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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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I AM A FUGITIVE FROM A CHAIN GANG (Mervyn LeRoy/USA 1932)


"How do you live?" - "I steal."

I Am A Fugitive From A Chain Gang (Jagd auf James A.) ~ USA 1932
Directed By: Mervyn LeRoy

Nach seiner Rückkehr als Soldat aus dem Ersten Weltkrieg will James Allen (Paul Muni) etwas mehr vom Leben als seinen alten Fließbandjob in der örtlichen Fabrik. Seine Streifzüge durch die Staaten sind jedoch nicht von Erfolg gekrönt; er wird im Süden sogar in einen Raubüberfall verwickelt und zu zehn Jahren als Kettenhäftling verurteilt. Der inhumane Strafvollzug jedoch macht ihm rasch klar: Die einzigen Alternativen lauten Flucht oder Tod. Nach einem erfolgreichen Ausbruch lässt sich James unter verändertem Namen in Chicago nieder und arbeitet sich mit den Jahren zum Vize-Vhef einer Brückenbau-Firma hoch, bis ihn seine gierige Ehefrau Linda (Noel Evans) an die Behörden verrät. Unter der Garantie, eine kurze Reststrafe abzusitzen, begibt sich der nunmehr respektierte Bürger James Allen erneut ins Gefängnis, nur um sich dann von der Justiz im Stich gelassen zu finden...

"I Am A Fugitive From A Chain Gang" formuliert deftige Sozialkritik in Reinkultur; ein ehrbarer Staatsbürger, ein Kriegsheld gar, wird zur persona non grata, weil er sich schlicht weigert, einen ihm vorgezeichneten Weg zu gehen. Damit nicht genug gerät ebenjener Mann ein zweites Mal in die Mühlen der Justiz wegen seiner konsequenten Weigerung, sich von einem repressiven System brechen zu lassen. Das ist für einen Studiofilm von 1932 recht harter Tobak und gibt bereits eine Linie vor, die mit Filmen wie "Fury", "You Only Live Once", "Grapes Of Wrath" und "The Ox-Bow Incident", die mehr oder weniger offene Kritik an Staat und Gesellschaft übten, fortgesetzt werden sollte, allerdings lediglich in Form einiger rarer Blitzlichter. LeRoys Film besteht darüber hinaus als ein aufrichtiges Plädoyer für Verzeihen und Pardon, für Einsicht und Menschlichkeit. Und Paul Muni in seiner zweiten großen Rolle nach "Scarface" ist exzellent als bis aufs Blut getriezter Veteran, dem angesichts der ihn umgebenden Ungerechtigkeiten die Fassung zu verlieren droht.

9/10

Mervyn LeRoy Chicago Gefängnis Flucht WWI


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THE SAVAGE INNOCENTS (Nicholas Ray/UK, I, F 1960)


"This man is hungry."

The Savage Innocents (Im Land der langen Schatten) ~ UK/I/F 1960
Directed By: Nicholas Ray


Der erste Kontakt mit der sogenannten Zivilisation endet für den Eskimo Inuk (Anthony Quinn) in einer Katastrophe: Er erschlägt im Affekt einen Geistlichen (Marco Guglielmi), der die in den Augen der Inuit unverzeihliche Unverschämtheit besitzt, Inuks Angebot, mit seiner Frau (Yoko Tani) zu schlafen, abzulehnen. Was für das an das raue Naturleben gewöhnte Paar einen unglücklichen Zwischenfall darstellt, ist im Auge des weißen Gesetzes ein Kapitalverbrechen. Zwei Polizisten (Peter O'Toole, Carlo Giustini) jagen Inuk durch die Wildnis und verhaften ihn schließlich. Erst ein zäher Begreifensprozess führt dazu, dass Inuk nicht der Gerichtsbarkeit übergeben wird.

