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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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PUSHER II (Nicolas Winding Refn/DK 2004)


Zitat entfällt.

Pusher II ~ DK 2004
Directed By: Nicolas Winding Refn


Nachdem er aus dem Knast entlassen wird, versucht der nicht allzu intelligente Tonny (Mads Mikkelsen), in der KFZ-Werkstatt seines Vaters (Leif Sylvester), in Kopenhagen bekannt und gefürchtet als "der Schmied", unterzukommen. Doch der Schmied hat für seinen Sohn kaum mehr als Verachtung übrig und schätzt seinen Angestellten Ø (Øyvind Hagen-Traberg) deutlich höher. Zudem erfährt Tonny, dass er einen kleinen Sohn hat, dessen Mutter ausgerechnet die allerorten als Schlampe verrufene Charlotte (Anne Sørensen) ist. Als der dauerbekokste Kleingauner Mösen-Kurt (Kurt Nielsen) Tonny schließlich auch noch in eine Schuldenaffäre hineinzieht, steht dieser bald noch bedröppelter da als ohnehin, zumal das ausgelegte Geld dem Schmied gehört. Tonny steht in der Zwickmühle zwischen seinem ihn hassenden Erzeuger und dem Bedürfnis, dem eigenen Sohn einst ein besserer Vater zu sein.

Acht Jahre nach "Pusher", dessen Ende weniger offen blieb als es ehedem den Anschein hatte, wendet sich Nicolas Winding Refn erneut jenem urbanen Universum aus Drogen, bizarrer Vitalität und Tod zu. Diesmal steht Tonny, den man auch problemlos für tot hätte halten können, dessen Schicksal nach dem Erstling zumindest offen war, im Fokus der Erzählung. Tonny erweist sich als ein noch tragischerer Charakter denn sein alter Freund Frank, zeigt sich doch im Laufe des Films, dass er völlig einsam ist und keinen Menschen hat, der zu ihm hält. Umso intensiver sein in ihm keimender Wunsch, allen anderen eine lange Nase zu drehen und selbst Verantwortung für jemanden zu übernehmen. Die zuvor verübte Verzweiflungstat, nichts weniger als klassische antike Tragödie, wirkt dabei wie ein gigantischer Befreiungsakt. Am Ende heißt es dann gezwungenermaßen wieder: "Leaving Copenhagen". Be quick or be dead!

8/10

Drogen Kokain Kopenhagen Dänemark Nicolas Winding Refn Familie


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PUSHER (Nicolas Winding Refn/DK 1996)


Zitat entfällt.

Pusher ~ DK 1996
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der Kopenhagener Kleindealer Frank (Kim Bodnia) gerät eines Tages in immense Schwierigkeiten, als er ein Geschäft versaut, bei dem wegen eines unvorhersahbaren Polizeieinsatzes ein großes Kontingent Heroin des Gangsters Milo (Zlatko Buric) im Wasser landet. Die lästige Polizei kann Frank fürs Erste abschütteln, doch sein bester Kumpel Tonny (Mads Mikelsen) hat ihn offenbar verraten und Milo und sein Henchman Radovan (Slavko Labovic) wollen ihren Verlust nebst einigen Altschulden von Frank ersetzt haben. Jener sitzt bald zwischen allen Stühlen.

Eine Schande, dass ich mich erst so spät an "Pusher" und die beiden Nachfolger herangemacht habe, aber irrationale Vorurteile haben mir da wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zum einen zählt der wie mir erst später bewusst wurde, einige Jahre jüngere, ebenfalls aus Dänemark stammende und im Gangstermilieu spielende "I Kina Spiser De Hunde", in dem gleichermaßen Kim Bodnia die - von mir seinerzeit als besonders enervierend wahrgenommene - Hauptrolle spielt, zu meinen größten cineastischen Hassobjekten, zum anderen nahmen die mir permanent von Freunden und Bekannten vorgehaltenen Vorschusslorbeeren irgendwann dermaßen überhand, dass ich überhaupt keine Lust mehr auf die Filme verspürte. Erst Winding Refns sensationeller "Valhalla Rising" hat mich bezüglich der Qualitäten des Regisseurs eines Besseren belehrt - manchmal braucht man eben einfach die Axt. Der letztwöchig verbrachte Dänemark-Urlaub auf dem schönen Kegnæs erschien mir jetzt als zumindest regional passend für die "Pusher"-Trilogie. Und in welcher Windeseile ich die Filme verschlungen habe. Inhaltlich wusste ich glücklicherweise gar nichts über sie, so dass der Genuss sich umso großzügiger entfalten konnte.
Das Kaleidoskop des vorgestellten Personals ist bereits grandios; schon bei der Betrachtung dieses ersten Films verkuckt man sich regelrecht in die unterschiedlichen Charaktere, denen Winding Refn sich mit dokumentarischer Präzision nähert und los lassen sie einen auch Tage später nicht. Besonders der jugoslawischstämmige Gangster Milo, der sich von einem verschrobenen, lustigen Exzentriker Marke Kusturica zu einem gewalttätigen Monster entwickelt, hatte es mir gleich angetan. Glücklicherweise soll man ja später noch mehr von ihm zu sehen bekommen.

