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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE ENTITY (Sidney J. Furie/USA 1982)


"Welcome home, cunt."

The Entity ~ USA 1982
Directed By: Sidney J. Furie

Eines Abends wird Carla Moran (Barbara Hershey), junge, alleinerziehende Mutter von drei Kindern, in ihrem Vororthaus vergewaltigt - von einem unsichtbaren Wesen, vermutlich einem Geist oder Dämon. Ihr kurz darauf konsultierter Psychiater Dr. Sneiderman (Ron Silver), der sich zunehmend stark in den ungewöhnlichen Fall einbindet, führt dieses "Erlebnis" auf schwere sexuelle Schuldkomplexe Carlas zurück und diagnostiziert bei ihr Angstzustände und Wahnvorstellungen. Doch das übernatürliche Wesen stellt Carla bald auch außer Haus nach und das furchtbare Vergewaltigungserlebnis wiederholt sich immer und immer wieder, schließlich sogar unter Zeugen, welche das Ungetüm sogar davon abhält, Carla zur Hilfe zu kommen. Schließlich befasst sich, ganz zu Sneidermans Unwillen, der die folgenden Aktionen für bloße Scharlatenerie hält, eine parapsychologische Wissenschaftlergruppe mit dem Phänomen und versucht, den Geist im Zuge eines Feldexperiments zu fangen.

Beeindruckender, kleiner Genreklassiker, der sich auf einen angeblich authentischen Fall beruft und der ganz besonders von seiner minutiösen wissenschaftsaffinen Aufbereitung der ihm zugrunde liegenden Geschichte lebt. Tatsächlich ist man angesichts der persönlichen Schilderungen von Carlas Vergangenheit und Sexualentwicklung geneigt, dem bodenständigen Dr. Sneiderman beizupflichten, der offensichtlich selbst mehr als ein rein professionelles Interesse an seiner Patientin an den Tag legt und sie nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor einer von ihm fehlinterpretierten Sensationsgier seiner akademischen Genossen zu retten versucht. Script und Film jedoch stellen sich da ganz eindeutig auf Carlas Seite: Es blitzt, es zischt - zu sehen ist nischt. Abgesehen von fotografisch und filmisch dokumentierten Entladungen aus dem Nichts, mutmaßlichen Geistersilhouetten und unsichtbaren Händen, die in gemeinster Weise Carlas Köper (respektive einen speziell angefertigten Nackt-Dummy) begrapschen.
"The Entity" hätte ein kleines Meisterwerk werden können, hätte man auf jene visualisierten Eindeutigkeiten verzichtet und dem Zuschauer die Entscheidung überlassen, zwischen paranormalen und psychischen Ereignissen wählen zu dürfen. So bleibt bei aller übrigen Sorgfalt der Erzählung stets ein latenter Beigeschmack geflissentlich fehlgeleiteter exploitation. Denn in seiner psychologisch durchaus tragfähigen Schilderung verbauter weiblicher Sexualität und entsprechender Bedürfnisse, gekoppelt mit einer hier und da zum Bizarren tendierenden, heimlichen Erfüllung derselben (als die Entität Carla einmal im Schlaf vergewaltigt, bekommt sie, wie sie später schuldbewusst zugibt, einen Orgasmus) erweist sich "The Entity" als überaus stark. Erschütternd offen zudem das Ende, das eine von den Ereignissen gestärkte Carla Moran zeigt, die sich nach Verzweifung und Depression bis hin zur Todesakzeptanz mit ihrem Los arrangiert, sich selbigem gewissermaßen sogar mit offenen Armen fügt.

8/10

Sidney J. Furie Kalifornien Dämon Spuk Familie Vergewaltigung Psychiatrie Parapsychologie


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DOMINION: PREQUEL TO THE EXORCIST (Paul Schrader/USA 2005)


"I chose good. Evil happened."

