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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE PUBLIC ENEMY (William A. Wellman/USA 1931)


"You murderers! There's not only beer in that jug. There's beer and blood - blood of men!"

The Public Enemy (Der öffentliche Feind) ~ USA 1931
Directed By: William A. Wellman


Der kleine Straßenganove Tom Powers (James Cagney) steigt unter seinem "Mentor" Paddy Ryan (Robert O'Connor) während der Prohibitionszeit zu einem der gefürchtetsten Bandenchefs der Chicagoer Unterwelt auf. Während sein älterer Bruder Mike (Donald Cook), ein braver und rechtschaffener Arbeiter, mit Toms Methoden überhaupt nicht einverstanden ist, wünscht sich ihre Mutter (Beryl Mercer) bloß familiäre Harmonie. Die Rivalität mit einem rivalisierenden Gangster kostet Tom schließlich das Leben.

Beer'n'guts: nachdem für "Little Caesar" die italienischen Immigranten als Wurzel des Gangsterübels herzuhalten hatten, ging es in "Public Enemy" nunmehr um die Iren. Wellmans Film zeichnet den delinquenten Lebensweg des rücksichtslosen Tom Powers noch etwas differenzierter und umfassender nach als LeRoys "Vorgänger" und gestattet sich auch Einblicke in Powers' von Lausbubenstreichen und einer autoritären, nichtsdestotrotz versagenden Erziehung durch einen verbitterten Polizistenvater (Purnell Pratt) geprägten Jugend. Besonders gewinnend ist der Film in seiner ja sehr zeitnahen Darstellung der Auswüchse der Prohibition, bekanntermaßen einer der unsinnigsten gesetzlichen Erlässe des zwanzigsten Jahrhunderts, besonders auffällig in seiner von Texteinblendungen zu Beginn und zum Ende gestützten Betonung als moralisches Lehrstück. Warner war nach dem Erfolg von "Little Caesar" sehr daran interessiert, sich keinen Namen als Unterhaltungsplattform für Gangsterheroisierungen zu machen und versuchte ergo, allen etwaigen Unkenrufen Vorschub zu leisten. So ist denn auch Powers' erschreckendes Ende noch immer für einen kleinen, aber wirksamen Schock gut.

9/10

Chicago Biographie William A. Wellman Prohibition


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LITTLE CAESAR (Mervyn LeRoy/USA 1931)


"You can dish it out, but you got so you can't take it no more."

Little Caesar (Der kleine Cäsar) ~ USA 1931
Directed By: Mervyn LeRoy


Der Provinzgangster Rico Bandella (Edward G. Robinson) will endlich im Big Business mitmischen und klinkt sich mitsamt seinem Partner Joe Massara (Douglas Fairbanks jr.) in die Chicagoer Unterwelt ein. Während Joe bald einer ehrlichen Arbeit als Showtänzer nachgeht und dem Milieu verzweifelt zu entkommen sucht, steigt Rico, genannt 'Little Caesar', mittels Skrupellosigkeit und unerbittlicher Gewalt bald zu einem der führenden Syndikatsbosse der Stadt auf. Als ihn jedoch die Polizei wegen eines scheinbar verjährten Mordfalls überführen kann, folgt der ebenso rasante Fall.

Ikonographisches Werk, das das faktisch bereits zuvor erfundene Genre des Gangsterepos in die Tonfilmära überführen und dort als eine der maßgeblichen Direktionen für sein federführendes Studio Warner Bros. in den nächsten fünfzehn Jahren installieren konnte. Mit Ausnahme des nicht minder wichtigen, von Howard Hughes produzierten "Scarface" und Wylers "Dead End" (United Artists) kamen alle filmhistorisch bedeutsamen Gangsterfilme fortan aus dem Hause Warner, bis Raoul Walsh der Welle anno 49 mit "White Heat" zumindest im A-Sektor einen vorläufigen Höhe- und Endpunkt bescherte. Ich plane ja schon seit längerem eine kleine Reihe mit den entsprechenden "Rise-&-Fall"-Epen um Tommy Guns, pervertierte Depressionsflucht und Alkoholschmuggel, nicht nur, weil ich diese Zeit höchst faszinierend finde und die entsprechenden Filme ohnehin sehr liebe, sondern auch, weil es viel zu lang her ist, dass ich sie alle das letzte Mal gesehen habe. Wohlan also, krachender Start mit Knautschvisage Robinson als Rico Bandello, der mit selbstsicher Arroganz und dicker Zigarre bereits allen späteren Epigonen zeigt, wo's langgeht, nämlich wahlweise raus aus der Stadt oder ab in die Holzkiste. Budda-budda-budda!

