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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE HUMAN CENTIPEDE II (FULL SEQUENCE) (Tom Six/USA 2011)


"You can't do this! It's a film! "The Human Centipede"'s a fucking film!"

The Human Centipede II (Full Sequence) ~ USA 2011
Directed By: Tom Six

Für den emotional völlig desolaten, debilen Parkhauswächter Martin Lomax (Laurence R. Harvey) bildet Tom Six' Film "The Human Centipede" eine Art heiligen Schrein, den er sich immer wieder anschaut und aufgrund dessen er daheim selbst stolz einen aggressiven Tausendfüßler hält. Eines Tages beginnt Martin dann, Menschen im Parkhaus zu überfallen und sie in eine eigens angemietete Lagerhalle im Londoner East End zu schaffen, wo er sie gefesselt und geknebelt als Geiseln hält. Sein Ziel: Einen menschlichen Tausendfüßler wie sein großes Idol Dr. Heiter (Dieter Laser) zu erschaffen. Als er zehn Probanden beisammen hat, beginnt er das große Experiment: unsteril und hondertprozentig medizinisch inakkurat...

"The Human Centipede II (Full Sequence)" ist in höchstem Maße abartig, pervers, provokativ und ersonnen von einem zweifelsohne latent abnormen Geist. Somit gestaltet es sich freilich - wie gewohnt im Falle bewusst kontrovers angelegter Kunst - als Naheliegendstes und Leichtestes, ihn zu hassen und zu verdammen, schon, um vor sich selbst und seinen Mitmenschen nicht selbst in den Verdacht zu gelangen, nicht mehr alle Nadeln an der Fichte zu haben, da man ja insgeheim etwas übrig haben könnte dafür.
Ich habe mich, vielleicht gerade deshalb und aus Prinzip, fest entschlossen, Six' in Eigensache hergestelltes Sequel zu mögen. "THCII" präsentiert nämlich nicht bloß eines pathologischen Gemüts Schöpfung, sondern, ebenso wie der erste Teil, eine zutiefst finstere, böse Groteske, ästhetisch und audiovisuell in Anbindung an das große Vorbild "Eraserhead" von höchster künstlerischer Könnerschaft und, und gerade das gefällt mir besonders, im Grunde für einen bestimmten (bezeichnen wir ihn großmäulig als 'elitären') Publikumszirkel geschaffen, der sich mit dem Werk und seiner ebenso gewagten wie widerwärtigen Bipolarität zwischen Könnerschaft und Kotzreiz zu arrangieren weiß. Mir fällt in meinem gesamten sozialen Umfeld niemand ein, dem ich "THCII" guten Gewissens vorführen oder gar anraten würde, schon, um nicht selbst in den Verdacht zu geraten, selbst einen kleinen Martin Lomax im Ohr zu haben. Wobei, der spricht ja eh nicht.

7/10

Tom Six London Madness Transgression Sequel Splatter


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NO MAN'S LAND: THE RISE OF THE REEKER (Dave Payne/USA 2008)


"Payback's a bitch."

No Man's Land: The Rise Of The Reeker ~ USA 2008
Directed By: Dave Payne

Mitten in einem Motel im Death Valley trifft eine Handvoll unterschiedlicher Individuen zusammen, die in ein Scharmützel zwischen dem örtlichen Sheriff (Robert Pine) und einem aus Vegas kommenden Räubertrio (Stephen Martines, Desmond askew, Wilmer Calderon) auf der Flucht gerät. Nach einer während der Schießerei ausgelösten Gastank-Explosion ändert sich plötzlich die Szenerie: Niemand sonst scheint mehr anwesend zu sein, sämtliche Funk- und Radiowellen sind lahmgelegt. Der Reeker (Ben Gunther) ist wieder unterwegs...