Dominion: Prequel To The Exorcist (Dominion: Exorzist - Der Anfang des Bösen) ~ USA 2005
Directed By: Paul Schrader

Nach furchtbaren Kriegserlebnissen arbeitet der vormalige Priestzer Lankester Merrin (Stellan Skarsgård) als Kirchenarchäologe in Afrika. Dort ist er mit der Ausgrabung einer byzantinischen Gotteshauses befasst, um dessen Existenz sich diverse Ungereimtheiten und Geheimnisse scharen. Mit der Ankunft des jungen Missionars Vater Francis (Gabriel Mann) in dem naheliegenden kenianischen Dorf beginnt sich die allgemeine Lage zwischen Eingeborenen und weißen Immigranten zu verschärfen. Die Dörfler glauben, dass Cheche (Billy Crawford), einem ausgestoßenen, verkrüppelten Jungen, das Böse innewohnt. Um die Stabilität vor Ort zu wahren, ruft Vater Francis eine britische Armeeabteilung herbei. Als zwei von deren Männern ermordet in der Kirche aufgefunden werden, macht Major Granville (Julian Wadham) die Eingeborenen für ihren Tod verantwortlich. Die Lage droht zu eskalieren, als Merrin sich zum Kampf gegen den Ursprung der übernatürlichen Ereignisse aufmacht.

Nachdem Renny Harlins überarbeitete Fassung mit harscher Ablehnung und/oder Ignoranz gestraft wurde, durfte Schrader seiner Ursprungsversion doch noch das letzte Finish verabreichen und sie, zumindest in zunächst ausgesuchten Kreisen, der Kinoöffentlichkeit zugänglich machen - ein wohl tatsächlich unikales Vorgehen seitens einer Produktionsgesellschaft. Schraders Film erweist sich denn auch sogleich als in seiner Herangehensweise wesentlich klassizistischer, gesetzter und diskursiver als Harlins Haudrauf-Ummodelung. Im Mittelpunkt steht hier noch ganz klar die Figur des Pater Merrin und ihr Hader mit der Spiritualität. Im Grunde verdankt Merrin es einzig dem dämonischen Verführer, dass er schlussendlich von allem agnostischen Gedankengut und jedweder Glaubensfrustration geheilt ist und vollends zu seinem Glauben zurückfindet: Der "große Verführer" hat allein mit seiner irdischen Manifestation bewiesen, dass es auch ein Yin zu seinem Yang geben muss. Was ist sonst noch anders? Bei Schrader zerfleischen die computergenerierten Hyänen keinen kleinen Jungen, es gibt keinen neuerlichen "himmlischen" Krieg, an dessen Ende ein wildes Gemetzel steht, hierin ist die Ärztin (noch von Clara Bello interpretiert) nur ein kleines bisschen und ganz kurz besessen, die Figur des Cheche soll später bei Harlin komplett wegfallen.
Welcher Film sich beim konfrontativen "Vs." als der bessere, gewichtigere erweist, lässt sich meinerseits kaum beurteilen. Beide besitzen sie ihre Vorzüge, beim einen scheint das Bier süffiger zu schmecken, der andere regt stattdessen zu höherer mentaler Aktivität an - was sich bezüglich der jeweiligen Genussqualität im Grunde gegenseitig nichts nimmt. Bewerten wir also salomonisch:

7/10

Paul Schrader Afrika Kenia Dämon Satan Kirche Prequel Exorzismus


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EXORCIST: THE BEGINNING (Renny Harlin/USA 2004)


"God is not here today, priest!"

Exorcist: The Beginning (Exorzist: Der Anfang) ~ USA 2004
Directed By: Renny Harlin