9/10

Mervyn LeRoy Chicago Freundschaft


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THE LONELINESS OF THE LONG DISTANCE RUNNER (Tony Richardson/UK 1962)


"That's five bob up the spout."

The Loneliness Of the Long Distance Runner (Die Einsamkeit des Langstreckenläufers) ~ UK 1962
Directed By: Tony Richardson


Nachdem der aus einem Arbeiterviertel in Nottingham stammende Colin (Tom Courtenay) wegen Einbruchs in eine Bäckerei in den Borstal 'Ruxton Towers' verfachtet wurde, lernt er rasch, wie man sich dort die Sympathien der Direktion sichern kann; durch sportliche Leistung nämlich. Der Anstaltsleiter (Michael Redgrave) gibt sich vordergründig progressiv und liberal, ist tatsächlich aber primär am Gewinn von institutionellen Konkurrenzkämpfen zur Reputationssteigerungszwecken interessiert. Als er um Colins Qualitäten als Langstreckenläufer zu ahnen beginnt, glaubt er einen Gewinner auf seiner Seite. Doch die tief verwurzelte Rebellion gegen Autoritäten in Colins Herz bleibt stärker...

Richardsons Film gilt nicht nur als einer der wichtigsten Filme des British Free Cinema, sondern zudem als wegweisendes antiautoritäres Coming-of-Age-Drama. Ohne die Schilderung bahnbrechender Ereignisse oder Tragödien im Leben seiner Protagonisten zu zeigen bewerkstelligt es der Regisseur, die klassenkämpferische, juvenile Wut des betrogenen Arbeitersohns in den harten, kantigen Gesichtszügen Courtenays sicht- und spürbar zu machen und ihn schließlich, als er den für sich idealen Weg des passiven Widerstands entdeckt und eingeschlagen hat, sogar zum moralischen Sieger zu machen. Das Credo des Films, dass manchmal gerade das, was man vielleicht nicht von sich preiszugeben oder zu demonstrieren bereit ist, die wahren Qualitäten eines Individuums ausmachen kann, gehört zu den jenen umfassenden Weisheiten, die sich das Leben umweglos von der Leinwand abschauen sollte.
Brillant, exzellent, großartig, Meisterwerk und was weiß ich noch. Passt sowieso alles.

10/10

Working Class Independent Free Cinema Nottingham Coming of Age Borstal England Tony Richardson


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WALL STREET: MONEY NEVER SLEEPS (Oliver Stone/USA 2010)


"Why don't you start calling me Gordon?"

Wall Street: Money Never Sleeps (Wall Street - Geld schläft nicht) ~ USA 2010
Directed By: Oliver Stone


Sieben Jahre nachdem er aus einer langwierigen Haftstrafe wegen Wirtschaftskriminalität entlassen wurde, promotet der scheinbar geläuterte Ex-Börsenhai Gordon Gekko (Michael Douglas) sein Buch "Is Greed Good?". Derweil hat sich seine Tochter Winnie (Carey Mulligan) sich nach dem Drogentod ihres Bruders vollends von Gekko abgewand, ist ironischerweise nunmehr jedoch mit einem jungen Broker namens Jake Moore (Shia LaBoeuf) verlobt. Moore ist fasziniert von seinem ihm noch unbekannten Schwiegervater in spe und entschließt sich, sich ihm zu erkennen zu geben, zumal er einen Weg sucht, sich an dem Rezessions-Piranha Bretton James (Josh Brolin) zu rächen. Jener hat letzlich den durch Ruinierung verursachten Selbstmord von Moores Mentor (Frank Langella) zu verantworten und Moore hält Gekko für den richtigen Alliierten für seine kleine Privatvendetta. Zudem hat auch Gekko noch eine alte Rechnung mit James offen. Doch hat sich der frühere Groteskkapitalist wirklich in ein braves Lämmchen verwandelt...?