Das von mir zuvor irrtümlich als Prequel avisierte Sequel variiert den Plot des Vorgängers "Reeker" im Prinzip nur unwesentlich, nimmt jedoch einige im Vorgänger offen gebliebene, lose inhaltliche Enden wieder auf, besonders hinsichtlich der Gestalt und "Funktion" des Reeker. Jener entpuppt sich als verfluchter Geist eines bereits zu Lebzeiten von der Hölle auserkorenen Serienkillers (Michael Robert Brandon), dessen Mission es ist, im Zuge einer Art untoten 'Nachexistenz' verirrte Seelen auf der Schwelle zwischen Leben und Tod einzufangen und ihnen den Rest zu geben. Ansonsten bietet der Nachfolger lediglich eine inhaltliche Variation mit etwas markanteren Darstellern wie dem altehrwürdigen TV-Gesicht Pine, dem stets tollen Shelly Desai oder dem leider nur kurz zu sehenden, wirklich furchteinflößenden "Prä-Reeker" Brandon. Die schnieke Mircea Monroe indes bietet manches fürs (maskuline) Auge. Zu ein paar netten Hommages wie der "unsichtbaren Wand", die das Areal des Reeker begrenzt und manch fiesem Grotesksplatter langt es fürderhin noch. Ganz bestimmt kein großer oder gar elementarer Genrefilm, aber einer, der die kurze Beschäftigung mit ihm hinreichend dankbar entlohnt.

6/10

Kalifornien Dave Payne Independent Motel Wüste Vater & Sohn Splatter


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DREAMSCAPE (Joseph Ruben/USA 1984)


"Everybody dies."

Dreamscape ~ USA 1984
Directed By: Joseph Ruben

Der telepathisch begabte Alex Gardner (Dennis Quaid) wird mehr oder weniger freiwillig von seinem früheren Mentor Novotny (Max von Sydow) in ein geheimes wissenschaftliches Projekt gezogen, bei dem es Menschen wie Alex mittels einer Übertragungsmaschine möglich gemacht wird, in die Träume von Versuchsprobanden einzudringen und darin sogar aktiv mitzuwirken. Mittelfristig soll diese Versuchsreihe in ein tiefenpsychologisches Hilfsmittel zur Heilung schwerer Neurosen münden. Der stützende Hintermann des Projekts und hohe Regierungsbeamte Bob Blair (Christopher Plummer) hat jedoch ganz anderes im Sinn: Er plant, mithilfe des extrem psychotischen Traumkillers Tommy Ray Glatman (David Patrick Kelly), den Präsidenten (Eddie Albert) zu ermorden, bevor dieser ein großflächiges Abrüstungsprogramm initiieren kann...

Was ein wunderbarer, tatsächlich gar exemplarischer Stoff für David Cronenberg hätte sein können, landete bei dem dann doch wesentlich konventioneller arbeitenden Regisseur Joseph Ruben. Skrupellose Wissenschaftler, spielballgleiche Versuchsprobanden, Traumsphäre, schweißtreibende Visionen der Apokalypse: sämtlich Motive, mit denen Cronenberg sich unter anderem während seiner damaligen Schaffensphase befasste. Die Idee eines "Traumduells" zwischen einem aufrechten Helden und einem wahnsinnigen Killer, in die die Story sich nach einigem episodischen Vorgeplänkel überführt wird, bietet nebenbei multiple Möglichkeiten für phantasmagorische Kreationen und Setgestaltungen, die jedoch, primär vermutlich einem begrenzten Budget geschuldet, leider bloß ansatzweise Entsprechungen finden. Nichtsdestotrotz nimmt sich "Dreamscape" als ein für seine Verhältnisse ambitioniert hergestellter, gewissermaßen typologischer Genrefilm der frühen Mittachtziger mit einer formidablen Besetzung aus, der seinen Charme über die Jahre bewahren konnte. Was allerdings Meister Cronenberg aus dieser Steilvorlage gemacht hätte, lässt sich leider bloß erahnen...