9/10

Dänemark Nicolas Winding Refn Heroin Kokain Kopenhagen Drogen


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REBEL WITHOUT A CAUSE (Nicholas Ray/USA 1955)


"You're tearing me apart!"

Rebel Without A Cause (...denn sie wissen nicht, was sie tun) ~ USA 1955
Directed By: Nicholas Ray


Der junge Jim Stark (James Dean) kommt mit seinem Leben als Teenager nicht zurecht. Von den Eltern missverstanden, insbesondere vom Vater (Jim Backus), jener ein veritabler Pantoffelheld, schlittert er immer wieder in kleinere Delikte. Wieder einmal umgezogen, lernt Jim Judy (Natalie Wood) und Plato (Sal Mineo) kennen, die ähnliche Probleme haben wie er selbst. Die anderen Jugendlichen der Gegend triezen Jim indes und er nimmt an einer gefährlichen Mutprobe teil. Dabei kommt Jims Herausforderer Buzz (Corey Allen) ums Leben. Jim, Judy und Plato verschanzen sich, von Buzz' Freunden und von der Polizei gesucht, in einer leerstehenden Villa.

Vielschichtiges Coming-of-Age-Drama, das vor allem von seiner brillanten Farbdramaturgie und dem Scope-Format lebt. Zudem dürfte "Rebel Without A Cause" als die Mutter aller späteren "teenage delinquent" - Streifen gelten, trotz des bereits zuvor entstandenen "The Wild One" von Laslo Benedek. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Benedeks Film eine ohnehin anrüchige, leicht als kriminell und renitent zu verurteilende Subkultur porträtiert. In "Rebel" hingegen sind es die mittelständischen WASP-Kids aus der Nachbarschaft, die sich urplötzlich unverstanden fühlen, eine no-future-attitude an den Tag legen und dummes Zeug anstellen. Rebellion gegen staatliche Autorität, Eltern und Lehrkörper, gegen all die steinalten Besserwisser treibt diese Jugendlichen um. Der Titel "Rebel Without A Cause", der Nick Ray von Warner aufgezwungen wurde und mit dem er zu Recht überhaupt nicht einverstanden war, stellt insofern ein vollkommenes Paradoxon dar. "Rebel" lag verdammt dicht am Puls seiner Zeit, wie der Film auch, deutlich mehr als "East Of Eden" und "Giant" für den späteren Personenkult um James Dean verantwortlich war. Ich persönlich mag andere von Rays Arbeiten um einiges lieber, weil ich mich von "Rebel" zugegebenermaßen stets eher ungerührt fühlte. Das ändert aber nichts daran, dass er aus rein cinematographischer Perspektive betrachtet großartig ist.

8/10

Nicholas Ray Coming of Age Teenager Familie Freundschaft


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GETTING STRAIGHT (Richard Rush/USA 1970)


"The question isn't about what you do, it's about what you are."

Getting Straight ~ USA 1970
Directed By: Richard Rush


Harry Bailey (Elliot Gould), Vietnam-Veteran und Lehramtsstudent in Oregon, liegt in den letzten Zügen vor seiner Master-Prüfung. Da gerät er in ein gewaltiges Dilemma, ob er sich tatsächlich dem ihm verhassten Establishment anschließen, also seine Freundin Jan (Candice Bergen) heiraten und irgendein genormter, obrigkeitshöriger Lehrer werden soll, oder ob er sich und seine liberalen Ideale nicht verbiegen lässt, auf jegliche Autorität pfeift und die radikalen Proteste seiner Kommilitonen unterstützt. Sein Prüfer (Leonard Stone) gibt ihm die letzte noch nötige Antwort.