"Wall Street" muss wohl als einer der nomothetischen Filme seines Jahrzehnts gelten. Wie kein anderes popkulturelles Artefakt, mit Ausnahme von Ellis' "American Psycho" natürlich, öffnete Stones Film Tür und Tor zu der traurigen, seelenentledigten Welt der Yuppies, Geldscheffler, Gierhälse, Koksnasen und Armani-Träger; zum Kongress der Egomanen, zum Fegefeuer der Oberflächlichkeiten. Zwanzig Jahre später sehen die Dinge geflissentlich anders aus; die Ära eines Bud Fox scheint unwiederbringlich verloren und die Finanzwelt steuert mit Volldampf auf ihren Abgrund zu. Zeit für einen Oliver Stone, erneut Bilanz zu ziehen. Die großen Haie der Wall Street können es sich nun, in Zeiten des Internet und der globalen Informationsvernetzung nicht mehr leisten, ihren schäbigen Charaktere nach außen zu tragen und so geschieht alles hinter vorgehaltener Hand und unter dem Deckmäntelchen wöhltätigen Engagements. Dabei ist ein Mann wie Bretton James, der Goyas vielsagendes Schreckensgemälde "Saturn Devorando A Un Hijo" stolz zu seinem privaten Leitbild erklärt, wahrscheinlich noch viel unangenehmer und wesentlich böser als ein Bud Fox oder als ein Gordon Gekko gar: Familie hat er nicht, er geht rigoros über Leichen und, am Schlimmsten, ist nicht an der Herausforderung des "Spiels" interessiert, sondern allein an der Vergrößerung seines Reichtums.
Mit Stone ist wohl immer noch zu rechnen, denn sein Sequel glänzt vor formalem Stil und Schauspielkunst. Stone konnte David Byrne, der bereits die Songs für den Erstling komponiert hat, erneut für sich gewinnen, Charlie Sheen gibt sich die Ehre zu einem kurzen, bald selbstdenunzierendem Cameo, der steinalte Eli Wallach spielt quasi nochmal die selbe Rolle wie bereits vor zwanzig Jahren in Coppolas "The Godfather Part III". Und ich, ich war glücklich mit und nach dem Film. Zwar steht außer Frage, dass die Fortsetzung nicht am ikonischen Charakter des Originals kratzen kann, aber sie bietet mehr als ordentliches Kino. Und was zählt? Eben.

8/10

Sequel Oliver Stone Wall Street New York Hochfinanz Börse


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LADY IN WHITE (Frank LaLoggia/USA 1988)


"I won't harm you. Open the door!"

Lady In White (Die phantastische Reise ins Jenseits) ~ USA 1988
Directed By: Frank LaLoggia


Der erfolgreiche Gruselautor Frankie Scarlatti (Frank LaLoggia) erinnert sich an das prägende Erlebnis seiner Kindheit vor 25 Jahren: In dem verträumten Ostküstennest Willowpoint Falls treibt ein Kindermörder ein Unwesen, der bereits zehn Opfer auf dem Gewissen hat und bislang nicht gefasst werden konnte. Als Frankie (Lukas Haas) im Zuge eines Dumme-Jungen-Streichs am Vorabend von Halloween in der Klassengarderobe eingeschlossen wird, wird er Zeuge eines geisterhaften Schauspiels. Ein kleines Mädchen (Joelle Jacobi) wird ermordet und der höchst reale Täter vergreift sich hernach auch an Frankie, der jedoch rechtzeitig gerettet werden kann. Als Frankie herausfindet, um wen es sich bei dem Mädchen sowie bei einer die Klippen entlang weißen Geisterfrau (Karen Powell) handelt, ist es beinahe zu spät, denn auch der Mörder gibt sich unfreiwillig zu erkennen...