8/10

Joseph Ruben Traum Verschwörung Madness Duell Kalifornien Kalter Krieg


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REEKER (Dave Payne/USA 2005)


"Smell is the first sense you have when you're born... and the last sense you have when you die."

Reeker ~ USA 2005
Directed By: Dave Payne

Fünf sich teilweise unbekannte Studenten - die selbstbewusste Hilfswissenschaftlerin Gretchen (Tina Illman), der blinde Jack (Devon Gummersall), die spaßsüchtige Cookie (Arielle Kebbel), der Pillenliebhaber Trip (Scott Whyte) und sein etwas bodenständigerer Kumpel Nelson (Derek Richardson) machen sich als Fahrgemeinschaft mit Gretchens Wagen auf zu einem Rave in der Mojave-Wüste. Unterwegs sehen sie einen auf der Seite liegenden Wagen am Straßenrand liegen und entschließen sich, von einem just zuvor besuchten Moteldiner aus Hilfe zu rufen. Zudem haben sie keinen Sprit mehr. Doch das vor kurzem noch lustig bevölkerte Etablissement scheint plötzlich verlassen, das Radio spuckt nur irgendwelche Sendefetzen von Straßensperrungen aus, ein verworrener Winnebago-Fahrer (Michael Ironside) auf der Suche nach seiner Frau kann ihnen auch nicht weiterhelfen. Zudem taucht ein übel riechendes Monster in einer flirrenden Wolke auf, das Jagd auf sie alle macht...

Und was haben wir hier? "Identity" und "Final Destination" in einem lustigen Quirl, immerhin halbwegs clever erzählt, mit ein paar hübschen Effekten aufgezäumt und spaßbeladen konzipiert als flotter Teenhorror mit stereotyp-austauschbarem Figureninventar sowie einem höchst mysteriösem Killerwesen, das auf ebendieses Jagd macht. Für Erbsenzähler und solche, die es zu sein wünschen, ist "Reeker" ein dankbares Opfer: "Alles schon gesehen", "nix Neues", "vorhersehbar", "unsympathische Gesichter" höre ich es unken. Na ja, angedenk der solche Kommentare evozierenden Erwartungshaltung, die der jeweligen Rezeption dann offensichtlich vorausgegangen sein wird, kann man den entsprechenden Kritikern dann auch bloß mit einem denkblasigen Fragezeichen sowie dem Ratschlag, sich nach potenziell Vielversprechenderem umzusehen, begegnen. Wer sich von "Reeker" allerdings nicht mehr denn mediokren Schmalspurhorror und wenig darüberhinaus verspricht, der erlebt vielleicht die eine oder andere positive Überraschung. Mir ging es jedenfalls so und meinen Spaß hatte ich auch. Prequel folgt in Kürze.

7/10

Kalifornien Drogen Independent Ecstasy Motel Wüste Slasher Dave Payne


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THE LORDS OF SALEM (Rob Zombie/USA, CA, UK 2012)


"Welcome!"

The Lords Of Salem ~ USA/CA/UK 2012
Directed By: Rob Zombie

Die vormals cracksüchtige, lokal beliebte Radio-DJane Heidi (Sheri Moon Zombie) bekommt eines Abends eine merkwürdige Schallplatte von einer Combo namens "The Lords" zugespielt, deren hypnotische Klänge sie in tranceartige Übelkeit versetzen. Auch anderen Hörerinnen scheint es ähnlich zu ergehen. Für Heidis Kollegen und Verehrer Whitey (Jeff Daniel Phillips) gibt diese Entwicklung zunehmend Anlass zur Alarmbereitschaft und auch der örtlich ansässige Historiker Matthias (Bruce Davison) wird hellhörig, als er nach einem Interview im Sender feststellt, welch eigenartige Wirkung von der Rille ausgeht. Welche Bedeutung hat das Heidis Wohnung benachbarte, vermeintlich leerstehende Zimmer 5 im Haus ihrer freundlichen Wirtin Lacy (Judy Geeson)? Und woher kommen Heidis fürchterliche Tagträume und Visionen? Jene Gruppe "The Lords" soll in Kürze ein einzelnes Konzert in Salem geben, das möglicherweise die Antworten bereithält.