"Nicholas Ray ist das Kino" verkündete Godard einst und angesichts so herzzereißender Filme wie "Johnny Guitar" und auch "The Savage Innocents" ist man sehr geneigt, ihm dieses hochtrabende Postulat abzunehmen. Der culture clash zwischen der untechnisierten Welt der Inuit, die ein Kleinkalibergewehr für ein geradezu göttliches Wunder halten und dem okzidentalen Lebensstil, in der es nebenbei noch Flugzeuge, Bücher, Häuser, Musikboxen, Alkohol und, am schlimmsten, Gesetzbücher und Bibeln gibt, endet für die einfach, aber umso lebensbejahender gestrickten Menschen des Nordens in einem Meer des Zweifelns und der Verständnislosigkeit. Schnell wird Inuk und ganz besonders Asiak klar, dass die vermeintlichen Bequemlichkeiten und Verlockungen der Parallelwelt nichts anderes sind als Schwachmacher und korrumpierende Luxusartikel. Ray erzählt dieses berührende, zutiefst humanistische Märchen im Stile eines Bilderbuches für Kinder, lässt einen Off-Erzähler Wissenswertes über die arktische Hemisphäre verkünden und wirft zivilisationskritische Fragen auf, deren Immanenz sich wohl niemand entziehen kann, der diesen wunderbaren Film genossen hat.

9/10


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SHOCK CORRIDOR (Samuel Fuller/USA 1963)


"I am impotent... and I like it!"

Shock Corridor ~ USA 1963
Directed By: Samuel Fuller


Um vor Ort den Mord an einem Psychiatrie-Patienten aufzuklären und für die entsprechende Story den Pulitzer-Preis einzuheimsen, inszeniert der Investigationsjournalist Johnny Barrett (Peter Breck) seinen eigenen psychischen Verfall: er hege sexuelle Gedanken gekoppelt mit unkontrollierbarer Aggression gegenüber seiner "Schwester" Cathy (Constance Towers), die in Wahrheit seine Lebensgefährtin ist. Als Johnny dann in die Nervenheilanstalt eingewiesen wird, schafft er es schließlich, den Mörder mitsamt Motiv ausfindig zu machen, wird jedoch parallel dazu zu einem tatsächlichen psychischen Wrack.

Karriegeilheit um den Preis des Wahnsinns: Wer mit der Psychotherapie spielt, so "Shock Corridor", kann leicht zu ihrem Opfer werden. Was Fuller hierin präsentiert, der Abstieg in die Welt der schweren, unheilbaren Psychosen und seelischen Leiden, mitsamt einer mörderisch-suggestiven Visualisierung derselben, das ist nichts weniger als meisterlich. "Shock Corridor" beinhaltet zahlreiche unvergesslich-beunruhigende Einstellungen; einen - sich freilich nur in Barretts Kopf ereignende - Platzregen auf dem Gang der Psychiatrie, eine furchtbare Elektroschock-Therapie, Barretts Befragungen der drei Zeugen, jene allesamt Opfer der Gesellschaft und ihrer Barbareien. Stuart (James Best) ist ein schwer traumatisierter Kriegsveteran und zwischenzeitlicher Überläufer, Trent (Hari Rhodes) war einst der erste farbige Schüler an einer gemischtrassigen Schule im Süden und hat über die permanenten Anfeindungen hinaus den Verstand verloren, Boden (Gene Evans) hat bei der Entwicklung von Atom- und Wasserstoffbomben mitgeholfen und seine universelle Schuld nicht verkraftet. Und dann sind da noch die übrigen Patienten; der übergewichtige, sich selbst für einen Opernsänger haltende Pagliacci (Larry Tucker) etwa. Dieses Panoptikum schwer gestörter Individuen, dem sich Barrett am Ende, als er angesichts seiner Erlebnisse zunächst in eine schwere Zwangsneurose und dann in die Katatonie verfällt, chancenlos integriert, lässt sich in umschreibender Weise kaum umreißen. Man sollte selbst einen Blick darauf werfen und danach schweigend in sich gehen. Aber bitte ohne katatonisch zu werden, wobei diese Gefahr wohl nicht von der Hand zu weisen ist...

10/10

Samuel Fuller Psychiatrie Independent Journalismus Madness


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THE SOCIAL NETWORK (David Fincher/USA 2010)


"He's wired in."

The Social Network ~ USA 2010
Directed By: David Fincher


Wie der Harvard-Student Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) die Idee eines Studenten-Netzwerks plagiiert, ausbeutet, damit Milliarden macht und von seinen früheren Teilhabern der Reihe nach verklagt wird.