Nachdem er während des Krieges Schreckliches mit der SS durchmachen musste, hat sich Pater Lankester Merrin (Stellan Skarsgård) von Gott und Kirche abgewendet. In Nordafrika lässt er sich von einem merkwürdigen Auftraggeber (Ben Cross) anwerben, zur Ausgrabungsstätte einer byzantinischen Kirche in Kenia zu reisen. Das uralte Gemäuer umgeben diverse Seltsamkeiten, da es unter anderem deutlich älter ist, als es eigentlich sein dürfte. Im Lager der Ausgrabungsarbeiten und im angrenzenden Dorf geschehen parallel zu Merrins Ankunft vor Ort seltsame Dinge: Ein Junge (James Bellamy) wird von Hyänen zerfleischt, sein Bruder (Remy Sweeney) fällt in Stasis, ein verwestes, von Würmen zerfressenes Baby wird geboren, in der mittlerweile freigelegten Kirche werden zwei Soldaten einer unterdessen herbeigerufenen britischen Militäreinheit abgeschlachtet und zu einem makabren Standbild hergerichtet entdeckt. Zwischen den Soldaten und den Eingeborenen entsteht blinde Aggression, die sich in grausamen Kämpfen entlädt, derweil Merrin zusammen mit der Ärztin Sarah (Izabella Scorupco) den Ursachen für die Ereignisse auf den Grund geht.

Um "Exorcist: The Beginning" ranken sich mancherlei Anekdötchen, die in einer meines Wissens einzigartigen Verleihgeschichte kulminierten: Ursprünglich fungierte John Frankenheimer als Regisseur, verstarb dann jedoch und wurde von der Produktionsfirma Morgan Creek durch Paul Schrader ersetzt. Dieser lieferte einen bis auf postproduktionistische Marginalitäten kompletten Film ab, der jedoch den Erwartungen der Financiers, die einen handfesten, blutigen Schocker wünschten, alles andere als entsprach. Schraders Fassung verschwand vorübergehend im Giftschränkchen und Renny Harlin wurde engagiert, um das von Alexi Hawley überarbeitete Script zu gut neun Zehnteln umzuarbeiten. Vormalige Protagonisten entfielen beziehungsweise wurden ersetzt, die Story fand sich um an "Prophecy" angelehnte Noten aufgebläht, die Grundierung des Films wurde wesentlich schauriger, effekthaltiger und zeigefreudiger und sein Showdown deutlich spektakulärer. Als groß budgetierter Genrefilm mit manch hübschen Ekelsequenzen kann sich "The Beginning" sehen lassen, wenngleich er durch eine gewisse Schlichtheit, die ihn von allen bisherigen "Exorcist"-Filmen einschließlich "The Heretic" abgrenzt, auffällt. Gewissermaßen liebäugelte das vielleicht gescheiteste Franchise der Genrehistorie nun urplötzlich mit der exploitation, was manch ehernem Anhänger speziell des Originals vielleicht nicht sonderlich geschmeckt haben mag. Ich für meinen Teil komme gut klar damit.

7/10

Renny Harlin Prequel Afrika Kenia period piece Satan Engel Kirche Exorzismus


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THE EXORCIST III (William Peter Blatty/USA 1990)


"I think the dead should shut up, unless there's something to say."

The Exorcist III ~ USA 1990
Directed By: William Peter Blatty

Fünfzehn Jahre nach dem seltsamen Fall um das anscheinend besessene Mädchen Regan MacNeil und den anschließenden Tod des Paters Damien Karras (Jason Miller) verbindet den damals ermittelnden Lt. Kinderman (George C. Scott) und den ebenfalls mit der Sache verbundenen Pater Dyer (Ed Flanders) eine tiefe Freundschaft. Da geschieht Seltsames: Obschon ein von den Medien "Gemini-Killer" getaufter Serienkiller (Brad Dourif) bereits vor Jahren hingerichtet wurde, werden neuerlich in und um Georgetown Morde nach genau seinem Tatschema verübt. Auch Dyer wird während eines Krankenhausaufenthalts eines seiner Opfer. Kinderman untersucht das Verbrechen tief getroffen vor Ort und stößt im geschlossenen psychiatrischen Trakt auf einen Patienten, der Pater Karras sehr ähnlich sieht, zugleich jedoch von sich selbst behauptet, der Gemini-Killer zu sein. Als Kinderman herausfindet, zu was der eingesperrte Mann fähig ist, ist es fast schon zu spät.