Ein feines Horrorpotpourri von dem von mir als Filmemacher hochgeschätzten Rob Zombie, den ich auch und vor allem immer wieder wegen seiner überaus charmanten Gattin bewundere. Dass Zombie diese vortrefflich in Szene zu setzen weiß, demonstriert auch "The Lords Of Salem" aufs Neue, in dem Sheri Moon endlich einmal die lang verdiente, zentrierte Figurenposition einnimmt. Hexerei, Flüche und die Geburt von Satans Sohn, das sind ja alles hinlänglich bekannte und beliebte Genremotive, wie man sie dutzendfach kennt. So ging es Zombie, so vermute ich, auch weniger darum, jene Art Film zu revolutionieren, sondern darum, ihm persönliche Reverenz und Ehrerbietung zu erweisen - sozusagen ein Kult für den Kult. Die ganze Palette von klassischer Teufels- und Sektenfilme, von "Rosemary's Baby", "The Devil Rides Out" über "The Wicker Man", "The Omen", "The Devil's Rain" und "The Sentinel" bis hin zu jüngeren Vertretern wie Wests "The House Of The Devil" bieten einen formidablen Inspirationspool, auf den jeder, der von der Rückkehr des Antichristen erzählen möchte, wohl zwangsläufig zurückgreifen wird. So auch Zombie, der aber noch immer über hinreichend spezifische Handschrift verfügt, um "The Lords Of Salem" auch solitär betrachtet interessant dastehen zu lassen. Gut gefallen hat mir auch, dass der Film sich durchaus einer bestimmten Klientel gegenüber verpflichtet fühlt, nämlich dem schon etwas gesetzteren Horrorliebhaber aus Zombies eigener Generation. Die von Raffer, Shutter und japanischen Geistermädchen domestizierten Nachwüchsler dürften mit "The Lords Of Salem" vermutlich eher wenig anfangen können.

8/10

Rob Zombie Massachusetts Hexen Satan Radio Drogen


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PSYCHOMANIA (Don Sharp/UK 1973)


"It's easy to kill live people. Watch this!"

Psychomania (Der Frosch) ~ UK 1973
Directed By: Don Sharp

Weil die wohlhabende Lady Latham (Beryl Reid) einst einen dämonischen Pakt geschlossen hat, kann sie Verbindung zum Geisterreich aufnehmen. Davon profitiert auch ihr Sohn Tom (Nicky Henson), Vorsitzender der Motorradrocker "The Living Dead", der herausfindet, dass ein Freitod ihn unsterblich macht. Gesagt, getan - und damit nicht genug: Auch Toms Clique folgt ihm bereitwillig ins Jenseits und kehrt fast geschlossen und nunmehr rundum gerüstet von dort zurück. Gemeinsam macht die Gang die Gegend noch unsicherer als vorher, für Inspektor Hesseltine (Robert Hardy) ein kaum in den Griff zu bekommendes Problem. Bis Mutter Latham einschreitet...