"The Social Network" sollte man eigentlich durch einen Zeittunnel in die Vergangenheit entsenden und ihn den klassischen Dystopisten von Wells bis Huxley vorstellig machen - die würden sich höchstwahrscheinlich mit Grausen abwenden angesichts der heuer verbreiteten Kommunikationsmodelle, die Finchers Film vorführt. Wie sämtliche der letzten Arbeiten des Regisseurs hat auch dieses Projekt seine Momente, die ich auf die formale Glätte und die wirklich erlesene, von allerhöchster Könnerschaft zeugende Oberfläche zurückzuführen geneigt bin, ansonsten hat "The Social Network" mich weithin kalt, unbeeindruckt und schulterzuckend zurückgelassen sowie mit der zunehmend dringlichen Frage im Cortex, was ein Oliver Stone, und noch besser ein zwanzig Jahre jüngerer, mit einem solchen, implizit höchst kritikwürdigen Stoff angestellt hätte. Einem privilegierten Spinner und seiner Internet-Idee beim Reichwerden und Kumpels verprellen zuzuschauen, ist eben nicht so ganz meine Art Faszinosum.

6/10

Mark Zuckerberg Boston Harvard Kalifornien Facebook Internet David Fincher Biopic


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THEY DRIVE BY NIGHT (Raoul Walsh/USA 1940)


"Early to rise and early to bed, makes a man healthy, but socially dead!"

They Drive By Night (Nachts unterwegs) ~ USA 1940
Directed By: Raoul Walsh


Die beiden Brüder Joe (George Raft) und Paul Fabrini (Humphrey Bogart) verdingen sich in Kalifornien als Wild-Trucker, nehmen also Aufträge an, ohne bei einer bestimmten Spedition angestellt zu sein. Der Job ist hart und die Grenze zum Existenz-Minimum permanent in nächster Nähe. Nach einem Unfall, bei dem Paul seinen rechten Arm verliert, entschließt sich Joe, eine Festanstellung bei seinem alten Kumpel Ed Carlsen (Alan Hale) anzunehmen. Dessen Frau Lana (Ida Lupino) hat schon früher ein Auge auf Joe geworfen und versucht auch jetzt, da Joe soeben eine feste Beziehung mit der hübschen Cassie (Ann Sheridan) eingegangen ist, ihn mit allen Mitteln zu bekommen.

Mit dem von mir eingeschlagenen Weg ins Herz des goldenen Gangsterkinos hat "They Drive By Night" eigentlich nichts zu tun; vielmehr bildet er einen recht unikalen Brückenschlag zwischen gewissenslastigem, engagierten Sozialkino wie "Grapes Of Wrath" und dem sich in Kürze zur vollen Blüte entfaltenden film noir. Die Grundzüge beider Gattungen sind jeweils signifikant vorhanden und dabei fein säuberlich voneinander abgegrent: In der ersten Hälfte von "They Drive By Night" zeigt Walsh die unerbittlichen Arbeitsbedingungen der "Landschaftskapitäne", die teils unversichert und auf eigene Gefahr für ein Butterbrot zu werken hatten. Nachdem dieses Kapitel bereits zu Lasten eines der Protagonisten enden muss (Bogart gibt sich hier im Vergleich zu den folgenden Rollen noch sehr verletzlich und angepasst), bekommt es der andere in der zweiten Hälfte mit einer zunehmend dem Wahnsinn verfallenden femme fatale und einer Mordanklage zu tun, die er als gänzlich Unschuldiger jedoch aussitzen kann.
Dass die Ära des Gangsterfilms, parallel zum Beginn des Zweiten Weltkrieges übrigens, eine Zwangspause benötigte, demonstriert besonders der Einsatz der beiden Ex-Erzbösewichte Raft und Bogart in für sie ungewöhnlichen Heldenparts. Umso sympathischer, sie auch einmal darin genießen zu können.

7/10

Raoul Walsh Kalifornien Road Movie femme fatale film noir


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THE ROARING TWENTIES (Raoul Walsh/USA 1939)


"Here's one rap you ain't gonna beat!"

The Roaring Twenties (Die wilden Zwanziger) ~ USA 1939
Directed By: Raoul Walsh


In den frühen zwanziger Jahren, das Prohibitionsgesetz ist soeben vom Stapel gelaufen, macht der Weltkriegsveteran Eddie Bartlett (James Cagney) eine steile Karriere als Bootlegger und Alkoholschmuggler. Bei der Aufrechterhaltung einer legalen Fassade als Taxiunternehmer hilft ihm sein alter Kamerad Lloyd (Jeffrey Lynn), seines Zeichens Anwalt und treuer Freund Eddies. Als die beiden auf George Hally (Humphrey Bogart), der mit ihnen seinerzeit ebenfalls in einem deutschen Bombentrichter gelegen hat, treffen, ist die alte Allianz wieder vollzählig. Doch George hält wenig davon, die zweite Geige zu spielen und hintergeht Eddie, dem ferner der Liebeskummer seinen ohnehin morsch werdenden Ast ansägt...