Um das Jahr 1970, New Hollywood etablierte sich soeben, waren selbst die großen Studios mutig genug, eindeutigen politischen Statements in Filmform den Weg zu ebnen. Diese waren, dem Zeitgeist geschuldet, regelmäßig von establishmentkritischem, humanistischem und sozialistischem Gedankengut vom linken Ende des Spektrums beseelt. Noch kurz zuvor realisierte Filme wie "The Green Berets" waren nach unzweideutig postulierten Leinwand-Statements wie "Harold And Maude", "M.A.S.H." oder "Catch-22" endgültig unmöglich geworden. Neben dem radikal formulierten "The Strawberry Statement" bildete "Getting Straight" nun den zweiten großen "Campus-Film" des Jahres, eine anfänglich noch als Satire eingekleidete, didaktische Emphase, für sich den richtigen Lebensweg zu finden, eben "straight" zu werden. Daraus, dass die einzig denkbar korrekte Haltung für jedermann nun darin besteht, der gesellschaftlichen Verkrustung rund um republikanische Politik, Vietnam, Rassismus, ungleich verteilten Bildungschancen, sexueller Repression und Armut den Mittelfinger entgegenzurecken, macht "Getting Straight" spätestens am Ende keinen Hehl mehr. Fuckin' alright with me.
Anstatt von jedem knautschigen B-Horrorfilm wäre hiervon vielleicht mal ein Remake anzuberaumen, aber auch hübsch attraktiv besetzt, damit möglichst viele Teenies reingehen und mal was Vernünftiges fürs Leben lernen können.

8/10

Oregon Richard Rush Satire New Hollywood Universitaet Lehrer Studenten


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GIANT (George Stevens/USA 1956)


"Money isn't everything, Jett." - "Not when you've got it."

Giant (Giganten) ~ USA 1956
Directed By: George Stevens


In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts angesiedelte, generationenumfassende Chronik der texanischen Familie Benedict, die mit einer Rinderranch reich geworden ist, um dann mit Ölbohrungen noch reicher zu werden.

Jedesmal, da ich Stevens Mammutwerk wieder gesehen habe, denke ich mir, wie zwingend notwendig er eigentlich auf meine zugegebenermaßen nicht unkurze Lieblingsfilmliste gehörte. Aber da das mit den Listen ja sowieso alles Schmarren ist, lasse ich diesen Gedanken müßig sein. Ich bin ja ohnehin ein grundsätzlicher Intimus von Jahrzehnte umspannenden Familienchroniken, liegen sie nun in visualisierter oder in gedruckter Form vor. Da ich außerdem von Natur aus ein äußerst neugieriger Mensch bin und es mir ausnehmenden Spaß bereitet, anderen beim Zwietracht säen und Ränke spinnen zuzuschauen, darf das Ganze mitunter sogar etwas kitschig ausfallen. Am Schönsten ist es aber, wenn wohlhabende Kapitalisten auf die Schnauze fallen. Nun repräsentiert "Giant" eigentlich das ziemliche Gegenteil von alldem. Die Probleme und Schwierigkeiten der Benedicts differieren nicht sonderlich von denen einer jeden bürgerlichen Familie und der einzige, der am Ende das Nachsehen hat, ist der ohnehin stets eifersüchtige und neidische Emporkömmling Jett Rink (James Dean, klassisch). Eigentlich könnte man "Giant" auf den ersten Blick sogar widerlich finden, transportiert er sein liberales Gedankengut um Feminismus und Anti-Rassismus doch auf eine sehr betuliche Art und prononciert vordergründig Standesdünkel und Hochfinanz. Aber mit ein bisschen Röntgenblick findet man dann doch die wohlfeile Satire, das böse, hinterfotzige Augenzwinkern an diesem Ende und an jener Ecke und bemerkt, dass dieser epochale Film eigentlich mit keiner seiner Figuren hundertprozentig sympathisiert, außer vielleicht mit dem nahezu dialoglos auftretenden Angel Obrégon, der, aus einer Generation von Gastarbeitern stammend, im Zweiten Weltkrieg fürs falsche Vaterland fällt. Genau diese Satire ist es, die der Pracht von "Giant" erst ihren finalisierenden Schneid verleiht und genau darum ist Stevens' Meisterstück so einzigartig und grandios.