Lederjackenbewährte Motorradgangs sind ohnehin schon ein maßloses gesellschaftliches Übel, zombifizierte Motorradgangs ein noch weitaus größeres - zumindest wenn man Don Sharps spaßigem "Psychomania" glaubt, der seine untoten Protagonisten mental und physisch vollkommen unverändert weitermarodieren lässt. Der eigentliche vom Film suggerierte Albtraum besteht nicht wie üblich in schlurriger Fäulnismaskerade, sondern darin, dass die jugendlichen Unholde nach spektakulärem Ableben und Rückkehr ganz ohne Angst vor jedweden Konsequenzen randalieren können. Einmal und für immer tot, vermag ihnen nichts mehr etwas anzuhaben; sie sind scheinbar nicht mehr nur unverletzbar, sondern darüberhinaus auch mit übermächtigen Kräften "gesegnet". Und so offenbar auch ihre heißen Öfen, mit denen sie wie zum Beweis für ihre neuen Superkräfte durch massive Steinwände brettern. Ein Überfall auf den örtlichen Gemischtwarenladen, bei dem sie selbst vor einem Baby nicht halt machen, ist jedoch zuviel des Bösen und so muss die einzige Möglichkeit, die Höllenrocker an ihren Bestimmungsort zu entsenden, genutzt werden.
Man wundert sich nicht wenig angesichts Sharps ansonsten recht konsequent gesponnenen Mummenschanzes: Machen den Rockern Schnaps und Marihuana noch genau so viel Freude wie zu Lebzeiten? Fließt überhaupt noch Blut in ihren Adern, verdauen sie noch? Immerhin geht es ihnen ja sonst blendend. Müßige, im Prinzip rhetorische Fragen, da selbst ihr zweites Deibelsleben nur kurz währt. Ein Höhepunkt zeitgenössischer Innenausstattung übrigens Beryl Reids stilsicher gestaltetes Wohnzimmer. Darauf kann man nur neidisch sein.

6/10

Don Sharp Zombies Rocker Subkultur England Surrey Kleinstadt Madness


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MISERY (Rob Reiner/USA 1990)


"To Misery."

Misery ~ USA 1990
Directed By: Rob Reiner

Nach Beendigung seines neuen Buchs, dem ersten nach einer langen Serie trivial-kitschiger Erfolgsromane um seine von ihm selbst verhasste, romantische Heldin 'Misery Chastain', bricht der Schriftsteller Paul Sheldon (James Caan) durch das verschneite Colorado zurück in Richtung New York auf - und landet mit seinem Wagen schwerverletzt an einem Abhang. Die Ex-Krankenschwester Annie Wilkes (Kathy Bates), Pauls selbsterklärter, "größter Fan", findet ihn und pflegt ihn; wie Paul bald feststellt, deutlich länger als nötig. Und tatsächlich schlägt Annies augenscheinliche Fürsorge bald in blanken Psychoterror um: Sie zwingt Paul, sein "schmutziges", neues Manuskript zu verbrennen und dreht kurz darauf endgültig durch, als sie erfährt, das im just publizierten, letzten "Misery"-Roman die Titelheldin stirbt. Annie bricht Paul beide Füße und zwingt ihn, eine neuerliche "Misery"-Fortsetzung zu schreiben, wobei der verzweifelte Autor ahnt, dass er nach dessen Fertigstellung für die wahnsinnige Annie keine Funktion mehr erfüllen wird...

Vermutlich aufgrund seiner vergleichsweisen Kompaktheit so ziemich der einzige King-Roman, den ich bis zu Ende geschafft habe und der mir somit gut gefallen hat. Ich mochte die ellenlangen Sermone des Horror-Literaten noch nie sonderlich und seit den mittleren Neunzigern finde ich zudem seine Themenwahl noch höchst uninteressant. Nicht so die Verfilmungen seiner Bücher und Kurzgeschichten; die gefallen mir in der Regel - die meisten TV-Miniserien außen vor gelassen - recht gut. So auch "Misery", dessen Verfilmung man wohl als Glücksfall einer solchen bezeichnen darf. Zwar ist es schade, dass die gorigen Elemente um Axt und Rasenmäher nicht übernommen wurde, aber der arme Rob Reiner war wohl so schon hinreichend gestresst. Der ansonsten eher für Romantik, Spaß und Philanthropie stehende, apfelbäckige Märchenonkel konstatiert ganz recht, wenn er sagt, dass "niemand einen solchen Film von [ihm] erwartet habe", denn mit Annie Wilkes und ihrer begnadeten Jahrhundert-Interpretation durch Kathy Bathes schuf er immerhin die hassenswerteste Leinwandmatrone neben Louise Fletchers 'Nurse Ratched' aus Formans "One Flew Over The Cuckoo's Nest". Wenn am Ende Paul Sheldon endlich frei kommt und sich für all die Demütigungen, Lügen, Gezwungenheiten, Bemutterungen Annies mit Schreibmaschine und Bügeleisen rächt, dann möchte man ihm am liebsten die Hand führen.
Das ist eine Form antitraumatischer Aufarbeitung wie sie keine noch so exzellente Konfrontationstherapie je wettmachen könnte!