Und wieder Cagney und Bogey als Ex-Genossen und Berufsrivalen, von denen einer durch die Hand des anderen ins Gras beißt und der Täter an den Folgen seiner Rachsucht stirbt. Allerdings ist hier erstmals einer der großen Gangsterfilme der Dreißiger als period piece angelegt; blickt "The Roaring Twenties" doch zwanzig Jahre in der Landeshistorie zurück und beschwört bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Romantik der Flüsterkneipen und den unwiderstehlichen Charme von in Hinterzimmern gebrautem Champagner, der mit dem Originalgetränk soviel gemein hat wie ein schottischer Single Malt mit Pennerfusel. Auf die frivole und leicht anrüchige Atmosphäre kam's eben an, und die stimmte offensichtlich. Damit einher ging als Medaillenkehrseite jedoch auch der berufliche Aufstieg der großen und kleinen Gangster und hier sind wir wiederum iom personellen Mythos angelangt. Cagney spielt mit Eddie Bartlett die erste seiner kriminellen Figuren, der uneingeschränkte Sympathie gebührt, wenngleich auch bereits "Angels With Dirty Faces" in diese Richtung wies. Für Bartlett als Veteran erweist es sich bei aller Ambition als unmöglich, einer geregelten Arbeit nachzugehen; der Abstieg in das Unterwelt-Milieu gerät folglich zur existenziellen Notwendigkeit - wenn auch als recht komfortable. An wirklichen Kapitalverbrechen ist Eddie jedoch nie beteiligt und am Ende stirbt er als Held und Retter, der ihm letzten Moment die verdiente Absolution erfährt.
Hiernach konnte praktisch erstmal nichts mehr kommen, für den Zeitraum der folgenden zehn Jahre war's daher um Cagneys Gangsterinterpretationen geschehen.

9/10

Raoul Walsh period piece Historie Freundschaft WWI Prohibition New York Robert Rossen


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ANGELS WITH DIRTY FACES (Michael Curtiz/USA 1938)


"Whadda ya say - whadda ya hear?"

Angels With Dirty Faces (Chicago - Engel mit schmutzigen Gesichtern) ~ USA 1938
Directed By: Michael Curtiz


Nach einem seiner zahlreichen Gefängnisaufenthalte kehrt der berüchtigte Gangster Rocky Sullivan (James Cagney) in sein Chicagoer Kindheitsviertel zurück. Von dort aus plant er, eine offene Rechnung mit seinem windigen, ihn übervorteilenden Anwalt Frazier (Humphrey Bogart) zu begleichen. Dass die Kids der Gegend Rocky und seinen vagabundierenden Lebensstil hoffnungslos idealisieren, sieht Rockys Jugendfreund Jerry Connolly (Pat O'Brien), mittlerweile hiesiger Pfarrer, alles andere als gern.

Herzzereißendes Melodram um Freundschaft, divergierende Lebenswege und darum, dass banale Faktoren wie die Höhe eines Lattenzaunes zuweilen ganze Schicksale entscheiden können. Mit "Angels With Dirty Faces" - der Titel dürfte sich unzweifelhaft auf die nach "Dead End" zum zweiten Mal im Filmeinsatz befindliche, sechsköpfige Gruppe der "Dead End Kids" unter ihrem Kopf Billy Halop beziehen - verlässt Curtiz das althergebrachte Terrain des eindimensionalen Gangsterfilms und stellt mit Rocky Sullivan einen zwar intuitiv gewissenlos vorgehenden, im Herzen seines Wesens jedoch edlen Charakter vor, kurzum, eine Identifikationsperson, einen veritablen Antihelden gar. Die Fallhöhe ist am Ende zwar tief (auf seiner aussichtslosen Flucht nach vollendeter Rache erschießt der wild um sich ballernde Sullivan zwei Polizisten), wird durch eine beschämend gutherzige, moralisch einwandfreie Freundschaftstat im Angesichte seiner Hinrichtung durch Staat und Gesetz jedoch mehr als wett gemacht. Seinen besonderen Reiz bezieht "Angels" aus den mustergültigen, gesellschaftlich opponierenden Kindheitsfreunden 'Gangster' und 'Geistlicher', die pikanterweise von zwei auch im wirklichen Leben befreundeten, irischstämmigen Darstellern gemimt werden. Bogart als feiger, hinterfotziger Winkeladvokat macht indes zwar einen ordentlichen Job, dramaturgisch betrachtet jedoch keine sonderlich gute Figur. Von seiner Ikonographie rückt er nach seinem Baby Face Martin aus "Dead End" wieder ein ganzes Stück fort.

