmermüde Gags heute noch genau so flott daherkommen wie vor (unglaublichen) knapp dreißig Jahren. Dabei ist weniger die hyperpräsente Figur Waalkes' der Haupt-Energieträger des Films, sondern vielmehr die nie austrocknenden, absurden Ideen, die vor allem Neureichtum, Snobismus und altdeutschen Ständeknies karikieren. Der Film traute sich, Neger- und Friseurwitze zu bringen ohne diffamierend zu wirken (waren diese doch geschickt genug vorgetragen, sich schlussendlich gegen ihre eigentlichen Adressaten zu wenden), eine Armee aus Heino-Zombies aufmarschieren zu lassen und eine gestandene Garde hochklassiger deutscher Schauspieler zu abgrundtiefen Blödeleien heranzuziehen. Dass sein Rezept, sein Stil und seine Klasse bis auf wenige Ausnahmen noch heute aufgehen, spricht Bände.

8/10

Xaver Schwarzenberger Otto Waalkes Hamburg Groteske Satire Geld





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Funxton

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