Erstaunlich geschlossenes Zweitsequel, das von den wirren Anti-Konzeptionen Boormans sehr weit entfernt ist und an dessen Statt einen sauberen Bodyswitch-Horror-Plot vorlegt, nur, dass darin eben die Charaktere aus dem thematisch nur marginal anverwandten Original-"Exorcist" bemüht werden und dessen Romanautor Blatty es sich nicht nehmen ließ, seinen Folgeroman "Legion" zu einem ordentlichen Script aufzubereiten und selbst zu verfilmen. Wenngleich auch Blatty niemals die naturalistische Intensität erreicht, welcher Friedkin dereinst so erfolgreich schwarze Schwingen verlieh, so ist sein Film doch zumindest von einer zwingenden Eindeutigkeit beseelt und, anders als Boormans Erst-Sequel, an sich selbst als taugliches Genre- und Erzählkino interessiert. War bei Boorman noch vordringlich von Pater Merrin die Rede, derweil Pater Karras komplett ausgespart wurde, verhält es sich in "The Exorcist III" genau umgekehrt: So bedingt auch die offensichtlich von einiger Sympathie geprägte Beziehung zwischen Kinderman, Karras und im weiteren Sinne auch Vater Dyer förmlich das Wiederaufgreifen dieser interessanten Figuren. George C. Scott beerbt Lee J. Cobb in vollem Umfang, Ed Flanders ist kein großartiger Ersatz für William O'Malley - aber er scheidet ja auch recht früh wieder aus. Ansonsten gibt es einige wenige unheimliche Momente und den üblichen spiritistischen Mummenschanz mitsamt höllischem Tangens, der mir persönlich ja immer wieder massiv Laune macht.

8/10

William Peter Blatty Dämon Serienmord Sequel Freundschaft Kirche Washington D.C. Exorzismus


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EXORCIST II: THE HERETIC (John Boorman/USA 1977)


"If Pazuzu comes for you I will spit a leopard."

Exorcist II: The Heretic (Exorzist 2 - Der Ketzer) ~ USA 1977
Directed By: John Boorman

Der in Besessenheitsdingen erfahrene Pater Philip Lamont (Richard Burton) erhält von seinem Kardinal (Paul Henreid) den Auftrag, die Umstände um den Tod des vier Jahre zuvor während eines Exorzismus verblichenen Vater Merrin (Max von Sydow) zu beleuchten. Das damalige Besessenheitsopfer Regan MacNeil lebt mittlerweile in New York und ist Dauergast in einer Klinik für gestörte und behinderte Kinder und Jugendliche, die von Dr. Tuskin (Louise Fletcher) geleitet wird. Tuskin hat ein Gerät entwickelt, mittels dessen ein hypnotisierter Proband einem Gegenüber Bilder aus dem eigenen Geist sichtbar machen kann. Als Lamont und Regan an einem Übertragungsexperiment teilnehmen, erkennt der Pater, dass der Dämon, von dem Regan dereinst besessen war, es immer noch auf sie abgesehen hat und in Kürze eine neue Attacke starten wird. Bei dem Unhold handelt es sich um den Heuschreckendämon Pazuzu, mit dem dereinst schon Pater Merrin mehrere Konfrontationen durchzustehen hatte...