9/10

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THE SEASONING HOUSE (Paul Hyett/UK 2012)


"I'd never do you any harm and you know that."

The Seasoning House ~ UK 2012
Directed By: Paul Hyett

Ein taubstummes bosnisches Mädchen überlebt als einziges Mitglied ihrer Familie ein von einer serbischen Miliz angerichtetes Massaker gegen Ende des Bosnienkrieges. Es gerät in die Fänge des Bordellbesitzers Viktor (Kevin Howarth), der es 'Angel' tauft, als Hausfaktotum hält und ihm trotz der barbarischen Behandlung "seiner" zwangsprostituierten Mädchen einen Hauch von Zuneigung vorzugaukeln weiß. Als eines Tages der Milizenchef Goran (Sean Pertwee), der einst auch Angels Familie massakriert und sie versklavt hat, mit seinen Soldaten bei Viktor zu Gast ist, wird Angels Freundin Vanja (Dominique Provost-Chalkley), die ebenfalls die Gebärdensprache beherrscht, von einem der Männer (Ryan Oliva) zu Tode vergewaltigt. Impulsiv rächt Angel, die sich im labyrinthischen Belüftungssystem des Hauses zurecht findet, ihre Freundin noch in der Minute deren Todes. Goran beginnt eine gnadenlosen Rachehatz auf Angel.

Ein formal ordentlich gestaltetes Regiedebüt, dessen Ambition, ein im Prinzip herkömmliches "Rape & Revenge"-Drama vor der Kulisse des Bosnienkrieges anzusiedeln,wohl seinen letzten Rest von Streitbarkeit ausmacht. Ansonsten bewegt sich "The Seasoning House" genau auf jenem Grat zwischen stilisierter Gewaltästhetik und moralisch legitimiertem (Rache-)Aktionismus', den das selbsterkoren transgressive Kino der letzten Jahre längst verinnerlicht und zu einem seiner Hauptmerkmale gemacht hat. Ein in irgendeiner Hinsicht überraschendes Werk ist Hyetts Film somit in keinster Weise und die sicherlich beabsichtigte Wirkung der perzeptiven Grenzauslotung dürfte sich zumindest bei den allermeisten Gewohnheitsschauern nicht (mehr) einstellen. Das ist eben der Fluch einer Ära, die kaum mehr visuelle Tabus kennt. Ansonsten ist "The Seasoning House" für just am Subgenre Interessierte einen Blick wert.

6/10

Paul Hyett Prostitution Vergewaltigung Rache Balkankonflikt Bosnien-Herzegowina Transgression rape & revenge


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ZOMBIE NIGHTMARE (Jack Bravman/CA 1987)


"What are you looking at? Eat your ice cream!"

Zombie Nightmare ~ CA 1987
Directed By: Jack Bravman

Nachdem der brave, aber bärenstarke Baseball-Fan und Muttersohn Tony Washington (Jon Mikl Thor) von dem durchgedrehten Jim (Shawn Levy) und seinen Freunden über den Haufen gefahren wurde, sieht seine Mama nurmehr einen Ausweg: Mithilfe der Voodoo-Priesterin Molly (Manuska Rigaud), die Tonys Vater (John Fasano) dereinst unter Einsatz seines Lebens vor einer Vergewaltigung bewahrt hat, wird Tony zu neuem Leben erweckt und nimmt grausame Rache an seinen Mördern, was dem ermittelnden Captain Churchman (Adam West) aus persönlichen Gründen alles andere als in den Kram passt...