9/10

Freundschaft Chicago Michael Curtiz Biographie


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THE AMAZING DR. CLITTERHOUSE (Anatole Litvak/USA 1938)


"Crime and research!"

The Amazing Dr. Clitterhouse (Das Doppelleben des Dr. Clitterhouse) ~ USA 1938
Directed By: Anatole Litvak


Der erfolgreiche Mediziner Dr. Clitterhouse (Edward G. Robinson) interessiert sich für die physiologischen Begleiterscheinungen der Täter beim Ausüben ihrer Verbrechen und möchte eine wissenschaftliche Abhandlung dazu verfassen, die der Kriminologie wegweisende Neuerkenntnisse verschafft. Aus diesem Grunde entschließt sich Clitterhouse, selbst eine zeitliich befristete Karriere als Krimineller einzuschlagen, um so authentischere Feldergebnisse zu erhalten. In den entsprechenden Kreisen gilt der nur als "Professor" bezeichnete Einbruchsspezialist bald als Ikone auf seinem Gebiet, bis ihm ein anderer Gangster (Humphrey Bohgart) auf die Schliche kommt.

Die hoffnungsvoll einstimmende Titelsequenz um einen geheimnisvoll rauchenden Erlenmeyerkolben lässt einen bereits frohlocken, wirkt sie doch, als habe man es mit einer hübsch antiquierten Mär um einen verrückten Wissenschaftler zu tun. Diese Prämisse vermag "Dr. Clitterhouse" jedoch bestenfalls zu kleinen Teilen zu erfüllen, wie der Film sich überhaupt ein wenig zwischen alle Stühle setzt. Dem Gangsterkino kann er nicht recht zugezählt werden, für eine Komödie oder Satire ist er zu selten witzig und als dramatische Fallstudie eines strauchelnden Wissenschaftlers haut Litvaks Film schon gar nicht hin. So bleibt nur, sich am wie immer überragenden Spiel Robinsons zu erfreuen und sich von der eigenartigen Geschichte, die die ernstzunehmenden sozialpolitischen Ansätze von "Dead End" übrigens wieder komplett beiseite blies und erneut die Mär vom "Verbrecher-Gen" aufzutischen trachtete, nebst ihrem noch eigenartigeren Abschluss, unterhalten zu lassen. Eine - aufgrund ihrer bizarren thematischen Exotik - immerhin recht amüsante Randerscheinung des zeitgenössischen Gangsterfilms. Laut seinem Biograph Alan Barbour soll Bogey, um sein nachhaltiges Missfallen des Films zum Ausdruck zu bringen, ihn in späteren Jahren übrigens recht abschätzig als "The Amazing Dr. Clitoris" bezeichnet haben. Ob das wirklich den Tatsachen entspricht, weiß ich nicht genau, überaus lustig findet ,mein pubertierender Humorsinn das aber allemale.

6/10

Mad Scientist Heist New York Anatole Litvak


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DEAD END (William Wyler/USA 1937)


"Nothing for nothing, kid."

Dead End (Sackgasse) ~ USA 1937
Directed By: William Wyler


Der landesweit berüchtigte Gangster Baby Face Martin (Humphrey Bogart) kommt nach einer aufwändigen Gesichtsoperation in sein altes Viertel im New Yorker Hafen, um seine Mutter (Marjorie Martin) und seine frühere Flamme Francey (Claire Trevor) wiederzusehen. Beide Begegnungen enden für Martin in Enttäuschung und Ernüchterung. Ansonsten hat sich wenig in der Sackgasse geändert: Die Kids spielen nach wie vor im Dreck und lassen erahnen, dass ihre kleinen Gaunereien einst zu großen werden dürften; der arbeitslose Architekt Dave (Joel McCrea) ist derweil die aufrechte Seele der Straße. Dann öffnet ein Luxushotel wegen Umbauarbeiten seine Hintertür zu der Hafenstraße öffnen, was zu einigen vorprogrammierten Konflikten und schließlich zu Martins Verhängnis führen wird.