Bei "Exorcist II: The Heretic" handelt es sich um einen allgemein mies beleumundeten, belächelten Film, der es nie einfach hatte. Und tatsächlich macht er es seinem Publikum alles andere als leicht, zumal jenes ja nicht ganz zu Unrecht ein Sequel erwartet, das zumindest ansatzweise Gemeinsamkeiten mit dem großen Vorbild aufweist. Ebensolche entbehrt Boormans Film jedoch. Streng genommen wäre er wohl auch kaum dem Horrorgenre zuzuordnen, Mystery- und Fantasyelemente finden sich darin, sublime Schreckensbilder wie in Friedkins Original jedoch sucht man vergeblich. Der merkwürdige Titel - auf wen er genau anspielt, auf Lamont, der mit Pazuzus mystischem Antagonisten liebäugelt, auf Regans Kindermädchen Sharon, dass sich als Agnostikerin outet, auf Regan oder gar den Dämon, bleibt bis zum Schluss ungeklärt. Tatsächlich scheinen Boorman vielmehr implizite Metaebenen zu interessieren: Der Stellenwert von Übersinnlichem inmitten einer zunehmend säkularisierten Ära, die schwindende Bedeutung der Institution Kirche, Regans erotisches Erwachen, Richard Burtons Augenränder. Ganz fabelhaft die Bilder der afrikanischen Felder und Lehmhüttendörfer, des eigenartigen Klosters, das nur auf ganz speziellem Wege über eine schmale Felsenkluft zu erreichen ist und der auf einem Penthouse-Dach mit weißen Tauben spielenden Linda Blair. Visuell hat "Exorcist II" tatsächliches einiges in petto, leider werden viele Zuschauer sich allerdings, und natürlich nicht zu Unrecht, an der vollkommen abstrusen Geschichte gestoßen haben, die denn auch teilweise so sinnfrei und kausalitätsentleert wiedergegeben wird, dass es eben einfach ist, das Gesehene schlichtweg unter 'lächerlich' zu verbuchen. Selbst erklärte Boorman-Fans werden hiermit an ihre Grenzen geführt.

5/10

John Boorman Sequel New York Washington D.C. Hypnose Kirche Dämon Afrika Exorzismus


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SPIDER BABY (Jack Hill/USA 1968)


"So - are you really a 'Wolf-Man'-fan, Ann?"

Spider Baby ~ USA 1968
Directed By: Jack Hill

Bruno (Lon Chaney Jr.) bekommt einen gehörigen Schreck, als er erfährt, dass noch am selben Tag Verwandte (Quinn K. Redeker, Carol Ohmart) und ein Notar (Karl Schanzer) samt Sekretärin (Mary Mitchel) bei ihm aufkreuzen werden, um die ungeklärte Erbsituation der Merrye-Familie, der Bruno seit Generationen dient, zu untersuchen. Warum hat Bruno Angst? Nun, im abgelegenen Haus der Merryes ist er der letzte Mensch mit halbwegs ungetrübtem Verstand: Die drei Kinder Virginia (Jill Banner), Elizabeth (Beverly Washburn) und Ralph (Sid Haig) sind geistig teilweise fortgeschritten derangiert und verhalten sich höchst merkwürdig, was etwa die versehentliche Ermordung des Postboten (Mantan Moreland) mit einschließt; im Keller hausen noch zwei Tanten und ein Onkel, bei denen die Missbildungen sich bereits auf die Physis erstrecken und die sich kannibalisch ernähren. Für Bruno, der dem alten Mr. Merrye dereinst am sterbebett versprechen musste, sich stets um dessen Hinterbliebene zu kümmern, eine verzwickte Situation.

Nachdem Jack Hills für ein Taschengeld produzierter, ursprünglich "Cannibal Orgy" getaufter Film über lange Jahre im Giftschränkchen eines Gläubigers verborgen gehalten wurde und letzte im Umlauf befindliche Kopien bereits einen mythischen Charakter erlangten, gelang es dem Regisseur irgendwann durch einen Trick, sein Werk wieder loszueisen. Dafür muss man dankbar sein, denn "Spider Baby" bietet allerfeinsten Camp, ist hübsch geschmacklos, ohne je obszön zu sein und ganz zweifellos das Werk eines überaus intelligenten auteurs mit glänzendem Humor, unterstützt von einigem an weiterführender Könnerschaft: Lon Chaney Jr., damals rund 62 Jahre alt, der dp Alfred Taylor zufolge heimlich Löcher in Orangen zu bohren und den Saft herauszupressen pflegte, um sie hernach mit Vodka zu füllen und wiederum auszuschlürfen, präsentiert eine ebenso glänzende wie rührende Spätvorstellung als lieber, knuffiger alter Herr mit lebrigen Augen, der nur tut, wie ihm dereinst aufgetragen ward und nach einem ohnehin aufgeopferten Leben vor Probleme gestellt wird, die er eigentlich nicht verdient. Redeker kann sich einen ironischen Gestus nicht verkneifen, der jedoch vorzüglich zum Film passt; schließlich Sid Haig, - im wahrsten Sinne -, ohne Worte. Die beiden von Washburn und Banner gespielten Schwestern injizieren jedoch erst die wahre Würze in "Spider Baby". Oszillierend zwischen infantiler Unschuld, ausgekochter Erotik und wesenhafter Bosartigkeit scharwenzeln sie ums Haus wie putzige Kätzchen, nur, um bei Bedarf blitzschnell zuzuschlagen. "Sting! Sting! Sting!"
Von den missgestalteten Kellergesellen sieht man leider erst ganz zum Schluss etwas und da fliegen sie auch schon wieder in die Luft. Schade, dass das im Epilog angedeutete, mögliche Sequel nie realisiert wurde.