Nach der "Luzifer"-Pleite von neulich bin ich von diesem zweiten LaLoggia-Film regelrecht begeistert. All die Fehler und Anlasserprobleme seines Erstlings überantwortet der Regisseur und Autor mit "Lady In White" der Vergessenheit und schafft einen visuell überwältigenden, vor optischer Finesse aus allen Nähten platzenden Kleinstadt- und Kindheitsgruselfilm. Zwar mangelt es noch immer an inhaltlicher Ausgegorenheit, dafür ist LaLoggias Zweitling formal betrachtet deutlich konziser und überhaupt ein absolutes Gedicht. Zuweilen scheint es, als würde inmitten der gotisch angehauchten set pieces das dem Zeitkolorit geschuldete, alte Sechziger-Jahre-Technicolor wieder lebendig; die Herbstbäume leuchten vor azurblauem Himmel in knalligen Bonbon-Farben, der Nachthimmel funkelt wie eine Discokugel. Und die von LaLoggia selbst komponierte Musik mit all den Frauenchorälen und ihrem tonalen Bombast dürfte auch einen Danny Elfman mehr als zufriedenstellen. Darüber schert es sogar kaum, dass die offenbar autobiographisch gefärbte und insofern leicht übergebührlich stolz vorgetragene Story unwesentlich mehr bietet als ein romantisches Potpourri aus spielberg'schem Familienkonsens, "Poltergeist", "Ghost Story", "The Changeling", "Stand By Me" und der TV-Serie "The Wonder Years" (incl. Norbert Langer als Geschichtenerzähler in der deutschen Synchronfassung). Immerhin antizipiert "Lady In White" gewissermaßen auch spätere Genreklassiker von Burton bis Shyamalan. Somit lohnt sich der Film für jeden Freund des Genannten und wird mit seiner herrlichen Farbgebung vielleicht sogar Bava- und Argento-Fans berauschen. Mir jedenfalls ging es so. Und vielleicht sehe ich ja auch "Luzifer" beim nächsten Mal mit anderen Augen...

8/10

Frank LaLoggia period piece Kind Serienmord Familie Autor Geister


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ROCKER (Klaus Lemke/BRD 1972)


"Ich fah nich na Hamburch..." - "Du fähs jetz na Hamburch, ich schwör's diä, Aldä."

Rocker ~ BRD 1972
Directed By: Klaus Lemke


Rocker Gerd (Gerd Kruskopf) kommt auf Bewährung aus dem Knast. Seine Freundin Sonja (Marianne Mim) will nichts mehr mit ihm zu tun haben, sie bendelt jetzt mit dem nicht minder delinquenten Uli (Paul Lys) an. Uli verzeichnet dafür eigene Probleme, er hat kein Geld und muss ein geklautes Auto umsonst an ein paar Kiez-Macker abtreten. Außerdem besteht Ulis fünfzehnjähriger Bruder Mark (Hans-Jürgen Modschiedler) darauf, mit ihm auf Sauftour zu gehen. Als Uli dann volltrunken von seinen "Geschäftspartnern" zu Tode geprügelt wird, ist Mark völlig verzweifelt. Durch Zufall gerät er an Gerd und hat damit, ohne es gleich zu wissen, das Instrument seiner Rache gefunden.

Wahnsinnsding, einer der großen Klassiker der deutschen Fernsehfilm-Geschichte und später längst zu verdienten Kinoehren gelangt. Mit beinhartem Stoizismus und einer großen Portion Authentizität bringt Lemke die ihrerzeit nicht nur von draußen, sondern passenderweise auch im Film ängstlich beäugte Subkultur der Rocker und Gammler auf Zelluloid, lässt sie sich mit konstant leeren Taschen und mittels großer Gesten und noch größerer, in breitem nordisch geführter Reden quer durch die Alsterstadt pöbeln, durch deren Kneipen, Bars und Clubs. Und dass die nächste Generation Protest schon auf der Schwelle steht, davon kann man sich in der Person des halbwüchsigen Mark, von Gerd liebevoll "Wanze" genannt, überzeugen. Am Ende erweist er sich als der eigentliche Macher, der fast schon instinktiv den leicht trotteligen Gerd als persönlichen Initiator seiner Racheaktion gebraucht. Dass "Rocker" einen Fundus an zwangsläufig auswendig zu lernenden Sprüchen beinhaltet, gerät da fast zum angenehmen Nebenschauplatz. Und welch göttliche Songs da aufgefahren werden...

9/10

Hamburg Rocker Subkultur Klaus Lemke TV-Film Coming of Age


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THE SERPENT'S EGG (Ingmar Bergman/BRD, USA 1977)


"Through the thin membranes, you can clearly discern the already perfect reptile."