Zu einer Art "Cannery Row" an der Ostseite und im Gangstermilieu ist Wylers meisterliche Bühnenverfilmung geraten. Bogey präsentiert sich in seiner bis dato famosesten Darbietung als knallharter Ganove, dessen letzter Rest Herz ihm ausgerechnet in seiner früheren Heimat aus der Brust gerissen wird und der hernach praktisch den Tod sucht und findet. Dass Bogart hier noch an dritter Stelle der Besetzungsliste genannt wird, dürfte auch einzig und allein der Tatsache geschuldet sein, dass McCrea als Held auftritt und ihm somit das Einsertreppchen gebührt - eine blanke Ungerechtigkeit, die im Direktvergleich der beiden Auftritte auch ganz rasch transparent wird. Ferner ist "Dead End" ein frühes Ensemble-Stück; neben der Geschichte um Baby Face Martin wird uns die ebenbürtige Story der sogenannten 'Dead End Kids' präsentiert, sechs Jungen im frühen Teenageralter, die das Bandenwesen sozusagen mikrosoziologisch widerspiegeln und die Anfänge krimineller Karrieren beleuchten. Überhaupt ist der schneidende sozialpolitische Kommentar des Films, der ausgezeichnet mittels des rahmengleichen Ab- und Wiederauftauchen der Kamera in das (und aus dem) handlungstragende(n) Viertel visualisiert wird, als eine Art Pionierleistung. Erstmals werden die Kriminellen und ihre Ursprünge als Produkte sozialer Unebenheiten personifiziert und nicht als erbgeschädigte Psychopathen.
Die 'Dead End Kids' erwiesen sich im Übrigen als derart beliebt beim Publikum, dass sie in wechselnder Konstellation noch in mehreren Filmen auftraten; in "They Made Me A Criminal", einem Quasi-Sequel zu "Dead End", sogar nochmal in denselben Rollen.

10/10

William Wyler New York Hafen based on play


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THE PETRIFIED FOREST (Archie Mayo/USA 1936)


"Let there be killing."

The Petrified Forest (Der versteinerte Wald) ~ USA 1936
Directed by: Archie Mayo


Der gefürchtete Raubgangster Duke Mantee (Humphrey Bogart) und seine Gang verschanzen sich kurzzeitig in einem Tankstellen-Diner mitten in der Wüste von Arizona. Während dieser Tortur findet der als Geisel genommene Wanderautor Alan Squier (Leslie Howard) sein verloren geglaubtes Herz wieder und entschließt sich zu einer Wanhnsinnstat.

Theaterverfilmung in artifizieller Kulisse und dabei einer der schönsten Hollywood-Filme des gesamten Jahrzehnts. Basierend auf dem Stück von Robert E. Sherwood übertragen Delmer Daves und Charles Kenyon eine ganze Kohorte wunderbarer, kluger Dialoge in Bette Davis' kleines Atelier-Café vor sichtlich gemalter Wüstenleinwand und lassen Leslie Howard in einer Rolle, die nebenbei jeder Schauspieler als Geschenk von höchsten Gnaden bezeichnen muss, als eine Art desillusionierten Prä-Kerouac genau hier stranden. Squier ist ebenso wie der Zuschauer bewegt und entzückt, als er die unbehauene Wüstenrose Bette Davis entdeckt, die Villon-Gedichte liebt (wobei sie den Namen des Poeten freilich ganz naiv-amerikanisch ausspricht) und Ölbilder malt. In diese ohnehin surreale Szenerie knallt ein bis dato fast unbekannter Bogie mit ungewohnt wildem Haupthaar und brutaler Killervisage, der an Absichten und Gewissenlosigkeit keine Fragen offen lässt. Dennoch entwickelt sich sein gewalttätiges eingreifen zu einer wichtigen Zäsur im Leben der Beteiligten. Das alles ist so wunderbar sensibel und mit ehrlicher Kitschpatina inszenert, dass man alle fünf Minuten während des Genusses von "The Petrified Forest" förmlich dahinschmelzen möchte.

9/10

based on play Delmer Daves Kidnapping Restaurant Arizona Archie Mayo





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Funxton

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