8/10

Jack Hill Kalifornien Kannibalismus Familie Inzest Camp Sleaze


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ET MOURIR DE PLAISIR (Roger Vadim/F, I 1960)


Zitat entfällt.

Et Mourir De Plaisir (...und vor Lust zu sterben) ~ F/I 1960
Directed By: Roger Vadim

Die junge Carmilla von Karnstein (Annette Vadim) kommt zur Verlobungsfeier ihres Cousins Leopoldo (Mel Ferrer) und dessen Braut Georgia (Elsa Martinelli) auf den alten Familiensitz in der Nähe von Rom. Carmilla hat die alte Kindheitsromanze mit Leopoldo nie ganz vergessen können. Als während der Verlobungsfeier ein Feuerwerk von der hochgelegenen Familiengruft aus gezündet wird, explodiert eine alte Kriegsbombe und legt die Katakomben frei, in denen die Gebeine der Gräfin Mircalla von Karnstein liegen, die vor rund dreihundert Jahren hier gelebt hat und der man nachsagt, eine Vampirin gewesen zu sein. Ein somnambuler Spaziergang führt Carmilla in die Gruft und sie kommt verändert wieder hinaus. Sie wird Leopoldo und Georgia gegenüber noch unzugänglicher als ohnehin schon und bald gibt es mit dem Hausmädchen Lisa (Gabriella Farinon) eine Tote.

Vor der "Karnstein"-Trilogie der Hammer nahm sich bereits Roger Vadim Le Fanus Novelle um die Vampirin Carmilla/Mircalla an, die weibliches Blut als Lebenselixier bevorzugt. Noch deutlich poetischer als die spätere Adaption legt Vadim seinen Film wie viele seiner Arbeiten als Geschenk für seine gegenwärtige, schöne Gespielin an, in diesem Falle die Dänin Annette Strøyberg, mit der der Regisseur zwei Jahre verheiratet war, bevor sie dann von Catherine Deneuve abgelöst wurde. Vadim versetzt den Plot in die Gegenwart und überlässt zumindest ansätzlich dem Publikum die Entscheidung, ob es der darbende Geist der lange verstorbenen Mircalla ist, der von Carmilla (und später Georgia) Besitz ergreift, oder ob Carmilla ein Opfer ihrer unerfüllten erotischen Sehnsüchte geworden ist. Allerdings sprechen einige Wahrnehmungen seitens der Kamera - Pferde scheuen plötzlich vor der einstmals versierten Reiterin Carmilla, Rosen verwelken nach wenigen Sekunden in ihrer Hand - für ersteres. Diese Gratwanderung, die Unvereinbarkeit zwischen altehrwürdiger Spiritualität und streng akademischer Moderne, bestimmt den Geist von Vadims oberflächlich etwas naivem Werk, das jedoch von einer ausgesprochenen visuellen Schönheit getragen ist.

8/10

Roger Vadim Sheridan Le Fanu Italien Vampire


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CONFESSIONS OF AN OPIUM EATER (Albert Zugsmith/USA 1962)


"Here was the secret of happiness, about which philosophers had disputed for so many ages, at once discovered..."