The Serpent's Egg (Das Schlangenei) ~ BRD/USA 1977
Directed By: Ingmar Bergman


Berlin, November 1923: Inflation und politische Orientierungslosigkeit machen das Leben in der Republik-Hauptstadt kaum angenehmer. Als sich sein Bruder umbringt, fällt der dem Alkohol zugeneigte Zirkusartist Abel Rosenberg (David Carradine) in tiefe Depression. Seine Schwägerin Manuela (Liv Ullmann) nimmt Abel bei sich auf. Zusammen ziehen die beiden in ein der Klinik des Professor Vergerus (Heinz Bennent) angegliedertes Appartment. Abel hat bald den Eindruck, dass im Krankenhaus nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Hinzu kommt, dass Kommissar Bauer (Gert Fröbe) Abel eröffnet, dass einige weitere gewaltsame Todesfälle aus seinem privaten Umfeld zu beklagen sind.

Bergman, damals steuerflüchtig, inszenierte unter den Produzenten Dino De Laurentiis und Horst Wendlandt diese bis heute unangemessen kritisch bewertete, faszinierend morbide Faschismus-Parabel. Angesiedelt im Berlin und in der Zeit von Döblin, Lang und Dix, in schummrigen Cabarets und absinthgetränkten Hurenhäusern lässt Bergman einen eigentlich stadtfremden, kafkaesken Protagonisten, ausgerechnet gespielt von David Carradine, durch die Szenerie stolpern und der zeitweisen Irrlichterei anheim fallen. Dass ebenjener Abel Rosenberg schlussendlich einer Verschwörung auf die Spur kommt, die in Umfang, Konsequenz und moralischer Verworfenheit an die Untaten eines Dr. Mabuse (an den ohnehin vielerlei Reminiszenzen vorhanden sind), erscheint nicht unbedingt Bergman-typisch, wie überhaupt der ganze Film eine leicht exotische Position im Schaffen des Filmemachers bekleidet. Das heißt jedoch nicht, dass man ihn hier nicht wiederfände, den großen Psycho-Tragöden. Verlorenheit, Angst, zerfließende Realitsgrenzen, das gibt es alles (auch) im "Schlangenei". Und dazu einen mad scientist. Wahrscheinlich mag ich persönlich "The Serpent's Egg" deswegen so gern.

8/10

Ingmar Bergman Weimarer Republik Berlin Madness Mad Scientist Cabaret Alkohol period piece


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RIVER'S EDGE (Tim Hunter/USA 1986)


"Check's in the mail!"

River's Edge (Das Messer am Ufer) ~ USA 1986
Directed By: Tim Hunter


Dass der psychotische Jugendliche Samson Tollet (John Roebuck) eine Mitschülerin tötet, enthebt seine Gleichaltrigen nicht ihrer alltäglichen Lethagie; tatsächlich interessiert sich niemand so recht weder für das Ableben des Mädchens noch für Samsons weiteren Werdegang. Für Layne (Crispin Glover) ist momentan das Wichtigste, Samson vor den Behörden zu schützen; der wie die meisten aus der Clique aus einer zerstörten Familie stammende Matt (Keanu Reeves) müht sich indes, erstmals in seinem leben richtig zu handeln. Als Layne seinen Kumpel Samson bei dem nicht minder verrückten, alten Potdealer Feck (Dennis Hopper) versteckt, wartet schon die nächste Katastrophe.

Ein nicht leicht greifbarer, rauer und unbequemer Film ist das, den der spätere TV-Impesario Tim Hunter da um die späte Dekadenmitte den bourgeoisen Traumwelten eines John Hughes entgegensetzte. Die luxuriösen Un-Probleme der missverstandenen Vorstadtteens finden in der nordkalifonischen Provinz keinen Platz; hier geht es darum, den Tag möglichst heavily stoned zu Ende zu bringen, um zu vergessen. Um zu vergessen, dass die Mutter eine unfähige Heulboje ist und der Stiefvater - sofern vorhanden - ein gefühlloser Idiot; dass der zwölfjährige Bruder ein misanthropischer Soziopath ist und die kleine Schwester inmitten all diesen emotionalen Elends eine freudlose Kindheit durchmachen muss. Den besten Freund markiert ein perspektivenloser Komplettversager und, am Schlimmsten,an der nächsten Straßenecke bietet sich schon wieder exakt dasselbe Bild. Was macht da schon eine versehentliche Strangulation aus verschmähtem Liebeskummer?
Hunter macht es dem Zuschauer alles andere als leicht, als Teilhaber in seinen juvenilen Mikrokosmos einzusteigen, da bietet Dennis Hopper, der seinen Part aus "Out Of The Blue" quasi-repetiert, erwartungsgemäß auch keine große Unterstützung. Doch am Ende lohnt das Erlebnis alle Mühe und Auseinandersetzung, denn man durfte einem tollen, wenn auch abgründigen Teenager-Film beiwohnen.