10/10

George Stevens Ranch Edna Ferber Familie Texas


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THE INFORMERS (Gregor Jordan/USA, D 2008)


"I just need someone to tell me."

The Informers ~ USA/D 2008
Directed By: Gregor Jordan


Um das Jahr 1983 krachen in und um Hollywood einige parallele Existenzen rund um den jungen Dealer Graham (Jon Foster) mächtig zusammen: Grahams Freundin Christie (Amber Heard) pflegt ihre Promiskuität und hat sich mit irgendeiner bösartigen Sexkrankheit angesteckt, die seltsame Läsionen auf der Haut hinterlässt, derweil sein Kumpel Martin (Austin Nicols) die Oberflächlichkeiten des Lebens schätzt und Musikvideos für bekokste Popstars dreht. Grahams wohlsituierte Eltern (Kim Basinger, Billy Bob Thornton) können sich nicht entscheiden, ob sie wieder zusammenmziehen wollen oder sich doch weiter hassen. Für Grahams anderen Freund Tim (Lou Taylor Pucci) wird der Aufenthalt mit seinem schmierigen Vater (Chris Isaak) auf Hawaii zur bloßen Tortur und der heroinsüchtige Rocksänger Bryan Metro (Mel Raido) verliert den boden unter den Füßen. Für den nicht minder fertigen Ganoven Peter (Mickey Rourke) heißt es nurmehr: ab durch die Mitte...

"The Informers" ist der Nachfolgeroman zu "American Psycho" und wie stets bei Bret Easton Ellis gibt es auch hier Rückbezüge und Vorausdeutungen betreffs älterer und noch kommender Geschichten, die das Yuppie- und Reichen-Amerika zu einem Albtraum-Babylon des ausklingenden Centenniums deklariert. Wie Ellis selbst, der sich ja stets aufs Neue im weitesten Sinne als ebenjener Generation zugehörig outet, neigen insbesondere auch seine bislang vier Adapteure dazu, der Faszination der Oberflächenreize seiner Geschichten zu verfallen.
Mit "American Psycho" habe ich es bislang zweimal versucht und fand ihn zunehmend fürchterlich, werde ihn aber mittelfristig nochmal probieren. Die anderen drei Filme, ergo auch "The Informers", mag ich ganz gern. Warum? Nun, Gregor Jordan füllt sein Zeitporträt mit mehr oder weniger schillernden Kulturartefakten, die gegenwärtig an neuer Bedeutung gewinnen; alles scheint sich wieder zu nullen, genau wie in den Achtzigern schon, alles wird wieder hohl, falsch und phrasiert. Das Jammern auf Gipfelniveau erklingt da an sämtlichen Ecken und Enden und man muss diesbezüglich wohl recht aufgeschlossen sein. Dann aber wird der Gegenwartsbezug unzweideutig sichtbar und der Rezipient hinreichend belohnt, insbesondere von der ausgeklügekten Hochglanzästhetik des Films. Zudem bildet der von "New Gold Dream" von den Simple Minds unterlegte Anfang, dem im Laufe des weiteren Films noch mancher große Song nachfolgt, einer der besten Filmeinstiege der letzten Jahre.

7/10

Coming of Age Ensemblefilm Gregor Jordan Drogen Hawaii Bret Easton Ellis Hollywood


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IN A LONELY PLACE (Nicholas Ray/USA 1950)


"I was born when she kissed me. I died when she left me. I lived a few weeks while she loved me."

In A Lonely Place (Ein einsamer Ort) ~ USA 1950
Directed By: Nicholas Ray


Der wegen seiner Aggressivität gefürchtete Scriptautor Dix Steele (Humphrey Bogart) gerät unter Mordverdacht: Er soll eine Gastronomie-Angestellte (Martha Stewart) umgebracht haben. Dix' Nachbarin Laurel (Gloria Grahame) stützt seine Alibi-Aussage bei der Polizei. Die beiden verlieben sich heftig ineinander und verleben ein paar glückliche Tage. Als Laurel dann jedoch Zeugin von einem von Dix' unberechenbaren Wutausbrüchen wird, der auch noch fast mit einem Totschlag endet, ist sie nicht mehr so sicher, ob ihr Geliebter wirklich so unschuldig ist wie er zu sein vorgibt. Zudem bekommt sie mehr und mehr Angst vor ihm.