Confessions Of An Opium Eater (Bekenntnisse eines Opiumsüchtigen) ~ USA 1962
Directed By: Albert Zugsmith

Der Abenteurer Gilbert De Quincey (Vincent Price) kommt nach San Francisco, wo er in Chinatown in die Machenschaften einer Tong-Chefin (Linda Ho) gerät, die eine Versteigerung orientalischer Sklavinnen für wohlhabende Geschätsleute plant.

Nach De Quinceys berühmter Novelle entstand dieses durchaus als waghalsig zu bezeichnende trip movie, eine frühe, poetische Vorwegnahme von "Big Trouble In Little China", die im vorgeblichen Gewand eines wilden kleinen Exploiters den schon damals nicht mehr ganz jungen Vincent Price als schwarzgewandeten Seemann zeigt, der im Bannkreis zwischen Opiumpfeife, Baudelaire und kreischenden Mädchen die Kastanien aus dem Feuer holen muss. Price als Actionheld; das mutet bereits als Idee paradox an und in der Tat dürfte er im Zuge der meisten entsprechenden Szenen, die ihn bei Kletteraktionen oder beim Sprung von irgendwelchen Dächern zeigen, gedoubelt worden sein. Zwar ist der Protagonist nur einmal während des Films wirklich direkt berauscht, dennoch gehorcht die gesamte Narration einer seltsamen Traumlogik. Mit dem Eintritt in das fernab der Hauptstraßen liegende Chinatown erhält man zugleich das Visum für eine Parallelwelt, in dem abendländische Wertmaßstäbe passé sind. Passend dazu ist Prices best buddy eine zwergenwüchsige Chinesin (Yvonne Moray). In einer Mischung aus lustvoller Zeigefreudigkeit und kulturellem Respekt springt Zugsmiths Film mitten hinein in dieses räucherstäbchen- und qin-geschwängerte Exotik-El-Dorado und findet am Ende auch ganz bewusst nicht mehr heraus: what happens in Chinatown, stays in Chinatown.

7/10

Albert Zugsmith San Francisco Chinatown Drogen Opium Tongs Thomas De Quincey


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THE STEPFORD WIVES (Bryan Forbes/USA 1975)


"Well, that's why we're moving to Stepford."

The Stepford Wives (Die Frauen von Stepford) ~ USA 1975
Directed By: Bryan Forbes

Die Familie Eberhart zieht vom lauten, schmutzigen New York in das upstate gelegene, scheinbar beschauliche Kleinstädtchen Stepford. Die emanzipierte Ehefrau und Mutter Joanna (Katharine Ross) fühlt sich dort alles andere als wohl: Die in Stepford vorherrschenden Strukturen sind streng patriarchalisch geprägt; die Männer verdienen allesamt gutes Geld als hochgestellte Technikingenieure und Manager, derweil die Frauen ihre beschränkten Rollen als emsige Hausmütterchen auch noch mit großer Zufriedenheit ausfüllen. In der resoluten Bobbie Markowe (Paula Prentiss) findet Joanna eine gute Freundin und Gesinnungsgenossin, doch die Versuche der beiden Frauen, andere Geschlechtsgenossinnen mit sich zu ziehen und zu mehr Selbstbewusstsein zu führen scheitern an deren stumpfer Apathie. Als sich nach einem vorgeblichen Wochende außerhalb schließlich auch die vormals lustige Bobbie in eine biedere Hausfrau verwandelt hat, sieht Joanna ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden: Die Frauen von Stepford sind nicht sie selbst...