8/10

Teenager Madness Marihuana Tim Hunter Coming of Age Leiche


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DER ROTE KAKADU (Dominik Graf/D 2006)


"'N land, in dem die Polizei auf 'n Unbewaffneten schießt, is nicht mehr meins."

Der Rote Kakadu ~ D 2006
Directed By: Dominik Graf


Dresden, 1961: Wenige Wochen vor der Errichtung der Berliner Mauer trifft sich die systemtreue, aber staatskritische Jugend im "Roten Kakadu", einer Szenekneipe, in der man, unter dem äußersten Widerwillen der Stasi, zu "Jailhouse Rock" tanzt. Hier lernt der junge Maler Siggi (Max Riemelt) das Paar Luise (Jessica Schwarz) und Wolle (Ronald Zehrfeld) kennen. Als Wolle es mit seinen derben Späßen aufs Konto eines Staatsfunktionärs (Lutz Teschner) zu weit treibt, bricht die "Kakadu"-Clique auseinander. Doch da hat sich Siggi schon längst in Luise verliebt.

Nicht der beste Graf, aber immer noch sehr anschaubar. Im Gefolge von "Sonnenallee" und "Good Bye Lenin!", die ja eine etwas seltsame "Ostalgie" hervorriefen, nimmt sich dieses eher un- oder auch abgeschminkt agierende Werk wenigstens halbwegs ernsthaft aus. Die Geschichte um die drei Hauptfiguren entwickelt sich allerdings recht träge und führt dazu, dass "Der Rote Kakadu" erst im letzten Drittel die Fahrt gewinnt, derer er eigentlich von Anfang an bedurft hätte. Die repressive Willkür des vorgeblich sozialistischen, dabei jedoch schlicht antidemokratisch arbeitenden Systems wird erst gegen Ende in ihrer ganzen traurigen Konsequenz geschildert. Man fängt gerade an, sich aus dem zuvor emsig um einen herum errichteten Emotionalitätskokon freugraben, da ist Grafs Film dann auch schon wieder vorbei. Schade drum. Im Gegenzug dazu fand ich die Wiederbegegnung mit dem Duo Riemelt/Zehrfeld, mir noch aus "Im Angesicht des Verbrechens" in bester Erinnerung, wirklich erfreulich.

6/10

Dominik Graf DDR Kneipe period piece Republikflucht Historie Systemkritik


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FRÜHREIFEN-REPORT (Ernst Hofbauer/BRD 1973)


"Mach schneller... meine Hummel brummt schon ganz gewaltig!"

Frühreifen-Report ~ BRD 1973
Directed By: Ernst Hofbauer


Ein eifriger Jugendbeamter mit der Stimme von Manfred Schott klärt die Bevölkerung darüber auf, dass nicht jede® "Frühreife" gleich eines Exorzismus bedarf, sondern mit viel Liebe und "Nestwärme" auch eine halbwegs normale Entwicklung begehen kann - Vorwand für diverse Hügel- und Busch-Szenarien.

Manchmal geht's ein bisschen durch mit Autor und Regisseur - was ein pädophiler und gewalttätiger Malochertyp, der seiner elfjährigen Stieftochter zunächst allenthalben den Hintern versohlt und sie dann zum Koitus nötigt, in einem Film dieses Titels verloren hat, erschließt sich jedenfalls wohl nur Eingeweihten. Ansonsten gibt es die üblichen Gags rund um die notgeile bayrische teenage league und wenn das kleinwüchsige italienische Titten-Faktotum Rinaldo Talamonti, im süddeutschen Sexfilm der siebziger Jahre stets das postnazistische Symbolbild des unterbelichteten Gastarbeiters, hier als Hausmeister und Schwerenöter aus Verona seiner "Apfelmausi" nachstellt und seinen "Apollo" schwingt, dann fühlt man sich doch ohnedies glei ganz wie dahoam.

4/10

Report-Reihe Ernst Hofbauer





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