Liebe und Verlust: Dieses eindrucksvolle Portrait der Filmstadt Hollywood, ihrer hoffnungsvollen Beschäftigten und ihrer Gefräßigkeit ist zugleich das filigrane Psychogramm eines neurotischen Cholerikers, dessen Emotionen in Extremsituation außer Kontrolle geraten. Den Status von "Sunset Boulevard" und "All About Eve" hat Rays unspektakulär traurig endende Love Story leider nie erringen können, dabei ist er ebenso wertig wie die Gennanten. Rays Kritik an der zynischen und unbarmherzigen Raffgier des Studiosystems greift an allen Ecken und Enden seines meisterlichen Films; Bogarts mutige Interpretation eines gewalttätigen Mannes, der sich über seine Fäuste definiert und dabei in Bezug auf jedwede Form der Zwischenmenschlichkeit ein ganz armes Würstchen ist, zählt, ähnlich wie die des Captain Queeg in "The Caine Mutiny", als gnadenlose Helden-Demontage zu den mutigsten seiner Karriere.

9/10

Nicholas Ray Hollywood film noir


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DE BRUIT ET DE FUREUR (Jean-Claude Brisseau/F 1988)


Zitat entfällt.

De Bruit Et De Fureur (Lärm und Wut) ~ F 1988
Directed By: Jean-Claude Brisseau


Der kleine Bruno (Vincent Gasperitsch) zieht in eines der namenlosen Hochhausappartements in den Banlieues südlich von Paris. Seine berufstätige Mutter bekommt er praktisch nie zu Gesicht, so bilden sein kleiner Zeisig "Superman", ein herbeiphantasierte Fee (Lisa Hérédia) und der ein paar Etagen tiefer wohnende Freund Jean-Roger (François Négret) Brunos soziale Hauptkontakte. Jean-Roger, ein höchst renitenter Jugendlicher, kommt aus einem völlig verwahrlosten Haushalt mit einem infolge der Algerienkrise schwer kriegstraumatisierten und dem Verbrechen verfallenen Vater (Bruno Cremer). Selbst Mord und Totschlag sind für Jean-Roger völlig normale Alltäglichkeiten. Brunos Lehrerin (Fabienne Babe) schafft es zwar zu ihm durchzudringen, doch auch sie kann nicht 24 Stunden in seiner Nähe sein - im Gegensatz zu Jean-Roger...

Aufrüttelndes und zugleich sehr poetisches Jugendporträt des französischen 80er-Kinos, das einen Brückenschlag wagt zwischen thematisch ähnlich gelagerten Filmen wie Charefs "Le Thé Au Harem D'Archimède" oder Assayas' "Désordre" und den transzendenten Metarealitäten eines Andrzej Zulawski oder Jean-Jacques Beineix. Stete Hoffnung spendend und am Ende doch tieftraurig und resigniert lässt Brisseau sein Publikum zurück; in einer drückenden und doch nie penetrant werdenden Wolke aus Sehnsucht, Gewalt und Tod. Brisseaus Botschaft ist all ihrer schweren Verdaulichkeit zum Trotze ganz einfach: Schon wer ein Mindestmaß überflüssiger Gewalt anwendet, kann unter Umständen und aus Versehen ganze Universen vernichten. Dass eine Schuldfrage darüber hinaus nie geklärt werden kann beziehungsweise sich eine solche Frage erst gar nicht stellt und es nur Verlierer gibt, macht die Geschichte der beiden Jungs Bruno und Jean-Roger umso bitterer.

9/10

Schule Jean-Claude Brisseau Banlieue Jugend Coming of Age


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THE SAVAGE SEVEN (Richard Rush/USA 1968)


"Today's Christmas Day!"