"Zombie Nightmare" befindet sich in der imbd-Bottom-100 auf dem stolzen 44. Platz. Ob er dort wirklich hingehört, halte ich für streitbar, denn als unfreiwilliges Trash-Klamöttchen, dessen imbeziles Script, Laiendarstellungen und dilettantische Produktion jeden zum Direktvergleich herangezogenen Misthaufen wie gesponnenes Gold erscheinen lässt, ist er ein kleines Schätzlein, das man nicht alle Tage auszubuddeln in den Genuss kommt. Konzipiert offenbar als eine Art Horrorfilm für "Heavy-Metal-Fans", der im Titelvorspann großkotzig mit (den ohnehin just laufenden) Motörhead, Girlschool, Fist und natürlich Thor prahlt, muss sich jeder, dem ein solch' Ding zugedacht ist, eigentlich schamerfüllt nach Südamerika absetzen. Dem Publikum von "Zombie Nightmare" gestand man jedenfalls keine allzu umfassende Intellektsspanne zu - oder man wollte es wahlweise zu inflationärem Gelächter anspornen, was wiederum ganz schön abgefeimt, aber völlig okay wäre. Jedenfalls habe ich mich so köstlich schon lang nicht mehr amüsiert, wobei auch die mit einiger Münchener Prominenz aufwartende, deutsche Synchronfassung alles andere als von schlechten Eltern ist: "Ich würde ja gern noch weiter mit euch Intelligenzbestien plaudern, aber ich muss mir mal eben 'ne Portion Titten und Arsch bestellen." Joa sog', koann's denn nocha wos Schenres geb'n?

5/10

Jack Bravman John Fasano Voodoo Rache Zombies Trash Independent


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VAMP (Richard Wenk/USA 1986)


"Just wait until the college boys see that!"

Vamp ~ USA 1986
Directed by: Richard Wenk

Um in die angesagteste Studentenverbindung des Campus aufgenommen zu werden, wollen die beiden Erstsemester Keith (Chris Makepeace) und AJ (Robert Rusler) eine professionelle Stripperin engagieren. Dazu müssen sie mit der Limousine des allgemein missachteten Reichensöhnchens Duncan (Gedde Watanabe) nach Los Angeles, in den "After Dark"-Club. Dieser entpuppt sich jedoch als Hort der uralten Vampirkönigin Katrina (Grace Jones) und ihres bissigen Gefolges. Nachdem Keith zu Katrinas Opfer und damit selbst zu einem Vampir wird, muss AJ seine Fähigkeiten an Pfeil und Bogen unter Beweis stellen...

Herrlich stylishe Achtziger-Vampirkomödie zwischen "Fright Night" und "The Lost Boys" und als deren inoffizielles Verbindungsglied beinahe ebenso spaßig. Um noch kurz bei der cineastischen Erbfolge zu bleiben: Dass Tarantinos und Rodriguez' "From Dusk Till Dawn" aus "Vamp" und dessen Grundidee eines lediglich in der Dunkelheit geöffneten, vampirischen Striplokals seine Hauptinspiration bezogen haben wird, sollte selbst aus der obigen Synopse bereits hervorgehen. Allerdings gewinnt "Vamp" noch den berechtigten Originalitätsbonus hinzu. Die im Film ausnahmsweise einmal komplett sprachlose Grace Jones als zuweilen monströse Obervampirin ist grandios und Wenks inflationär eingesetzte, violett-grüne Beleuchtung sieht durchweg stark aus. Ein Film, der vor allem Laune macht und für Genre-Chronisten ein unverzichtbares Dekaden-Mosaikstück.

7/10

Richard Wenk Vampire College Los Angeles Kalifornien Nacht





Filmtagebuch von...

Funxton

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