Brillante Levin-Verfilmung, die sich die Invasions- und Indoktrinationsfilme der Fünfziger zum Vorbild nimmt, in denen immer mehr Menschen aus der kleinstädtischen Nachbarschaft durch Substitute ersetzt werden und sich urplötzlich allesamt emotional neutralisiert und gleichförmig zu benehmen beginnen, man denke an "Invaders From Mars", "It Came From Outer Space" oder "Invasion Of The Body Snatchers". Die damals subtil vorgetragene, westliche Paranoia bezüglich einer kommunistischen Unterwanderung konkretisiert und modernisiert "The Stepford Wives" in einer klugen Feminismus-Satire. In Stepford, einer verbalen Verballhornung des Industrieslogangs "a step forward", gehen die Männer einen reaktionären Pakt ein: Um die Frauen zu bekommen, die sie wollen - unterwürfig, unkompliziert, ein bisschen dumm, kinderlieb, häuslich, treu, arbeitsam, sauber und besonders ins sexueller Hinsicht nicht nur angepasst, sondern stets aufopferungsvoll, lassen sie sie durch äußerlich identische Androiden ersetzen. Hauptkonstrukteur dieser permanent lächelnden, seelenlosen Armee braver Hausmütterlein ist der ehemalige Disneyland-Techniker Dale Coba (Patrick O'Neal), ein offen misogyner Mann, der die Geschlechterrollen gern um ein Jahrtausend zurückgedreht wüsste. Feminine Mündigkeit ist für ihn wie für seine männlichen Mitbewohner ein unmögliches Paradoxon, also tut er etwas dagegen. Zwar sind seine Geschöpfe technisch nicht immer ganz ausgereift; kleine Verletzungen etwa bringen ihre Schaltkreise durcheinander, doch solche Störungen lassen sich beheben. Anders als zum Beispiel eine handfeste Ehekrise oder gar Scheidung. Dass die Geschichte am Ende den Mut zur Konsequenz besitzt, zeichnet sie nur umso mehr aus.

10/10

Bryan Forbes Familie Feminismus Kleinstadt Androiden Misogynie Satire Ira Levin Dystopie mad scientist


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SUGAR HILL (Paul Maslansky/USA 1974)


"My particular special, a drink that I'm famous for... the Zombie!"

Sugar Hill (Die schwarzen Zombies von Sugar Hill) ~ USA 1974
Directed By: Paul Maslansky

Als ihr Freund, der Nachtclubbesitzer Langston (Larry Don Johnson) zu Tode geprügelt wird, weil er seinen Laden nicht verkaufen will, sinnt Langstons Freundin Sugar Hill (Marki Bey) auf Rache. In den Bayous sucht sie die alte Voodoopriesterin Mama Maitresse (Zara Cully) auf. Diese wiederum führt Sugar zu Baron Samedi (Don Pedro Colley), dem Herrn der Untoten. Mit seiner aus ehemaligen Sklaven bestehenden Zombie-Armee erledigt Samedi die Drecksarbeit für Sugar: Sämtliche von Langstons Mördern inklusive dem Auftraggeber Morgan (Robert Quarry) sterben eines grausamen Todes...

Angereichert mit deutlich selbstironischen Subtönen striff die AIP, bekanntermaßen das Hausstudio für bodenständige Blaxploitation, mit "Sugar Hill" endlich auch das bis dato sträflich vernachlässigte Voodoo-/Zombie-Genre. Nachdem William Marshall bereits in zwei Filmen den "Blacula" gegeben hatte, trat nun der formidable Don Pedro Colley als Baron Samedi auf den Plan, den weißen Rassistenabschaum ins Jenseits zu befördern. Erst ein Jahr zuvor war Baron Samedi als Sidekick des Bösewichts im Bond-Film "Live And Let Die" aufgetreten; für "Sugar Hill" wurde die Figur nochmal deutlich bedeutungsschwangerer umgeschrieben. Sogar die unvergessliche Szene mit dem Sarg voller Schlangen wärmte Maslansky nochmal auf. Mit Robert Quarry, vormalig als "Count Yorga" unterwegs, warf "Sugar Hill" darüberhinaus sogar noch einen kleinen Hausstar ins Rennen. Marki Bey ist trotz schöner Kurven allerdings keine Pam Grier und der sichtlich billige, in visueller Hinsicht zudem leider völlig harmlose Film insgesamt auch nicht ganz der Schlager, der er hätte sein mögen.

5/10

Paul Maslansky Blaxploitation Rache Voodoo Zombies Louisiana Südstaaten Trash





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Funxton

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