The Savage Seven (Die grausamen Sieben) ~ USA 1968
Directed By: Richard Rush


Kisum (Adam Roarke) und seine Rockerkumpels kommen auf ihren Maschinen in ein Indianerreservat. Zunächst gibt es ein wildes Angekläffe, dann bemerken beide Gruppen, dass sie als jeweilige gesellschaftliche Außenseiter im Grunde derselben Fraktion angehören und feiern, nachdem Kisum für den örtlichen Kaufladen des fetten weißen Ausbeuters Fillmore (Mel Berger) kurzerhand einen "Geschenketag" erklärt hat, ein rauschendes Freundschaftsfest. Doch die Idylle währt nicht lang: Fillmore sind die Insmen schon lange ein Dorn im Auge und auch die frechen Rocker sollen ihre Strafe erhalten - also hetzt er sie gegeneinander auf. Als man endlich merkt, dass man nur einer gemeinen Verschwörung aufgesessen ist, ist es bereits zu spät - das Reservat liegt in Schutt und Asche.

Inmitten all der Rockerfilme, die die AIP während dieser Jahre produziert haben, nimmt "The Savage Seven" eine gewisse Sonderstellung ein. Hier durften die längst als "social disease" geouteten Lederfreaks nämlich endlich auch mal außerhalb ihrer eigenen Subkultur koalieren - mit den unter einer noch wesentlich längeren Tradition der gesellschaftlichen Ungerechtigkeit leidenden Indianern nämlich. Das große, immerwährende Unglück dieser wie jener ist bloß ihre Impulsivität - ein kleines Streichholz genügt und die aufgestauten Aggressionen explodieren abermals. Eine Gegebenheit, die der bürgerliche (oder wahlweise weiße) Mann stets zu seinem Vorteil zu nutzen wusste, s. die diversen "Winnetou"-Filme. Am Ende ist es die Dummheit, die Rocker und Rothäute betreten vor den Ruinen ihrer Unbesonnenheit stehen lässt.

7/10

Richard Rush Indianer Rocker Subkultur


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HEATHERS (Michael Lehmann/USA 1988)


"Grow up Heather, bulimia's so '87."

Heathers (Lethal Attraction) ~ USA 1988
Directed By: Michael Lehmann


Veronica (Winona Ryder) ist Schülerin an der Westerburg High, wo sie sich dem Trio der drei "Heathers" (Kim Walker, Lisanne Falk, Shannen Doherty) angeschlossen hat, einer elitären Tussiclique, die ihren lieben langen Tag damit verbringt, weniger beliebte Mitschüler zu drangsalieren und in Oberflächlichkeiten zu schwelgen. Als der flotte J.D. (Christian Slater) in Westerburg auftaucht, der sich von keinem ans Bein pinkeln lässt, ist Veronica schwer hingerissen. Doch J.D. erweist sich als gemeingefährlicher Psychopath, für den die Befreiung der Welt von dem Schulkastensystem einzig in dessen rigoroser Ausrottung besteht - und das wortwörtlich.

Das Paradoxon, die Qualitäten eines Films zu erkennen und anzuerkennen, ihn aber zugleich recht unsympathisch finde, widerfährt mir sehr selten. Im Falle "Heathers" jedoch geschah ebenjenes. Lehmanns Film gilt ja als eine der schwärzesten Highschool-Satiren überhaupt und auch als Musterbeispiel für diese Gattung; zugleich formuliert er - zeitkontextbezogen - eine scharfe Replik auf die laut Lehmann und Autor Daniel Waters schönfärberische und konsensfähige Welt der John-Hughes-Komödien. Stimmt alles und wurde sicherlich auch mit gescheitem Witz entworfen und realisiert. Allerdings ist mir das exponierte Schnepfen-Bestiarium von "Heathers" und die damit verbundenen Unart ganz der veranschlagten Intention gemäß sehr zuwider und somit empfand ich die Mordlust des Slater-Charakters auch weniger als empörend denn vielmehr höchst angebracht. Damit ist jedwede Funktionalität dieses Films natürlich völlig dahin - ich muss mich schlichterdings als falschen Adressaten bezeichnen und erinnere mich mit Wehmut an den mir viel mehr gebenden "Teachers". Wie spricht es J.D. gleich so schön aus... : "Diese Typen haben's nicht anders verdient." Verdammt richtig, Mann. Und insofern gar nicht mal böse, sondern bloß gerecht.

6/10

Michael Lehmann Satire Groteske Schule





Filmtagebuch von...

Funxton

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